Nationalsozialismus in Mosbach - Baden
: Rechtsextremismus und Neofaschismus : Anti-Semitismus : Anti-Ziganismus : Homophobie : Rassismus : Diskriminierung 

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HISTORISCHES & AKTUELLES:
Reparationen für
deutsche Kolonialverbrechen
als Wegbereitung für NS-Verbrechen
- Deutsch-Südwestafrika (Namibia)
- Deutsch-Ostafrika (Burundi, Ruanda, Tansania)
- Deutsch-Togo
- Deutsche Kolonie Kamerun

FRAGESTELLUNG ZUR
Kontinuitätsthese,
nach der es eine Kontinuität
von den kolonialen Verbrechen
des Deutschen Reiches in Südwestafrika
zum Holocaust gibt

 Zuletzt AKTUALISIERT am 22.03.2025 ! 

STRAFANTRAG vom 24.07.2024 gegen den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der AfD im NRW-Landtag, Sven Tritschler
… wegen geschichtsrevisionistischer und rechtsextremer Volksverhetzung Anfang Juli 2024 durch Verhöhnung, Verächtlichmachung und Diskreditierung der Opfer des ersten Völkermords im 20. Jahrhundert durch deutsche Schutztruppen der deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika als Deutsches rassistisches Unrechtsregime mit Konzentrationslagern. Verschweigen, Verleugnen und Verharmlosen von Deutschen Kolonialverbrechen in Afrika u.a. entgegen der Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama mit der offiziellen Entschuldigung der Bundesregierung in 2021.
240724_922_20221_Nambia_Volksverhetz_BLIND.pdf (182.32KB)
STRAFANTRAG vom 24.07.2024 gegen den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der AfD im NRW-Landtag, Sven Tritschler
… wegen geschichtsrevisionistischer und rechtsextremer Volksverhetzung Anfang Juli 2024 durch Verhöhnung, Verächtlichmachung und Diskreditierung der Opfer des ersten Völkermords im 20. Jahrhundert durch deutsche Schutztruppen der deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika als Deutsches rassistisches Unrechtsregime mit Konzentrationslagern. Verschweigen, Verleugnen und Verharmlosen von Deutschen Kolonialverbrechen in Afrika u.a. entgegen der Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama mit der offiziellen Entschuldigung der Bundesregierung in 2021.
240724_922_20221_Nambia_Volksverhetz_BLIND.pdf (182.32KB)


Seiteninhalt:

  1. NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach

    1.1 Antrag vom 22.04.2023 auf amtsseitige Verfügung zur Gerichtlichen Prüfung der Reparationsforderungen der Herero und Nama aus Namibia zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika

    1.2 Antrag vom 18.05.2023 auf amtsseitige Verfügung zur Gerichtlichen Prüfung der  in 2023 diskutierten Reparationsforderungen aus Tansania wegen  deutscher rassistischer und kolonialer Verbrechen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika

    1.3 DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDEN vom 30.09.2023 wegen AMTSSEITIGER UNTÄTIGKEIT gegen die fallverantwortlichen Spruchkörper beim Oberlandesgericht Karlsruhe unter 16 WF 43/23 in Verfahren… zur AUFARBEITUNG VON DEUTSCHEN KOLONIALVERBRECHEN IN AFRIKA sowie von RECHTSEXTREMISTISCHEN RASSISTISCHEN DISKRIMINIERUNGEN VON MENSCHEN MIT AFRIKANISCHEM HINTERGRUND seit 1945

  2. Online-Artikel zu deutschen Kolonialverbrechen als historische Vorbereitung zu Nationalsozialistischen Verbrechen

    2.1 Online-Artikel zu Deutschen Kolonialverbrechen als Kontinuitäts-Wegbereitung für NS-Verbrechen

    2.2 Online-Artikel zu Reparationen und Entschädigungen für Deutsche Kolonialverbrechen in Afrika

    2.3 Online-Artikel zu Restitutionen von Raubkunst aus Afrika 

  3. YouTube-Videos zur Wiedergutmachung und Entschädigung von deutschen Kolonialverbrechen

SIEHE AUCH:


Wir Herrenmenschen: Unser rassistisches Erbe: Eine Reise in die deutsche Kolonialgeschichte - Mit zahlreichen Abbildungen Gebundene Ausgabe – 4. März 2019

Wie uns das Denken der Kolonialzeit noch immer prägt – eine packende Geschichtsreportage zur aktuellen Debatte Die deutschen Kolonien - dieses Kapitel unserer Geschichte ist beunruhigend aktuell, wie Bartholomäus Grill zeigt. Und das nicht nur im Bewusstsein der Afrikaner selbst (etwa der Nachfahren der Herero, die heute Entschädigung für Gräueltaten der Deutschen fordern). Sondern auch in unseren eigenen Köpfen. Der SPIEGEL-Reporter, einer der besten deutschen Afrikakenner, hat in den letzten drei Jahrzehnten an allen Schauplätze des ehemaligen Kolonialreichs recherchiert, er hat mit den letzten Augenzeugen gesprochen, den Nachkommen von Tätern wie Opfern. Grill verfolgt akribisch die Spuren der deutschen Fremdherrschaft in Afrika, China und der Südsee und beschreibt unser rassistische Erbe: Das Herrenmenschentum prägt nach wie vor unser Denken, die Klischees von den „bedrohlichen Afrikanern“ oder „hilflosen Entwicklungsländern“ wirken fort, gerade in Zeiten verstärkter Flucht und Migration. Eine packende historische Reportage – und zugleich ein Debattenbuch von höchster Aktualität.


1. NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach

Amtsgericht Mosbach: Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Amtsgericht_Mosbach#/media/Datei:Mosbach-kloster-amtsgericht1.jpg

Amtsgericht Mosbach
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
Telefon:
06261 - 87 0
(Zentrale)
Telefax:
06261 - 87 460
(Zentrale Faxnummer)

NS- und Rechtsextremismus-Verfahren bei der Mosbacher Justiz:

AKTUELLE NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach u.a. seit 03.06.2022 >>>

Historische NS-Verfahren der Mosbacher Justiz >>>

Zuständigkeit des Amtsgerichts Mosbach in NS- und Rechtsextremismus-Verfahren >>>

Frühere außergerichtliche NS-Aufarbeitungen 2005 bis 2011 >>>

Frühere gerichtliche NS-Aufarbeitungen 2004 bis 2010 >>>



Colonial Genocide and Reparations Claims in the 21st Century: The Socio-Legal Context of Claims under International Law by the Herero against Germany for ... in Namibia, 1904-1908 (English Edition)

More and more, the descendants of indigenous victims of genocide, land expropriation, forced labor, and other systematic human rights violations committed by colonial powers are seeking reparations under international law from the modern successor governments and corporations. As the number of colonial reparations cases increases, courts around the world are being asked to apply international law to determine whether reparations are due for atrocities and crimes that might have been committed long ago but whose lasting effects are alleged to injure the modern descendants of the victims. Sarkin analyzes the thorny issues of international law raised in such suits by focusing on groundbreaking cases in which he is involved as legal advisor to the paramount chief of the Herero people of Namibia. In 2001, the Herero became the first ethnic group to seek reparations under the legal definition of genocide by bringing multi-billion-dollar suits against Germany and German companies in a number of U.S. federal courts under the Alien Torts Claim Act of 1789. The Herero genocide, conducted in German South-West Africa (present-day Namibia) between 1904 and 1908, is recognized by the UN as the first organized state genocide in world history. Although the Herero were subjected to Germany's First Genocide, they have, unlike the victims of the Holocaust, received no reparations from Germany. By machine-gun massacres, starvation, poisoning, and forced labor in Germany's first concentration camps, the German Schutztruppe systematically exterminated as many as 105,000 Herero women, and children, composing most of the Herero population. Sarkin considers whether these historical events constitute legally defined genocide, crimes against humanity, and other international crimes. He evaluates the legal status of indigenous polities in Africa at the time and he explores the enduring impact in Namibia of the Germany's colonial campaign of genocide. He extrapolates the Herero case to global issues of reparations, apologies, and historical human rights violations, especially in Africa.


Expertise der Forensischen Sachverständigen MA Antje C. Wieck aus Kitzingen zur Aufarbeitung von NS-Verbrechen und NS-Unrecht in der NS-Vergangenheitsbewältigung

Die HIER fallverantwortliche Richterin beim Amtsgericht Mosbach Marina Hess verfügt HIER unter 6F 9/22 und 6F 202/21 am 17.08.2022 EXPLIZIT, dass die gerichtlich beauftragte familienpsychologische Forensische Sachverständige für Familienrecht MA Antje C. Wieck, Praxis für KINDER- UND JUGENDLICHENPSYCHOTHERAPIE, Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, eine INHALTLICHE Sachverständigen-Auseinandersetzung mit der Dokumentations-Website "nationalsozialismus-in-mosbach.de" des Kindsvaters, Beschwerdeführers und Nazi-Jägers Bernd Michael Uhl durchführen solle (Siehe im Folgenden!), die diese Sachverständige Gutachterin HIER ABER AKTENKUNDIG NACHWEISBAR im anhängigen Verfahrenskomplex während ihren zwei gerichtlich bestellten Sachverständigengutachten von 2022 bis 2024 DANN ÜBERHAUPT NICHT durchführt.

UND DIES HIER EXPLIZIT AUCH NICHT bzgl. der DARIN KONKRET thematisierten nationalsozialistischen Verbrechen bis 1945 und deren juristischen, politischen und zivilgesellschaftlichen Aufarbeitungen in der NS-Vergangenheitsbewältigung seit 1945, insbesondere HIER auch in der lokalen-regionalen Fall- und Verfahrenszuständigkeit für Mosbach und für den Neckar-Odenwaldkreis.

Die HIER fallverantwortliche Richterin beim Amtsgericht Mosbach Marina Hess verfügt HIER unter 6F 9/22 und 6F 202/21 am 17.08.2022 EXPLIZIT bei der von ihr selbst gerichtlich beauftragten familienpsychologischen Forensischen Sachverständigen für Familienrecht MA Antje C. Wieck, Praxis für KINDER- UND JUGENDLICHENPSYCHOTHERAPIE, Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen eine Sachverständigen-Begutachtung bezüglich "der Notwendigkeit einer psychiatrischen Begutachtung" des Kindsvaters, Beschwerdeführers und Nazi-Jägers Bernd Michael Uhl "zur Beurteilung seiner Erziehungsfähigkeit" (Siehe im Folgenden!). UND DIES NACHDEM UNMITTELBAR ZUVOR das  erste gerichtlich beauftragte familienpsychologische Gutachten vom 07.04.2022 unter 6F 202/21 und 6F 9/22 sich für den perspektivischen Verbleib des damals anderthalb Jahre alten Kindes beim Kindsvater ausspricht. HIERBEI unterstellt die fallverantwortliche Mosbacher Amts-Familienrichterin Marina Hess im familienrechtlichen Zivilprozess dem Kindsvater, Beschwerdeführer und Bernd Michael Uhl eine mögliche angebliche psychische Erkrankung und eine damit einhergehende eingeschränkte Erziehungsfähigkeit auf Grund seiner konkreten Nazi-Jäger-Eingaben zu den seinerseits beim Amtsgericht Mosbach beantragten juristischen Aufarbeitungen von konkreten Tatbeteiligungen an NS-Verbrechen und NS-Unrecht 1933-1945 und deren mangelhaften juristischen Aufarbeitungen seitens der deutschen Nachkriegsjustiz seit 1945. UND DIES HIER insbesondere auch in der lokalen-regionalen Fall- und Verfahrenszuständigkeit bei NS-Verbrechen und NS-Unrecht in Mosbach und im Neckar-Odenwaldkreis sowie bezüglich dem Versagen der Mosbacher Nachkriegsjustiz seit 1945 bei deren juristischen Aufarbeitungen.

SIEHE DAZU AUCH:




1.1 Antrag vom 22.04.2023 auf amtsseitige Verfügung zur Gerichtlichen Prüfung der Reparationsforderungen der Herero und Nama aus Namibia zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika

Antrag auf amtsseitige Verfügung an das Amtsgericht Mosbach
unter 6F 9/22 sowie zu 6F 2/22, 6F 202/21 und 6F 2/23
zur Gerichtlichen Prüfung der Reparationsforderungen
der Herero und Nama zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts
in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika
als historische Vorbereitung der
Nationalsozialistischen rassenideologischen Vernichtung und Massenmorde
anlässlich der Einweihung eines Gedenksteins im ehemaligen deutschen Konzentrationslager
auf Shark Island, Namibia, am 22.04.2023

Sehr geehrte Damen und Herren,

Erfahrungen mit Thematisierungen der NS-Problematik beim Amtsgericht Mosbach
Bereits beginnend seit dem 03.06.2022 hat der AS konkrete NS- und Rechtsextremismus-Verfahren nachweisbar beim AMTSGERICHT MOSBACH unter benannten Aktenzeichen initiiert. Sowohl das JUSTIZMINISTERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG u.a. am 20.06.2022 unter JUMRIX-E-1402-41/878/4 sowie am 20.12.2022 unter JUMRIX-E-1402-41/878/28 als auch der LANDTAG BADEN-WÜRTTEMBERG am 10.03.2023  zu PETITION 17/1464 benennen EXLPZIT u.a. vom AS seit 03.06.2022 beim AMTSGERICHT MOSBACH beantragte Verfahren zur juristischen Aufarbeitung von nationalsozialistischem Unrecht und nationalsozialistischen Verbrechen, d.h. sowohl strafrechtliche Verfahren gemäß § 158 StPO als auch Wiederaufnahmeverfahren, Verfahren der gerichtlichen Prüfungen und Beteiligungen.

Das AG MOS bestätigt sowohl mit der Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 als auch mit der Mitteilung vom 20.03.2023 unter 6F 2/23, u.a. vom AS gemäß § 158 StPO initiierte NS-Verfahren, auch zu Tatbeteiligungen an NS-Massenmordverbrechen in der Mosbacher Region, beim AMTSGERICHT MOSBACH-BADEN in SONDERBÄNDEN anzulegen. Das AMTSGERICHT MOSBACH hat jedoch seinerseits seit dem 03.06.2022 zu beantragten NS-und Rechtsextremismus-Verfahren nachweisbar eine gemäß § 158 StPO ordnungsgemäße Eingangsbestätigung mit den Benennungen der Konkreten Eingabedaten, der Konkreten Sachverhaltsbenennungen mit einer kurzen Zusammenfassung der Angaben zu Tatzeit, Tatort und angezeigter Tat bisher EXPLIZIT VERSAGT und NICHT AUSGESTELLT.

Deutscher kolonialer Völkermord in Deutsch-Südwest-Afrika als Wegbereiter der Nationalsozialistischen Völkermorde

Die Ovaherero Traditional Authority und die Nama Traditional Leaders Association als traditionelle Interessenvereinigungen der beiden Volksgruppen wollen mit dieser Veranstaltung auch auf einen Missstand im eigenen Land hinweisen: Der Genozid an den Herero und Nama ist in Namibia – ebenso wie in Deutschland – noch immer kein fester Bestandteil der Lehrpläne in der kolonialen Erinnerungskultur und Vergangenheitsbewältigung.

Für gefangene Hereros und Nama ließ die Kolonialverwaltung die ersten deutschen Konzentrationslager bauen. Schätzungen gehen davon aus, dass von 1904 bis 1908 zwischen 54.000 und 74.000 Herero und Nama starben, andere Quellen sprechen von bis zu 100.000 Toten. Etwa 80 Prozent der Herero und etwa 70 Prozent der Nama wurden im  ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts durch die deutschen Kolonialherren ermordet.

Im Juli 2015 kamen zwei Ereignisse zusammen, die den Wiedergutmachungsprozess prägten: Zum einen reiste eine Gesandtschaft unter dem traditionellen Führer der Herero mit einer Petition zum Bundespräsidenten mit Forderungen umfassender Entschädigung und Wiedergutmachung. Seit der deutsche Bundestag im Sommer 2015 in einer Resolution den Türkischen Völkermord an den Armeniern anerkannt und die Türkei dazu aufgefordert hat, für ihre Taten vor 100 Jahren Verantwortung zu übernehmen, war schnell klar, dass Deutschland nun auch vor der eigenen Tür kehren muss. Bundestagspräsident Norbert Lammert, CDU, und die frühere Entwicklungshilfeministerin Heide Wieczorek-Zeul, SPD, waren die ersten Politiker der beiden großen Volksparteien, die offiziell forderten, dass die Bundesrepublik nun auch ihren eigenen nicht aufgearbeiteten Völkermord beim Namen nennen muss. Darauf folgend verwendet seit 2015 das Auswärtige Amt den Begriff des Völkermords in seinem allgemeinen Sprachgebrauch für den Vernichtungskrieg in Namibia. Jetzt werden die deutschen Gräueltaten aus der Kolonialzeit auch ganz offiziell als Völkermord bezeichnet.

Nach der Kontinuitätsthese aus den Geschichtswissenschaften gibt es eine Kontinuität ausgehend von den kolonialen Verbrechen des Deutschen Reiches in Südwestafrika als Ideengeber und Bindeglied bis hin zum Holocaust des Nazi-Terror- und Vernichtungsregimes in der historisch-chronologischen Abfolge, wie u.a. bei rassenideologischen Handlungsorientierungen, bei Unterdrückungsinstrumente gegen Widerstandsleistungen mit der Nutzung von Konzentrationslagern, von massenhaften Ermordungen bestimmter Diskriminierungszielgruppen außerhalb von KZs, von massenhaften Tötungen als Vernichtung von Ethnien und Widerstandsgruppen;  von gezielten zwangsweisen Unterernährung als Vernichtung durch Vernachlässigung. In Konzepten wie "Rasse" und "Raum" sind die grundlegenden Parallelen zwischen deutschem Kolonialismus und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik mit der Auslöschung ganzer Bevölkerungsgruppen unter entgrenzter Gewalt als Mittel imperialer Expansion zu sehen.

Zwar hatte Deutschland 2021 nach sechs Jahre andauernden Verhandlungen ein Aussöhnungsabkommen mit Namibia vereinbart, doch verabschiedet wurde es seitdem in keinem der beiden Länder. Deutschland hat nur mit der Zentralregierung in Nambia, aber nicht mit den vom deutschen Völkermord direkt betroffenen Volksgruppen verhandelt. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat inzwischen dargelegt, dass direkte Verhandlungen mit mit Nama- und Herero-Vertretern in Abstimmung mit der Regierung in Windhoek sehr wohl möglich wären.

Die von europäischen Kolonialmächten auf anderen Kontinenten, auch von Deutschland, verübte exzessive koloniale Gewalt ist heute somit nicht mehr nur ein Thema der historischen, sondern auch der juristischen Aufarbeitung.

Beim AMTSGERICHT MOSBACH beantragte amtsseitig verfügte GERICHTLICHE PRÜFUNG der Reparationsforderungen zum kolonialen Völkermord in Deutsch-Südwest-Afrika als Wegbereiter der Nationalsozialistischen Völkermorde
Hiermit ergeht an das AMTSGERICHT MOSBACH der oben benannte Antrag auf amtsseitige Verfügung zur konkreten GERICHTLICHE PRÜFUNG der Reparationsforderungen zum kolonialen Völkermord in Deutsch-Südwest-Afrika als Wegbereiter der Nationalsozialistischen Völkermorde.

Die Mosbacher Justiz hat, wie bereits zuvor erläutert, Erfahrungen im juristischen Umgang mit Verfahren zur juristischen Aufarbeitung von nationalsozialistischem Unrecht und nationalsozialistischen Verbrechen.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Michael Uhl


Der gute Deutsche: Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914

In der ruhmlosen deutschen Kolonialgeschichte dürfte das Kapitel über Kamerun eines der finstersten sein. In einträglicher Zusammenarbeit verleibten sich wilhelminische Kolonialbeamte und ehrbare Kaufleute das Land und seine Schätze ein und unterjochten die Bevölkerung. Einem Sohn des Häuptlings der Duala wurde dennoch gestattet, nach Deutschland zu reisen und sich dort zu bilden. Als Prinz Manga Bell allerdings von seinen Kenntnissen des deutschen Rechtssystems Gebrauch machte und gegen die nicht nur grausame, sondern auch vertragsbrüchige Kolonialregierung klagte, wurde er des Hochverrats bezichtigt und in Windeseile aufgehängt. Christian Bommarius, Publizist und Jurist, hat den Fall aufgerollt: Seine Geschichte eines infamen Justizmordes ist zugleich eine Fallstudie über Rassismus, Gier und abgrundtiefe politische Dummheit.


1.2 Antrag vom 18.05.2023 auf amtsseitige Verfügung zur Gerichtlichen Prüfung der in 2023 diskutierten Reparationsforderungen aus Tansania wegen deutscher rassistischer und kolonialer Verbrechen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika

Antrag vom 18.05.2023 auf amtsseitige Verfügung an das Amtsgericht Mosbach
unter 6F 9/22 sowie zu 6F 2/22, 6F 202/21 und 6F 2/23
zur Gerichtlichen Prüfung der Reparationsforderungen 
wegen deutscher rassistischer und kolonialer Verbrechen
in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika
als historische Vor- und Wegbereitung der Nationalsozialistischen rassenideologischen Verbrechen anlässlich der in 2023 diskutierten Reparationsforderungen aus Tansania


Sehr geehrte Damen und Herren,

Erfahrungen mit Thematisierungen der NS-Problematik beim Amtsgericht Mosbach
Bereits beginnend seit dem 03.06.2022 hat der AS konkrete NS- und Rechtsextremismus-Verfahren nachweisbar beim AMTSGERICHT MOSBACH unter benannten Aktenzeichen initiiert. Sowohl das JUSTIZMINISTERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG u.a. am 20.06.2022 unter JUMRIX-E-1402-41/878/4 sowie am 20.12.2022 unter JUMRIX-E-1402-41/878/28 als auch der LANDTAG BADEN-WÜRTTEMBERG am 10.03.2023 zu PETITION 17/1464 benennen EXLPZIT u.a. vom AS seit 03.06.2022 beim AMTSGERICHT MOSBACH beantragte Verfahren zur juristischen Aufarbeitung von nationalsozialistischem Unrecht und nationalsozialistischen Verbrechen, d.h. sowohl strafrechtliche Verfahren gemäß § 158 StPO als auch Wiederaufnahmeverfahren, Verfahren der gerichtlichen Prüfungen und Beteiligungen.

Das AG MOS bestätigt sowohl mit der Verfügung vom 17.08.2022  und 05.05.2023 unter 6F 9/22 als auch mit der Mitteilung vom 20.03.2023 unter 6F 2/23, u.a. vom AS gemäß § 158 StPO initiierte NS-Verfahren, auch zu Tatbeteiligungen an NS-Massenmordverbrechen in der Mosbacher Region, zur eigenen institutionellen NS-Vergangenheit mit konkreten Tatbeteiligungen  an NS-Euthanasie und Nazi-Zwangssterilisierung beim AMTSGERICHT MOSBACH-BADEN in SONDERBÄNDEN AUSSERHALB DER AKTEN anzulegen. Das AMTSGERICHT MOSBACH hat jedoch seinerseits seit dem 03.06.2022 zu beantragten NS-und Rechtsextremismus-Verfahren nachweisbar eine gemäß § 158 StPO ordnungsgemäße Eingangsbestätigung mit den Benennungen der Konkreten Eingabedaten, der Konkreten Sachverhaltsbenennungen mit einer kurzen Zusammenfassung der Angaben zu Tatzeit, Tatort und angezeigter Tat bisher EXPLIZIT VERSAGT und NICHT AUSGESTELLT.

 

Deutsche Kolonialverbrechen in Deutsch-Ostafrika als Wegbereitung der Nationalsozialistischen Verbrechen

Nach der Kontinuitätsthese aus den Geschichts- und Politikwissenschaften gibt es eine Kontinuität ausgehend von den kolonialen Verbrechen des Deutschen Reiches in Südwestafrika und Ostafrika als Ideengeber und Bindeglied bis hin zum Holocaust des Nazi-Terror- und Vernichtungsregimes in der historisch-chronologischen Abfolge, wie u.a. bei rassenideologischen Handlungsorientierungen, bei Unterdrückungsinstrumenten und Unterdrückungsmaßnahmen gegen Widerstandsleistungen mit der Nutzung von Konzentrationslagern; von massenhaften Ermordungen bestimmter Diskriminierungszielgruppen außerhalb von KZs; von massenhaften Tötungen als Vernichtung von Ethnien und Widerstandsgruppen; von gezielten zwangsweisen Unterernährungen gegen ganze Gruppen als Vernichtung durch Vernachlässigung; von Kunstraub und Grabschändungen; von Zwangsarbeit; von verbrannter Erde; von Massenvergewaltigungen, von Misshandlungen. In Konzepten wie "Rasse" und "Raum" sind die grundlegenden Parallelen zwischen deutschem Kolonialismus und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik mit der Auslöschung ganzer Bevölkerungsgruppen unter entgrenzter Gewalt als Mittel imperialer Expansion zu sehen. Sowohl im deutschen Kolonialismus von 1888 bis 1908 in Afrika als auch im darauf folgenden nationalsozialistisch-rassenideologischen Angriffs-, Terror- und Vernichtungskrieg von 1939 bis 1945 in Europa. Die von europäischen Kolonialmächten auf anderen Kontinenten, auch von DEUTSCHLAND, verübte exzessive koloniale Gewalt ist heute nicht mehr nur ein Thema der historischen, sondern auch der konkreten juristischen Aufarbeitung.

Deutsche rassistische und koloniale Massenmord- und Völkermord-Verbrechen in Deutsch-Ostafrika sowie NS-Verbrechen gegen Menschen afrikanischer Herkunft

Der Sudanese Mahjub bin Adam Mohamed ließ sich 1914 als Söldner (Askari) der Kolonialtruppe in Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, anwerben. Ende 1929 kam er als Kolonialmigrant nach Deutschland und spielte u.a. Rollen in diskriminierenden Kolonialfilmen. Trotz der Bedrohung durch das nationalsozialistische Regime blieb er im Land und legte sich sogar mit den Behörden an. 1941 wurde der Unbequeme im NS-Rassestaat zum Schweigen gebracht, indem man ihn ohne Prozess in das Konzentrationslager Sachsenhausen einwies, wo er drei Jahre später starb.
Ab 1885 erwarb die Gesellschaft für deutsche Kolonisation Ansprüche auf Teile des Binnenlandes und versuchte, eine Kolonie zu begründen. Ihre Herrschaft brach 1888 im Aufstand der ostafrikanischen Küstenbevölkerung zusammen, woraufhin das Deutsche Reich mit militärischen Kräften die Gebiete eroberte, aus denen dann die Kolonie Deutsch-Ostafrika wurde, die neben dem heutigen Festlandstansania auch Ruanda und Burundi umfasste. Der Aufstand der ostafrikanischen Küstenbevölkerung (in deutschen Quellen auch Araberaufstand) in den Jahren 1888–1890 war eine Widerstandsbewegung gegen den Versuch der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (DOAG), ihre Herrschaft über den zu Sansibar gehörenden Küstenstreifen des heutigen Tansania auszuweiten. Der Aufstand führte rasch zum Zusammenbruch der DOAG, die die Hilfe des Deutschen Reiches erbat und schließlich ihre Ansprüche an den deutschen Staat abtrat. Dies führte zur Gründung der Kolonie Deutsch-Ostafrika.
Im April 2023 erinnern Nachfahren von Opfern an deutsche Kolonialverbrechen in Ostafrika. Zu den deutschen Kolonialverbrechen in den als Eigentum erklärten großen Gebieten Ostafrikas unter Ausbeutung, Versklavung und Ermordung zählen u.a.: Massen-Hinrichtungen von zahlreichen Widerstandskämpfer*innen gegen die deutschen Kolonialherren bei Niederschlagungen von mehreren Widerstandsbewegungen und Aufständen, wie u.a. des Austandes der ostafrikanischen Küstenbevölkerung  von 1888-1890, des Maji-Maji-Aufstands von 1905 bis 1907; Verbringungen der abgetrennten sterblichen Körperteile, Überreste und Schädel von Ahnen und Widerstandskämpfern nach Deutschland; Grabschändungen und Störungen der Totenruhe bei von Friedhöfen geraubten Schädeln für wissenschaftliche Untersuchungen in Deutschland; angewandte Kriegsstrategie der verbrannten Erde; gezielte Vernachlässigungen durch Unterernährungen von Ethnien und Widerstandsgruppen. Die deutsche Schutztruppe schlug die geeinte Erhebung vieler Volksgruppen während des Maji-Maji-Aufstandsbrutal nieder. Dabei starben bis zu 300 000 Menschen, die meisten, weil die Deutschen damals bereits die Strategie der verbrannten Erde anwandten, also Ernten und Vorräte zerstörten. Die Folge waren verheerende Hungersnöte. Bis heute ist dieser GENOZID, im Unterschied zu jenem an den Herero und Nama im heutigen Namibia, im historischen Bewusstsein der deutschen Gesellschaft kaum verankert.
Der tansanische Botschafter in Berlin, Abdallah Possi, forderte die Bundesregierung bereits Anfang 2020 zu "Verhandlungen über Wiedergutmachungen" für Verbrechen während der deutschen Kolonialzeit in Ostafrika auf. Die tansanische Regierung bereitet sich seitdem auf die gemeinsame Arbeit mit der deutschen Regierung vor und hat eigens einen Sonderausschuss gegründet zur Klärung von Entschädigungsfragen; von Rückgaben der Human Remains, von Rückgaben der im Unrechtskontext des Maji-Maji-Krieges unter Gewaltanwendung geplünderten und geraubten, entwendeten Objekten; etc.

Beim AMTSGERICHT MOSBACH beantragte amtsseitig verfügte GERICHTLICHE PRÜFUNG der Reparationsforderungen zu rassistischen und kolonialen Verbrechen in Deutsch-Ostafrika als Wegbereitung der Nationalsozialistischen Verbrechen

Hiermit ergeht an das AMTSGERICHT MOSBACH der oben benannte Antrag auf amtsseitige Verfügung zur konkreten GERICHTLICHEN PRÜFUNG der Reparationsforderungen zu rassistischen und kolonialen Verbrechen in Deutsch-Ostafrika als Wegbereitung der Nationalsozialistischen Völkermorde und Verbrechen, anlässlich seit 2020, auch weiterhin in 2023, aus Tansania diskutierten Entschädigungs- und Wiedergutmachungsforderungen.

Die Mosbacher Justiz hat, wie bereits zuvor erläutert, Erfahrungen im juristischen Umgang mit Verfahren zur juristischen Aufarbeitung von nationalsozialistischem Unrecht und nationalsozialistischen Verbrechen.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Michael Uhl

1.3 DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDEN vom 30.09.2023 wegen AMTSSEITIGER UNTÄTIGKEIT gegen die fallverantwortlichen Spruchkörper beim Oberlandesgericht Karlsruhe unter 16 WF 43/23 in Verfahren… zur AUFARBEITUNG VON DEUTSCHEN KOLONIALVERBRECHEN IN AFRIKA sowie von RECHTSEXTREMISTISCHEN RASSISTISCHEN DISKRIMINIERUNGEN VON MENSCHEN MIT AFRIKANISCHEM HINTERGRUND seit 1945


16 WF 43/23

Oberlandesgericht Karlsruhe
Hoffstr. 10
76133 Karlsruhe

DATUM : 30.09.2023

Siehe auch Online-Dokumentation: www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.de

DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDEN vom 30.09.2023
wegen AMTSSEITIGER UNTÄTIGKEIT
gegen die fallverantwortlichen Spruchkörper beim Oberlandesgericht Karlsruhe
unter 16 WF 43/23 in Verfahren…
zur AUFARBEITUNG VON DEUTSCHEN KOLONIALVERBRECHEN IN AFRIKA sowie von RECHTSEXTREMISTISCHEN RASSISTISCHEN DISKRIMINIERUNGEN
VON MENSCHEN MIT AFRIKANISCHEM HINTERGRUND seit 1945
…. wegen AMTSSEITIGER UNTÄTIGKEIT
beim Amtsgericht Mosbach sowie beim Oberlandesgericht Karlsruhe …
(A) … bei den beantragten GERICHTLICHEN PRÜFUNGEN der Reparationsforderungen wegen DEUTSCHER KOLONIALVERBRECHEN
in Deutsch-Südwest-Afrika und Deutsch-Ostafrika
(B) … bei den beantragten JURISTISCHEN AUFARBEITUNGEN der rechtsextremistischen und rassistischen Diskriminierungen von Menschen mit afrikanischem Hintergrund

Sehr geehrte Damen und Herren,

HIER ist der Antragsteller in den beim Familiengericht am Amtsgericht Mosbach und Oberlandesgericht Karlsruhe NACHWEISBAR beantragten Verfahren zur juristischen Aufarbeitungen von Deutschen Kolonialverbrechen in Afrika SOWIE von rechtsextremistischen und rassistischen Diskriminierungen von Menschen mit afrikanischem Hintergrund ist der Vater eines deutsch-afrikanischen Mischlingskindes. Es ergehen o.g. genannte DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDEB gegen gegen die fallverantwortlichen Spruchkörper beim Oberlandesgericht Karlsruhe  unter 16 WF 43/23.

1. AMTSSEITIGE UNTÄTIGKEIT beim Amtsgericht Mosbach und Oberlandesgericht Karlsruhe bei beantragten gerichtlichen Prüfungen von Reparationsforderungen wegen DEUTSCHER KOLONIALVERBRECHEN in Deutsch-Südwest-Afrika und Deutsch-Ostafrika

Das Oberlandesgericht Karlsruhe wurde unter 16 WF 43/23 ordnungsgemäß auf die diesbezüglichen Vorgänge beim Amtsgericht Mosbach hingewiesen und ist zu diesen hier zu beanstandenden Sachverhalten in der juristischen Aufarbeitung von deutschen Kolonialverbrechen in Afrika SOWIE von rassistischen Diskriminierungen von Menschen mit afrikanischem Hintergrund bisher ebenfalls untätig geblieben.

Dazu zählen NACHWEISBAR auch die KV-seitig beim AG MOS beantragten juristischen Aufarbeitungen von DEUTSCHEN HERRENRASSE-KOLONIALVERBRECHEN …

... auf AMTSSEITIGE VERFÜGUNGEN ab 22.04.2023 zu 6F 9/22, 6F 202/21, 6F 2/23 und 6F 2/22 bzw. 16 WF 43/23 beim OLG KA zur GERICHTLICHEN PRÜFUNG der Reparationsforderungen der Herero und Nama zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika als historische Vorbereitung der Nationalsozialistischen rassenideologischen Vernichtung und Massenmorde anlässlich der Einweihung eines Gedenksteins im ehemaligen deutschen Konzentrationslager auf Shark Island, Namibia. INSBESONDERE VOR DEM HINTERGRUND der ersten deutschen Konzentrationslager zur Vernichtung von sogenannten rassisch minderwertigen Menschen und von Widerstandkämpfern. Für gefangene Hereros und Nama ließ die Kolonialverwaltung die ersten deutschen Konzentrationslager bauen. Schätzungen gehen davon aus, dass von 1904 bis 1908 zwischen 54.000 und 74.000 Herero und Nama starben, andere Quellen sprechen von bis zu 100.000 Toten. Etwa 80 Prozent der Herero und etwa 70 Prozent der Nama wurden im  ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts durch die deutschen Kolonialherren ermordet. Nach der Kontinuitätsthese aus den Geschichtswissenschaften gibt es eine Kontinuität ausgehend von den kolonialen Verbrechen des Deutschen Reiches in Südwestafrika als Ideengeber und Bindeglied bis hin zum Holocaust des Nazi-Terror- und Vernichtungsregimes in der historisch-chronologischen Abfolge, wie u.a. bei rassenideologischen Handlungsorientierungen, bei Unterdrückungsmaßnahmen gegen Widerstandsleistungen mit der Nutzung von Konzentrationslagern, von massenhaften Ermordungen bestimmter Diskriminierungszielgruppen außerhalb von KZs, von massenhaften Tötungen als Vernichtung von Ethnien und Widerstandsgruppen;  von gezielten zwangsweisen Unterernährung als Vernichtung durch Vernachlässigung. In Konzepten wie "Rasse" und "Raum" sind die grundlegenden Parallelen zwischen deutschem Kolonialismus und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik mit der Auslöschung ganzer Bevölkerungsgruppen unter entgrenzter Gewalt als Mittel imperialer Expansion zu sehen. >>> MEHR >>>

... auf AMTSSEITIGE VERFÜGUNG ab 18.05.2023 zu 6F 9/22, 6F 202/21, 6F 2/23 und 6F 2/22 bzw. 16 WF 43/23 beim OLG KA zur GERICHTLICHEN PRÜFUNG  der in 2023 diskutierten Reparationsforderungen aus Tansania wegen deutscher rassistischer und kolonialer Verbrechen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika. INSBESONDERE VOR DEM HINTERGRUND deutscher Kolonialverbrechen in den als Eigentum erklärten großen Gebieten Ostafrikas unter Ausbeutung, Versklavung und Ermordung zählen u.a.: Massen-Hinrichtungen von zahlreichen Widerstandskämpfer*innen gegen die deutschen Kolonialherren bei Niederschlagungen von mehreren Widerstandsbewegungen und Aufständen, wie u.a. des Austandes der ostafrikanischen Küstenbevölkerung  von 1888-1890, des Maji-Maji-Aufstands von 1905 bis 1907; Verbringungen der abgetrennten sterblichen Körperteile, Überreste und Schädel von Ahnen und Widerstandskämpfern nach Deutschland; Grabschändungen und Störungen der Totenruhe bei von Friedhöfen geraubten Schädeln für wissenschaftliche Untersuchungen in Deutschland; angewandte Kriegsstrategie der verbrannten Erde; gezielte Vernachlässigungen durch Unterernährungen von Ethnien und Widerstandsgruppen. >>> MEHR >>>

UND DIES MIT AKTUELLEM BEZUG, u.a. seitens des Petenten bzw. KV, da INSBESONDERE in den letzten Jahren Reparationsforderungen gegenüber der BRD SOWOHL aus Namibia ALS AUCH aus Tansania vermehrt und verstärkt erhoben sowie auf internationaler Bühne öffentlich diskutiert werden.

Die diesbezüglichen Eingangs- und Weiterbearbeitungsbestätigung seitens des HIER fallverantwortlichen Spruchkörpers beim Amtsgericht Mosbach stehen HIER IMMER NOCH aus.

2. AMTSSEITIGE UNTÄTIGKEIT beim Amtsgericht Mosbach und Oberlandesgericht Karlsruhe bei den beantragten JURISTISCHEN AUFARBEITUNGEN der rechtsextremistischen und rassistischen Diskriminierungen von Menschen mit afrikanischem Hintergrund

Das Oberlandesgericht Karlsruhe wurde unter 16 WF 43/23 ordnungsgemäß auf die diesbezüglichen Vorgänge beim Amtsgericht Mosbach hingewiesen und ist zu diesen hier zu beanstandenden Sachverhalten in der juristischen Aufarbeitung von rechtsextremistischen und rassistischen Diskriminierungen von Menschen mit afrikanischem Hintergrund bisher ebenfalls untätig geblieben. Die diesbezüglichen Eingangs- und Weiterbearbeitungs- bzw. Weiterleitungsbestätigungen seitens des HIER fallverantwortlichen Spruchkörpers beim Amtsgericht Mosbach stehen IMMER NOCH aus. Das Amtsgericht Mosbach verletzt im Kontext von Strafanzeigen dabei EXPLIZIT die gesetzliche Vorgabe aus  § 158 StPO: „Dem Verletzten ist auf Antrag der Eingang seiner Anzeige schriftlich zu bestätigen. Die Bestätigung soll eine kurze Zusammenfassung der Angaben des Verletzten zu Tatzeit, Tatort und angezeigter Tat enthalten.“

Dazu zählen (a) nach den Deutschen Kolonialverbrechen in Afrika (b) nach der Nazi-Verfolgung von Menschen mit afrikanischem Hintergrund (c) im Zuge der Diskriminierungen von Menschen mit afrikanischem Hintergrund seit 1945 u.a. auch…
… STRAFANZEIGEN vom 02.05.2023 gegen den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer wegen Volksverhetzungen: - Nazi-Judenverfolgung und Holocaust - Deutsche Kolonialverbrechen und Nazi-Verfolgung von Menschen afrikanischer Herkunft  wegen seinem öffentlichen Insistieren zur Verwendung des N-Wortes >>> MEHR >>>
… STRAFANZEIGEN vom 24.06.2023 gegen den Deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz wegen des Verdachts auf Volksverhetzung sowie wegen Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener durch Verächtlichmachung, Diskriminierung von im rechtsextremistischen Jargon sogenannten „kulturfremden“ Flüchtlingen, die als Personengruppe unter Einsatz ihres Lebens von Afrika/Asien über das Mittelmeer nach Europa/Deutschland fliehen auf Grund … (a) von Verlust der eigenen Lebensgrundlagen durch Klimawandel, (b) von Verfolgungen politischer Opposition,  (c) von sozio-kulturellen und religiösen Minderheiten-Repressionen, (d) von Menschenrechtsverletzungen wegen dem öffentlichen Scholz-Witz beim Europäischen Rat: „Deutschland muss einen großen Strand am Mittelmeer haben…“ >>> MEHR >>>
… STRAFANZEIGEN vom 28.06.2023 wegen des Verdachts auf Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung mit den rassistischen Beleidigungen gegen die schwarzafrikanischen deutschen Fußball-U21-Nationalspieler Youssoufa Moukoko und Jessic  Ngankam nach den verschossenen Elfmetern im Spiel gegen Israel bei der EM in Georgien >>> MEHR >>>
… STRAFANZEIGEN vom 12.09.2023 gemäß § 158 StPO an Amtsgericht Mosbach unter 6F 2/22, 6F 9/22, 6F 202/21, 6F 2/23 wegen des Verdachts auf Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung mit rassistischen Beleidigungen gegen die schwarzafrikanischen Mitglieder des Fußball-Regionalligisten 1. FC Phönix Lübeck am 02.09.2023 >>> MEHR >>>

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Michael Uhl

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2. Online-Artikel zu deutschen Kolonialverbrechen als historische Vorbereitung zu Nationalsozialistischen Verbrechen


„Deutschland, deine Kolonien“: Geschichte und Gegenwart einer verdrängten Zeit - Ein SPIEGEL-Buch

Deutschland – eine Kolonialmacht? Die Legende von der zaghaften kleinen Möchtegern-Kolonialmacht, die sich zivilisierter betragen hat als andere, kommt allmählich ins Wanken. Und das zu Recht, denn das deutsche Kaiserreich beutete kolonisierte Länder in Afrika, in China oder der Südsee nicht weniger gierig und gewalttätig aus als andere Kolonialmächte. Dieses Buch zeichnet den deutschen Kolonialismus von den Anfängen nach und bietet anhand eindrücklicher Zeitzeugenberichte und Abbildungen Einblicke in den Alltag in den kolonisierten Ländern. Vor allem aber zeigt es, wie andauernd die Folgen des deutschen Kolonialismus zu spüren sind und warum eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Epoche überfällig ist.


Deutsch-Ostafrika

Deutsch-Ostafrika war die Bezeichnung einer in der Zeit von 1885 bis 1918 bestehenden deutschen Kolonie (auch Schutzgebiet). Das Gebiet umfasste die heutigen Länder Tansania (ohne Sansibar), Burundi und Ruanda sowie ein kleines Gebiet im heutigen Mosambik mit einer Gesamtfläche von 995.000 km² (nahezu die doppelte Fläche des damaligen Deutschen Reiches).[2] Es war mit rund 7,75 Millionen Einwohnern die größte und bevölkerungsreichste Kolonie des Deutschen Reiches.
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Ostafrika


Deutsch-Südwestafrika

Deutsch-Südwestafrika war von 1884 bis 1915 eine deutsche Kolonie (auch Schutzgebiet) auf dem Gebiet des heutigen Staates Namibia. Mit einer Fläche von 835.100 km² war es ungefähr anderthalbmal so groß wie das Deutsche Kaiserreich. Deutsch-Südwestafrika war die einzige der deutschen Kolonien, in der sich eine nennenswerte Anzahl deutscher Siedler niederließ. Im Ersten Weltkrieg wurde das Gebiet 1915 von Truppen der Südafrikanischen Union erobert, unter deren Militärverwaltung gestellt und 1919 gemäß den Bestimmungen des Friedensvertrags von Versailles als Völkerbundsmandat Südwestafrika der Verwaltung Südafrikas übertragen.
https://de.wikipedia.org/wiki/


Burundi : : Monarchie und Kolonialgeschichte

Burundi hat eine jahrhundertealte Geschichte als eigenständige Monarchie, das Königreich Burundi. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde es im Rahmen der Aufteilung Afrikas unter den europäischen Großmächten Deutschland zugeschlagen und zusammen mit „Ruanda“ als „Urundi“ der Kolonie Deutsch-Ostafrika unterstellt. Die Deutschen beschränkten sich auf die indirekte Herrschaft in Gestalt einer Residentur; der deutsche Resident stand ähnlich wie in britischen Protektoraten dem einheimischen Machthaber kontrollierend und beratend gegenüber. Parallel begann die Missionierung, bei der die Katholiken sich durchsetzten.[22] Im Ersten Weltkrieg wurde das Land von belgischen Streitkräften erobert und danach vom Völkerbund Belgien als Teil des Mandatsgebietes Ruanda-Urundi zugesprochen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Burundi#Monarchie_und_Kolonialgeschichte


Deutsche Kolonie Kamerun

Kamerun war von 1884 bis 1919 eine deutsche Kolonie (auch Schutzgebiet). Die Kolonie hatte anfangs eine Fläche von 495.000 km², nach der Angliederung Neukameruns im Jahre 1911 hatte sie eine Fläche von 790.000 km² und war damit etwa 1,3-mal so groß wie das Mutterland.[2]
Durch den Versailler Vertrag von 1919 ging Kamerun offiziell in den Besitz des Völkerbundes über, der wiederum ein Mandat zur Verwaltung an die Briten und Franzosen gab. Daraufhin wurde Kamerun in ein Britisch-Kamerun und ein Französisch-Kamerun aufgeteilt.
Unterwerfung und „Pazifizierung“ des Binnenlandes
1906 und 1910 kam es im Gebiet des oberen Nyong zu den beiden sogenannten Maka-Aufständen. Der letztere konnte nur mit bereits zur damaligen Zeit umstrittenen Methoden niedergeschlagen werden.
„Dominik drahtet aus Akonolinga am 17/6/10 … Nur Weiberabnahme erzwingt bei besitzlosen Makkas schnelle Unterwerfung und Fechtende wissen, dass sie eventuell die Weiber erhalten, schonen sie. Schiessen sonst alles ab… Gouverneursbefehl beruht auf Unkenntnis der Praxis“.[9]
Wiederholt kam es während der deutschen Kolonialherrschaft zu regelrechten „Kolonialskandalen“. Zum Sinnbild der brutalen Unterdrückung der einheimischen Gesellschaften Anfang der 1890er Jahre wurde in der öffentlichen Wahrnehmung der auch im Reichstag wiederholt thematisierte Fall „Leist“: Der Forschungsreisende Karl von Gravenreuth hatte in Überschreitung seiner Kompetenzen von dem Dahomey-König Behanzin mehrere Frauen und Männer als „Sklaven“ angekauft, aus denen er eine Expeditionstruppe für die Erschließung des Nordens bilden wollte. Die Verwaltung, durch Gravenreuth vor vollendete Tatsachen gestellt, reihte die Männer in die 1891 gegründete Polizeitruppe ein und verwendete die Frauen im Dienst des Gouvernements. Hervorgerufen durch die gegenüber den frei angeworbenen Soldaten geringere Löhnung und brutale Übergriffe auch gegenüber den Frauen kam es im Dezember 1893 zur Dahomey-Meuterei. Mit dem Einsatz eines Kanonenbootes wurden die Unruhen unterdrückt. Der damalige stellvertretende Gouverneur Heinrich Leist, der durch die entwürdigende körperliche Züchtigung der Dahome-Frauen als Hauptverantwortlicher für die Unruhen galt, wurde aus dem Dienst entlassen, letztlich aber zu einer in der liberalen und linken Öffentlichkeit als zu gering empfundenen Strafe verurteilt.

Verwaltung
Zentrale Entwicklungen, wie die Ausübung der kolonialen Gewalt auf dem gesamten Territorium Kameruns und die Ausweitung der kolonialwirtschaftlichen Unternehmungen in das Binnenland, vollzogen sich erst unter Jesko von Puttkamer (1895–1906), der die Kolonie auf zwiespältige Weise prägte. Seine Amtszeit stand einerseits im Zeichen expandierender Landwirtschaft am Kamerunberg. Er ließ auch 1901 den Verwaltungssitz von Duala nach dem gesünder gelegenen Buëa verlegen. Andererseits wurden der Kolonialverwaltung unter Puttkamer rücksichtslose Landpolitik mit Zwangsumsiedlungen und ein erhebliches Maß an Brutalität vorgeworfen, was einen neuerlichen Skandal auslöste.[22]
https://de.wikipedia.org/wiki/Kamerun_(Kolonie)


Treu bis in den Tod. Von Deutsch-Ostafrika nach Sachsenhausen. Eine Lebensgeschichte Taschenbuch – 1. August 2007

Der Sudanese Mahjub bin Adam Mohamed ließ sich 1914 als Söldner (Askari) der Kolonialtruppe in Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, anwerben. Ende 1929 kam er als Kolonialmigrant nach Deutschland. Er arbeitete als Kellner im Kempinski, beteiligte sich als Kiswahili-Lehrer am Orientalischen Seminar an den Bestrebungen, die deutschen Kolonien zurückzugewinnen, und spielte in den dreißiger Jahren kleinere Rollen in mehr als 20 Spielfilmen. Mahjub war ein von sich und seiner Ausstrahlung überzeugter Lebenskünstler, der sich nicht scheute, die im Deutschen Reich mit dem Mythos vom »treuen Askari« verbundenen Emotionen für sich auszunutzen. Trotz der Bedrohung durch das nationalsozialistische Regime blieb er im Land und legte sich sogar mit den Behörden an. 1941 wurde der Unbequeme zum Schweigen gebracht, indem man ihn ohne Prozess in das Konzentrationslager Sachsenhausen einwies, wo er drei Jahre später starb. Die Afrikanistin Marianne Bechhaus-Gerst erzählt die außergewöhnliche Familien- und Lebensgeschichte dieser afrikanisch-deutschen Persönlichkeit. Entstanden ist ein ein drucksvolles Porträt, welches exemplarisch zeigt, wie Afrikaner im NS-Rassestaat zu überleben versuchten, ohne ihre Würde preiszugeben.


Namibia : Kolonialgeschichte

Das Gebiet des heutigen Namibia wurde im Jahre 1884 ein Schutzgebiet des Deutschen Reiches und blieb bis zum Ende des Ersten Weltkrieges eine deutsche Kolonie mit dem Namen Deutsch-Südwestafrika. In den Jahren 1904 bis 1908 schlug die deutsche Kolonialmacht den Aufstand der Herero und Nama gewaltsam nieder und verübte dabei einen Völkermord.
Deutsche Kolonialzeit bis 1915
Nachdem es dem deutschen Kaufmann Franz Adolf Eduard Lüderitz gelungen war, durch Verträge mit einheimischen Stammesführern weite Landstriche zu erwerben („Lüderitzbucht“), wurde das Land vom Oranje bis zum Kunene 1884 zum „Schutzgebiet“ Deutsch-Südwestafrika und sodann zur deutschen Kolonie erklärt. Die Nachricht von sagenhaften Diamantenfunden löste geradezu eine „Goldgräberstimmung“ im kaiserlichen Deutschen Reich aus. In der Lüderitzbucht konnte man die Klippekies, wie die Diamanten bezeichnet wurden, im Sand des Strandes und im Hinterland in den Dünen der Wüste auflesen. Im Zuge dessen wurde zehn Kilometer von Lüderitz entfernt im Landesinnern die Diamantenschürferstadt Kolmannskuppe gegründet. Der davon ausgelöste Zuzug von Händlern und Farmern sowie deren Landnahme stießen auf zunehmenden Widerstand der einheimischen Herero und Nama. Das rüde Vorgehen der Siedler stieß besonders bei den Herero auf Widerstand.
Die sich Ende des 19. Jahrhunderts dramatisch verschlechternde wirtschaftliche Situation der Herero zwang sie zu weiteren Landverkäufen und schließlich zur Lohnarbeit bei deutschen Siedlern. Anhaltende Konflikte zwischen den Siedlern und der einheimischen Bevölkerung konnten durch den Kapitän der Herero Samuel Maharero und den Gouverneur Deutsch-Südafrikas Theodor Leutwein nicht gelöst werden. Es kam in der Folge zu einem deutschen Kolonialkrieg gegen die Herero und Nama, der von 1904 bis 1908 dauerte und sich zu einem Vernichtungskrieg auswuchs, der schätzungsweise 60.000 bis 70.000 Männer, Frauen und Kinder das Leben kostete.[33] 
https://de.wikipedia.org/wiki/Namibia#Deutsche_Kolonialzeit_bis_1915

Der Hererokrieg
→ Hauptartikel: Völkermord an den Herero und Nama >>>
Im Januar 1904 erfolgte ein durch Samuel Maharero geleiteter Aufstand der Herero und Nama. Mit insgesamt etwa 15.000 Mann unter Generalleutnant Lothar von Trotha wurde der Aufstand der Herero bis zum August 1904 in der Schlacht am Waterberg niedergeworfen. Der größte Teil der Herero floh daraufhin in die fast wasserlose Omaheke. Von Trotha ließ diese abriegeln und die Flüchtlinge von den wenigen dort vorhandenen Wasserstellen verjagen, so dass tausende Herero mitsamt ihren Familien und Rinderherden verdursteten. Den so in die Wüste Gejagten ließ von Trotha im sogenannten Vernichtungsbefehl mitteilen: „Die Herero sind nicht mehr deutsche Untertanen. […] Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen. […] und das Schießen auf Weiber und Kinder so zu verstehen ist, dass über sie hinweggeschossen wird, um sie zum Laufen zu zwingen. Ich nehme mit Bestimmtheit an, dass dieser Erlass dazu führen wird, keine männlichen Gefangenen mehr zu machen, aber nicht zu Grausamkeiten gegen Weiber und Kinder ausartet.“[34] Die Überlebenden wurden enteignet, in Konzentrationslager gesperrt und zu Zwangsarbeit gezwungen. Die Misshandlungen, unzureichende Ernährung und die schlechten hygienischen Bedingungen in diesen Lagern haben in dieser zweiten Phase des Völkermordes an den Herero zum Tod der Hälfte aller Gefangenen geführt.[33]
https://de.wikipedia.org/wiki/Namibia#Der_Hererokrieg

Der Nama-Aufstand
Im Anschluss an den Hererokrieg erhoben sich im Oktober 1904 im Süden des Landes die Witbooi – ein Orlam-Stamm, der während des Hererokrieges noch auf deutscher Seite gekämpft hatte. Diesem Aufstand schlossen sich die Fransman-Nama an; nach der Kapitulation der Witbooi 1905 führten die Nama den Guerillakampf unter Simon Kooper und Jakobus Morenga bis 1908 weiter, was diesem Aufstand den Namen Namaaufstand gab.
https://de.wikipedia.org/wiki/Namibia#Der_Nama-Aufstand


Ruanda : Monarchie und Kolonialgeschichte

Ruanda hat eine jahrhundertealte Geschichte als Monarchie. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde es, im Rahmen der Aufteilung Afrikas unter den europäischen Großmächten, Deutschland zugeschlagen und der Kolonie Deutsch-Ostafrika unterstellt. Die Deutschen beschränkten sich auf die indirekte Herrschaft in Gestalt einer Residentur. Der deutsche Resident stand ähnlich wie in britischen Protektoraten den einheimischen Herrschern kontrollierend und beratend gegenüber. Parallel begann die Missionierung, bei der die Katholiken sich durchsetzten.[49] Im Ersten Weltkrieg wurde das Land ausgehend von Belgisch-Kongo von belgischen Streitkräften besetzt und vom Völkerbund Belgien als Teil des Mandatsgebietes Ruanda-Urundi zugesprochen. Mit der Unabhängigkeit traten die alten Gebiete von Ruanda und Burundi ihren eigenen Weg getrennt voneinander als eigenständige Staaten an.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ruanda#Monarchie_und_Kolonialzeit


Tansania : Kolonialgeschichte

Im 19. Jahrhundert verlagerte der Sultan von Oman seine Hauptstadt nach Sansibar und intensivierte damit seinen Einfluss auf Küste und Hinterland. Ab 1885 erwarb die Gesellschaft für deutsche Kolonisation Ansprüche auf Teile des Binnenlandes und versuchte, eine Kolonie zu begründen. Ihre Herrschaft brach 1888 im Aufstand der ostafrikanischen Küstenbevölkerung zusammen, woraufhin das Deutsche Reich mit militärischen Kräften die Gebiete eroberte, aus denen dann die Kolonie Deutsch-Ostafrika wurde, die neben dem heutigen Festlandstansania auch Ruanda und Burundi umfasste. Während des Ersten Weltkriegs leistete die deutsche Schutztruppe unter der Führung von Paul von Lettow-Vorbeck bis Kriegsende Widerstand gegen die alliierten Truppen. Die Kolonie wurde ab 1916 von britischen und belgischen Truppen erobert und anschließend unter den Siegern aufgeteilt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Tansania#Geschichte

Aufstand der ostafrikanischen Küstenbevölkerung

Der Aufstand der ostafrikanischen Küstenbevölkerung (in deutschen Quellen auch Araberaufstand) in den Jahren 1888–1890 war eine Widerstandsbewegung gegen den Versuch der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (DOAG), ihre Herrschaft über den zu Sansibar gehörenden Küstenstreifen des heutigen Tansania auszuweiten. Der Aufstand führte rasch zum Zusammenbruch der DOAG, die die Hilfe des Deutschen Reiches erbat und schließlich ihre Ansprüche an den deutschen Staat abtrat. Dies führte zur Gründung der Kolonie Deutsch-Ostafrika.
https://de.wikipedia.org/


Deutsch-Togo

Togo, auch Togoland oder Deutsch-Togo, war von 1884 bis 1916[1] eine deutsche Kolonie (auch Schutzgebiet). Das damalige Gebiet umfasste die heutige Republik Togo und den östlichsten Teil des heutigen Ghana und hatte eine Fläche von ca. 87.200 km².
Gewaltherrschaft und antikolonialer Widerstand
Siehe auch: Liste der Aufstände in den deutschen Kolonien >>>
Entgegen der verbreiteten Vorstellung, es hätte in der sogenannten „Musterkolonie“ Togo kaum Widerstand gegen die deutsche Kolonialmacht gegeben, steht die lange Liste der Gewalttaten gegenüber der lokalen Bevölkerung. Der offizielle Gefechtskalender der Polizeitruppe Deutsch-Togos listet 18 militärische Auseinandersetzungen auf,[18] dieser ist jedoch sehr unvollständig. Bei näherer Betrachtung ergeben sich allein zwischen 1888 und 1902 mindestens 60 militärische Auseinandersetzungen sehr unterschiedlichen Ausmaßes zwischen dem kolonialen Militär und verschiedenen Gruppen der ansässigen Bevölkerung, die sich nicht dem kolonialen Herrschaftsapparat beugen wollten oder aktiv widersetzten.[19][20] 
https://de.wikipedia.org/


Liste der Aufstände in den deutschen Kolonien

Die Liste der Aufstände in den deutschen Kolonien enthält Erhebungen und Kolonialkriege gegen die deutsche Kolonialherrschaft oder ihre lokalen Repräsentanten in den überseeischen Besitzungen des Deutschen Kaiserreichs von 1884 bis 1915.
1.1 Deutsch-Ostafrika
1.2 Deutsch-Südwestafrika
1.3 Deutsche Kolonie Kamerun
1.4 Deutsche Kolonie Togo
1.5 Sonstige Kolonien

Die oben aufgeführten Aufstände bestanden aus einer Vielzahl an einzelnen Gefechten, Strafexpeditionen und Feldzügen. Die Anlagen zu den Ausführungsbestimmungen zur Verleihung der Kolonial-Denkmünze an Kolonialkriegsteilnehmer enthalten eine Liste der für die Verleihung anerkannten Ereignisse. Dies waren für die größten Kolonien Deutsch-Ostafrika (1889–1907) 77, Deutsch-Südwestafrika (1893–1904) sieben und Kamerun (1891–1909) 101 Unternehmungen.[39] Ausgenommen waren die kriegerischen Auseinandersetzungen in Ostasien von 1900/01 („Boxeraufstand“) und Südwest-Afrika von 1904/08 (Völkermord an den Herero und Nama), für die gesonderte Auszeichnungen bestanden.
https://de.wikipedia.org/

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2.1 Online-Artikel zu Deutschen Kolonialverbrechen als Kontinuitäts-Wegbereitung für NS-Verbrechen

Zimmerer ist seit 2010 Professor für die Geschichte Afrikas an der Universität Hamburg und leitet seit 2014 die Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe. Er ist einer der führenden Vertreter der sogenannten Kontinuitätsthese, nach der es eine Kontinuität von den kolonialen Verbrechen des Deutschen Reiches in Südwestafrika zum Holocaust gegeben habe. QUELLE: Live übertragen am 28.10.2021 - Historiker Jürgen Zimmerer über deutschen Völkermord & Kolonialismus - Jung & Naiv: Folge 538
https://www.youtube.com/watch?v=rshNxf6nGGY

Kontinuitätstheorie (Geschichtswissenschaft)
Kontinuitätstheorie (von lateinisch continuare „fortfahren, zusammenhängend weiterführen“) bezeichnet in der Geschichtswissenschaft ein System von Vorstellungen, Behauptungen oder Erzählungen (Narrativen) bezüglich der Kontinuität eines bestimmten Gegenstands oder Sachverhalts über einen gegebenen Zeitraum, so vor allem von kulturellen, sprachlichen oder ethnischen Erscheinungen. Kontinuitätstheorien ordnen Phänomene verschiedener Zeiten in einen Gesamtzusammenhang ein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kontinuit%C3%A4tstheorie_(Geschichtswissenschaft)


Völkermord - und was dann?: Die Politik deutsch-namibischer Vergangenheitsbearbeitung Taschenbuch – 8. März 2017

Dieses Buch richtet sich in erster Linie an uns Deutsche. Wollen wir uns mit der Vergangenheit in der Gegenwart als nötiger Grundlage für die Zukunft befassen, müssen wir bei uns beginnen, auch wenn dies andere betrifft. Dieses Buch ist ein willkommener Beitrag dazu, unsere Wahrnehmungen zu schärfen. Es plädiert eindringlich für geeignete Schritte zu einer deutsch-namibischen Begegnung im Sinne wirklicher Völkerverständigung.« (Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin a. D.) Reinhart Kößler und Henning Melber, zwei ausgewiesene Kenner Namibias und international anerkannte Wissenschaftler, bemühen sich seit Jahrzehnten um einen kritischen Umgang mit dem kolonialen Erbe des Kaiserreiches. Sie rekapitulieren den Völkermord und die mühe volle Erinnerungsarbeit, wie sie von Teilen der deutschen Zivilgesellschaft und den betroffenen Bevölkerungsgruppen Namibias schon lange eingefordert wird. Ein Buch, das exem plarisch den konsequenten Umgang mit staatlicher Gewalt in der Geschichte fordert, die bisherigen Versäumnisse dokumentiert und neue Perspektiven aufzeigt.


Unterrichtsmaterial: „Koloniale Kontinuitäten I“

Koloniale Kontinuität I_©Welthaus Bielefeld©Welthaus Bielefeld
Bis heute hat der deutsche Kolonialismus auf hiesige Denk-und Gesellschaftsstrukturen umfassende Auswirkungen. Kolonialrassismus prägt bis in die Gegenwart das Zusammenleben und die gesellschaftlichen Ungleich-Verhältnisse in Deutschland.
In dieser Unterrichtsreihe werden drei Module behandelt. Jedes Modul besteht aus 2-3 Kapiteln.
Modul 1: Einführung in das Thema Kolonialismus
Modul 2: Das Erbe des Kolonialismus
Modul 3: Öffentliche Erinnerung an die Kolonialzeit – eine Frage der Perspektive
Das vorliegende Unterrichtsmaterial unserer Mitgliedsorganisation Welthaus Bielefeld besteht aus 7 Einheiten. Eine Einheit dauert jeweils eine Unterrichtsstunde.
Das Unterrichtsmaterial richtet sich an Lehrkräfte der Fachrichtungen Gesellschaftslehre, Deutsch und Praktische Philosophie der Sekundarstufe I. Der Bezug zum Lehrplan ist Imperialismus und Erster Weltkrieg, Imperialistische Expansionen und Rivalitäten, Kolonialismus, Globalisierung, von der Entkolonialisierung zum Nord-Süd-Konflikt.
Hier kommen Sie direkt zum Bildungsangebot unserer Mitgliedsorganisation Welthaus Bielefeld.
Kostenlos herunterladen
https://www.gemeinsam-fuer-afrika.de/unterrichtsmaterial-koloniale-kontinuitaeten-i/

unBuried-unMarked:The unTold Namibian Story of the Genocide of 1904-1908 (English Edition)

This book is about my thoughts, reflections and hopes regarding Imperial Germany’s genocide of my ancestors in Namibia from 1904 to 1908. In these pages, I expose the remorselessness of the German government and society and their failure to come to terms with this ugly past. I unveil herein the psychological trauma experienced by descendants of the victims of the Genocide. This book is about aspirations, healing, resistance, restoration and reparations. It cries for justice long delayed!




Vorläufer des Holocaust? - Die Debatte um die (Dis-)Kontinuität von Kolonialismus und Nationalsozialismus

von Philip Geck und Anton Rühling
Angestoßen wurde die Debatte über den Zusammenhang von deutschem Kolonialismus und Nationalsozialismus vor allem vom Kolonialhistoriker Jürgen Zimmerer. Er kam nach intensiver Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialkrieg gegen die Herero und Nama zu dem Schluss, dass es sich hierbei um den "ersten Genozid des 20. Jahrhunderts" gehandelt habe. Zimmerer sieht in dem Krieg einen "ultimative[n] Tabubruch - zu denken und danach zu handeln, dass andere Ethnien einfach vernichtet werden können" 1. Dieser Genozid sei ein "Vorläufer des Holocausts". Dabei betont Zimmerer die große öffentliche Resonanz, die der Krieg bei den deutschen ZeitgenossInnen hervorrief und die sich im Erfolg von Kolonialliteratur widerspiegelte. Die Erfahrung der deutschen Truppen in Südwestafrika, die allgemeine Kolonialbegeisterung im Deutschen Reich sowie personelle und institutionelle Kontinuitäten schufen laut Zimmerer ein "kulturelles Reservoir", aus dem der Nationalsozialismus schöpfen konnte. 2
Zimmerer will den Nationalsozialismus nicht nur auf koloniale Erfahrungen zurückführen, doch er sieht den Südwestafrikakrieg als "wichtigen Ideengeber" 3, als "Bindeglied" 4 zwischen kolonialer Gewalt und den NS-Vernichtungsexzessen. Auch wenn Zimmerer die unterschiedliche Rolle des Staates in Kolonialismus und Nationalsozialismus anerkennt, sieht er die nationalsozialistischen Verbrechen als "radikalste Ausprägung" in der Geschichte des Völkermords. Beide Kriege fielen somit unter die gemeinsame Kategorie des Genozids.
Zustimmung und Kritik
Mit seinen Thesen fand Zimmerer einige Zustimmung. Auch Henning Melber und Reinhart Kößler sehen Kontinuitäten des deutschen Kolonialismus und stellen weitere deutsche Kolonialkriege zur Diskussion. In einer ganzen Serie von Kriegen, ob in Südwestafrika, Ostafrika oder Kamerun, sei der Völkermord zumindest als Möglichkeit in Betracht gezogen worden. Im Zuge der Postcolonial Studies postulieren Kößler / Melber eine Wechselwirkung zwischen Kolonien und Europa. Koloniale Herrschaftspraxis und Ideologie seien ein wichtiges Element auf dem Weg zum Dritten Reich. 5
Die Verbindungslinien, die Zimmerer zwischen Kolonialismus und Nationalsozialismus zeichnet, haben heftigen Widerspruch herausgefordert. KritikerInnen der Kontinuitätsthese wie Birthe Kundrus greifen Zimmerers Argumentation gleich im Ansatz an und bezweifeln, ob es sich im Herero und Nama-Krieg überhaupt um einen Genozid gehandelt habe. Zimmerer beruft sich in seiner Argumentation auf die UN-Genozidkonvention, für die eine Intention der Täter zur Vernichtung einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe ausschlaggebend ist. Es ist jedoch umstritten, ob der Wille zur Vernichtung wirklich gegeben war. Für die amerikanische Historikerin Isabel Hull liegt der Grund für die ausartende Gewalt des Kolonialkrieges in Südwestafrika in der deutschen Militärkultur, die den totalen militärischen Sieg forderte und dabei zerstörerische Tendenzen entwickelte, ohne dass eine totale Vernichtung geplant war. Die Proklamation des deutschen Befehlshabers von Trotha, in der er die Herero praktisch für vogelfrei erklärt, sei ex post facto erfolgt. Schon davor habe das - nach damaligen Maßstäben - Versagen der deutschen Truppen die Gewaltspirale in Gang gesetzt. 6 Der Südwestafrikakrieg wird in dieser Lesart zu einer aus dem Ruder gelaufenen Strafaktion und nicht zu einem intendierten Völkermord. 7
Robert Gerwarth und Stephan Malinowski sehen ein weiteres Problem in der Argumentation Zimmerers. Auf der einen Seite untersuche Zimmerer im Sinne der Postcolonial Studies die Verbindungen zwischen europäischem Kolonialismus und dem Nationalsozialismus, auf der anderen Seite konzentriere er sich vor allem auf einen deutschen Kolonialkrieg und rufe so Erinnerungen an die deutsche Sonderwegsthese wach. Denn eingeordnet in den Kontext des westlichen Kolonialismus verliere der Südwestafrikakrieg seinen paradigmatischen Charakter - und ohne den "Tabubruch" werde Zimmerers These hinfällig. 8 Die strukturell ähnliche Kolonialpolitik der Briten und Franzosen habe nicht zu faschistischen Staatsformen geführt, stellt auch Pascal Grosse heraus. 9
Die KritikerInnen der Kontinuitätsthese sind sich darin einig, dass der Kolonialkrieg in keinem Verhältnis zu den Dimensionen des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges steht. Während in Südwestafrika wenige Tausend Soldaten zum Einsatz kamen, waren im Zweiten Weltkrieg bis zu 18 Millionen Soldaten beteiligt. Auch personelle Kontinuitäten wie die des General Lettow-Vorbeck, der als kolonialer Kriegsheld in der Weimarer Republik zum Idol der Rechten wurde, gehörten zu den Ausnahmen. Als viel entscheidender sehen die KritikerInnen den Ersten Weltkrieg mit seinen einschneidenden Veränderungen, den Zimmerer in seiner Argumentation nicht berücksichtige.
Ostland gleich Kolonialland?
Im Rahmen dieser Debatte wird noch eine weitere Fragestellung diskutiert: War der nationalsozialistische Krieg gegen die UdSSR und Polen ein kolonialer Eroberungskrieg? In Konzepten wie "Rasse" und "Raum" sieht Zimmerer die grundlegenden Parallelen zwischen europäischem Kolonialismus und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik; hier geht er über den südwestafrikanischen Kontext hinaus. Ein rassistisches Weltbild und die damit verbundene Hierarchisierung der Ethnien bildete die Grundlage für eine nach "Lebensraum" strebende Ideologie. Sowohl der Kolonialismus als auch der Nationalsozialismus griffen in ihrer Eroberungs- und Beherrschungspolitik auf dieses Denken zurück. Zimmerer interpretiert deshalb das "Ostland" als Kolonialland und sieht strukturelle Ähnlichkeiten zum Südwestafrikakrieg: "Die Einordnung als ‚Rassenkrieg', das Abdrängen in lebensfeindliche Gegenden, die Zerstörung der Nahrungsgrundlagen, die summarischen Exekutionen und die Vernichtung durch Vernachlässigung sind deutliche Parallelen." 10 Die asymmetrische Kriegsführung außerhalb der eigenen Staatsgrenzen und die Entmenschlichung des Gegners seien weitere Gemeinsamkeiten zwischen den europäischen Kolonialkriegen und dem NS-Krieg.
Letzteres gestehen auch Gerwarth und Malinowski zu. Im Nationalsozialismus fehle jedoch die Ambivalenz des Kolonialismus, der immer zwischen Entwicklung und Vernichtung geschwankt habe. Während die Kolonialherrschaft Kompromissstrukturen wie etwa den Aufbau lokaler Eliten entwickelt habe, sei die nationalsozialistische Vernichtung der osteuropäischen Länder "nicht Mittel, sondern Zweck" 11 gewesen. Hier, so Gerwarth und Malinowski, endeten die Parallelen. Zudem sei das NS-Regime ein neuer Staatstypus, in dem die Vernichtung im Einklang mit der Politik war, während es im Kolonialismus politische Kontrolle und Opposition gab.
Methodische Überlegungen
Die Debatte hat auch methodische Grundfragen der Geschichtswissenschaft aufgeworfen. Birthe Kundrus verweist auf die sehr unterschiedlichen Begriffe der Kontinuitätsthese. Egal ob von "Traditionen", "Vorläufern", "strukturellen Ähnlichkeiten" oder "Kontinuitäten" gesprochen werde - diese Schlüsselbegriffe blieben mehrdeutig. Oft werde ein kausaler Zusammenhang impliziert und nicht berücksichtigt, dass Gesellschaften selbst Traditionen produzieren. Für Kundrus ist die Rezeption in der Gegenwart wichtiger als Beharrungskräfte aus der Vergangenheit. Deshalb plädiert sie dafür, von "Transfer" zu sprechen, wenn das NS-Regime auf koloniale Begrifflichkeiten wie "Konzentrationslager" zurückgreift, diese jedoch auf die eigene Situation anwendet. 12
Zudem kritisiert Kundrus die Verwendung des Genozid-Begriffes, der zwar zu wertvollen Fragestellungen geführt habe, mit seiner begrenzten Definition jedoch zu stark einenge. Der Südwestafrikakrieg und der Ostfeldzug seien einzigartige historische Phänomene, die sich nicht unter der Kategorie Genozid vereinen ließen. Beide ähnelten sich in ihrer entgrenzten Gewalt, bei denen der situative Charakter überwogen habe - unabhängig von Kontinuitäten und Transfers. 13
Zimmerers These hat den deutschen Kolonialismus neu zur Diskussion gestellt. Sein Versuch, dessen Bedeutung für das NS-Regime an konkreten Beispielen festzumachen, bleibt umstritten. Die weithin anerkannte Beziehung zwischen Kolonialismus und Nationalsozialismus ist nach wie vor schwer zu fassen. Der Vergleich regt jedoch an, das jeweilig Spezifische herauszuarbeiten und neu darüber nachzudenken, welche Rolle mögliche Vorläufer und situative Elemente im Nationalsozialismus gespielt haben.
Philip Geck und Anton Rühling studieren Geschichte in Freiburg.
Anmerkungen:
1 Jürgen Zimmerer: Holocaust und Kolonialismus. Beitrag zu einer Archäologie des genozidalen Gedankens, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), S. 1119.
2 Jürgen Zimmerer: Rassenkrieg und Völkermord. Der Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika und die Globalgeschichte des Genozids, in: Genozid und Gedenken. Namibisch-deutsche Geschichte und Gegenwart, hrsg. v. Henning Melber, Frankfurt a. M. 2005, S. 48.
3 Zimmerer: Holocaust und Kolonialismus, a.a.O., S. 1119.
4 Jürgen Zimmerer: Krieg, KZ und Völkermord in Südwestafrika. Der erste deutsche Genozid, in: Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen, hrsg. v. Jürgen Zimmerer und Joachim Zeller, Berlin 2003, S. 62.
5 Reinhart Kößler/ Henning Melber: Völkermord und Gedenken. Der Genozid an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika 1904-1908, in: Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Irmtrud Wojak und Susanne Meinl, Frankfurt a. M. 2004, S. 37-75.
6 Isabel V. Hull: Absolute Destruction. Military Culture and Practices of War in Imperial Germany, Ithaca und London 2005, S. 55; Birthe Kundrus: Kontinuitäten, Parallelen, Rezeptionen. Überlegungen zur "Kolonialisierung" des Nationalsozialismus, in: Werkstatt Geschichte 43 (2006), S. 45-62.
7 Boris Barth: Genozid. Völkermord im 20. Jahrhundert. Geschichte, Theorie, Kontroversen, München 2006, S. 131.
8 Robert Gerwarth/ Stephan Malinowski: Der Holocaust als "kolonialer Genozid"? Europäische Kolonialgewalt und nationalsozialistischer Vernichtungskrieg, in: Geschichte und Gesellschaft 33 (2007), S. 439-466.
9 Pascal Grosse: What Does German Colonialism have to do with National Socialism. A Conceptual Framework, in: Germany's Colonial Past, hrsg. v. Eric Ames u.a., Lincoln u. London 2005, S. 115-134.
10 Zimmerer: Krieg, KZ und Völkermord in Südwestafrika, a.a.O., S. 60.
11 Gerwarth/ Malinowski: "kolonialer Genozid"?, a.a.O., S. 458.
12 Kundrus: Kontinuitäten, a.a.O.
13 Birthe Kundrus/ Henning Strotbek: "Genozid". Grenzen und Möglichkeiten eines Forschungsbegriffs - ein Literaturbericht, in: Neue Politische Literatur 51 (2006), S. 397-423. 
https://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/iz3w2008-KD-Geck-Ruehling.htm

Übersicht zur Debatte: iz3w-Vorwort Zum Text
Philip Geck und Anton Rühling: Vorläufer des Holocaust? Die Debatte um die (Dis-)Kontinuität von Kolonialismus und Nationalsozialismus (iz3w 308) Zum Text
Jörg Später: Gegenläufige Erinnerungen. Historizität und politischer Kontext der Debatten um Kolonialismus und Nationalsozialismus (iz3w 308) Zum Text
Jürgen Zimmerer: Der erste deutsche Genozid. Zum Verhältnis von Kolonialismus und Holocaust (Vortragsmanuskript) Zum Text
Birthe Kundrus: Entscheidende Unterschiede. Für die Frage nach den Verbindungen zwischen Kolonialismus und NS ist der Genozid-Begriff wenig hilfreich (Vortragsmanuskript) Zum Text
Podiumsdiskussion (Transkription) Zum Text
Seminar (Transkription) Zum Text
Heiko Wegmann: Kokospalme mit Hakenkreuz - Die Kolonialbewegung in Freiburg während des Nationalsozialismus (pdf, aus iz3w 313) Zum Text

Lawfare and the Ovaherero and Nama Pursuit of Restorative Justice, 1918–2018 (The Fairleigh Dickinson University Press Series in Law, Culture, and the Humanities) (English Edition)

This book provides readers with a critical analysis of the restorative justice efforts of the Ovaherero and Nama communities in Namibia, who contend that they should receive reparations for what happened to their ancestors during, and after the 1904–1908 German-Ovaherero/Nama war. Arguing that indigenous communities who once lived in a German colony called “German South West Africa” suffered from a genocide that could be compared to the World War II Holocaust Namibian activists sued Germany and German corporations in U.S. federal courts for reparations. The author of this book uses a critical genealogical approach to all of this “lawfare” (the politicizing of the law) in order to illustrate some of the historical origins of this quest for social justice. Portions of the book also explain some of the historical and contemporary realpolitik barriers that stood in the way of Ovaherero and Nama activists who were asking for acknowledgments of the “Namibian genocide,” apologies from German officials, repatriation of human remains from colonial times as well as restitution that might help with land redistribution in today’s Namibia. This book shows many of the difficulties that confront those indigenous communities who ask twenty-first century audiences to pay restitution for large-scale colonial massacres or imperial genocides that might have taken place more than a hundred years ago.


Projekt untersucht Geschichte der Deutschen Kolonialschule in Witzenhausen

Stand:14.03.2025, 12:00 Uhr
Ein Vorhaben, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verknüpft: Dr. Birgit Metzger (links) und Johnny Ibraimo präsentierten das Erinnerungsprojekt zur Deutschen Kolonialschule. Foto: Elvan Polat
In einem neuen Projekt soll Witzenhausens Kolonialgeschichte aufgearbeitet werden.
Witzenhausen - Witzenhausen, eine Stadt, deren koloniale Vergangenheit lange im Halbschatten der deutschen Erinnerungskultur stand, rückt ins Zentrum einer wissenschaftlichen Untersuchung. Ein von den Universitäten Kassel und Saarbrücken initiiertes Forschungsprojekt widmet sich der Geschichte der ehemaligen Deutschen Kolonialschule (DKS) und der kolonialen Verflechtungen, die bis in die Gegenwart nachwirken. Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) läuft das Projekt bis Dezember 2026. Am Dienstag stellten die Projektleiterin Dr. Birgit Metzger und der Koordinator Johnny Ibraimo das ambionierte Konzept im Stadtentwicklungsausschuss von WItzenhausen vor.
Die 1898 gegründete Deutsche Kolonialschule für Landwirtschaft, Handel und Gewerbe diente über Jahrzehnte hinweg als Ausbildungsstätte für den kolonialen Dienst. Hier wurden junge Männer auf den Einsatz in den deutschen Kolonien vorbereitet, mit dem Ziel, landwirtschaftliche Strukturen aufzubauen und wirtschaftliche Interessen des Kaiserreichs zu sichern. Jedoch: Die ideologische Prägung der Ausbildung war tief in völkische und expansionistische Vorstellungen eingebettet, die durch den Gründungsdirektor Ernst Albert Fabarius forciert wurden. Bereits in den 1920er Jahren warnte er vor einer „verlogenen sozialistisch-jüdischen Bürokratie“ und propagierte eine „deutsche Mission in der Welt“.
„Wir haben es hier mit einer Geschichte zu tun, die über lange Zeit kaum thematisiert wurde“, erklärte die Historikerin Dr. Birgit Metzger. „Doch gerade in einer Stadt wie Witzenhausen, in der die koloniale Vergangenheit so tief verankert ist, ist eine kritische Auseinandersetzung überfällig.“ Johnny Ibraimo betonte: „Unser Ziel ist es, Wissen über die deutsche Kolonialgeschichte zu vermitteln, aber auch aufzuzeigen, welche langfristigen Folgen sie bis in die Gegenwart hat.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude der Kolonialschule weiterhin für agrarwissenschaftliche Ausbildung genutzt. Bis heute befindet sich ein Teil des Campus der Universität Kassel auf dem ehemaligen Schulgelände. Eine studentische Initiative machte in den vergangenen Jahren auf diese historischen Kontinuitäten aufmerksam und forderte eine kritische Auseinandersetzung mit dem Erbe der DKS. Ein zentrales Anliegen des Projekts sei es, die Verflechtung zwischen Kolonialismus, Antisemitismus und Nationalsozialismus aufzuzeigen. „Die Verbindungslinien sind enger, als es lange schien“, erklärte Metzger. „Gerade in Zeiten, in denen autoritäre und antidemokratische Strömungen wieder erstarken, ist es umso wichtiger, diese Zusammenhänge offenzulegen.“
Das Forschungsprojekt bleibt jedoch nicht auf den akademischen Diskurs beschränkt. Vielmehr soll ein Informations- und Erinnerungskonzept entwickelt werden, das die Stadtgesellschaft aktiv einbindet. Bereits bestehende Initiativen wie die Veranstaltungsreihe „Witzenhausen und der Kolonialismus“, die zur Wiederentdeckung des Mahnsteins im Klosterinnenhof führte, dienen als Anknüpfungspunkte. Dieser Stein, in den 1980er Jahren als Gegendenkmal zur Fabarius-Büste errichtet, geriet lange in Vergessenheit und wurde erst kürzlich wieder in den Fokus der öffentlichen Auseinandersetzung gerückt.
Das geplante Erinnerungsprojekt soll einen dynamischen Ort des Dialogs und Lernens schaffen. „Es geht nicht darum, einfach ein weiteres Denkmal zu errichten, sondern darum, einen Raum zu gestalten, der zum Nachdenken anregt“, so Metzger. Künstlerische Interventionen, interaktive Formate und partizipative Veranstaltungen sollen helfen, multiperspektivische Zugänge zur Geschichte zu eröffnen.
„Die koloniale Vergangenheit ist kein abgeschlossenes Kapitel, sondern wirkt bis heute in gesellschaftlichen Strukturen nach“, betonte Ibraimo. „Wir wollen deutlich machen, dass historische Ungleichheiten zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Norden auf tief verwurzelten kolonialen Kontinuitäten beruhen.“
Die ersten Veranstaltungen und Informationsangebote sind für das Frühjahr 2025 geplant. Interessierte sind eingeladen, sich aktiv in den Prozess einzubringen.
 (zep)
https://www.hna.de/


Namibia: der erste deutsche Völkermord im 20. Jahrhundert

23.06.2021
Die deutsche Kolonialgeschichte existiert im kollektiven Gedächtnis seiner Bürger kaum. Sie dauerte nur 30 Jahre und endete, als Deutschland den Ersten Weltkrieg verlor, während andere europäische Länder wie Großbritannien, Frankreich oder die Niederlande ihre weltweiten Kolonien doppelt so lange und länger ausplünderten. Etliche Massenmorde und Schandtaten wurden in der Kolonialzeit sowie davor und danach begangen, wie die Gräueltaten der Belgier im Kongo, der Franzosen in Algerien oder der Engländer in Indien, um nur ein Paar zu nennen. Aber relativieren die „Taten der Anderen“ unsere Verantwortung für das, was unsere Vorfahren in Namibia getan haben? Vielleicht beginnt mit der Aufarbeitung der unwürdigen Gräueltaten der Deutschen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika eine neue Ära, in der die weltweiten Schandtaten aller europäischen Kolonialmächte gesühnt werden, indem Täter wie Opfer an einen Tisch kommen, um gemeinsam an Vergebung, Versöhnung und angemessener Wiedergutmachung zu arbeiten. Eine erhabene Vision. Wie am 28. Mai 2021 aus allen Medien zu erfahren war, hat Deutschland seine mittlerweile 115 Jahre währende Schuld an der fast völligen Ausrottung zweier Ethnien in der ehemaligen Kolonie „Deutsch Südwestafrika“ (1884-1915) – das heutige Namibia, eingestanden – eine Art Vergangenheitsbewältigung eines kolonialen Traumas. Die Bundesregierung erkennt nach fast sechs Jahre andauernden Verhandlungen rund um Schuld und Sühne, Wortklauberei und Höhe der Geldzahlungen offiziell die begangenen Gräuel des Deutschen Kaiserreiches an Herero (auch Ovaherero genannt) und Nama als historische Schuld an. Etwa 65.000 von im Jahr 1884 insgesamt 80.000 Herero und die Hälfte der damals circa 20.000 Einwohner zählenden Nama, wurden von den Deutschen umgebracht, was Historiker als „Ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts“ bezeichnen. Die Bundesregierung wolle diese Tatsache jetzt als „Völkermord“ einstufen – der Begriff wird vom Auswärtigen Amt bereits seit 2015 für die Morde in Namibia verwendet. Nach dem Holocaust im Zweiten Weltkrieg, entschied sich die UN-Generalversammlung im Jahr 1948 Völkermord zum Straftatbestand zu machen. Die Konvention gilt allerdings nicht rückwirkend – also Völkermord vor 1948, weshalb sich für Deutschland aus der Anerkennung des Völkermords in Namibia keinerlei rechtliche Konsequenzen ergeben. Durch einen Fonds von 1,1 Milliarden Euro mit 30 Jahren Laufzeit, soll in Hilfsprojekte im Bereich Landwirtschaft, Landreform, ländliche Entwicklung, Wasserversorgung und Bildung – Angebote aus dem Portfolio der Deutschen Entwicklungszusammenarbeit – vornehmlich in den Gebieten der Herero und Nama investiert werden. Aus diesem symbolischen Akt ergäbe sich weiterhin keine rechtliche Pflicht auf Wiedergutmachung. Es handele sich stattdessen um eine „politisch-moralische Verpflichtung.“ „Das in Aussicht gestellte Hilfsprogramm für Namibia in Höhe von 1,1 Milliarden Euro ist Entwicklungshilfe und hat mit Reparationen überhaupt nichts zu tun“, heißt es von Seiten der Kritiker. Auch der seit 1970 in Berlin lebende Israel Kaunatjike (Ethnie der Herero), nennt die Einigung einen Skandal. Er ist Mitglied im bundesweiten Bündnis „Völkermord verjährt nicht!“ und kämpft für die Anerkennung des Genozids in Namibia. In einer Pressemitteilung vom 17. Mai 2021 wurde seitens des Bündnisses verlautbart, dass ein kaum transparentes bilaterales Regierungsabkommen nicht zu einer Versöhnung mit den Opfern beitrage. Organisationen, die die Opfer vertreten, seien von den Verhandlungen ausgeschlossen gewesen. Außerdem kritisiert das Bündnis die strikte Weigerung Deutschlands, den Genozid im völkerrechtlichen Sinn anzuerkennen und dementsprechend Reparationszahlungen zu leisten. Es gäbe keine Wiedergutmachungspflicht, heißt es da nur. Außerdem habe Deutschland während des Verhandlungsprozesses die derzeitige wirtschaftliche Notlage Namibias ausgenutzt. Am 29.08.2018, ein Jahrhundert nach Ende der Kolonialherrschaft, als Deutschland den Ersten Weltkrieg verloren hatte und Deutsch-Südwestafrika an das englische Südafrika abtreten musste, kam es in Deutschland zu einer feierlichen Geste, bei der einer namibischen Delegation menschliche Schädel und Knochen ihrer Vorfahren zurückgegeben wurden. Diese Gebeine dienten im Naziregime als Grundlage für rassistische Theorien. Schon damals sagte einer der namibischen Friedensaktivisten: „Ich bin einer derjenigen, die mit am Verhandlungstisch sitzen. Wir erwarten, dass Deutschland den Völkermord zugibt. Zweitens fordern wir eine akzeptable Entschuldigung. Und darauf sollten auch Entschädigungszahlungen folgen.“ Dann gab es da noch die Konzentrationslager und Menschenversuche: Tausende menschliche Schädel und Gebeine, die Frauen und Kinder bis auf die Knochen von Haut und Fleisch reinigen mussten, sonst wurden sie erschossen, wurden zu medizinischen, rassistisch- pseudowissenschaftlichen Forschungszwecken, als Ausstellungsstücke für Museen oder als Dekoration im heimischen Wohnzimmer ins Deutsche Reich verschifft. Bei einer Veranstaltung unter dem Titel „From Africa to Auschwitz“, erklärte der Anwalt der namibischen Kläger McCallion aus dem Jahr 2017, warum er in den Konzentrationslagern Südwestafrikas die Vorläufer für die Vernichtungslager der Nationalsozialisten sehe. Deutsche Ärzte hätten den Gefangenen in den Lagern giftige Substanzen wie Arsen in die Venen gespritzt, wenn sie akute Mangelerscheinungen vorwiesen. An Instituten in Deutschland habe man mit den sterblichen Überresten getöteter Herero Versuche gemacht. Die Ideologien der Nationalsozialisten zu Eugenik und Rassenhygiene wurden also bereits Jahrzehnte zuvor in den deutschen Kolonien umgesetzt. 1908 wurde eine Studie über die „Misch-Rasse“ von Eugen Fischer – physischer Anthropologe und Anatomie-Experte in Deutsch-Südwestafrika herausgebracht, die ihm zu internationalem Ruhm als führender Eugeniker verhalf. Er betonte die Gefahren, die aus „rassischer Vermischung“ resultierten. Seine Thesen, die er auf Grund von Tests an heterogenen Menschengruppen in seinen „Human-Laboren“ aufstellte, galten als zentrale Erkenntnisse in ganz Europa. Mitte der 30er-Jahre unter dem nationalsozialistischen System, wurde Fischer einer der wichtigsten Eugeniker. Von 1929 bis 1942 war er Direktor des „Kaiser-Wilhelm-Instituts für anthropologische Humangenetik und Eugenik zu Berlin“ – von der Carnegie-&-Rockefeller-Stiftung finanziell unterstützt – und war an rassistischen Klassifikationen der Nazis beteiligt. Zu seinen Universitätsstudenten zählte später kein geringerer, als der für seine Experimente berüchtigte „Todesengel“ von Auschwitz – Josef Mengele. „Nachdem der Zweite Weltkrieg begonnen hatte, wurden an Fischers Institut entsprechende Blutproben und Augenpräparate geliefert, die aus Josef Mengeles Experimenten an Juden sowie Roma- und Sinti-Zwillingen in Auschwitz stammten. Was also 1908 als anthropologische Studie über „Rassen-Vermischung“ in Deutsch-Südwestafrika begonnen hatte, wandelte sich zu den menschenverachtenden Experimenten mit Häftlingen eines Konzentrationslagers in Polen.“ Viele der begangenen Gräuel in Deutsch-Südwestafrika wie Konzentrations- oder Todeslager, medizinische Versuche an Menschen zur Rassenhygiene, Vergewaltigungen, Käfighaltung, das Verhungern lassen als Methode, setzten sich unter der Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland fort – Namibia erscheint wie eine Generalprobe. Im ihrem 2017 erschienenen Buch „The Genocidal Gaze: From German Southwest Africa to the Third Reich“ macht Elizabeth Baer die Verbindung zwischen diesen beiden Genoziden deutlich. Es ist heute ein Lehrbuch an namibischen Universitäten. Die von Baer herangezogenen historischen Texte zeichnen ein klares Bild des Verhaltens der Deutschen gegenüber den afrikanischen Ureinwohnern. Am 30. September 2011 wurden zum ersten Mal feierlich Gebeine von 20 Herero und Nama durch eine deutsche Institution – die Berliner Charité, an ihre Nachfahren zurückgegeben. Bis heute lagern Tausende Knochen und Schädel aus Namibia, mit denen man durch menschenverachtende medizinische und anthropologische Studien und Versuche die Rassenlehre untermauerte, in deutschen Instituten, Krankenhäusern und Museen. Laut einer Entschließung des Bundestages von 1989 bekennt sich Deutschland aufgrund seiner kolonialen Vergangenheit zu einer besonderen Verantwortung gegenüber Namibia. Bundespräsident Roman Herzog bezeichnete den Vernichtungsfeldzug als eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte beider Staaten. Finanzielle Wiedergutmachung lehnte er ab. Die Regierung unter Helmut Kohl begann nach der Unabhängigkeit Namibias von Südafrika 1990 mit einer verstärkten deutschen Entwicklungshilfe, begründet mit der „historischen Verantwortung“. So kam die Vernichtung der beiden Ethnien in Namibia wieder auf den Tisch, allerdings kam es unter Kohl zu keinem Treffen mit Hinterbliebenen. Auch Außenminister Joschka Fischer vermied es 2004, den Ausdruck Völkermord in den Mund zu nehmen. Nur die damalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ging bei einem Besuch in Namibia soweit zu sagen: „Die damaligen Gräueltaten waren das, was man heute als Völkermord bezeichnen würde.“ Am Montag, den 31.05.2021 rückten mehrere Opferverbände von dem bilateralen Abkommen ab. Das von der deutschen Regierung offerierte Angebot sei beleidigend. Vertreter der Zaraeua Traditionsbehörde (ZTA) verlangen jetzt umgerechnet 477 Milliarden Reparationszahlungen von Deutschland, zahlbar in 40 Jahren. Der ZTA haben sich die traditionellen Führer der Herero-Königshäuser Maharero, Kambazembi und Gam angeschlossen, die scheinbar bei den Verhandlungen zuvor nicht ausgeschlossen waren wie Chief Rukoro. Man verlange direkten Zugriff auf die Gelder und keine Entwicklungshilfe. „Entweder erpresst Deutschland Namibia und sieht das Ganze als PR-Coup – oder sie sehen die namibische Regierung als Marionette.“ Am Freitag, den 18. Juni verstarb der erbitterte Kämpfer gegen das bilaterale Abkommen Herero Chief Rukoro mit 66 Jahren in einer Klinik in Windhuk an Corona. Die Bundesregierung sprach am gleichen Tag ihr Beileid aus. Laut Bild wünschte sich Rukoro, dass die „Trothastraße“ in Klein-Windhuk umbenannt werde, er empfände das als unerträglich. „In Deutschland heißt auch keine Straße mehr nach Adolf Hitler!“
23.06.2021 - von Ine Stolz - Namibia: der erste deutsche Völkermord im 20. Jahrhundert >>>
https://www.eva-herman.net/

„Raum“ durch „Rasse“ beherrschen

Vom Herero-Genozid bis Auschwitz: Der Globalhistoriker Jürgen Zimmerer sieht eine „Kontinuität des Denkens“ zwischen den Plänen für Deutsch-Südwestafrika und der Neuordnung Osteuropas durch die Nazis.

Veröffentlicht am 12.10.2016 | 
Von Sven Felix Kellerhoff
Leitender Redakteur Geschichte
Im Landesmuseum in Hannover wird seit Ende September das „heikle Erbe“ der deutschen Kolonialvergangenheit in einer Ausstellung gezeigt, Mitte Oktober eröffnet die nächste große Ausstellung im Deutschen Historischen Museum Berlin unter dem Titel „Deutscher Kolonialismus“. An der Universität Hamburg erforscht der Historiker Jürgen Zimmerer die Folgen der deutschen Kolonialpolitik. Er ist vor allem bekannt für seine Untersuchungen zum Genozid an den Hereros in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die Welt: Faktisch endete das deutsche Kolonialreich 1914 mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges. Das ist mehr als ein Jahrhundert später doch ziemlich historisch, oder?
Jürgen Zimmerer: Zunächst einmal führte Paul von Lettow-Vorbeck seinen Feldzug in Ostafrika, der bis zu zwei Millionen Menschen, darunter europäischen Soldaten, einheimischen Truppen, Trägern und Unbeteiligten, das Leben kostete, bis zum 25. November 1918. Also sogar über den Waffenstillstand in Europa hinaus.
Zimmerer: Die deutsche Kolonialgeschichte ist natürlich ebenso historisch wie der Erste Weltkrieg und nur ein wenig mehr als die „Machtergreifung“ 1933. Aber wenn wir es grundsätzlicher betrachten, endete der deutsche Kolonialismus eben nicht 1918, sondern setzte sich im Dritten Reich und sogar darüber hinaus fort. Als europäisches Phänomen ist der Kolonialismus zudem die Vorgeschichte der Globalisierung. Und ganz aktuell erleben wir ein Wiederaufleben kolonialer Stereotypen über den ‚anderen‘, der zwar nicht mehr ‚primitiv‘, ‚heidnisch‘ oder ‚eingeboren‘ genannt wird, aber ‚muslimisch‘ oder ‚fundamentalistisch‘.
Die Welt: Sie sagen, der deutsche Kolonialismus wirke noch über das Dritte Reich hinaus. Wo gibt es denn noch Spuren des Kolonialismus im heutigen Deutschland, abgesehen von ein paar Straßennamen und völkerkundlichen Sammlungen?
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Zimmerer: In Hamburg wurde zum Beispiel erst im vergangenen Jahr die Speicherstadt ins Weltkulturerbe der Unesco aufgenommen. Oder der Tierpark Hagenbeck, heute beliebt wie eh und je, aber groß geworden unter anderem als regelrechter „Menschenzoo“, in dem Völkerschauen inszeniert wurden. In der bekanntesten Kirche Hamburgs, dem Michel, wird bis heute der gefallenen deutschen Kolonialsoldaten gedacht, ohne kritische Einordnung und ohne dass die Opfer erwähnt werden. An einem Gebäude der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr prangt, unkommentiert, ein Relief Lothar von Trothas, der den Genozid an den Herero und Nama veranlasste.
Die Welt: Ist das vor allem ein Problem der Hafenstädte?
Zimmerer: Solche Beispiele lassen sich für die meisten deutschen Städte anführen, auch wenn sie sich in Hamburg als dem „Tor zur kolonialen Welt“ besonders verdichten. Hamburg geht nun aber auch mit der historischen Auseinandersetzung voran und hat 2014 beschlossen, ein Konzept für die stadtweite Erinnerung an das koloniale Erbe zu entwickeln. Dazu hat der Senat eine Anschubfinanzierung für die Forschungsstelle „Hamburgs (post)koloniales Erbe“ geleistet, die ich leite. Die Stadt nimmt damit auch international eine Vorreiterrolle ein.
Die Welt: Deutschland hat später als andere europäische Mächte ein Kolonialreich aufgebaut und es früher wieder verloren. Eigentlich existierte es nur dreieinhalb Jahrzehnte, von 1884 bis 1918. Das koloniale Erbe in Ländern wie Großbritannien, Frankreich oder Belgien müsste also viel stärker sein?
Zimmerer: Das koloniale Erbe bemisst sich ja nicht nur an eigenem Kolonialbesitz, sondern an der Teilhabe am europäischen Expansionsprozess an sich. Und da waren Deutsche von Anfang an beteiligt, auch über das Ende der formalen deutschen Kolonialepoche hinaus, das ich übrigens erst 1945 ansetze. Aber sicher ist richtig, dass dieses koloniale Erbe Europas auch andernorts aufgearbeitet werden muss. Da gibt es erhebliche Lücken. Denken Sie nur an die Empire-Nostalgie, die in diesem Frühjahr den Wahlkampf um den Brexit begleitete.
Die Welt: Und was ist spezifisch am Erbe des Kolonialismus in Deutschland?
Zimmerer: Im Zuge meiner Forschungen zum deutschen Kolonialismus in Südwestafrika fiel mir die Systematik auf, mit der die Beamten und Offiziere ans Werk gingen. Sie wollten den relativ wertlosen Landstrich „modernisieren“ und aufwerten. Auf die einheimische Bevölkerung wurde keine Rücksicht genommen. Das erinnert an die Großraumplanung der Nazis. Der militärische Völkermord durch Lothar von Trotha beschleunigte nur diesen Prozess. Auch ohne ihn hätten Herero und Nama als Gesellschaften in der Kolonie keinen Bestand gehabt. In der Forschung nennt man das einen „kulturellen Genozid“.
Bundesregierung stuft Herero-Massaker als Völkermord ein
Die Welt: Am genozidalen Charakter der Niederschlagung des Herero-Aufstandes 1904/08 zweifelt eigentlich niemand mehr …
Zimmerer: Das stimmt leider nicht, wie ein Blick in den „Spiegel“ zeigt. Ausgerechnet dort verstieg man sich im Juni dazu, kolonialapologetische Thesen aufzuwärmen. Und das just, als sich die Bundesregierung endlich durchgerungen hatte, in Bezug auf die Herero und Nama von Genozid zu sprechen! Lang und breit gab das Magazin unter dem Titel „Gewisse Ungewissheiten“ nahezu eins zu eins revisionistische Positionen deutschstämmiger Siedler in Namibia wieder, wie sie dort seit vielen Jahren kursieren. Neuere Forschungen ignorierte man ebenso souverän wie die Befunde der internationalen Genozidforschung.
Die Welt: Aber gibt es denn wirklich eine Verbindung zwischen diesem Massaker und der industriellen Menschenvernichtung in Birkenau?
Zimmerer: Das bewusste Sterbenlassen in der Wüste und in den Konzentrationslagern in Deutsch-Südwestafrika ist mit „Massaker“ verharmlosend beschrieben. Es ging um weit mehr, um die grundsätzliche Umgestaltung der „Siedlerkolonie“ in eine von weißen „Herrenmenschen“ dominierte Gesellschaft. Diese Idee, Raum durch „Rasse“ zu strukturieren, teilt Deutsch-Südwestafrika mit den Planungen für „den Osten“ im Zweiten Weltkrieg. Eine „industrielle“ Ermordung gab es zwar nicht, allerdings möchte ich daran erinnern, dass auch im Zweiten Weltkrieg die Hälfte der Holocaustopfer nicht in „Todesfabriken“ wie Auschwitz oder Treblinka zu Tode kamen, sondern durch Massenerschießungen und unerträgliche Lebensbedingungen in Gettos. Aber sehr wohl gab es eben eine Kontinuität des Denkens.
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Völkermord in Deutsch-Südwestafrika: Der Kolonialkrieg 1904-1908 in Namibia und seine Folgen (Das Standardwerk in 3., aktualisierter Auflage!) Taschenbuch – 4. Mai 2016

Obwohl der Kolonialkrieg des deutschen Kaiserreiches gegen die Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika mehr als hundert Jahre zurückliegt, stellt er im heutigen Namibia immer noch ein Trauma dar. Das militärische Vorgehen der deutschen Schutztruppe endete in einem Völkermord, der seine Fortsetzung in den landesweit eingerichteten Konzentrationslagern fand. Hier kam nahezu jeder zweite afrikanische Kriegsgefangene zu Tode. Die besiegten Afrikaner verloren nicht nur ihr Land und ihren Viehbesitz, sondern wurden fortan auch einem rigiden Kontrollsystem unterworfen. Im vorliegenden, aktualisierten Band werden Ursachen, Verlauf und Folgen dieses Kolonialkrieges beleuchtet. Dabei findet die historische Perspektive der Deutschen wie der Afrikaner gleichermaßen Berücksichtigung. (Anmerkung: Dieses Standardwerk ist mit 96 Abbildungen versehen.)


ERINNERUNGSKULTUR
Shoa und Kolonialverbrechen: wie geht gemeinsames Gedenken?

05.10.2022
Wie kann es gelingen, die vielen Verbrechen der Kolonialzeit ernst zu nehmen? Kann man dazu aus der Aufarbeitung des Holocaust lernen? Experten mahnen zum Blick für das Leid der anderen.
Es ist ein zähes Tauziehen. Seit 2015 ringen Deutschland und Namibia um eine Aufarbeitung des Völkermords, den das Deutsche Reich als Kolonialmacht Anfang des 20. Jahrhunderts an Herero und Nama im damaligen Südwestafrika begangen hat. Zehntausende starben, wurden erschossen oder verdursteten qualvoll in der Wüste. In Namibias Hauptstadt Windhoek erinnert vor dem Unabhängigkeitsmuseum ein Denkmal an die Gräuel (siehe Titelbild).
Beispielhafter Dialog?
118 Jahre danach steht die Entschuldigung immer noch aus. Die deutsche Seite hat ein Programm für finanzielle Leistungen und weiteres Engagement in Namibia vorgelegt, doch viele Menschen in Namibia fühlen sich dabei nicht angesprochen und ihr Land unter Druck gesetzt.
Aber trotz aller Schwächen und massiver Kritik – der begonnene Dialog zwischen Deutschen und Namibiern gilt vielen Experten als beispielhaft. Weltweit gebe es kein ähnliches Bemühen um Aufarbeitung kolonialer Verbrechen, betonten mehrere Expertinnen und Experten bei einer Tagung der Frankfurt University of Applied Sciences, des Goethe Instituts und der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main Ende September. Der Titel der Veranstaltung "Beyond" (Darüber hinaus) stand für eine geweitete Perspektive.
"Eigene Erfahrungswelt"
Den Impuls zu diesem Blick "Darüber hinaus" gab der deutsch-israelische Pädagoge Meron Mendel. Der Professor für Soziale Arbeit und Direktor der Anne Frank Bildungsstätte wollte mit der Konferenz angesichts wiederholter Kontroversen über Antisemitismus und Rassismus über künftige Erinnerungskultur und -kulturen nachdenken. Mendel schildert beim Nachdenken über historische Prägung auch eigene familiäre Erfahrungen. Er selbst sei Enkelkind von Holocaustüberlebenden, die Eltern seiner Frau seien als Flüchtlinge aus Pakistan nach Deutschland gekommen. Schon bei ihnen beiden kämen zwei Erfahrungswelten zusammen, "und ich kann das bei bestem Willen nicht als Gegensatz begreifen", sagt er der Deutschen Welle.
Auschwitz, das Menschheitsverbrechen hier – die vielen Verbrechen diverser Länder während der Kolonialzeit dort. In den Reden der Tagung dominierte die Betonung der Einzigartigkeit des millionenfachen nationalsozialistischen Judenmords. "Präzedenzlos" nannte der Antisemitismusforscher Steffen Klävers den Holocaust.
Beethoven und Hitler
Für ihn, sagte der in den USA lehrende Omer Bartov, einer der weltweit wichtigsten Historiker beim Thema Völkermord, sei und bleibe die Shoa ein "einzigartiges" Verbrechen. Für die Menschen in Deutschland gehöre sie zentral zur Erinnerungskultur, auch für Zuwanderer: "man kann nicht Beethoven haben wollen und Hitler verleugnen."
Und Bartov zitierte den Titel eines in diesem Jahr veröffentlichten Buchs der deutschen Autorin Charlotte Wiedemann: "Den Schmerz der anderen begreifen". Dieser Aspekt wurde in auffallend vielen der Redebeiträge thematisiert. Nie tauchte er im Titel einer Diskussion oder eines Vortrags auf oder stand im Mittelpunkt - aber immer wieder wurde er erwähnt: Empathie, emotionale Beteiligung. "Ohne die Anerkennung des Leids des anderen wird es keine politische Befriedung geben", sagte Doron Kiesel, wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden mit Blick auf den heutigen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern.
Dass auch dieser Ruf nach Empathie nicht zur Forderung werden darf, zeigte eine Szene bei einer der Frage-und-Antwort-Runden. Da rief ein Referent dazu auf, junge Leute in der Erziehung zu ermuntern, innerlich ein Stück "in den Schuhen der Vorfahren zu gehen" und damit deren Schicksal, Schuld oder Verantwortung nachzuspüren. Das sei, bemerkte energisch ein jüdischer Zuhörer, schwierig jenen zu sagen, die ihre Vorfahren in der Shoa verloren hätten. Wer solle sich vorstellen, in diesen Schuhen zu gehen?
Empathie in der Holocaust-Erziehung
Dennoch: Dieser Appell zur Wahrnehmung des Leids kurbelte die Debatte an. "Wie kann man den Blick so erweitern, dass das Leid des anderen wahrgenommen wird, ohne das eigene zu vergessen?", fragte Kiesel. Und die in Cambridge lehrende Anthropologin Esra Özyürek rief dazu auf, Empathie als Grundlage heutiger Holocaust-Erziehung auch im migrantischen Milieu zu sehen, deren eigene Situation aber nicht auszublenden. Es gehe - da zitierte sie in deutscher Sprache den deutschen Philosophen Edmund Husserl - um einen "Platzwechsel".
Dabei gab es auch kritische Gedanken zur Holocaust-Erinnerungskultur, zu ihrer "Nationalisierung" in Israel oder auch ihrer Globalisierung. Mirjam Zadoff vom NS-Dokumentationszentrum München verwies darauf, dass die mahnende Erinnerung an den Holocaust und die Beteiligung am "Nie wieder" nicht unbedingt mit dem kritischen Blick auf eigene historische Verantwortung und eigene koloniale Verbrechen einhergehe.
So hätten die USA heute mehr als 40 Holocaust-Museen – aber erst spät ein erstes Museum zur Sklaverei bekommen, sagte Zadoff. Und Japan schaue Jahr für Jahr feierlich-gedenkend auf den Holocaust – es blende aber eigene Verbrechen aus seiner Kolonialzeit komplett und entschieden aus.
Versöhnung mit Namibia?
Wie umgehen mit Verbrechen der Kolonialzeit, mit historischer Verantwortung für Gräueltaten und Ausbeutung? Auch deshalb war zum Ende der Tagung der Blick auf die schwierige Aufarbeitung des deutschen Völkermordes an den Herero und Nama in den Jahren 1904 bis 1908 spannend. Ruprecht Polenz (76), von 1994 bis 2013 für die CDU im Bundestag und seit 2015 Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Dialog mit Namibia, und Naita Hishoono vom Namibia Institute for Democracy tauschten sich da in kräftiger Kontroverse aus.
Das Werben von Polenz, die Politik in Namibia möge die zwischen den Regierungen erreichte Verständigung übernehmen, wies Hishoono zurück: Ihrem Land werde diese Forderung "wie eine Pistole vor die Brust gesetzt". So lasse sich "keine gemeinsame Erinnerungskultur schaffen, geschweige denn Versöhnung erreichen", sagte sie. Heutige, zutiefst ungerechte Wirtschaftsstrukturen, mit denen sich Europa von Afrika abschotte, blieben ausgeblendet.
Polenz hielt dagegen, es gehe um einen "Anfang für weitere Entwicklungen". Er hoffe, dass es noch in diesem Jahr zu einer Verständigung zwischen Deutschland und Namibia komme. Wie Hishoono und Polenz da miteinander redeten, das beeindruckte viele Zuhörer – weil beide das Leid, die Verbrechen und deren Aufarbeitung ernstnahmen.
05.10.2022
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(Post)kolonialismus und Globalgeschichte
Koloniale Gewalt und Kolonialkrieg

Dr. Fabian Klose(Mehr zum Autor)
20.05.2016 / 
Vom Eroberungsfeldzug mit überlegenen Waffen über den Handel mit Menschen als Ware bis zur planmäßigen Auslöschung ganzer Bevölkerungsgruppen: Entgrenzte Gewalt war nicht nur Mittel imperialer Expansion, sondern diente auch dazu Herrschaft im kolonialen Alltag zu festigen.

Gewalt war ein prägender, ja geradezu elementarer Bestandteil des europäischen Kolonialismus. Vertreter der kolonialen Idee verschleierten diese Tatsache immer wieder gezielt mit der Betonung der westlichen Zivilisierungsmission zum vermeintlichen Wohl der Bevölkerung auf anderen Kontinenten und versuchten damit, die paternalistische Fremdherrschaft zu legitimieren. Im Gegensatz dazu waren es vor allem führende Intellektuelle der antikolonialen Bewegung, die diesen Mythos von der vermeintlichen „Bürde des weißen Mannes“ schonungslos demaskierten und auf die zentrale Funktion von Gewalt im gesamten kolonialen System hinwiesen. Sowohl Aimé Césaire, einer der bedeutendsten afrokaribischen Lyriker und Mitbegründer der Négritude-Bewegung, als auch der aus Martinique stammende Arzt Frantz Fanon beschrieben in ihren einflussreichen Schriften den Kolonialismus als eine fundamentale Dichotomie zwischen Kolonisator und Kolonisierten, als eine zweigeteilte Welt, die auf dem massiven Gewalteinsatz der europäischen Kolonialherren beruhte. Das Verhältnis zwischen Kolonisator und Kolonisierten war nach Césaire gekennzeichnet von einer brutalen Beziehung der Herrschaft und Unterwerfung:
„I look around and wherever there are colonizers and colonized face to face, I see force, brutality, cruelty, sadism, conflict […] No human contact, but relations of domination and submission which turn the colonizing man into a class-room monitor, an army sergeant, a prison guard, a slave driver.“Zur Auflösung der Fußnote[1]
Nach Ansicht von Fanon beruhte das koloniale Zusammenleben auf der Macht von Bajonetten und Kanonen, wobei er die „Herrschaft der Gewalt“ in Kolonien mit einem hohen Anteil europäischer Siedler als besonders dramatisch charakterisierte.Zur Auflösung der Fußnote[2] Demnach war der Einsatz von Gewalt nicht nur auf die Phase der militärischen Eroberung und Expansion beschränkt, sondern bildete vielmehr ein konstitutives Element des alltäglichen Zusammenlebens in der kolonialen Situation. Diese koloniale Herrschaftspraxis kann daher zurecht als eine „Schreckensherrschaft gegenüber der beherrschten Bevölkerung”Zur Auflösung der Fußnote[3] beschrieben werden. Insgesamt betrachtet war Gewalt somit dem Kolonialismus in seinen verschiedenen Phasen – Eroberung, Etablierung und Aufrechterhaltung sowie Rückzug – inhärent.
Koloniale Expansion und indigener Widerstand
Die Errichtung und Aufrechterhaltung europäischer Kolonialherrschaft war direkt mit der Anwendung militärischer Gewalt verbunden. Das belegen die zahlreichen und nahezu zu allen Zeiten der Existenz europäischer Imperien geführten Kolonialkriege. Ausgehend von einzelnen Stützpunkten an der Küste expandierten die europäischen Kolonialmächte im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer tiefer ins afrikanische und asiatische Hinterland, wobei in der Anfangsphase häufig bewaffnete Siedler und paramilitärische Milizen eine Vorreiterrolle bei der Ausdehnung kolonialer Grenzen übernahmen. Bei ihrem Vordringen stießen die Europäer auf den Widerstand der indigenen Bevölkerung, die sich wie zum Beispiel unter Emir Abd el-Kader von 1835 bis 1847 gegen die französische Besatzung Algeriens oder die Maori von 1843 bis 1872 gegen die britische Expansion in Neuseeland erbittert zur Wehr setzte. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wie etwa die erfolgreiche Abwehr der italienischen Invasion Abessiniens durch den Sieg der Truppen von Negus Menelik II. am 1. März 1896 in der Schlacht von Adua, scheiterten die Indigenen bei ihren Versuchen, den Vormarsch der europäischen Kolonialmächte dauerhaft aufzuhalten. Ausschlaggebend für den globalen Siegeszug des Kolonialismus war die große technologische Überlegenheit der europäischen Staaten in Bereichen der Tropenmedizin, des Transport- und Kommunikationswesens sowie vor allem der modernen Waffensysteme. Darüber hinaus bedienten sich die Kolonialmächte Teilen der indigenen Bevölkerung als unerlässliches Rekrutierungsreservoir, um überhaupt das notwendige Heer an Soldaten ausheben zu können. Unter dem Befehl europäischer Offiziere wurden diese Kolonialtruppen dann in allen Teilen des Imperiums eingesetzt und bildeten eine wesentliche Stütze der Kolonialherrschaft.
Die dominierende Form der militärischen Auseinandersetzung in den Kolonien war der „kleine Krieg“. Dabei handelte es sich im Gegensatz zum „großen Krieg“ regulärer Armeen in Europa um ein asymmetrisches Konfliktszenarium, in dem die indigenen Widerstandsbewegungen ihre völlige technische Unterlegenheit gegenüber den europäischen Kolonialmächten durch eine zermürbende Guerillakriegsführung zu kompensieren versuchten. Im Zuge ihrer kolonialen Expansion wurden die europäischen Kolonialmächte im zunehmenden Maß mit der aus ihrer Perspektive völlig unkonventionellen Kriegsführung konfrontiert und gelangten schließlich zu dem Schluss, dass sich Kolonialkonflikte grundsätzlich von den Kriegen zwischen „zivilisierten” Staaten unterscheiden würden. Der führende britische Militärtheoretiker Charles Callwell vertrat in seinem 1896 erstmals publizierten Standardwerk „Small Wars. Their Principle and Practice“ die Auffassung, dass die „kleinen Kriege“ in den Überseegebieten „Expeditionen disziplinierter Soldaten gegen Wilde und halbzivilisierte Rassen”Zur Auflösung der Fußnote[4] seien. Aus europäischer Perspektive hatten daher die völkerrechtlichen Vereinbarungen zur Kriegsführung in derartigen Konflikten grundsätzlich keine Gültigkeit, weshalb das rücksichtslose Vorgehen gegen die indigene Zivilbevölkerung, um zum Beispiel die Unterstützung und den Nachschub für die Aufständischen zu unterbinden, als völlig legitim erachtet wurde.
Zudem gelang es den Kolonialmächten, die neuen Schutzbestimmungen des entstehenden humanitären Völkerrechts von ihren Überseegebieten fernzuhalten. Während zum Beispiel auf der Haager Friedenskonferenz von 1899 besonders heimtückische Kampfmittel wie Giftgas und die verheerenden Dumdum-GeschosseZur Auflösung der Fußnote[5] in Kriegen zwischen „zivilisierten” Staaten geächtet wurden, blieben Kolonialkonflikte von derartigen Verboten unberührt. Vielmehr bedienten sich die verschiedenen Kolonialmächte bei den militärischen Auseinandersetzungen in ihren Überseegebieten immer wieder dieser Waffen, wie der Gaseinsatz Großbritanniens bei der Bekämpfung afghanischer Aufständischer 1920 an der indischen Nordwestgrenze und Spaniens bei der Niederschlagung des Rif-Aufstandes in Marokko von 1921 bis 1927 klar belegt. Vor allem das faschistische Italien setzte bei seiner Invasion Abessiniens von 1935 bis 1936 systematisch Giftgas ein, mit katastrophalen Folgen für die abessinische Bevölkerung, die den Gasangriffen völlig schutzlos ausgeliefert war.
Die Radikalisierung und Entgrenzung von Gewalt in den Kolonialkriegen lag vor allem auch in der Totalität der Kriegsziele begründet. Unter dem Einfluss sozialdarwinistischen Gedankenguts duldeten die europäischen Kolonialmächte nicht die geringste Form des indigenen Aufbegehrens, sondern verfolgten die vollständige und permanente Unterwerfung eines Gegners, den man aufgrund rassistischer Anschauungen zudem als minderwertig wahrnahm. Nur auf diese Weise erachteten die Europäer die Etablierung eines „kolonialen Friedens“ nach ihren Vorstellungen und der damit verbundenen Umsetzung ihrer Zivilisierungsmission als möglich. Die euphemistisch als „Pazifizierung“ und „Strafexpeditionen“ verharmlosten Militäroperationen endeten dabei nicht immer allein mit dem militärischen Sieg der Kolonialmacht, sondern führten in extremen Fällen bis hin zur vollständigen Vernichtung indigener Bevölkerungsteile. Ein besonders prägnantes Beispiel hierfür bildete die Kriegsführung kaiserlicher Schutztruppen gegen die Herero und Nama von 1904 bis 1908 in Deutsch-Südwestafrika, bei dem der Großteil beider Ethnien der gezielten deutschen Vernichtungspolitik zum Opfer fiel. Einige Historiker sprechen in diesem Zusammenhang vom ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Die vom britischen Schriftsteller Rudyard Kipling in seinem berühmten Gedicht über die vermeintliche zivilisatorische „Bürde des weißen Mannes“ zu „Savage Wars of Peace“Zur Auflösung der Fußnote[6] verklärten Kolonialkonflikte waren in der Realität Kriege ohne Regeln und Normen, in denen alle militärischen Maßnahmen erlaubt schienen und es regelmäßig zu einer Entgrenzung von Gewalt kam.
Die „Normalität der Gewalt“ in der kolonialen Situation
Der Kolonialkrieg und die Bekämpfung von offenem indigenen Widerstand förderten sicherlich die radikalsten Formen der kolonialen Gewaltanwendung zu Tage. Allerdings zeichneten sich die Kolonialregime auch nach Abschluss derartiger Militäroperationen durch ein großes Gewaltpotenzial und eine hohe Gewaltbereitschaft aus. Das alltägliche Zusammenleben von europäischen Kolonialherren und indigener Bevölkerung war geradezu gekennzeichnet von einer erschreckenden „Normalität der Gewalt“. Der Hauptgrund dafür lag in einer Belagerungsmentalität der Europäer, die sich selbst als eine „island of white in a sea of black“Zur Auflösung der Fußnote[7] charakterisierten. Aufgrund ihrer eigenen Minderheitsposition in den Überseegebieten betrachteten sie die indigene Bevölkerungsmehrheit als Bedrohung ihrer privilegierten Machtstellung. Die tief sitzende Furcht vor einem drohenden Aufstand – als warnende Beispiele galten im französischen Kontext die Haitianische Revolution (1789–1804) und im Britischen Empire der große indische Aufstand von 1857 – mündeten in ein militantes Verhaltensmuster der europäischen Kolonialherren gegenüber ihren kolonialen Untertanen. Demnach befand sich der Kolonialstaat in einem latenten Belagerungs- und Verteidigungszustand, in dem man nur mit drakonischen Maßnahmen seine eigene Herrschaftsposition zu sichern glaubte.
Die exzessive Anwendung der Prügelstrafe und anderer Formen körperlicher Züchtigung sahen die Kolonialherren daher als völlig „normale“ Methode zur Aufrechterhaltung der kolonialen Ordnung an. Sie gehörten in den Kolonien zur alltäglichen Realität. Gemäß der rassistischen Ansicht vieler europäischer Kolonialherren, verstand die indigene Bevölkerung ausschließlich die Sprache roher körperlicher Gewalt, wie das nachfolgende Beispiel eines weißen Siedlers in Ostafrika zeigt: „Sein primitiver Verstand betrachtet Diskussion als Zeichen der Schwäche […] Überlegene Gewalt ist das einzige Gesetz, das er anerkennt. Ich wandte das Gesetz an, mit der Faust und dem Stiefel.“Zur Auflösung der Fußnote[8] Eine derartige „Normalität der Gewalt“ wurde dann häufig mit dem rassistischen Hinweis legitimiert, dass Afrikaner weniger schmerzempfindlich als Europäer und somit entsprechend resistenter gegenüber körperlicher Züchtigung seien. Die Position der Stärke und das damit verbundene Prestige der Weißen mussten aus Perspektive der Kolonialherren immer gewahrt bleiben, wobei man auf jegliche Form der vermeintlichen Provokation oder des Widerstands mit physischer Gewalt reagierte.
Rechtlich manifestierte sich diese diskriminierende Gesellschaftsordnung in einer kolonialen Rassenjustiz. Für die indigene Bevölkerung galten dabei nicht die Rechtsstandards der jeweiligen kolonialen Metropole, sondern sie unterlag den Bestimmungen eines willkürlichen Eingeborenenrechts wie zum Beispiel dem berüchtigten „code de l’indigénat“ im französischen Kolonialreich. Derartige Gesetze legitimierten körperliche Züchtigung, Zwangsarbeit, Kollektivstrafen und die willkürliche Konfiszierung von Besitz. Sie waren daher ein zentrales Instrument der kolonialen Kontrolle und wurden entsprechend aus indigener Perspektive als Symbol für die ungerechte Fremdherrschaft wahrgenommen. Ohne ausreichenden rechtsstaatlichen Schutz bedeutete dies zudem, dass die indigene Bevölkerung jederzeit den willkürlichen Entscheidungen des Kolonialstaates ausgesetzt war. Vor allem in Siedlungskolonien wie zum Beispiel Australien, Algerien und Kenia führte dies dazu, dass die Indigenen zu Gunsten der ankommenden europäischen Siedler gewaltsam aus fruchtbaren Landesteilen in unwirtliche Gebiete vertrieben wurden. Ihrer traditionellen Lebensgrundlage beraubt zwang man sie dann häufig als abhängige Arbeitskräfte ohne eigene Landrechte auf den nun „weißen Ländereien“ für die Kolonialherren zu arbeiten.
Obwohl die europäischen Kolonialmächte ihr Vordringen in Afrika unter anderem mit dem vermeintlich humanitären Ziel der Bekämpfung der Sklaverei zu rechtfertigen versuchten, zwangen sie dann häufig selbst die afrikanische Bevölkerung zur Zwangsarbeit für koloniale Projekte wie zum Beispiel im Eisenbahn- und Straßenbau oder in der Landwirtschaft. Eines der schlimmsten Ausbeutungssysteme etablierte sich dabei im sogenannten „Kongo-Freistaat“. In diesem riesigen Territorium, das sich im Privatbesitz des belgischen Königs Leopold II. befand, wurden Afrikaner mit extremsten Repressionsmaßnahmen zum Sammeln des wertvollen Naturkautschuks gezwungen. Jede Form des Widerstands und das Nichterfüllen der geforderten Sammelquoten beantworteten die Kolonialherren mit brutalster Gewalt, beispielsweise dem Niederbrennen ganzer Dörfer und dem Abhacken von Gliedmaßen der als Geiseln festgehaltenen afrikanischen Frauen und Kinder. Diese Terrorherrschaft Leopold II. nahm ein derartiges Ausmaß an, dass der Kongo „zu einer der großen Vernichtungsstätten der Moderne”Zur Auflösung der Fußnote[9] und insgesamt zum Symbol exzessiver kolonialer Gewaltanwendung wurde. Öffentliche Kampagnen unter maßgeblicher Führung von Aktivisten wie E. D. Morel und Roger Casement gegen diese „Kongogreuel“ führten schließlich 1908 dazu, dass auf internationalen Druck das Kongo-Gebiet dem Besitz Leopolds entzogen und der offiziellen Aufsicht des belgischen Staats unterstellt wurde.
Blutiger Abschied vom europäischen Kolonialismus
Der europäische Kolonialismus verfügte auch in seiner letzten Phase, seinem weltweiten Rückzug ab 1945, über ein hohes Gewaltpotenzial. Im Zuge der Dekolonisation kam es sogar noch einmal zu einer signifikanten Radikalisierung dieser Gewalt, was sich exemplarisch am Datum des 8. Mai 1945 festmachen lässt. Während dieser Tag das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa bedeutete und das endgültige Ende der NS-Herrschaft in vielen europäischen Staaten entsprechend euphorisch gefeiert wurde, kam es in den algerischen Ortschaften Sétif, Guelma und Kherrata zu gewaltsamen Protesten arabischer Demonstranten gegen die französische Kolonialherrschaft. Frankreich reagierte auf diese Unruhen mit einem massiven Militäreinsatz, dem innerhalb eines Monats nach heutigen Schätzungen zwischen 20.000 und 30.000 Algerier zum Opfer fielen. Die Stunde der Befreiung Europas war aus kolonialer Perspektive eine der blutigsten der europäischen Kolonialgeschichte und markierte den Auftakt zur umkämpften Dekolonisation von 1945 bis 1975.
Die Verwerfungen des Zweiten Weltkriegs hatten auch die Grundfesten der europäischen Kolonialreiche tief erschüttert und den Aufstieg antikolonialer Befreiungsbewegungen maßgeblich gefördert. Vor allem in Asien, wo während des Krieges Großbritannien, Frankreich und die Niederlande große Teile ihres Kolonialreichs an Japan verloren hatten, kam es in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu einer regelrechten Revolutionswelle. Die verschiedenen Nationalbewegungen leisteten nun erbitterten Widerstand gegen die verschiedenen Rekolonisierungsversuche der europäischen Kolonialmächte und zwangen sie in eine ganze Reihe von langjährigen blutigen Dekolonisierungskriegen. Neben den Niederlanden in Indonesien (1945-1949) und Großbritannien in Malaya (1948-1960) führte Frankreich von 1945 bis 1954 einen verlustreichen Krieg gegen die Nationalbewegung des Viet Minh, um seine Herrschaft über Französisch-Indochina aufrecht zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Erst die Schlacht von Dien Bien Phu im Frühjahr 1954, die zum Symbol für die Niederlage des „weißen Mannes“ schlechthin wurde, besiegelte endgültig das Ende der französischen Kolonialherrschaft in Südostasien. Der neun Jahre dauernde Konflikt kostete schätzungsweise 500.000 Vietnamesen das Leben und hinterließ ein zerrissenes Land, das schon bald von einem neuen Krieg, dann ganz im Zeichen des Ost-West-Konfliktes, heimgesucht werden sollte.
Noch konfliktreicher als in Asien gestaltete sich der Rückzug aus den „weißen“ Siedlungskolonien in Nord-, Zentral- und Ostafrika. Dort beharrten die europäischen Siedler auf den Fortbestand ihrer rassistischen Minderheitsherrschaft und lehnten jede Form politischer Zugeständnisse gegenüber der afrikanischen Mehrheitsbevölkerung strikt ab. Von ihren Regierungen in den Metropolen forderten sie vielmehr den uneingeschränkten militärischen Beistand gegen die aufkommenden afrikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Als Folge entwickelten sich gerade Siedlungskolonien, wie die britische Kronkolonie Kenia von 1952 bis 1956 und Französisch-Algerien von 1954 bis 1962, zum Schauplatz von zwei mit äußerster Brutalität geführten Dekolonisierungskriegen, die unter der indigenen Bevölkerung Hundertausende von Toten forderten. Großbritannien und Frankreich schufen dabei mit der Ausrufung des Ausnahmezustandes und damit verbundenen speziellen Notstandsgesetzen die legale Basis für die Radikalisierung des kolonialen Repressionsapparats, was in Phänomenen wie der gewaltsamen Umsiedlung und massenhaften Internierung der indigenen Zivilbevölkerung in Lagern, der systematischen Anwendung von Folter und willkürlichen Massenexekutionen zum Ausdruck kam.
Diese Radikalisierung kolonialer Gewalt mit schwersten Menschenrechtsverletzungen führte wiederum dazu, dass der Kolonialismus insgesamt, vor allem im Kontext des Algerienkriegs, immer stärker am Pranger der Weltöffentlichkeit stand. Die dadurch ausgelöste internationale Kritik entzog der Idee kolonialer Fremdherrschaft letztlich jegliche Legitimationsgrundlage und beschleunigte den Prozess der Auflösung der europäischen Kolonialreiche bis in die Mitte der 1960er Jahre. Lediglich die Diktatur Portugals verweigerte sich beharrlich dieser internationalen Entwicklung und verteidigte sein Überseereich in Angola, Guinea-Bissau und Mozambique in drei verlustreichen und brutal geführten Kriegen. Die sogenannte Nelkenrevolution am 25. April 1974, deren Ursachen tief verwurzelt in den drei anachronistischen Kolonialkriegen lagen, führte schließlich in Portugal zu einem demokratischen Wandel und beendete 1975 endgültig die gewaltsame Fremdherrschaft der ältesten europäischen Kolonialmacht auf dem afrikanischen Kontinent.
Koloniale Gewalt und Kolonialkrieg in aktuellen Debatten
Das Thema von kolonialer Gewalt und Kolonialkrieg hat in jüngster Zeit prominent Eingang in ganz aktuelle Debatten gefunden. Im Zuge des sogenannten globalen „Krieges gegen den Terror“ begannen Antiterrorexperten aus westlichen Militärkreisen sich intensiv mit den Dekolonisierungskriegen nach 1945 zu beschäftigen. Sie analysierten dabei die historischen Konfliktszenarien in Hinblick auf die von der britischen und französischen Armee bei ihren Einsätzen in Malaya, Kenia und Algerien eingesetzten „Counterinsurgency“-Maßnahmen, um daraus wertvolle strategische Erkenntnisse für heutige Operationen im Irak und Afghanistan zu gewinnen. Eine Reihe von Historikern, die sich in den letzten Jahren verstärkt mit der umkämpften Dekolonisation auseinandersetzten, kritisierte diese Tendenzen wiederum scharf und warnte vor einer unreflektierten Betrachtung der Dekolonisierungskriege unter dem Aspekt eines Vorbilds für heutige Militäreinsätze. Anstelle des vermeintlichen militärstrategischen Mehrwerts betonten die Wissenschaftler vielmehr, dass die britischen und französischen Maßnahmen mit der Missachtung aller Prinzipien des humanitären Völkerrechts, der Schaffung rechtsfreier Räume durch eine weitreichende Notstandsgesetzgebung, der Errichtung völkerrechtswidriger Internierungs- und Umsiedlungslager, der systematischen Anwendung von Folter und schweren Kriegsverbrechen mit Hundertausenden von zivilen Opfern einhergingen. Eindringlich warnten sie vor den fatalen Folgen des Einsatzes derartiger Strategien für demokratische Rechtsstaaten und wiesen vehement auf die historische Verantwortung der ehemaligen Kolonialmächte bei der Aufarbeitung ihrer dunklen kolonialen Vergangenheit hin.
Die juristische Auseinandersetzung mit den Kolonialverbrechen europäischer Staaten auf anderen Kontinenten hat dabei erst begonnen. So gab zum Beispiel im Juli 2011 der oberste britische Gerichtshof einer Klage von vier ehemaligen afrikanischen Häftlingen eines britischen Internierungslagers während des Dekolonisierungskrieges in Kenia statt. Letztlich führte dies dazu, dass die britische Regierung nicht nur den vier ursprünglichen Klägern, sondern über 5.000 Kenianern eine finanzielle Entschädigung für die erlittenen Misshandlungen und schweren Gesundheitsschäden zugestand. Die Schadensersatzsumme belief sich insgesamt auf über 20 Millionen Pfund. Die gerichtliche Entscheidung über weitere 40.000 kenianische Fälle steht in Großbritannien aktuell noch aus, wobei es auch in anderen europäischen Staaten eindeutige Tendenzen zur Aufklärung ihrer Kolonialverbrechen gibt. Die von europäischen Kolonialmächten auf anderen Kontinenten verübte exzessive koloniale Gewalt ist heute somit nicht mehr nur ein Thema der historischen, sondern auch der juristischen Aufarbeitung.
Literatur:
David Anderson, Histories of the Hanged, The Dirty War in Kenya and the End of Empire, New York / London 2005.
Raphaelle Branche, La torture et l’armée pendant la guerre d’Algérie 1954–1962, Paris 2001.
Tanja Bührer, Christian Stachelbeck, und Dierk Walter (Hg.), Imperialkriege von 1500 bis heute: Strukturen – Akteure – Lernprozesse, Paderborn 2011.
Andreas Eckert, Kolonialismus, Frankfurt 2006.
Frank Füredi, Colonial Wars and the Politics of Third World Nationalism, London 1994.
Adam Hochschild, Schatten über dem Kongo. Die Geschichte eines fast vergessenen Menschheitsverbrechens, Reinbek 2002.
Thoralf Klein und Frank Schumacher (Hg.), Kolonialkriege. Militärische Gewalt im Zeichen des Imperialismus, Hamburg 2006.
Fabian Klose, Menschenrechte im Schatten kolonialer Gewalt. Die Dekolonisierungskriege in Kenia und Algerien 1945–1962, München 2009.
Michael Mann, Das Gewaltdispositiv des modernen Kolonialismus, in: Mihran Dabag, Horst Gründer und Uwe-K. Ketelsen (Hg.), Kolonialismus. Kolonialdiskurs und Genozid, München 2004, S. 111 135.
Aram Mattioli, Experimentierfeld der Gewalt. Der Abessinienkrieg und seine internationale Bedeutung 1935–1941, Zürich 2005.
Jürgen Osterhammel, Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen, München 2006.
Bruce Vandervort, Wars of Imperial Conquest in Africa 1830–1914, London 1998.
Dierk Walter, Organisierte Gewalt in der europäischen Expansion. Gestalt und Logik des Imperialkrieges, Hamburg 2014.
Hendrik L. Wesseling und Jaap A. de Moor (Hg.), Imperialism and War. Essays on Colonial Wars in Asia and Africa, Leiden 1989.
Jürgen Zimmerer und Joachim Zeller (Hg.), Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen, Berlin 2003.
Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Dr. Fabian Klose für bpb.de
https://www.bpb.de/


Germany`s Genocide of the Herero - Kaiser Wilhelm II, His General, His Settlers, His Soldiers Gebundene Ausgabe – Illustriert, 17. März 2011

In 1904, the indigenous Herero people of German South West Africa (now Namibia) rebelled against their German occupiers. In the following four years, the German army retaliated, killing between 60,000 and 100,000 Herero people, one of the worst atrocities ever. The history of the Herero genocide remains a key issue for many around the world partly because the German policy not to pay reparations for the Namibian genocide contrasts with its long-standing Holocaust reparations policy. The Herero case bears not only on transitional justice issues throughout Africa, but also on legal issues elsewhere in the world where reparations for colonial injustices have been called for. This book explores the events within the context of German South West Africa (GSWA) as the only German colony where settlement was actually attempted. The study contends that the genocide was not the work of one rogue general or the practices of the military, but that it was inexorably propelled by Germany's national goals at the time. The book argues that the Herero genocide was linked to Germany's late entry into the colonial race, which led it frenetically and ruthlessly to acquire multiple colonies all over the world within a very short period, using any means available. Jeremy Sarkin is Chairperson-Rapporteur of the United Nations Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances, and is at present Distinguished Visiting Professor of Law at Hofstra University in Hempstead, New York. He is also an Attorney of the High Court of South Africa and of the State of New York. A graduate of the University of the Western Cape and of Harvard Law School he has been visiting professor at several US universities where he has taught Comparative Law, International Human Rights Law, International Criminal Law and Transitional Justice Southern Africa (South Africa, Botswana, Lesotho, Swaziland, Namibia and Zimbabwe): University of Cape Town Press/Juta


2.2 Online-Artikel zu Reparationen und Entschädigungen für Deutsche Kolonialverbrechen in Afrika


Auswärtiges — Kleine Anfrage — hib 17/2024
AfD hinterfragt „These des Völkermords an den Herero“

15.01.2025
Berlin: (hib/AHE) Nach der „These des Völkermords an den Herero als Grundlage freiwilliger deutscher Entschädigungszahlungen an Namibia“ erkundigt sich die AfD-Fraktion in einer Kleinen Anfrage (20/10003). Die Bundesregierung soll unter anderem mitteilen, ob sie „mit Blick auf die widerstrebenden Meinungen unter Historikern zur Völkermordthese sowie der andererseits darauf basierenden Entschädigungszahlen das im Jahre 2021 geschlossene 'Versöhnungsabkommen' mit der Republik Namibia“ auszusetzen gedenkt und ob sie es für geboten hält, „eine internationale Historikerkommission einzusetzen und sie prüfen zu lassen, ob die Völkermordthese Bestand hat“.
https://www.bundestag.de/


Deutsch-namibischer Versöhnungsdeal: Die vergessenen Stimmen der Opfer

10.01.2025  Henning Melber
Ein Denkmal mit einer Brozestatue zweier Personen
Das Völkermorddenkmal vor dem Nationalmuseum Namibias in Windhoek (Bild: Simone Crespiatico/Shutterstock.com)
Deutschland und Namibia haben einen historischen Versöhnungsdeal geschlossen. Doch die Stimmen der Opfer blieben ungehört. Ein Gastbeitrag.
Anfang Dezember 2024 haben die Regierungen Deutschlands und Namibias die Verhandlungen über eine gemeinsame Erklärung zur Anerkennung des Völkermords des Deutschen Reiches in Südwestafrika abgeschlossen. Von 1884 bis 1915 regierte Deutschland das Land als Kolonie. Im Versailler Vertrag von 1919 wurde das Gebiet zum Mandatsgebiet erklärt.
Deutschland erkennt seine Schuld an
Am 19. Dezember 2024 gab Namibia bekannt, dass die Kabinette beider Länder eine wegweisende Entscheidung im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zum Völkermord, zur Entschuldigung und zur Wiedergutmachung zwischen der namibischen und der deutschen Regierung getroffen haben.
Deutschland erkennt an, dass die "abscheulichen Gräueltaten [...] aus heutiger Sicht als Völkermord bezeichnet würden". Es akzeptiert die "moralische, historische und politische Verpflichtung, sich zu entschuldigen".
Im Gegenzug nehmen "die Regierung und das Volk Namibias die Entschuldigung Deutschlands an" und die Regierung "schätzt die freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschland sehr".
Beide Regierungen werden ein "Programm für Wiederaufbau und Entwicklungshilfe einrichten, um die Entwicklung der Nachkommen der besonders betroffenen Gemeinschaften zu unterstützen". Über einen Zeitraum von maximal 30 Jahren sollen dafür 1.050 Millionen Euro bereitgestellt werden.
Weitere 50 Millionen Euro werden für "Versöhnungs-, Gedenk-, Forschungs- und Bildungsprojekte" bereitgestellt. Es wurde vereinbart, dass "mit diesen Beträgen alle finanziellen Aspekte der Vergangenheitsbewältigung abgedeckt sind".
Ein seit 2015 verhandelter Entwurf wurde im Mai 2021 paraphiert. Anschließend verhandelten Sondergesandte hinter verschlossenen Türen über ein Addendum.
Die Regierungen werden nun versuchen, das umstrittene Abkommen zu besiegeln.
Die wichtigsten Vertreter waren nicht am Verhandlungstisch
Ich habe die Verhandlungen von Anfang an verfolgt, analysiert und kommentiert. Dass eine ehemalige Kolonialmacht Reue für ihre Kolonialverbrechen zeigt, wurde weithin als bahnbrechender Schritt anerkannt. Doch dann folgte die Enttäuschung über die Begrenztheit.
Eine Entschuldigung wurde eher verhandelt als direkt ausgesprochen. Sie vermeidet juristische Konsequenzen. Die Wiedergutmachung endet, ohne Entschädigungen zu gewähren. Die Erklärung lässt das Wort aus.
Am schlimmsten aber ist, dass die Verhandlungen gegen die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker verstoßen. Von beiden Staaten unterzeichnet, heißt es in Artikel 18:
Indigene Völker haben das Recht, an Entscheidungsprozessen, die ihre Rechte betreffen, durch Vertreter teilzunehmen, die sie nach ihren eigenen Verfahren wählen.
Die wichtigsten Vertreter der Nachfahren der vom Völkermord und den deutschen Gräueltaten betroffenen Gemeinschaften saßen nicht mit am Verhandlungstisch. Sie werden hauptsächlich von der Ovaherero Traditional Authority und der Nama Traditional Leaders Association vertreten.
Schätzungen zufolge überlebten bis zu zwei Drittel der Ovaherero (50.000 bis 65.000) und ein Drittel der Nama (10.000) die Kriegshandlungen und ihre Folgen zwischen 1904 und 1908 nicht. Auch die Nachfahren der Damara und San hatten keine Stimme. Auch sie fielen der kolonialen Ausrottung durch die Siedler zum Opfer.
Die überarbeitete und nun verabschiedete Gemeinsame Erklärung korrigiert keinen der grundlegenden Mängel. Sie wird die Namibier weiter spalten – das Gegenteil von Versöhnung.
Wer hat verhandelt?
Die Nachfahren der Ovaherero und Nama haben deutlich gemacht, dass sie in den Verhandlungen nicht ausreichend vertreten waren.
Als die Verhandlungen 2015 begannen, richtete die namibische Regierung zwar Häuptlingsforen ein, die eine beratende Rolle spielen sollten. Diese blieben jedoch weitgehend unsichtbar.
Die gemeinsame Erklärung blieb eine Angelegenheit zwischen zwei Regierungen, und die Vertreter der beiden Gruppen fühlten sich nicht durch den namibischen Staat repräsentiert. Die namibische Regierung basiert weitgehend auf Wahlergebnissen, bei denen die Mehrheit der Wähler aus Regionen stammt, die weniger vom Völkermord betroffen waren.
Als die Sondergesandten den Entwurf im Mai 2021 paraphierten, bezeichneten ihn die Ovaherero Traditional Authority und die Nama Traditional Leaders Association als einen "PR-Coup Deutschlands und einen Akt des Verrats seitens der namibischen Regierung zurück."
Dem namibischen Vizepräsidenten Nangolo Mbumba gelang es im Oktober 2022 nicht, die beiden Gruppen zur Annahme des Verhandlungsergebnisses zu bewegen. Sie beharren auf ihrer Überzeugung, dass "alles, was ohne uns entschieden wird, gegen uns entschieden wird".
Ungewisser Weg nach vorn
Die Kontroversen, die den Prozess geprägt haben, scheinen sich fortzusetzen.
Wochen nach der Veröffentlichung der Erklärung wurden die Foren der Häuptlinge von Ministern besucht, die als Sondergesandte das endgültige Paket absegnen sollten. Es schien als selbstverständlich angesehen zu werden, dass die ausgewählten Gesprächspartner nicht widersprechen würden oder kein Recht hätten, sich der getroffenen Vereinbarung zu widersetzen.
Als nächste Schritte wurden Informationsveranstaltungen für Diasporagemeinschaften, vor allem in Botswana und Südafrika, angekündigt. Ihre Einbeziehung ist eine der wenigen Änderungen in der Erklärung. Es ist jedoch nicht klar, wie sie repräsentiert werden sollen.
Als die Roadshow angekündigt wurde, betonten die traditionellen Autoritäten der Ovaherero und Nama der Okandjoze Chiefs’ Assembly on Genocide erneut ihre Ablehnung. Da sie keinen Einblick in den bilateralen Kooperationsmechanismus hatten, forderten sie eine Rückkehr zum Reißbrett.
Im Anschluss an die Roadshow werden die Außenminister das Abkommen unterzeichnen. Danach wird es dem Deutschen Bundestag und der namibischen Nationalversammlung zur weiteren Beratung und Ratifizierung vorgelegt.
Doch in beiden Fällen könnte es Probleme geben.
Nach der kritischen Debatte in der namibischen Nationalversammlung Ende 2021 haben die Ovaherero Traditional Authority und die Nama Traditional Leaders Association Anfang 2023 Klage beim Obersten Gerichtshof eingereicht.
Sie streben eine gerichtliche Überprüfung an, um die Erklärung als rechtswidrig im Sinne der namibischen Verfassung und als Verstoß gegen eine 2006 von der Nationalversammlung verabschiedete Resolution zu erklären.
Das Verfahren wurde inzwischen verschoben.
Kann die Regierung einen anhängigen Fall ignorieren, ohne die Rechtsstaatlichkeit zu verletzen?
Die deutsche Politik könnte andere Prioritäten setzen. Die Erklärung wurde nie von allen Parteien unterstützt. Insbesondere die FDP, die den Sturz der Regierung herbeigeführt hat, vermeidet in ihrem Wahlprogramm jeden Bezug zum Kolonialismus.
Ein weiteres Hindernis ist, dass Deutschland derzeit eine offizielle Entschuldigung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorbereitet. Namibia wird diese prüfen, bevor sie finalisiert wird. Läuft alles nach Plan, wird sich der Bundespräsident bei den betroffenen Gemeinden offiziell entschuldigen. Aber an einem Ort ihrer Wahl?
Kein Ende in Sicht
In einer Erklärung lehnten die traditionellen Führer der Chiefs’ Assembly von Okandjoze den neuen Vorstoß zum Abschluss der Verhandlungen ab:
Egal wie lange es dauert, am Ende wird der Kampf gewonnen sein mit einem glaubwürdigen Vermächtnis für zukünftige Generationen, um die Geister unserer Vorfahren in den wohlverdienten ewigen Frieden zu führen.
Der Weg der Versöhnung bleibt steinig. Während die Namibier versuchen, die unter deutscher Herrschaft begangenen Verbrechen aufzuarbeiten, fehlt es ihnen noch immer an Wiedergutmachung für die Vergangenheit.
Henning Melber ist Professor im Fachbereich Politikwissenschaften der Universität Pretoria (Südafrika).

https://www.telepolis.de/


Deutsch-namibischer Versöhnungsdeal: Die vergessenen Stimmen der Opfer

10.01.2025 12:49:00

Deutschland und Namibia haben einen historischen Versöhnungsdeal geschlossen. Doch die Stimmen der Opfer blieben ungehört. Ein Gastbeitrag.
Das Völkermorddenkmal vor dem Nationalmuseum Namibia s in WindhoekDeutschland und Namibia haben einen historischen Versöhnungsdeal geschlossen. Doch die Stimmen der Opfer blieben ungehört. Ein Gastbeitrag.
Beide Regierungen werden ein "Programm für Wiederaufbau und Entwicklungshilfe einrichten, um die Entwicklung der Nachkommen der besonders betroffenen Gemeinschaften zu unterstützen". Über einen Zeitraum von maximal 30 Jahren sollen dafür 1.050 Millionen Euro bereitgestellt werden. Am schlimmsten aber ist, dass die Verhandlungen gegen die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker verstoßen. Von beiden Staaten unterzeichnet, heißt es in Artikel 18:
Die überarbeitete und nun verabschiedete Gemeinsame Erklärung korrigiert keinen der grundlegenden Mängel. Sie wird die Namibier weiter spalten – das Gegenteil von Versöhnung.Die Nachfahren der Ovaherero und Nama haben deutlich gemacht, dass sie in den Verhandlungen nicht ausreichend vertreten waren. Dem namibischen Vizepräsidenten Nangolo Mbumba gelang es im Oktober 2022 nicht, die beiden Gruppen zur Annahme des Verhandlungsergebnisses zu bewegen. Sie beharren auf ihrer Überzeugung, dass "alles, was ohne uns entschieden wird, gegen uns entschieden wird".Die Kontroversen, die den Prozess geprägt haben, scheinen sich fortzusetzen.
https://de.headtopics.com/


AfD und Erinnerungskultur
Zwischen Tabubruch und Selbstverharmlosung

Die AfD ist offen geschichtsrevisionistisch: Das zeigt sich im Wahlprogramm und in vielen Provokationen, kritisiert Historiker Jens-Christian Wagner.
29.12.2024
11:02 Uhr
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Die Plastik eines deutschen Stahlhelmes aus dem ersten Weltkrieg
Der Volkstrauertag ist ein staatlicher Gedenktag zur Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt
Foto: Sebastian Willnow/dpa
Gareth Joswig
Berlin taz | Geschichtsrevisionismus bleibt ein wesentlicher Programmpunkt der autoritär-nationalradikalen AfD. Auch im Entwurf für das Wahlprogramm für die Bundestagswahl findet sich Geschichtsklitterung. Er steht es zwar nicht so sehr im Vordergrund wie zuletzt in Thüringen, wo ein Lied eines NS-Dichters dem Programm vorangestellt war, aber die Stoßrichtung bleibt dieselbe.
Die Kernsätze im Programm, das von der Bundesprogrammkommission vorgeschlagen wurde, lauten: „Die offizielle Erinnerungskultur darf sich nicht nur auf die Tiefpunkte unserer Geschichte konzentrieren, sie muss auch die Höhepunkte im Blick haben. Ein Volk ohne Nationalbewusstsein kann auf die Dauer nicht bestehen.“ Die Partei will ihr Wahlprogramm am 11. und 12. Januar auf ihrem Parteitag in Riesa beschließen.
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Der Historiker Jens-Christian Wagner, Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, kritisiert die Geschichtsklitterung der AfD deutlich und sagt zu diesen Kernsätzen: „Das muss man völkisch deuten. Hier scheint die alte These der Neuen Rechten schon aus den Sechzigern durch – vom angeblichen Nationalmasochismus, in dem wir uns alle suhlen würden.“
Das Programm atme die Ideologie der extremen Rechten. Insbesondere dem Satz, ein Volk könne ohne Nationalbewusstsein nicht existieren, liege ein völkisch-nationalistisches Geschichtsverständnis zugrunde. „Mit der Formulierung ist man nicht weit entfernt von der Höcke-Rede, in der er eine ‚erinnerungspolitische Wende um 180 Grad‘ forderte“, so Wagner. Mit Sätzen wie diesem strebe die AfD eine Abkehr von der Aufarbeitung des Nationalsozialismus an.
Wechselspiel zwischen Tabubruch und Selbstverharmlosung
Mit ihrem Geschichtsrevisionismus gehe die Partei strategisch in ein Wechselspiel zwischen Tabubruch und anschließender Selbstverharmlosung, sagt Wagner. Das vergleichsweise zurückhaltender formulierte Parteiprogramm komme dabei der Funktion Selbstverharmlosung zu – Tabubrüche geschähen dann regelmäßig in Reden oder etwa bei „Heldengedenken“ am Volkstrauertag. Diesen Gedenktag hatten die Nationalsozialisten in „Heldengedenken“ umbenannt – zuletzt hatten mehrere AfD-Politiker sowie die AfD-Jugendorganisation an so betitelten Veranstaltungen teilgenommen.
Wie solche Tabubrüche der AfD konkret funktionieren, zeigt ein Fall aus Thüringen. Dort hatte die Linke Mitte November im Landtag anlässlich des fünfzigjährigen Jahrestages der Befreiung am 8. Mai beantragt, für das Jahr 2025 das Datum als Feiertag festzulegen. Der AfD-Abgeordnete Sascha Schlösser sprach sich in seiner Rede dagegen aus: Er verwies stattdessen auf den 11. April, dem Tag der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora. Allerdings ging er nicht auf die Befreiung von Buchenwald an diesem Tag ein, sondern sagte: „Gehen sie nach Gispersleben [Anm. d. Red.: Stadtteil von Erfurt]. Da ist eine kleine Grabplatte. Da wurden am 11. April durch amerikanische Soldaten 50 blutjunge Soldaten erschossen.“
Schuldumkehr durch Falschdarstellung
Wagner sagte dazu: „Das ist eine besonders perfide Variante der Schuldumkehr.“ Schlössers Sätze seien eine Falschdarstellung: Der größte Teil der mindestens 45 dort gestorbenen Soldaten sei im Gefecht gefallen, zudem habe es sich bei den dort kämpfenden deutschen Einheiten mehrheitlich um Soldaten der Waffen-SS und reguläre Wehrmachtssoldaten sowie Angehörige des ‚Volkssturms‘ unter dem Kommando eines SS-Obersturmführers gehandelt.
Am 11. April hätten diese bei einem Gegenangriff an mindestens zwei Stellen Amerikaner gelyncht, die sich bereits ergeben hatten – ein Kriegsverbrechen. Die amerikanischen Einheiten, die einige Tage zuvor das KZ-Außenlager im thüringischen Ohrdruf befreit und die dortigen Massengräber gesehen hatten, beschlossen daraufhin mit besonderer Härte gegen die SS vorzugehen und keine Gefangenen zu nehmen – anschließend erschossen sie auch SS-Gefangene – ebenfalls ein Verstoß gegen das Kriegsrecht.
„Schlösser nennt die aufgerundete Zahl von 50 und vermischt die im Gefecht Gefallenen mit den Erschossenen. Alle Deutschen sind in dieser Logik Opfer alliierter Willkür“, so Wagner. Dass viele der Gefallenen jung gewesen seien, spreche vor allem gegen das NS-Regime, das junge Menschen bis zuletzt an die Front zwang. Wagner sagte weiter: „Schlösser versucht, die Opfer der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dort gegen die getöteten deutschen Soldaten und SS-Angehörigen in Gispertsleben auszuspielen und zeigt damit, was unter der von Höcke geforderten erinnerungspolitischen Wende zu verstehen ist: Statt der Opfer der Konzentrationslager soll Angehörigen der verbrecherischen SS gedacht werden.“ Zuletzt hatten auch Parteigrößen die Schuld der SS relativiert – Parteichef Tino Chrupalla etwa und auch Maximilian Krah, der als Direktkandidat für die Bundestagswahl antritt.
Gegen Dekolonisierung
Eine nationalistische Erinnerungs- und Geschichtspolitik zeigt sich aber auch auf anderen Feldern: Ähnliche Geschichtsumdeutungen wie zum Nationalsozialismus will die AfD auch in kolonialen Unrechtskontexten durchsetzen, wie ihr Programm weiter verrät. Darin heißt es, man wende sich gegen „die zunehmend aggressiven Versuche einer ideologisch geprägten, moralisierenden Umdeutung der Geschichte“, die sich etwa an der „Schleifung von Denkmälern“ und „Umbenennungen von Straßen“ festmache.
Die Debatte um „eine angeblich notwendige Dekolonialisierung, die mit einer Verteufelung des ‚weißen Mannes‘ einhergeht, stellt das Selbstverständnis unserer kulturellen Identität insgesamt infrage.“ Die „Critical Race Theory“ lehne man ab. Ebenso eine Rückgabe von „Sammlungsgütern aus kolonialen Kontexten“. Gemeint sind damit im kolonialen Unrechtskontexten geraubte Kunst, Schätze, aber auch menschliche Überreste.
Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus erwähnt die AfD im Abschnitt zu „Gedenken“ überhaupt nicht – dafür wolle man aber „Mahnmal und ein Informationszentrum für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft errichten“.
https://taz.de/



Sollen Straßennamen umbenannt werden? Darum ist Kassel hier Vorreiter

Stand:10.12.2024, 05:25 Uhr
Von: Matthias Lohr
Der Soemmerringplatz in Kirchditmold erinnert an den Anatomen Samuel Thomas von Soemmerring, der mit Arbeiten wie „Über die körperliche Verschiedenheit des Negers vom Europäer“ versuchte, den Rassismus wissenschaftlich zu begründen.
Ein belasteter Ort? Der Soemmerringplatz in Kirchditmold erinnert an den Anatomen Samuel Thomas von Soemmerring, der seit seinen Kasseler Studien als Mitbegründer des wissenschaftlichen Rassismus gilt. Auch darüber wird die Fachkommission in den nächsten zwei Jahren beraten. © Schachtschneider, Dieter
In Kassel wird seit Langem über Straßen diskutiert, deren Namensgeber historisch belastet sind. Nun arbeitet eine Kommission zu dem Thema. Auch hier wird es wohl hitzige Diskussionen geben.
Kassel – Sollten Straßen in Kassel umbenannt werden, die an Menschen erinnern, auch wenn die in Kolonial- oder NS-Verbrechen verstrickt waren? Darüber wurde in den vergangenen Jahren viel diskutiert. Nun hat eine von der Stadt einberufene Fachkommission ihre Arbeit aufgenommen, die eine „historisch-wissenschaftliche Überprüfung und Bewertung“ ermöglichen soll, wie Oberbürgermeister Sven Schoeller sagt. Wir haben mit dem Vorsitzenden gesprochen, dem Marburger Geschichts-Professor Eckart Conze.
Herr Prof. Conze, würden Sie gern in Straßen wohnen, die nach Adolf Lüderitz oder Hermann von Wissmann benannt sind? Beide waren „klar in Kolonialverbrechen verstrickt oder haben sie sogar angeschoben“, wie der Kasseler Historiker Hubertus Büschel sagt.
Das würde ich nicht gern. Und genau dies ist ein wichtiger Punkt in der Diskussion. Es geht um Straßennamen, bei denen die historische Belastung der Namensgeber bis in die Gegenwart spürbar ist. Es geht um Namen, mit denen wir uns heute nicht mehr identifizieren können, Personen, die heute nicht mehr durch Straßenschilder geehrt werden sollten. Dennoch stellen die Straßennamen für viele Anwohner ein ganz praktisches Problem dar, allerdings kein unlösbares.
„Hier ist Kassel durchaus in einer Art Vorreiterrolle“
Die Gruppe „Kassel postkolonial“ weist schon länger auf historisch belastete Namen hin und kritisiert, dass sich die Stadt bislang zu wenig damit auseinandergesetzt habe. Wie hat Kassel seine koloniale und seine Nazi-Vergangenheit bislang aufgearbeitet?
Über beide Bereiche wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert. In der Öffentlichkeit gibt es eine breite Beschäftigung mit dem Thema. Die nun gebildete Fachkommission ist auch ein Ergebnis dieser Debatten. Wir sind als Kommission aber nur ein Akteur in einem größeren Kontext. Unsere Arbeit hat gerade erst begonnen. An ihrem Ende wird es wissenschaftliche Ergebnisse und Handlungsempfehlungen geben, die in den städtischen Gremien und auch in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Die Fachkommission steht also weder am Anfang noch am Ende des Prozesses einer kritischen Auseinandersetzung mit kolonialer und nationalsozialistischer Vergangenheit in Kassel.
Machen das andere Städte ähnlich?
Es gab und gibt vergleichbare Kommissionen, sogar in wachsender Zahl. Dass in Kassel die koloniale Belastung systematisch einbezogen wird, ist jedoch ziemlich außergewöhnlich. Das gibt es anderswo kaum – allenfalls im Hinblick auf einzelne Straßen. Hier ist Kassel, ohne darauf stolz sein zu müssen, durchaus in einer Art Vorreiterrolle. Mit ihrer NS-Geschichte setzt sich die Stadt schon länger auseinander, denken Sie beispielsweise an die Untersuchung der NS-Belastung der Nachkriegs-Oberbürgermeister Willi Seidel, Lauritz Lauritzen und Karl Branner.
Auch damals waren Sie Teil der Expertenkommission. Wie läuft Ihre Arbeit diesmal konkret ab?
Die Arbeit ist auf zwei Jahre angelegt. Wir treffen uns mehrmals im Jahr und werden Informationen zu Namensgebern und Umständen der Benennung recherchieren, analysieren und diskutieren. Das geht im Hinblick auf die NS-Vergangenheit über die Frage hinaus, ob jemand in der NSDAP war oder nicht. Der wissenschaftliche Fachreferent der Kommission, Kristian Geßner, ein Historiker, wird in Archiven und Bibliotheken forschen und uns in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv biografisches Material zur Verfügung stellen. Den Bewertungen und Empfehlungen der Kommission werden klare und präzise Kriterien einer kolonialen oder nationalsozialistischen Belastung zugrunde liegen. Und am Ende sollten die Ergebnisse veröffentlicht werden - ob elektronisch oder in Buchform. Wichtig ist aber: Nicht wir als Kommission entscheiden darüber, ob eine Straße umbenannt wird oder nicht. Wir liefern wissenschaftliche Grundlagen, auf deren Basis in der Stadtgesellschaft diskutiert und am Ende von den zuständigen Gremien über eine Umbenennung entschieden werden kann. Allein die Diskussion ist schon wichtig.
Sollen Straßennamen in Kassel umbenannt werden?
Offensichtlich stören sich die Bewohner der Lüderitz- und Wissmannstraße nicht an den Namen. Sollte man Straßen auch gegen den Willen der Betroffenen umbenennen?
Die Meinung der Betroffenen ist ein Faktor, den man nicht ignorieren sollte. Allerdings kann der Wille der Anwohner auch nicht zum Maß aller Dinge gemacht werden. Das würde zu kurz greifen. Es wird sicher kontroverse Diskussionen geben. Aber das muss nicht schlecht sein, im Gegenteil. Der Diskurs ist Ausdruck einer pluralistischen Stadtgesellschaft, auch in ihrer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
Selbst Vorbilder wie Immanuel Kant und Hannah Arendt haben sich in ihren Schriften rassistisch geäußert. Inwieweit kann man historische Persönlichkeiten überhaupt nach heutigen Wertmaßstäben beurteilen?
Wir können gar nicht anders, als sie nach heutigen Wertmaßstäben zu beurteilen. Unsere Urteile über die Vergangenheit sind immer bestimmt von den Wertvorstellungen und moralischen Standards der Gegenwart. Zugleich müssen wir Menschen auch in ihrer Zeit verstehen. Beides gehört zusammen. Im Übrigen hat es über Jahrhunderte immer wieder Umbenennungen von Straßen und Plätzen gegeben. Der Wandel ist das Normale, nicht die Kontinuität – gerade in Deutschland. Und die Gesellschaft der Gegenwart setzt sich nach langer Verdrängung und Nicht-Thematisierung besonders intensiv und kritisch mit der Vergangenheit auseinander.
In Kirchditmold gibt es einen Platz, der an den Anatomen Samuel Thomas von Soemmerring erinnert, der seit seinen Kasseler Studien als Mitbegründer des wissenschaftlichen Rassismus gilt, sich aber auch im Kampf gegen Cholera verdient gemacht hat. Sollte man einem solchen Mann einen Platz widmen?
Das kann ich im Moment nicht sagen, weil ich dazu noch nicht über präzise Informationen verfüge. Wir werden aber immer wieder mit Straßennamen konfrontiert sein, die sich genau durch eine solche Ambivalenz auszeichnen. Sich damit auseinanderzusetzen, ist ein Kern unserer Arbeit. In dem speziellen Fall ist es jedoch noch zu früh, mich dazu zu befragen.
Es wird sicher kontroverse Diskussionen geben. Aber das muss nicht schlecht sein, im Gegenteil.
Eckart Conze
In Kassel wurde auch schon über die Mohren-Apotheke am Bebelplatz gestritten. Inwiefern können Sie die Kritik an dem Begriff verstehen, der ja ursprünglich gar keine abwertende Bedeutung hatte?
Ich kann diese Kritik gut nachvollziehen. In seiner ursprünglichen Bedeutung war der Begriff nicht abwertend gemeint, aber Konnotationen verändern sich. Worte, Bezeichnungen können eine abwertende Bedeutung bekommen. In der Regel gibt es auch auf solche Fragen keine einfachen Antworten. Aber es ist wichtig, für diese Problematik zu sensibilisieren. In meiner Heimatstadt Coburg verbannten die Nazis 1934 einen „Mohrenkopf“ aus dem Stadtwappen – aus rassistischen Gründen. Da ist sie wieder, die Ambivalenz. (Interview: Matthias Lohr)
https://www.hna.de/


72-jährige Nandi-Ndaitwah
Namibia bekommt seine erste Präsidentin

Stand: 03.12.2024 22:18 Uhr
Erstmals ist in Namibia eine Frau an die Staatsspitze gewählt worden: Netumbo Nandi-Ndaitwah setzte sich in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl durch. Auch für Deutschland ist relevant, welchen politischen Kurs sie einschlägt. Zum ersten Mal in der Geschichte Namibias wird eine Frau an der Spitze des Staates stehen: Netumbo Nandi-Ndaitwah gewann die Präsidentschaftswahl laut offiziellem Ergebnis mit 57 Prozent der Stimmen.Die 72-Jährige war bislang Vizepräsidentin des Landes. Sie kündigte an, sich in ihrer fünfjährigen Amtszeit auf die Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit sowie Investitionen in "grüne Energie", Landwirtschaft und Infrastruktur zu konzentrieren.
SWAPO_Anhänger auf einer Veranstaltung in Windhoek (Namibia)
Player: videoArbeitslosigkeit und Korruption: Parlamentswahl in Namibia droht für regierende SWAPO-Partei zum Fiasko zu werden
27.11.2024
Parlamentswahl
Wachablösung in Namibia?
Namibias SWAPO hat den Nimbus als "Partei des Volkes" verbraucht. Vor der Wahl macht sich Nervosität breit. mehr
Regierungspartei SWAPO behält MehrheitAuf Nandi-Ndaitwahs schärfsten Rivale, Panduleni Itula, entfielen nach Angaben der Wahlkommission 26 Prozent.Die Regierungspartei SWAPO, die in Namibia seit 34 Jahren regiert, behält nach Angaben der Wahlkommission, mit 52,68 Prozent die Mehrheit im Parlament.Bei der Abstimmung am 27. November hatte es einige Probleme gegeben: In knapp 40 der 4.622 Wahllokale musste die Stimmabgabe trotz des offiziellen Endes der Wahl fortgesetzt werden. Teile der Opposition erkennen das Wahlergebnis nicht an.
Eine Reihe von Photovoltaik-Anlagen auf sandigem Boden in Namibia.
podcast
20.06.2023
11KM
Deutsche Energiewende made in Namibia?
Wird die Energiewende dank Wasserstoff-Lieferungen aus Afrika gelingen? mehr
Wie geht es mit Abkommen weiter?
Auch für Deutschland ist wichtig, welche Richtung die neu gewählte Regierung einschlagen wird. Die Bundesregierung plant, ab etwa 2028 in großen Mengen "grünen Wasserstoff" aus Namibia zu importieren.Berlin dürfte zudem auf politische Kontinuität für Gespräche über das Versöhnungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia hoffen, das derzeit auf Eis liegt. Das Abkommen soll für einen Ausgleich für den Völkermord an den Nama und Herero sorgen, den deutsche Truppen im Jahr 1904 in der damaligen deutschen Kolonie verübten.Vorgesehen sind Zahlungen für Entwicklungsprojekte in Namibia in Höhe von 1,1 Milliarden Euro. Bislang teilte die namibische Regierung die Ansicht Deutschlands, dass Gesuche von Nachkommen der damaligen Opfer, mit der Bundesregierung direkt über persönliche Entschädigungen zu verhandeln, abgelehnt werden.
Denkmal zur Erinnerung an den von deutschen Kolonialtruppen begangenen Verbrechen an den Herero und Nama.
Player: audioNamibia: 120. Jahrestag des Herero-Aufstands
12.01.2024
Herero-Aufstand vor 120 Jahren
Der schwere Weg zur Aussöhnung
Vor 120 Jahren erhoben sich die Herero und Nama gegen den deutschen Besatzer. mehr >>
https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/namibia-neue-praesidentin-100.html



Wahlen in Namibia
Der ungelöste Völkermordstreit

Die Wahlen in Namibia und Deutschland belasten die Verhandlungen um den Genozid an den Herero und Nama. Diesem fielen über 110.000 Menschen zum Opfer.
27.11.2024
Ein Mann zeigt seinen markierten Daumen nach der Stimmabgabe bei National- und Präsidentschaftswahlen in Namibia
Nach den Wahlen in Namibia könnte der Streit über die Reparationen neu entfachen
Foto: Noah Ndero Tjijenda/reuters
Von Alfred Shilongo
Windhuk taz | Der Streit über die Reparationen, die Deutschland Namibia wegen des Völkermordes an den Herero und Nama schuldet, droht mit den Wahlen in Namibia und in Deutschland neu aufzubrechen. In Windhuk wird es für möglich gehalten, dass die nächste Regierung die Verhandlungen darüber nicht fortführen könnte.
Seit 2015 verhandeln Deutschland und Namibia über die Anerkennung und Aufarbeitung des Genozids an den Herero und Nama, dem 1904–08 während der deutschen Kolonialherrschaft über 110.000 Menschen zum Opfer fielen. 2021 sagte die deutsche Regierung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel Zahlungen von 1,1 Milliarden Euro über dreißig Jahre an Namibia zu, als Teil einer offiziellen deutschen Anerkennung des Genozids.
Das Geld wurde aber nicht als Reparation in Folge einer Verpflichtung dargestellt, sondern als eine freiwillige Geste der Versöhnung. Die Herero- und Nama-Gemeinschaften lehnten den Deal ab und der damalige namibische Präsident Hage Geingob sagte zu, Neuverhandlungen mit Deutschland aufzunehmen. Sie sind bis heute nicht abgeschlossen.
Chefunterhändler blickt negativ auf Ampel-Zusammenbruch
Geingob ist mittlerweile verstorben, Merkel ist nicht mehr im Amt und die deutsche Nachfolgeregierung unter Olaf Scholz ist vor Kurzem zusammengebrochen. Im Februar 2025 finden Neuwahlen in Deutschland statt, im März 2025 übernimmt in Namibia das an diesem Mittwoch zu wählende neue Staatsoberhaupt die Macht. Alles ist also offen.
Charles Eiseb, Chefunterhändler der namibischen Regierung, sagt, er sei sich im Unklaren über den weiteren Fortgang der Gespräche. „Der Zusammenbruch der deutschen Koalition wird unweigerlich einen negativen Effekt auf den Prozess haben“, sagte er.
Der politische Analyst Petrus Sinimbo hält es für möglich, dass Namibia sich zukünftig an Simbabwes Versuchen orientiert, Reparationen für koloniales Unrecht von Großbritannien zu erstreiten. „Namibia könnte eine erweiterte internationale Mediation anstreben, um Gerechtigkeit zu erhalten.“
https://taz.de/

Die Berliner Konferenz 1884 bis 1885 und der Umgang der Bundesregierung mit den Folgen des deutschen Kolonialismus

Deutscher Bundestag
Drucksache 20/13572
20. Wahlperiode
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra
Wagenknecht, Ali Al-Dailami, weiterer Abgeordneter und der Gruppe BSW– Drucksache 20/12996
31.10.2024
Die Berliner Konferenz 1884 bis 1885 und der Umgang der Bundesregierung mit
den Folgen des deutschen Kolonialismus

Vorbemerkung der Fragesteller
Deutschland war zwischen 1884/1885 und 1919 die drittgrößte europäische Kolonialmacht in Afrika, hinter dem Vereinigten Königreich und Frankreich. Das Deutsche Kaiserreich herrschte über Deutsch-Südwestafrika (das heutige
Namibia), Deutsch-Ostafrika (die heutigen Staaten Burundi, Ruanda sowie Tansania ohne die Insel Sansibar) sowie über Teile des Territoriums der heutigen Republik Togo und den östlichen Teil des heutigen Ghana sowie über Kamerun. Die Annexionen begannen allerdings schon früher (www.dw.com/de/koloniale-vergangenheit-holt-deutschland-ein/a-54719341).
Um ihre bereits bestehenden und zukünftigen kolonialen Eroberungen rechtlich abzusichern, kamen vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 die damals wichtigsten Kolonialmächte in Berlin zusammen. An dieser von
Deutschland initiierten internationalen diplomatischen Konferenz, oft auch als „Kongo-Konferenz“ bezeichnet, nahmen vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 in der deutschen Hauptstadt Vertreter von 13 europäischen Mächten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande mit Luxemburg, Österreich-Ungarn, Portugal, Russland, Schweden-Norwegen und Spanien), dem Osmanischen Reich und den
USA teil.
Zum 140. Mal jährt sich in diesem Jahr die Berliner Afrika-Konferenz, die der damalige deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck einberief, um den Ein tritt des Deutschen Reiches in den Kreis der Kolonialmächte international ab
zusichern, und die ihn zum Ahnherrn der Aufteilung Afrikas machte (kolonialismus.blogs.uni-hamburg.de/2024/02/09/call-for-proposals-1884-2014-2024-bismarck-hamburg-und-die-zukunft-des-kolonialen-erbes-tagung-hamburg-14-11-16-11-2024/). Staatliches Erinnern an die Berliner Konferenz von 1884 hat in Deutschland in der Vergangenheit kaum stattgefunden. Ähnlich der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit sind erste Anstöße dazu und zur Erinnerung an die deutsche Kolonialgeschichte allgemein von der Zivilgesellschaft ausgegangen (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 1 – 3000-012/24, S. 9).
Es sind hauptsächlich die wirtschaftlichen Potenziale, die 140 Jahre nach Beginn der Berliner Konferenz einen neuen Wettbewerb um Afrika verursachen. Der afrikanische Kontinent verfügt über einen immensen Reichtum an Rohstoffen, der seit der Kolonialzeit zum Treibstoff der industriellen Entwicklung der Kolonialmächte und ihrer Alliierten wurde. Afrika besitzt viele eben jener Rohstoffe, die für die angestrebte Energiewende unerlässlich sind. Es wäre
nicht das erste Mal, dass der Rohstoffsegen zu negativen Folgen wie Verschuldung bei zumeist westlichen Geldgebern, Arbeit unter desolaten sozialen Bedingungen und Umweltbelastungen führt.
https://dserver.bundestag.de/btd/20/135/2013572.pdf

Die Berliner Konferenz 1884 bis 1885 und der Umgang der Bundesregierung mit den Folgen des deutschen Kolonialismus
31.10.2024 | Deutscher Bundestag | Drucksache 20/13572 20. Wahlperiode | Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Ali Al-Dailami, weiterer Abgeordneter und der Gruppe BSW– Drucksache 20/12996
241031_BT_Anwort_berlin_konferenz_kolonialismus.pdf (287.97KB)
Die Berliner Konferenz 1884 bis 1885 und der Umgang der Bundesregierung mit den Folgen des deutschen Kolonialismus
31.10.2024 | Deutscher Bundestag | Drucksache 20/13572 20. Wahlperiode | Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Ali Al-Dailami, weiterer Abgeordneter und der Gruppe BSW– Drucksache 20/12996
241031_BT_Anwort_berlin_konferenz_kolonialismus.pdf (287.97KB)


Der vermessene Mensch – Die Dokumentation

zdf.de Doku Terra X History
von Jörg Müllner
Begleitend zum Film "Der vermessene Mensch" ordnet die Doku die Ereignisse im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika historisch ein und zeigt die Opferseite des deutschen Völkermords an den Herero und Nama.
Videolänge:44 min Datum:07.10.2024 :UT - AD
Verfügbarkeit:
Video verfügbar bis 05.10.2029
https://www.zdf.de/

Auswärtiges
Auswirkung der Kolonialvergangenheit auf die Außenpolitik

Zeit: Montag, 14.10.2024, 13.30 bis 16.30 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101
Der Auswärtige Ausschuss hat sich am Montag, 14. Oktober 2024, in einer zweieinhalbstündigen öffentlichen Anhörung mit dem Thema „Auswirkungen des Kolonialismus und der deutschen kolonialen Vergangenheit auf die internationalen Beziehungen und die aktuelle deutsche Außenpolitik“ befasst. Die Bandbreite der Beurteilung dieser Vergangenheit reichten von „genozidalen Exzessen“ bis zur Rede von „höchsten Idealen der Kolonialmission“.
Speitkamp: Kolonialerinnerung als Gewalterfahrung
Der Historiker Winfried Speitkamp, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, machte deutlich, in welchem Ausmaß die Fremdherrschaft in den damaligen deutschen Kolonien als Gewaltherrschaft erlebt wurde. „Wo Deutsche auftauchten, waren sie bewaffnet und setzten diese Waffen auch ein.“ Kolonialtruppen standen außerhalb des deutschen und des Völkerrechts, insbesondere im heutigen Tansania und Namibia gab es eine „Kriegsführung der extremen Gewalt“ und „genozidale Exzesse“, sagte Speitkamp.
„Eine 'Politik der verbrannten Erde' entsprang keinem vorab fixierten Plan, sondern war Resultat der Entgrenzung von Gewalt.“ Diese Gewalterfahrung sei noch heute aktuell. Die deutsche Außenpolitik müsse die Präsenz der Kolonialerinnerung als Gewalterfahrung bis in das lokale und das familiäre Gedächtnis hinein beachten.
Friedrich: Wir dürfen nicht naiv sein
Stefan Friedrich, Leiter der Abteilung Subsahara-Afrika der Konrad-Adenauer-Stiftung, argumentierte, eine wünschenswerte kritische Aufarbeitung der Vergangenheit dürfe nicht den eigenen außenpolitischen Interessen schaden: „Wir dürfen nicht naiv sein.“ Gerade in Afrika sei der Kolonialismusvorwurf eingebettet in massive Desinformationskampagnen von Russland und China. „Diese und auch afrikanische Autokraten bedienen sich der kolonialen Vergangenheit Europas, um sie als Waffen gegen den Westen zu nutzen.“
Die Partner seien weniger an deutscher „selbstbezogener Vergangenheitsbewältigung“ interessiert als an Unterstützung zur Bewältigung von Zukunftsaufgaben. Friedrich illustrierte dies an der Reaktion nigerianischer Partner auf die Rückgabe der ersten Benin-Bronzen in Nigeria: „Eine 90-köpfige Delegation für die Vergangenheit, aber kein einziger Vertreter der deutschen Wirtschaft, um über die Zukunft zu sprechen.“
Ziai fordert Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens
Aram Ziai, Leiter des Fachgebiets Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien an der Universität Kassel, machte auf einen jahrhundertewährenden Reichtumstransfer von Süd nach Nord aufmerksam: Der Reichtum aus südamerikanischen Edelmetallen habe zusammen mit dem transatlantischen Sklavenhandel und der Plantagenwirtschaft erst das Kapital zur Verfügung gestellt, mit dem die Industrialisierung in Europa finanziert werden konnte.
„Auch im 21. Jahrhundert findet immer noch ein massiver Finanztransfer von Süd nach Nord statt.“ Unter anderem durch den Schuldendienst gebe es einen jährlichen Transfer von 1.500 Milliarden US-Dollar von arme in reiche Länder. Ziai plädierte für die Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens und für ein internationales Schuldensystem, das mit der heutigen Dominanz der Gläubiger bricht.
Mancheno betont Rolle der Zivilgesellschaft
Tania Mancheno von der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ betonte, dass die „Signifikanz einer Erinnerung an die deutsche Kolonialgeschichte nicht mehr verhandelbar ist“. Die entscheidende Frage sei, an welche Ereignisse erinnert werden solle und welche Erinnerungsformen sich als geeignet erweisen und welche nicht.
Mancheno betonte die bedeutende Rolle der Zivilgesellschaft für diesen Prozess: „Wie im Falle der nationalsozialistischen Vergangenheit wird die Erinnerung an die deutsche Kolonialgeschichte in erster Linie von der Zivilgesellschaft geformt.“ Die Impulse für eine nachhaltige Erinnerungskultur würden in der Regel weder von politischen Akteuren noch von Universitäten gesetzt. Es gebe keine Gründe, die dagegen sprächen, „Deutschland wieder als Vorreiterland der Erinnerungskultur international zu positionieren“.
Gilley: Ehrlich mit Afrika auseinandersetzen
Bruce Gilley von der Portland State University verwies in seiner schriftlichen Stellungnahme auf die Berliner Konferenz von 1884 bis 1885, „auf der die europäischen Mächte sich auf die höchsten Ideale der Kolonialmission einigten“. Deutschland habe die Prinzipien dieser Konferenz nicht nur etabliert, sondern in einer Weise in die Tat umgesetzt, die in der kurzen Dauer seiner kolonialen Geschichte von etwa 1885 bis 1919 von keiner anderen Kolonialmacht übertroffen worden sei.
Heute sähen deutsche Akademiker ihre Rolle darin, „das deutsche Volk für die Blutschuld des Kolonialismus vor Gericht zu bringen“, so Gilley. Statt sich selbstbewusst und ehrlich mit Afrika auseinanderzusetzen, sei Deutschland „in einer Kultur der Schuld gefangen, die Reparationsgeschäfte und ineffektive Entwicklungshilfe hervorbringt“. (ahe/14.10.2024)
https://www.bundestag.de/


"Der vermessene Mensch"

- Fr. 04.10. - ARTE: 20.15 Uhr

Kolonialverbrechen im heutigen Namibia: Ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte
Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher) schreibt seine Doktorarbeit im Fach Ethnologie. Von der Reise nach Afrika verspricht er sich neue Erkenntnisse für die Forschung.
© Willem Vrey/zero one film 202
Ethnologie-Doktorand Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher, rechts) erlebt den sogenannten "Herero-Aufstand" in "Deutsch-Südwestafrika" mit - und seine blutige Niederschlagung durch die "Deutsche Schutztruppe" mit Oberleutnant Wolf von Crensky (Sven Schelker, links) und Korporal Kramer (Max Koch, zweiter von links).
Ethnologie-Doktorand Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher, rechts) erlebt den sogenannten "Herero-Aufstand" in "Deutsch-Südwestafrika" mit - und seine blutige Niederschlagung durch die "Deutsche Schutztruppe" mit Oberleutnant Wolf von Crensky (Sven Schelker, links) und Korporal Kramer (Max Koch, zweiter von links).
© Willem Vrey/zero one film 2022
Der Berliner Ethnologie-Professor Josef Ritter von Waldstätten (Peter Simonischek, Mitte) glaubt fest an die rassistischen Theorien von der Überlegenheit des europäischen Menschen gegenüber den Einheimischen in den afrikanischen Kolonien und gibt diese Theorien an seine Studenten weiter.
Der Berliner Ethnologie-Professor Josef Ritter von Waldstätten (Peter Simonischek, Mitte) glaubt fest an die rassistischen Theorien von der Überlegenheit des europäischen Menschen gegenüber den Einheimischen in den afrikanischen Kolonien und gibt diese Theorien an seine Studenten weiter.
© Willem Vrey/zero one film
Kezia Kunouje Kambazembi (Girley Charlene Jazama) reist anlässlich der "Deutschen Kolonial-Ausstellung" von ihrem Dorf in "Deutsch-Südwestafrika" aus als Dolmetscherin mit einer Delegation von Herero und Nama nach Berlin.
Kezia Kunouje Kambazembi (Girley Charlene Jazama) reist anlässlich der "Deutschen Kolonial-Ausstellung" von ihrem Dorf in "Deutsch-Südwestafrika" aus als Dolmetscherin mit einer Delegation von Herero und Nama nach Berlin.
© Willem Vrey/zero one film 2022
Der ehrgeizige Berliner Ethnologie-Doktorand Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher) lernt die Herero-Dolmetscherin Kezia Kunouje Kambazembi (Girley Jazama) kennen. Nicht nur die Begegnung mit ihr lässt ihn an der gängigen Rassentheorie zweifeln.
Der ehrgeizige Berliner Ethnologie-Doktorand Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher) lernt die Herero-Dolmetscherin Kezia Kunouje Kambazembi (Girley Jazama) kennen. Nicht nur die Begegnung mit ihr lässt ihn an der gängigen Rassentheorie zweifeln.
© Julia Terjung/zero one film 2022 © Willem Vrey/zero one film 2022
Professor Josef Ritter von Waldstätten (Peter Simonischek) ist ein Verfechter der um 1900 gängigen evolutionistischen Rassentheorie. Mit pseudo-wissenschaftlichen Experimenten und Theorien versucht er die angebliche Überlegenheit der weißen Rasse zu legitimieren.
Professor Josef Ritter von Waldstätten (Peter Simonischek) ist ein Verfechter der um 1900 gängigen evolutionistischen Rassentheorie. Mit pseudo-wissenschaftlichen Experimenten und Theorien versucht er die angebliche Überlegenheit der weißen Rasse zu legitimieren.
© Julia Terjung/zero one film 2022
Im Auftrag des Völkerkundemuseums in Berlin sammeln Soldaten menschliche Schädel von in der Wüste zu Tode gekommenen Herero und Nama ein. Sie sollen zu Forschungszwecken genutzt werden, die die rassistischen Theorien der Überlegenheit der Weißen untermauern sollen.
Im Auftrag des Völkerkundemuseums in Berlin sammeln Soldaten menschliche Schädel von in der Wüste zu Tode gekommenen Herero und Nama ein. Sie sollen zu Forschungszwecken genutzt werden, die die rassistischen Theorien der Überlegenheit der Weißen untermauern sollen.
© Willem Vrey/zero one film 2022
Berliner Ethnologie-Studenten sollen die Schädel von Afrikanern vermessen, um zu beweisen, dass weiße Menschen dem afrikanischen "Buschmann" geistig und kulturell deutlich überlegen sind.
Berliner Ethnologie-Studenten sollen die Schädel von Afrikanern vermessen, um zu beweisen, dass weiße Menschen dem afrikanischen "Buschmann" geistig und kulturell deutlich überlegen sind.
© Julia Terjung/zeroone film 2022
Eigentlich ist Ethnologie-Doktorand Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher) wegen seines Interesses für die Herero und Nama mit einer Delegation in die Kolonie "Deutsch-Südwestafrika" gereist. Dort wird er Zeuge des Aufstands der Einheimischen gegen Militär und deutsche Siedler, die ihnen das Weideland und damit ihre Lebensgrundlage rauben.
Eigentlich ist Ethnologie-Doktorand Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher) wegen seines Interesses für die Herero und Nama mit einer Delegation in die Kolonie "Deutsch-Südwestafrika" gereist. Dort wird er Zeuge des Aufstands der Einheimischen gegen Militär und deutsche Siedler, die ihnen das Weideland und damit ihre Lebensgrundlage rauben.
© Willem Vrey/zero one film 2022
02.10.2024 von SWYRL/Jasmin Herzog
Vor dem Hintergrund des sogenannten "Herero-Aufstands" in der Kolonie "Deutsch-Südwestafrika" und des daraus resultierenden Völkermords 1904 beleuchtet Lars Kraumes fiktive Geschichte um einen jungen Ethnologen ein erschütterndes, wenig erzähltes Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte.
Düstere Momente der deutschen Geschichte, aufgearbeitet auf der großen Leinwand: Da geht es meistens um den Nationalsozialismus, seltener, etwa bei "Im Westen nichts Neues", auch um den Ersten Weltkrieg. Regisseur Lars Kraume greift in "Der vermessene Mensch" noch weiter zurück: zu den Kolonialverbrechen im heutigen Namibia Anfang des 20. Jahrhunderts und den Genozid an den Herero und Nama im Januar 1904. Es ist ein spannender, aber auch höchst unbequemer Blick in die Vergangenheit. ARTE zeigt den Film als Free-TV-Premiere zur Primetime.
Berlin um 1900. "Gibt es minderwertige Rassen?", tippt der junge Ethnologie-Doktorand Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher) in seine Schreibmaschine. Viele Menschen hätten diese Frage damals für eine rhetorische gehalten, vor allem auch Vertreter der Wissenschaft, so wie Hoffmanns Professor Josef Ritter von Waldstätten (der am 29. Mai 2023 verstorbene Peter Simonischek in seiner letzten Rolle). Damals war es eine weitverbreitete Überzeugung, dass der europäische Mensch etwa dem afrikanischen "Buschmann" geistig und kulturell deutlich überlegen sei, was man unter anderem durch die Vermessung von Schädeln zu belegen versuchte. Alexander Hoffmann aber zweifelt an dieser Theorie. Als eine Delegation von Herero und Nama nach Berlin kommt, lernt er die Dolmetscherin Kezia (Girley Charlene Jazama) kennen und kann auch an ihr nichts Minderwertiges finden, im Gegenteil.
Dann wird Hoffmann als Teil einer Forscherdelegation nach "Deutsch-Südwestafrika" entsandt, wie Namibia von 1884 bis 1915 als Kolonie des Deutschen Kaiserreichs hieß. Er soll dort weiteres "Forschungsmaterial" beschaffen. Gleichzeitig lernt er die Völker der Herero und Nama immer besser kennen und verstehen. Sein Aufenthalt nimmt schließlich einen desaströsen Verlauf, als er im Januar 1904 Zeuge des "Herero-Aufstands" wird, mit dem die Einheimischen sich gegen den Raub ihres Weidelandes durch deutsche Siedler und Militär wehrten. Die Kolonialherrscher schlugen ihn blutig nieder und trieben in der Folge Massen von Menschen in die Wüste und ließen sie verdursten. Zehntausende Herero und Nama kommen ums Leben. Auch der junge Ethnologe wird sich, zumindest moralisch, schuldig machen ...
"Eine weitgehend unerzählte Geschichte"
Erst 2021 erkannte die deutsche Regierung diesen ersten Genozid des 20. Jahrhunderts als Völkermord an und sagte den Nachkommen der Herero und Nama eine Entschädigung zu. Anfang der Neunzigerjahre, kurz nachdem Namibia als letztes afrikanisches Land unabhängig geworden war, reiste Regisseur Lars Kraume, gerade mit der Schule fertig, dorthin und war erstaunt über die deutlichen Spuren der deutschen Kolonialzeit: "In Swakopmund gibt es eine Bismarckstraße und es wird Schweinshaxe gegessen, und ich war noch ganz jung und sehr irritiert, weil ich davon überhaupt nichts wusste. Wie aktuell diese koloniale Vergangenheit tatsächlich ist, sieht man an den Debatten der letzten Jahre, um Raubkunst und den Umgang mit den verschiedenen ethnologischen Museen."
Die deutsche Kolonialzeit sei eine "weitgehend unerzählte Geschichte", führt der Regisseur im ARTE-Interview fort. Daran wollte er, der sich schon in "Der Staat gegen Fritz Bauer" (2015) und "Das schweigende Klassenzimmer" (2018) deutscher Geschichte gewidmet hatte, mit dem Kinofilm "Der vermessene Mensch" etwas ändern.
Über den Völkermord in Namibia einen Film zu drehen, war eine anspruchsvolle Aufgabe, bei der man viel falsch machen kann, das betont auch Kraumes Produzent Thomas Kufus: "Obwohl die koloniale Vergangenheit Deutschlands filmisch kaum bearbeitet wurde, ist Postkolonialismus ein sehr aktuelles und heikles Thema, das kontrovers diskutiert wird. Unser Vorhaben erforderte daher eine besondere Erzählform, Sensibilität und auch Überzeugungskraft bei der Finanzierung." Ihm und Kraume sei wichtig gewesen, nicht nur an Originalschauplätzen zu drehen, sondern vor allem auch "den Film nur in enger Zusammenarbeit mit namibischen Partnern zu realisieren." So waren lokale Historiker und Wissenschaftler an der Drehbuch-Entstehung beteiligt, die Kostüme und Kulissen stammen ebenfalls von Namibierinnen und Namibiern, und neben vielen anderen Darstellern stammt auch Girley Charlene Jazama, die die weibliche Hauptrolle der Kezia spielt und als Beraterin und Produzentin beteiligt war, aus Namibia.
Wie kann man einen Genozid wie diesen filmisch darstellen?
"Jeder Film, der versucht, das so hart und realistisch zu inszenieren, wie es vielleicht wirklich war, scheitert fast immer, weil die Realität einfach noch viel brutaler ist", gibt Lars Kraume zu. "Das Elend, das diesen Menschen widerfahren ist, ist nicht zu inszenieren. Wir haben es daher nur angedeutet." Ihm sei wichtig gewesen, "mit der Kamera eine gewisse Distanz zu wahren, die neutral bleibt, nicht manipuliert". Ein wichtiges Mittel sei auch die Musik: "Sie schafft eine permanente Angst und Unruhe."
In Deutschland gab es neben viel Lob dennoch Kritik, der Blick sei zu eurozentrisch und kolonial. "In ganz Namibia" wiederum sei der Film "sehr positiv und interessiert aufgenommen" worden, sagt Girley Charlene Jazama. Indem er "ihre Geschichte zu Gehör bringt", diene der Film den Herero und Nama "als wichtiges Instrument in ihrem Kampf um Anerkennung und Entschädigung für die Gräuel, die ihren Vorfahren angetan wurden."
https://www.swyrl.tv/


120 Jahre nach Vernichtungsfeldzug
Kritik an deutschem Genozid-Gedenken in Namibia

Deutsche Kolonialtruppen schlugen den Aufstand der Herero im heutigen Namibia nieder. Bald jährt sich ein verheerender Schießbefehl zum 120. Mal. Berlin verzichtet auf größere erinnerungspolitische Gesten.
26.09.2024, 22.39 Uhr

    Vor dem Kampf gegen die Hereros in Deutsch-Südwestafrika wird die 2. Marine-Feldkompanie eingesegnet (Foto von 1904) Foto: Friedrich Rohrmann/ dpa
    Vor 120 Jahren schlugen deutsche Truppen im heutigen Namibia den Aufstand der Volksgruppe der Herero brutal nieder. Am 2. Oktober 1904 kündigte Generalleutnant Lothar von Trotha die Ermordung jedes Herero an, der innerhalb der Grenzen Deutsch-Südwestafrikas angetroffen werde. Wie gedenkt die Bundesregierung in diesem Jahr dieses sogenannten »Vernichtungsbefehls«?
    »Seitens der Bundesregierung ist zu diesem Anlass eine Kranzniederlegung durch den Deutschen Botschafter am Genoziddenkmal in Windhuk im Gedenken an die Opfer des Völkermords geplant«, heißt es in einer Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Frage der BSW-Abgeordneten Sevim Dağdelen.
    Das Haus von Ministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärt die Zurückhaltung damit, dass die namibische Regierung nicht den 2. Oktober, sondern den 28. Mai zum zentralen nationalen Gedenktag für den Völkermord erklären wolle: »Diese Entscheidung gilt es aus Sicht der Bundesregierung zu respektieren.« Das Schreiben liegt dem SPIEGEL vor.
    Dağdelen überzeugt das nicht. »Das stiefmütterliche Gedenken der Bundesregierung ist ein diplomatischer Fehltritt im Umgang mit den deutschen Kolonialverbrechen in Namibia«, sagt die Außenpolitikerin. »So kann es den notwendigen Neustart in den Beziehungen zu den Staaten Afrikas nicht geben.«
    Mehr zum Thema
    Gedenken an den Kolonialismus: Wie Deutschland mit der kolonialen Schuld ringt Von Felix Bohr, Katja Iken und Ulrike Knöfel
    Wie Deutschland mit der kolonialen Schuld ringt
    Die Kolonie Deutsch-Südwestafrika wurde von 1884 bis 1915 vom Deutschen Kaiserreich beherrscht. 1904 erhoben sich die Herero gegen die Deutschen. In dem bis 1908 andauernden Krieg starben nach Schätzungen rund 65.000 Herero und 10.000 Menschen aus der Volksgruppe der Nama.
    2021 erkannte die Bundesrepublik die Verbrechen deutscher Soldaten als Völkermord an. Um ein jahrelang ausgehandeltes, noch immer nicht umgesetztes »Versöhnungsabkommen« gibt es Streit zwischen Berlin und Windhuk. In Namibia sind die von Deutschland darin in Aussicht gestellten Zahlungen für Entwicklungsprojekte umstritten.
    kor
    https://www.spiegel.de/


Auswärtiges — Antwort — hib 541/2024
Versöhnungsdialog mit Namibia

06.08.2024
Berlin: (hib/STO) Aspekte des Versöhnungsdialogs zwischen Deutschland und der Republik Namibia sind ein Thema der Antwort der Bundesregierung (20/12391) auf eine Kleine Anfrage der Gruppe BSW (20/12175). Danach wurde dieser Dialog im Jahr 2014 auf gemeinsame Initiative vom damaligen deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und seiner damaligen namibischen Amtskollegin Netumbo Nandi-Ndaitwah hin vereinbart. Die Bundesregierung und die namibische Seite stünden weiter im Gespräch, um in der von beiden Seiten am 15. Mai 2021 paraphierten Gemeinsamen Erklärung offen gebliebene Auslegungsfragen zu klären, heißt es in der Vorlage vom 25. Juli 2024 ferner. Die Aussöhnung mit Namibia bleibe eine „unverzichtbare Aufgabe, die aus der deutschen historischen und moralischen Verantwortung erwächst“.
https://www.bundestag.de/


"Verhöhnung der Opfer": AfD-Vize legt Kranz ans Grab deutscher Kolonial-Täter in Namibia

Stand: 19.07.2024, 12:43 Uhr
Eigentlich diente die Delegtions-Reise dem Gedenken an den deutschen Völkermord in Namibia. Doch AfD-Vize Sven Tritschler legte einen Kranz ans Grab der Täter.
Von Nina Magoley
Am Rande einer Delegationsreise von Abgeordneten aus NRW, bei der es um die Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen im heutigen Namibia ging, hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im NRW-Landtag, Sven Tritschler, einen Kranz an einem Denkmal für deutsche Soldaten niedergelegt.
Ein Denkmal zur Erinnerung an den von deutschen Kolonialtruppen begangenen Völkermord an den Herero und Nama (etwas 1904-1907) im Zentrum der namibischen Hauptstadt Windhoek.
Eklat um AfD-AbgeordnetenWDR 5 Westblick - aktuell 19.07.2024 01:01 Min. Verfügbar bis 19.07.2025 WDR 5
Über den Vorfall berichtete unter anderem die Co-Vorsitzende der Grünen im Landtag NRW, Verena Schäffer. Sie war ebenfalls mit auf der Delegationsreise in Namibia. Auf Instagram brachte sie noch vor Ort ihre Empörung zum Ausdruck.
Die AfD habe eine Kranz niedergelegt "ausgerechnet auf einem Friedhof im namibischen Swakopmund, wo es Massengräber für Angehörige des Volkes der Herero" gebe. Im 19. Jahrhundert hatten Deutsche Kolonialbesatzer Herrero-Angehörige in ein Konzentrationslager bei Swakopmund gebracht, "wo sie sehr schwere Arbeit verrichten mussten und viele von ihnen gestorben sind", so Schäffer.
Was geschah in Namibia?
Der Völkermord an den Herero im heutigen Namibia gilt als der erste des 20. Jahrhunderts. Von 1884 bis 1915 war das Deutsche Reich Kolonialmacht im heutigen Namibia, damals "Deutsch-Südwestafrika". Von Beginn an bekämpften die Deutschen die lokale Bevölkerung immer wieder mit militärischer Gewalt.
1904 und 1905 befahl der Generalleutnant Lothar von Trotha die völlige Vernichtung der Angehörigen der Völker der Herero und der Nama, schätzungsweise bis zu 100.000 Menschen wurden durch die deutschen Truppen ermordet, verdursteten in der Omaheke-Wüste oder starben in Konzentrationslagern.
Nach jahrzehntelangem Zögern erkannte die Bundesregierung 2021 die Massaker an den Herero und den Nama als Völkermord an, der damalige Außenminister Heiko Maas (SPD) bat die Nachkommen der Opfer um Vergebung. Deutschland sagte 1,1 Milliarden Euro für ein Programm "zum Wiederaufbau und zur Entwicklung" zu.
Grüne: "Verhöhnung der Opfer"
Auf dem Friedhof in Swakopmund steht bis heute auch ein Denkmal für hier gestorbene Deutsche. Unter der Inschrift "Sie gaben ihr Leben für dich" wird insgesamt 61 Deutschen gehuldigt, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hier umgekommen sein sollen.
Tritschlers Kranzniederlegung am Grab der deutschen Soldaten komme einer "Verhöhnung der Opfer der deutschen Kolonialherrschaft" gleich, sagt Schäffer in ihrem Instagram-Video. Und später auf WDR-Anfrage: Diese Geste zeige "seine ganze Verachtung für die Opfer der deutschen Kolonialverbrechen". Tritschler mache damit "eine Täter-Opfer-Umkehr ganz im Sinne der geschichtsrevisionistischen und rechtsextremen Haltung der AfD".
"Dass die AfD die Ausschussreise dafür missbrauchen konnte, das macht mich fassungslos", sagt Schäffer.
"Für uns als demokratische Abgeordnete", sagt sie betont, "war diese Reise sehr wichtig". Man habe eigene Eindrücke sammeln können, es gebe Wissenslücken auch in Deutschland, die es jetzt zu füllen gelte.
Tritschler sah sich "in der Pflicht"
Sven Tritschler, Afd NRW, bei Kranzniederlegung in NamibiaTritschler bei Kranzniederlegung in Namibia
Tritschler selber hatte das Foto von sich bei der Kranzniederlegung bereits auf seinem Instagramkanal gepostet. Die "Tageszeitung" hatte als erste darüber berichtet. Am Freitag legte Tritschler auf Instagram nochmal nach: Er werde sich nach seiner Rückkehr zu dem Vorgang äußern. Das Foto von der Kranzniederlegung postete er erneut.
Dem WDR sagte er auf Nachfrage schriftlich, der Kranz sei "für alle dort bestatteten deutschen Soldaten niedergelegt" worden. Er sei mit einer unbeschrifteten, schwarz-rot-goldene Schleife dekoriert. "Als deutscher Volksvertreter sah ich mich in der Pflicht, auch der deutschen Soldaten zu gedenken, die in der Schutztruppenzeit umgekommen sind", schreibt Tritschler. Der Kranz sei nach Beendigung der Delegationsreise niedergelegt worden.
Auch die SPD im Landtag reagierte empört: "Das Verhalten der AfD ist empörend und absolut inakzeptabel", sagte die innenpolitische Sprecherin Christina Kampmann em WDR. Die Reise habe das Ziel gehabt, "einen Beitrag zur Aussöhnung mit den Nama und Herero zu leisten". Dass der Abgeordnete der AfD nun ausgerechnet einen Kranz am Grab eines Offiziers ablegte, "der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Unrechtsregimes von damals zu etablieren, ist eine Verhöhnung der Opfer und an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten".
https://www1.wdr.de/


AfD ehrt deutschen Offizier in Namibia :Verhöhnung statt Versöhnung

Der Vizefraktionschef der NRW-AfD posiert vor einem Soldatengrab in Namibia. Die Landtagsreise sollte der Aufarbeitung der Kolonialzeit dienen.
18. 07. 2024, 12:49 Uhr
BERLIN taz | Es ist eine gezielte Provokation. Sven Tritschler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD im nordrhein-westfälischen Landtag, veröffentlichte vergangenen Sonntag ein Foto in seiner Instagram-Story. Es zeigt den ehemaligen Bundeswehrsoldaten bei einer Kranzniederlegung vor dem Grab eines Offiziers der deutschen Schutztruppe in Namibia. Das Foto unterlegte er mit dem national-heroischen Kriegslied „Ich hatt' einen Kameraden“.
Doch Tritschler war nicht etwa privat in Namibia, sondern Teil einer fraktionsübergreifenden Delegation des nordrhein-westfälischen Landtags, die sich der kolonialen Vergangenheit Deutschlands stellen wollte. Dass Tritschler die Reise auch für die geschichtsrevisionistische AfD-Politik benutzt und explizit einen Repräsentanten der deutschen Kolonialherrschaft ehrte, sorgt nun für breite Empörung.
Dabei wollten die elf Landtagsabgeordneten, alle Mitglieder des Hauptausschusses, der unter anderem für Bundesangelegenheiten zuständig ist, auf ihrer Reise vom 7. bis 12. Juli laut Reisebericht die „Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus“ in Namibia von 1884 bis 1915 vorantreiben.
Auch der Umgang mit Kulturgütern sowie die deutsch-namibische Zusammenarbeit standen auf dem Programm. Am dritten Tag der Reise besuchte die Delegation den Herero-Friedhof in Swakopmund und legte einen Kranz an einem Monument des Genozids an den Herero und Nama nieder. Zwischen 1904 und 1908 ermordeten deutsche Truppen etwa 80.000 Herero und 20.000 Nama.
Ehrenrettung deutscher Kolonialgeschichte
Christina Kampmann, die als SPD-Abgeordnete an der Reise teilgenommen hat, äußert sich gegenüber der taz empört. Einen Kranz am Grab eines Soldaten niederzulegen, der an Kriegsverbrechen gegen die Herero und Nama beteiligt war, sei „inakzeptabel“ und eine „Verhöhnung der Opfer“. Tritschlers Verhalten habe laut Kampmann dem Zweck der Delegationsreise konträr entgegengestanden. Sie habe sich von der Reise gewünscht, ein Aussöhnungsabkommen der Herero und Nama mit Deutschland „mit Leben zu füllen“.
Der Historiker und Professor für Globalgeschichte an der Universität Hamburg Jürgen Zimmerer bestätigt der taz, dass es sich bei Wilhelm Eduard Richard Heldt um einen 1899 verstorbenen Offizier der deutschen Schutztruppe handelt. Er war Bezirkshauptmann von Swakopmund und gehörte zu den ersten deutschen Soldaten, die die gewaltsame militärische Eroberung Deutsch-Südwestafrikas unterstützten. So habe er laut Zimmerer dazu beigetragen, ein menschenverachtendes, rassistisches Unrechtsregime zu etablieren.
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Dass Tritschler einen solchen Menschen ehrt, kritisiert Zimmerer scharf: „Im Kontext des Genozids an den Herero und Nama und dem Leid, das die deutsche Kolonialherrschaft über Namibia brachte, ist das eine Geschmacklosigkeit und eine Provokation“. Sie reihe sich in eine Abfolge von Versuchen der AfD ein, eine „Ehrenrettung der deutschen Kolonialgeschichte“ vorzunehmen. Dies sei ein Rückschritt in eine nationalistische, heroische Geschichtsauffassung.
„Erinnerungspolitischer Roll-back“
Durch die Ehrung deute Tritschler an, dass er das Verhalten der Schutztruppe als positiv bewerte, so Zimmerer. Dabei sei die Schutztruppe ein „Instrument der gewaltvollen, militärischen Landnahme“ gewesen und somit auch vor dem Genozid ab 1904, also zur Dienstzeit Heldts, für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen an der lokalen Bevölkerung verantwortlich.
Tritschlers Aktion zeige, „dass die AfD bewusst einen erinnerungspolitischen Roll-back anstrebt“. Auf Bundesebene sei sie damit sogar erfolgreich, da der politische Wille zur Aufarbeitung der dunkelsten Seiten der deutschen Kolonialgeschichte über die Parteien hinweg nachließe, meint Zimmerer.
Auch im Bundestag setzt sich die AfD-Fraktion zum Beispiel in ihrer Kleinen Anfrage vom 9. Januar 2024 dagegen ein, den Genozid an den Herero als Völkermord zu bezeichnen. Dies hatte der damalige Außenminister Heiko Maas 2021 für die Bundesregierung offiziell verkündet.
AfDler verteidigt sich
Sven Tritschler verteidigte auf Anfrage der taz sein Verhalten: „Als deutscher Volksvertreter sah ich mich – im Gegensatz zu meinen Kollegen von den anderen Fraktionen – in der Pflicht, auch einen Kranz am Grab der hier gefallenen deutschen Soldaten niederzulegen“. Zudem habe der Besuch am Grab von Heldt nach Abreise der Delegation stattgefunden.
„Im Übrigen ist die Erzählung von der ‚unschuldigen‘ Herero- und Namabevölkerung, die ‚verbrecherischen‘ deutschen Soldaten zum Opfer gefallen sei, historisch nicht haltbar“, fügte Tritschler hinzu. Das hätten seiner Auslegung nach auch Gespräche im Rahmen des offiziellen Besuchsprogramms so ergeben.
Verena Schäffer, grüne Fraktionsvorsitzende in NRW und ebenfalls Teil der Delegation, ist „fassungslos“. Der taz sagte sie, Tritschlers Aussage käme einer Leugnung des Genozids gleich und sei, anders als er selbst behauptet, „historisch faktenfrei“.
Dass der AfD-Fraktionsvize behauptet, als Mandatsträger Soldaten der Schutztruppe ehren zu müssen, zeige die ganze Verachtung der AfD für die Opfer der deutschen Kolonialverbrechen. Das sei nichts anderes als eine „Täter-Opfer-Umkehr“.
Ob es Konsequenzen für den AfD-Abgeordneten Tritschler geben wird, gab die Ausschussleitung des NRW-Landtags noch nicht bekannt.
https://taz.de/


Staatliches Erinnern an die Berliner Konferenz 1884-1885
Deutscher Bundestag
Wissenschaftliche Dienste

Dokumententyp: Sachstand
Titel: Staatliches Erinnern an die Berliner Konferenz 1884-1885

05.07.2024
75 Jahre Demokratie lebendig

Inhaltsverzeichnis
1. Vorbemerkungen 4
2. Auswärtiges Amt: Erklärung von Staatsministerin
Müntefering 2019 4
3. Informations- und Gedenkort in Berlin 2020 4
4. Debatten zu deutschen Kolonialvergangenheit in Politik
und Öffentlichkeit 5
4.1. Bundestagsdebatte zu kolonialem Unrecht 2020 5
4.2. Aktivitäten von durch den Bund geförderter Einrichtungen 2019 6
4.3. Tagung der Otto-von-Bismarck-Stiftung in Kooperation mit der
Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
2023 7
4.4. Diskussion um das „Rahmenkonzept Erinnerungskultur“ 2024 8
4.5. Aufarbeitung der eigenen Rolle im Auswärtigen Amt 8
4.6. Planungen 2024 9
5. Fazit 9

1. Vorbemerkungen
Auf Veranlassung Belgiens und auf Einladung des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck kamen vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 die damals wichtigsten Kolonialmächte in Berlin zusammen, um ihre kolonialen Eroberungen rechtlich abzusichern. Die Konferenz bildete mit ihrem Schlussdokument, der sogenannten „Kongoakte“, die Grundlage für koloniale Besitzansprüche und die Aufteilung von Einflusssphären auf dem afrikanischen Kontinent. Sie wird verkürzt auch als „Kongokonferenz“ oder „Westafrika-Konferenz“ bezeichnet. Dieser Sachstand führt auftragsgemäß auf, inwieweit in Deutschland staatlicherseits dieser „Berliner Konferenz“ bislang gedacht wurde und inwieweit künftig an sie erinnert werden soll. Hier für wurden die Rechercheergebnisse der Bundestagsbibliothek und der Pressedokumentation sowie Zuarbeiten der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) verwendet.

2. Auswärtiges Amt: Erklärung von Staatsministerin Müntefering 2019
Die damalige Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik beim Bundesminister des Auswärtigen, Michelle Müntefering (SPD), erinnerte als Mitglied der Bundesregierung am 15. November 2019 in einer als Namensbeitrag deklarierten öffentlichen Erklärung auf der Homepage des Auswärtigen Amtes an den 135. Jahrestag der Berliner Konferenz 1884. Unter dem Titel „Ohne Erinnerung keine Zukunft“ bezeichnet die Staatsministerin die koloniale Vergangenheit Deutschlands als einen „blinden Fleck in unserem Gedächtnis“, der „viel zu lange verdrängt worden sei“ und charakterisiert mit Bezugnahme auf den Koalitionsvertrag die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte als Teil des „demokratischen Grundkonsenses“. Ferner wurden von Müntefering Maßnahmen des Auswärtigen Amtes in Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen insbesondere im Bereich von Wissenschaft und Museen angekündigt.
https://www.bundestag.de/


Das deutsch-namibische Versöhnungsabkommen vor dem High Court Namibias
Deutscher Bundestag

Kurzinformation
Wissenschaftliche Dienste
09.02.24
75 Jahre Demokratie lebendig

Nach mehrjährigen Verhandlungen, beginnend im Jahr 2015, einigten1 sich die Regierungen Deutschlands und Namibias im Jahr 2021 auf eine Gemeinsame Erklärung (joint declaration) mit dem Titel United in Remembrance of our Colonial Past, United in our Will to Reconcile, United in Our Vision of the Future2.  In dieser Gemeinsamen Erklärung erkennt die Bundesregierung an, dass man die Gräueltaten, die während der Kolonialkriege begangen wurden, aus heutiger Sicht als Völkermord bezeichnen würde (vgl. Ziff. 10 der Gemeinsamen Erklärung), spricht eine Entschuldigung aus (vgl. Ziff. 13 der Gemeinsamen Erklärung) und plant, 1,1 Milliarden Euro als Wiederaufbauhilfe (vgl. Ziff. 18 der Gemeinsamen Erklärung) bereitzustellen. Gemäß Ziff. 20 der Gemeinsamen Erklärung sollen damit alle finanziellen Aspekte abschließend geregelt sein. Die Erklärung wurde von den Sondervertretern Namibias und Deutschlands paraphiert.3 Die deutsche und die namibische Regierung haben die Gemeinsame Erklärung bislang jedoch nicht abgegeben, da „auf namibischer Seite bisher keine Zustimmung zu dieser Erklärung erfolgt ist.“4 Nach
Auffassung der Bundesregierung handelt es sich bei der Erklärung nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag, der einer Ratifizierung bedürfe, sondern um eine „politische Absichtserklärung.“
https://www.bundestag.de/

Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 007/24 vom 09.02.24
Das deutsch-namibische Versöhnungsabkommen vor dem High Court Namibias.
240209_BT_Namibia_wiss_dienst.pdf (143.36KB)
Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 007/24 vom 09.02.24
Das deutsch-namibische Versöhnungsabkommen vor dem High Court Namibias.
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Völkermord an Herero und Nama: Abkommen zwischen Deutschland und Namibia

22.06.2021 / 6 Minuten zu lesen
Die deutsche und die namibische Regierung haben nach insgesamt sechs Jahre dauernden Gesprächen um eine Wiedergutmachung für den deutschen Völkermord an den Herero und Nama eine erste Einigung erzielt: Deutschland erkennt den Völkermord an, entschuldigt sich und will 1,1 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe leisten. Es gibt jedoch auch Kritik an dem Abkommen.
Demonstranten, die ihre Interessen von der namibischen und der deutschen Regierung nicht hinreichend berücksichtigt finden, am 28. Mai 2021 in Windhoek.
Demonstranten, die ihre Interessen von der namibischen und der deutschen Regierung nicht hinreichend berücksichtigt finden, am 28. Mai 2021 in Windhoek. (© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Sonja Smith)
Hinweis
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Von 1884 bis 1915 war das Deutsche Reich Kolonialmacht im heutigen Interner Link:Namibia. Seit der Gründung der Interner Link:Kolonien bekämpfte es die lokale Bevölkerung, die sich gegen die Fremdherrschaft und Menschenrechtsverletzungen zur Wehr setzten, immer wieder mit militärischer Gewalt, um Herrschaftsbereiche auszudehnen. Einen Höhepunkt der Gewalt stellte der Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerungsgruppen der Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 dar. Generalleutnant Lothar von Trotha befahl die völlige Vernichtung der Herero im Oktober 1904 und der Nama im April 1905. Schätzungsweise bis zu 100.000 Menschen wurden durch die deutschen Truppen ermordet, verdursteten in der Omaheke-Wüste oder starben in Konzentrationslagern. Der Interner Link:Genozid gilt als der erste des 20. Jahrhunderts.
Mit dem Ende des Interner Link:Ersten Weltkriegs gingen alle Kolonien gemäß des Versailler Vertrags als Mandatsgebiete an den neu gegründeten Völkerbund, so auch „Deutsch-Südwestafrika“, wie das Deutsche Reich das heutige Namibia genannt hatte.Zur Auflösung der Fußnote[1] Südafrika, das größere Nachbarland, erhielt ein Mandat des Völkerbundes zu dessen Verwaltung.Interner Link: Am 21. März 1990 wurde Namibia ein souveräner Staat.
Jahrzehntelang weder Anerkennung noch Aufarbeitung
Jahrzehntelang erkannte Deutschland den Interner Link:Völkermord an den Herero und Nama weder an, noch bemühte es sich um dessen Aufarbeitung. In Beschlüssen von 1989 und 2004 begründete der Bundestag entwicklungspolitische Sonderbeziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu Namibia mit der aus einem „Vernichtungsfeldzug“ erwachsenen „besonderen historischen und moralischen Verantwortung“. Deutschland zahlte Namibia seit den 1990er-Jahren umfangreiche Interner Link:Entwicklungshilfegelder, die jedoch formell nicht der Entschädigung dienten. 2002 reichten Hereroführer Kuaima Riruako und weitere Herero vor einem US-Gericht gegen die Bundesrepublik Deutschland Klagen in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar ein, ohne Erfolg.
Als erster deutscher Kanzler nach dem Völkermord besuchte Helmut Kohl Namibia im Jahr 1995, noch ohne Verantwortung für die Verbrechen des Interner Link:Deutschen Reichs zu übernehmen. Im Jahr 2004 nahm die damalige Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul an einer Gedenkveranstaltung zum 100. Jahrestag der Niederschlagung des Interner Link:Hereroaufstandes teil. Sie sprach eine Entschuldigung für die Verbrechen aus, die Bundesregierung distanzierte sich jedoch davon.
Gespräche begannen 2015
2006 forderte die namibische Nationalversammlung ihre Regierung auf, sich gegenüber Deutschland für die Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama einzusetzen. Es dauerte jedoch noch weitere neun Jahre, bis Regierungsgespräche um den Völkermord begannen. Noch 2012 betonte die Bundesregierung, dass die Niederschlagung des Aufstandes der Volksgruppen der Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen „nicht nach den heute geltenden Regeln des humanitären Völkerrechts bewertet und daher auch nicht als Völkermord eingestuft werden“ könne.
Im Juli 2015 kamen zwei Ereignisse zusammen, die den Wiedergutmachungsprozess prägten: Zum einen reiste eine Gesandtschaft unter dem traditionellen Führer der Herero, Vekuii Rukoro, mit einer Petition zum Bundespräsidenten. In der Petition wurden eine umfassende Entschädigung und Wiedergutmachung gefordert und der Bundesregierung dafür bis Oktober Zeit eingeräumt. Zum anderen bezeichnete der damalige Präsident des deutschen Bundestages Norbert Lammert – als er den osmanischen Völkermord an den Armeniern kritisierte – auch die Verbrechen des Deutschen Reiches in Namibia in einer Zeitung als Völkermord, einige Wochen später gefolgt vom Auswärtigen Amt. Zum Ablauf der Frist für die Forderungen kritisierte Hereroführer Rukoro im Oktober die deutsche Regierung scharf und beklagte dabei unter anderem, dass Opferorganisationen bisher gar nicht in Gespräche einbezogen wurden. Die Debatte um die Anerkennung des Genozids wurde in der deutschen Öffentlichkeit zunehmend lauter geführt.
Ende 2015 begann schließlich der offizielle Dialog zwischen Deutschland und Namibia zur Aufarbeitung der deutschen Verbrechen in der Kolonialzeit. Beide Staaten ernannten dafür Sonderbeauftragte. Der langjährige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, vertrat Deutschland. Namibia wurde durch den früheren Diplomaten Zedekia Ngavirue repräsentiert. An den Gesprächen waren auch beratende Gremien beteiligt, die von der namibischen Regierung eingesetzt wurden und nach offiziellen Angaben für alle Nachkommen der Opfer offenstanden. Tatsächlich wurden die Vertreter/-innen aber von der namibischen Regierung ausgewählt.
Kritik von Opferorganisationen
Manche Volksgruppenvertreter/-innen lehnten die Verhandlungen ab. Andere fühlten sich im Laufe des Dialogprozesses zurückgestoßen oder ignoriert. Auch deswegen haben Vertreter von Herero und Nama im Januar 2017 an einem Bundesbezirksgericht in New York eine Sammelklage gegen Deutschland eingereicht – und berufen sich dabei auf eine Interner Link:UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker. Diese sieht für indigene Gruppen das Recht vor, an Entscheidungsprozessen, die ihre Rechte berühren, beteiligt zu werden.Zur Auflösung der Fußnote[2] Die Bundesregierung hielt den Prozess für unzulässig und beruft sich auf den völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität, wonach ein Land nicht über ein anderes richten darf. Die Klage wurde Anfang März 2019 abgewiesen, Anfang Juni 2021 hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten auch eine Wiederaufnahme des Prozesses abgelehnt.
Interner Link:Reparationszahlungen waren immer wieder ein zentrales Thema der Gespräche. Noch im Sommer 2020 sorgte die in namibischen Medien kursierende Meldung für Empörung, dass die Bundesregierung zehn Millionen Euro als Entschädigungssumme angeboten habe. Polenz dementierte dies. Auch die Terminologien spielten eine große Rolle. Während der Verhandlungen wurde debattiert, ob Deutschland "Reparationen", "Entschädigungen" oder "Zahlungen zur Heilung der Wunden" leisten solle.
Einigung auf Seiten der Regierungen
Am 28. Mai 2021 gab das Auswärtige Amt schließlich bekannt, dass eine Einigung in den Gesprächen erzielt worden sei. Außenminister Heiko Maas sagte, dass Deutschland die Ereignisse von damals nunmehr als Völkermord bezeichnen werde. "Im Lichte der historischen und moralischen Verantwortung Deutschlands werden wir Namibia und die Nachkommen der Opfer um Vergebung bitten", sagte Maas.
Zudem will Deutschland, so wörtlich, als "Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde", insgesamt 1,1 Milliarden Euro für ein Programm "zum Wiederaufbau und zur Entwicklung" zahlen. "Bei dessen Gestaltung und Umsetzung werden die vom Völkermord betroffenen Gemeinschaften eine entscheidende Rolle einnehmen", hieß es von Seiten des Auswärtigen Amtes. Gleichzeitig leite sich daraus jedoch kein Entschädigungsanspruch ab.
Die von den Regierungen ausgehandelte Einigung stieß in Teilen der namibischen Zivilgesellschaft auf Kritik. Teile der Herero und der Stammesführerverband der Nama beharrten darauf, dass Deutschland Reparationszahlungen leisten sollte. Zudem wollen Herero und Nama die Rückgabe ihrer Ländereien erreichen. Ein Vertreter der Herero kündigte Massenproteste bei dem geplanten Besuch von Steinmeier in Namibia an.
Herero und Nama
Rückblick auf 1904
Der Herero-Aufstand begann im Januar 1904 (Interner Link:weitere Details zum Kriegsbeginn und -verlauf sind hier nachzulesenZur Auflösung der Fußnote[3]), nachdem deutsche Siedler immer größere Teile des Landes aufkauften und die angestammte Bevölkerung vertrieben. Ein weiterer Grund, der zu dem Aufstand führte, waren Menschenrechtsverletzungen seitens der deutschen Kolonialherren: Etwa durch Misshandlungen, aber auch die von der Kolonialverwaltung eingeführte „Rassentrennung“.
Im Mai 1904 übernahm General Lothar von Trotha das Kommando über die Schutztruppe. Bei der Schlacht am Waterberg am 11. und 12. August 1904 versuchte von Trotha, die gegnerischen Herero einzukesseln. Der Plan schlug zwar fehl, aber die überlebenden Herero-Soldaten mussten mit ihren Familien in die Omaheke-Wüste fliehen. Von Trotha erließ Anfang Oktober den so genannten "Vernichtungsbefehl": "Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu Ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen." (Quelle: Externer Link:BArch R 1001/2089) Der deutsche General ließ die Omahekee-Wüste zudem monatelang abriegeln und die wenigen Wasserstellen bewachen, sodass zehntausende verdursteten.
Die Nama erhoben sich Ende 1904. Insgesamt zogen sich die Guerilla-Gefechte mit der deutschen Schutztruppe über vier Jahre. Gegen die Nama folgte am 22. April 1905 ein zweiter Vernichtungsbefehl.
Für gefangene Hereros und Nama ließ die Kolonialverwaltung Konzentrationslager bauen. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 80 Prozent der ursprünglich 60.000 bis 80.000 Herero starben, genaue Opferzahlen sind jedoch umstritten. Von der rund 20.000 Menschen zählenden Bevölkerungsgruppe der Nama, überlebte etwa die Hälfte.Zur Auflösung der Fußnote[4] Selbst im imperial-nationalistisch gesinnten Kaiserreich stießen die Verbrechen der Truppe von Trothas auf scharfe Kritik.
Mehr zum Thema:
Interner Link:Jürgen Leskien: Deutschland – Namibia, Beziehung der ungenutzten Chancen (Deutschland-Archiv)
Link hat Vorschau-PopupInterner Link:Jürgen Zimmer: Schwierige (post-)koloniale Aussöhnung. Deutschland, Namibia und der Völkermord an den Herero und Nama
Link hat Vorschau-PopupInterner Link:Namibia feiert seine Unabhängigkeit (Hintergrund aktuell, März 2020)
Link hat Vorschau-PopupInterner Link:Reinhart Kößler: Namibia (Dossier Innerstattliche Konflikte)
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GHANAS PRÄSIDENT FORDERT GEMEINSAMEN KAMPF AFRIKAS FÜR REPARATIONEN FÜR KOLONIALZEIT

POLITIK 14.11.2023
Ghanas Präsident fordert gemeinsamen Kampf Afrikas für Reparationen für Kolonialzeit / Foto: © POOL/AFP/Archiv
Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo hat zum gemeinsamen Kampf der afrikanischen Staaten um Wiedergutmachung für die Verheerungen von Sklavenhandel und Kolonialismus aufgerufen. "Kein Geld der Welt" könne den Schaden durch den Sklavenhandel und seine Folgen wiedergutmachen, doch müsse sich die Welt endlich "diesem Thema stellen", sagte Akufo-Addo am Dienstag vor führenden afrikanischen Vertretern zum Auftakt einer viertägigen Konferenz zu Reparationszahlungen in der Hauptstadt Accra.
Doch noch vor dem Ende der Gespräche darüber verdiene "der gesamte afrikanische Kontinent eine förmliche Entschuldigung der am Sklavenhandel beteiligten europäischen Nationen", fügte er hinzu. Der Präsident der Komoren und Vorsitzende der Afrikanischen Union, Azali Assoumani, bezeichnete Sklaverei und Kolonialismus als "Afrikas dunkle Ära". Bis heute richteten sie "verheerende Schäden" an.
Einige westliche Staats- und Regierungschefs haben inzwischen die Verbrechen der Kolonialzeit anerkannt und - wie etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier - um Entschuldigung gebeten. Museen haben damit begonnen, gestohlene afrikanische Schätze und Artefakte zurückzugeben. Die Frage nach Reparationszahlungen aber stößt meistens auf Ablehnung.
(V.Korablyov--DTZ)
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Tansania
: Steinmeier bittet um Verzeihung für deutsche Kolonialverbrechen

In der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika wurden Hunderttausende unterdrückt und getötet. In Tansania zeigt sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beschämt.
01.11.2023, 10:59 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, AFP, dpa
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TansaniaZusammen mit Nachfahren gedenkt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der Opfer des Maji-Maji-Krieges in Songea, Tansania. © Bernd von Jutrczenka/​dpa
Bei seinem Besuch in Tansania hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier um Vergebung für die Gewalttaten der deutschen Kolonialherren gebeten. "Ich verneige mich vor den Opfern der deutschen Kolonialherrschaft", sagte er in der tansanischen Stadt Songea. Steinmeier bat um Verzeihung "für das, was Deutsche Ihren Vorfahren hier angetan haben". Dafür erhielt der Bundespräsident Beifall.
Die ehemalige Kolonie Deutsch-Ostafrika sei von den Deutschen "mit grausamer Härte" regiert worden. Die Taten der Kolonialherren seien beschämend, sagte der Bundespräsident. An die Hinterbliebenen der Opfer gerichtet sagte er: "Ich möchte Ihnen versichern, dass wir Deutsche mit Ihnen nach Antworten suchen werden auf die offenen Fragen, die Ihnen keine Ruhe lassen."
Gebeine sollen nach Tansania zurückgebracht werden
In der Region um die Stadt Songea, die Steinmeier besucht, war zwischen 1905 und 1907 ein Aufstand gegen die deutschen Kolonialherren mit brutaler Härte niedergeschlagen worden. Im Verlauf des sogenannten Maji-Maji-Aufstands wurden Schätzungen zufolge bis zu 300.000 Menschen getötet. Der Aufstand gilt als einer der größten Kolonialkriege in der Geschichte des afrikanischen Kontinents.
Am zweiten Tag seiner Tansania-Reise traf sich Steinmeier mit der Familie von Chief Songea Mbano. Im Jahr 1906 wurde er gemeinsam mit 66 weiteren Anführern von den deutschen Kolonialherren hingerichtet. Heute gilt er als Nationalheld. An seinem Grab legte Steinmeier eine rote Rose und am Sammelgrab der anderen Kämpfer einen Kranz nieder.
Was damals in Tansania geschehen ist, dürfe niemand vergessen, sagte Bundespräsident Steinmeier. Deutschland sei bereit zu einer "gemeinsamen Aufarbeitung der Vergangenheit". In diesem Sinne sagte Steinmeier zu, sterbliche Überreste von Menschen aus der früheren Kolonie nach Tansania zurückzubringen.
Deutschland erkennt Vorgehen beim Maji-Maji-Aufstand nicht als Kriegsverbrechen an
"Was wir wissen, ist, dass damals viele Gebeine aus Ostafrika nach Deutschland gebracht wurden und dort in Museen und anthropologischen Sammlungen lagen – Hunderte, vielleicht Tausende von Schädeln", sagte er. Diese sollen nun zurückgebracht werden. Eine Identifizierung der menschlichen Überreste und ihre Zuordnung sei jedoch schwierig. "Wir werden tun, was in unserer Macht steht", sagte Steinmeier. Man werde sich insbesondere darum bemühen, den Schädel von Chief Songea zu finden.
Bislang hat Deutschland das damalige Vorgehen weder offiziell als Kriegsverbrechen anerkannt, noch sich entschuldigt. Das müsse sich ändern: "Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier muss die 'Ampel' zur politischen wie juristischen Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen in Tansania drängen", sagte die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen (Die Linke). Auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten im August schrieb das Auswärtige Amt, der "entsprechende Dialog" mit Tansania sei "noch nicht abgeschlossen".
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Steinmeier geißelt Gewaltherrschaft in Deutsch-Ostafrika

01.11.2023
Bis zu 300.000 Bewohner der Kolonie wurden allein bei einem Aufstand zwischen 1905 und 1907 getötet. Der Bundespräsident sicherte in Tansania Deutschlands Bereitschaft zur Aufarbeitung der Vergangenheit zu.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier legt zusammen mit Nachfahren von Anführern des Maji-Maji-Aufstands im Memorial Park von Songea einen Kranz niederBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei seinem Besuch in Tansania um Vergebung für die Gewalttaten der deutschen Kolonialherren gebeten. "Ich verneige mich vor den Opfern der deutschen Kolonialherrschaft", sagte Steinmeier bei einem Besuch in der tansanischen Stadt Songea. "Als deutscher Bundespräsident möchte ich um Verzeihung bitten für das, was Deutsche hier Ihren Vorfahren angetan haben."
"Antworten auf Fragen, die Ihnen keine Ruhe lassen"
Er sei "beschämt" über die Taten der Kolonialherren in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, sagte der Bundespräsident weiter. Die Deutschen hätten "mit grausamer Härte regiert". An die Hinterbliebenen der Opfer gerichtet sagte er: "Ich möchte Ihnen versichern, dass wir Deutsche mit Ihnen nach Antworten suchen werden auf die offenen Fragen, die Ihnen keine Ruhe lassen."
Steinmeier äußerte sich in der Stadt Songea, die in jener Region liegt, in der es zwischen 1905 und 1907 zu einem Aufstand gegen die deutschen Kolonialherren kam. Damals hatten sich in Deutsch-Ostafrika mehrere Stämme zusammengeschlossen. Ihr Widerstand gegen Zwangsarbeit auf den Plantagen oder unerbittlich steigende Steuern eskalierte im Maji-Maji-Krieg, der sich über den gesamten Süden der Kolonie ausbreitete. Die Deutschen reagierten mit aller Härte, ließen die Anführer hinrichten und zerstörten Felder und Dörfer. Viele Menschen starben an Hunger. Schätzungen gehen von bis zu 300.000 Opfern auf tansanischer Seite aus.
Der Bundespräsident im Gespräch mit Nachkommen des von Deutschen hingerichteten Wangoni-Führers Songea MbanoettenBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance
Steinmeier traf in Songea auch mit Nachfahren des Wangoni-Führers Songea Mbano zusammen, der von den deutschen Truppen zusammen mit 66 anderen Kämpfern der Wangoni im Februar 1906 gehängt und enthauptet wurde.
"Wir werden tun, was in unserer Macht steht"
Er wolle eine "Botschaft" überbringen, sagte Steinmeier nach einem Besuch des Maji-Maji-Museums und dem Gespräch mit Hinterbliebenen. "Deutschland ist bereit zu einer gemeinsamen Aufarbeitung der Vergangenheit", sagte er. "Niemand soll vergessen, was damals geschehen ist." Seine "große Hoffnung" sei, "dass die gemeinsame Aufarbeitung der Vergangenheit gerade auch junge Leute mit einbezieht: Schülerinnen und Schüler, Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Museumsleute".

Steinmeier in Tansania: Gemeinsame Formen der Aufarbeitung
00:27
Das deutsche Staatsoberhaupt sagte in Tansania zudem zu, sterbliche Überreste von Menschen aus der früheren Kolonie nach Tansania zurückzubringen. "Was wir wissen, ist, dass damals viele Gebeine aus Ostafrika nach Deutschland gebracht wurden und dort in Museen und anthropologischen Sammlungen lagen - hunderte, vielleicht tausende von Schädeln", sagte er.
Die Identifizierung der menschlichen Überreste und ihre Zuordnung sei allerdings "sehr, sehr schwierig", sage Steinmeier weiter. "Diese Ehrlichkeit schulde ich Ihnen, auch wenn es mir sehr schwerfällt, das zu sagen." Er könne aber versprechen: "Wir werden tun, was in unserer Macht steht." Die deutsche Kolonialherrschaft in Ostafrika begann 1885 und währte bis zum Ersten Weltkrieg.
sti/se (afp, dpa, epd)
https://www.dw.com/


Deutsche Kolonialverbrechen
:Steinmeier bittet in Tansania um Verzeihung

Datum:
01.11.2023 14:09 Uhr
Zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte ist Frank-Walter Steinmeier nach Tansania gereist. Dort bat der Bundespräsident um Vergebung für deutsche Kolonialverbrechen.
Bundespräsident Steinmeier hat Tansania besucht. Dabei bat er um Vergebung für die Verbrechen während der deutschen Kolonialzeit.
01.11.2023
Rund 100 Jahre nach dem Ende der blutigen deutschen Kolonialherrschaft in Ostafrika hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei den Nachfahren der mehreren hunderttausend Opfer entschuldigt. Bei einem Besuch in der tansanischen Stadt Songea sagte er:
Als deutscher Bundespräsident möchte ich um Verzeihung bitten für das, was Deutsche hier Ihren Vorfahren angetan haben.

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident
Er versicherte den Nachfahren, dass Deutschland zu einer gemeinsamen Aufarbeitung der Vergangenheit bereit sei. Steinmeier erhielt dafür Beifall.
Steinmeier trifft Familie von hingerichtetem Chief Songea Mbano
Steinmeier traf sich am zweiten Tag seiner Tansania-Reise in Songea mit einer Familie, deren Vorfahr - Chief Songea Mbano - 1906 mit 66 weiteren Anführern von den deutschen Kolonialherren hingerichtet wurde. Er gilt heute als Nationalheld. Die Besatzungsmacht schlug damals in einem brutal geführten Krieg einen Aufstand der unterdrückten Menschen in ihrer Kolonie Deutsch-Ostafrika nieder.
Der so genannte Maji-Maji-Krieg von 1905 bis 1907 kostete nach tansanischen Schätzungen bis zu 300.000 Menschen das Leben. Die deutsche Kolonialgeschichte endete 1918 mit der Niederlage des Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg.
Steinmeier in Songea: Trauere um die Hingerichteten
Steinmeier besuchte in Songea, einem der Hauptschauplätze des Krieges, das Maji-Maji-Museum und legte am Grab von Chief Songea Mbano eine rote Rose und am Sammelgrab der anderen Kämpfer einen Kranz nieder. Das Treffen mit den Nachfahren fand im kleinsten Kreis ohne Journalisten statt.
Die deutsche Kolonialgeschichte ist eine Geschichte von Gewalt und Unterdrückung. Dabei hatte Reichskanzler Bismarck koloniale Ambitionen abgelehnt. Wie kam es zu den tragischen Ereignissen in den deutschen Kolonien?
Beitragslänge:
6 min
Datum:
01.02.2018
Der Bundespräsident sagte im Anschluss: "Ich trauere mit Ihnen um Chief Songea und um die anderen Hingerichteten."
Ich verneige mich vor den Opfern der deutschen Kolonialherrschaft.
Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident
Es beschäme ihn, was deutsche Kolonialsoldaten den Menschen hier angetan hätten.
Bundespräsident bekräftigt Bemühungen, Überreste von Songea zu finden
Zugleich versicherte Steinmeier den Nachfahren: "Ich verspreche Ihnen, dass wir uns gemeinsam mit Ihnen darum bemühen werden, den Schädel von Chief Songea in Deutschland zu finden." Der Bundespräsident ergänzte:
Was wir wissen, ist, dass damals viele Gebeine aus Ostafrika nach Deutschland gebracht wurden.
Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident
Dort hätten sie in Museen und anthropologischen Sammlungen gelegen, "hunderte, vielleicht tausende von Schädeln", fügte er hinzu.
Wohin mit den Schädel aus der Kolonialzeit? Wurden die Benin-Bronzen an die Falschen restituiert? Und warum liegt Schillers Doktorarbeit in Polen und das Krim-Gold in Amsterdam?
Beitragslänge:
44 min
Datum:
19.05.2023
Nachfahren von Opfern fordern Rückgabe menschlicher Überreste
Die Identifizierung der menschlichen Überreste und ihre Zuordnung sei allerdings "sehr, sehr schwierig", sage Steinmeier weiter. "Diese Ehrlichkeit schulde ich Ihnen, auch wenn es mir sehr schwerfällt, das zu sagen." Er könne aber versprechen:
Wir werden tun, was in unserer Macht steht.
Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident
In deutschen Museen und Sammlungen liegen noch viele Schädel und Gebeine der Opfer des Kolonialkrieges. Ihre Nachfahren wünschen sich, dass diese zurück nach Tansania kommen, damit ihre Vorfahren endlich angemessen begraben sind.
Quelle: dpa, AFP
https://www.zdf.de/


Deutsche Staatsbesuche in Afrika
Nett gemeint ist auch gescheitert

Ein Kommentar von Heiner Hoffmann, Nairobi (Kenia)
Es ist die Afrika-Woche der Bundespolitik: Kanzler Scholz reist nach Nigeria und Ghana, der Bundespräsident nach Tansania und Sambia. Beide sind um eine neue Haltung gegenüber Afrika bemüht – trotzdem verliert Deutschland den Anschluss.
31.10.2023, 11.16 Uhr
Olaf Scholz in Lagos mit dem nigerianischen Arbeitsminister Simon Bako Lalong im Deutsch-Nigerianischen Zentrum für Jobs, Migration und Reintegration Foto: Michael Kappeler / dpa
Globale Gesellschaft
In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechende Ansätze für die Lösung globaler Probleme.
Am Sonntag veröffentlichte die nigerianische Zeitung »Punch« ein Interview mit dem deutschen Kanzler . Die Antworten sind typisch Scholz, nämlich ziemlich unverbindlich, er spricht von »Potenzial«, es gebe »laufende Bemühungen«, die »Partnerschaft« wachse. Viel spannender sind hingegen die Fragen des Interviewers: »Ist Deutschland immer noch abhängig von russischem Gas?«, will er wissen. Außerdem: »Stimmt es, dass Deutschland einen Sitz im Uno-Sicherheitsrat anstrebt?«
Das Interview spiegelt das neue Selbstbewusstsein vieler Länder Afrikas wider. Sie wissen, dass der Globale Norden auf sie angewiesen ist. Der Krieg in der Ukraine hat das deutlicher gemacht denn je, afrikanische Staaten sind plötzlich ein Machtfaktor und ein wichtiger Ressourcenlieferant. Es geht um ihre Stimme bei der Uno, um ihre Unterstützung, um ihre Rohstoffe. Deutschland und die EU finden sich in einer historisch ungewohnten Rolle: Sie müssen plötzlich Angebote machen. Das Bohren von Brunnen oder Bauen von Schulen reicht schon lange nicht mehr aus. Gefragter sind große Investitionen in die Infrastruktur, die Wirtschaft, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen.
Die Angebote, die bisher aus Deutschland und dem Rest Europas kommen, sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Eine Umfrage der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung unter afrikanischen Entscheidungsträgern  zeigt, dass die Europäer zwar einen guten Ruf in Sachen Sozialstandards und Gründlichkeit genießen. Doch die Chinesen bauen schneller, und sie mischen sich weniger in die Politik ein. Das kommt gut an. Die Chefin der Welthandelsorganisation Ngozi Okonjo-Iweala soll vor deutschen Botschaftern die Haltung afrikanischer Entscheider mit folgendem Satz wiedergegeben haben: »Wenn wir mit den Chinesen sprechen, bekommen wir einen Flughafen. Wenn wir mit den Deutschen sprechen, bekommen wir Belehrungen.«
Scholz ist bereits zum dritten Mal als Bundeskanzler in Afrika. Auf einer vom Auswärtigen Amt betriebenen Website heißt es, er habe »sich vorgenommen, dem Kontinent deutlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen«. Im nächsten Satz des Textes wird erklärt, warum: »als Lehre aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine«.
Und genau darin liegt ein Teil des Problems: Die Bundesregierung sieht Afrika aus einer Art Kalter-Krieg-Perspektive. Es geht um Blockbildung, darum, den Kontinent nicht an China oder Russland zu verlieren. Wirklich aufgewacht ist man in Berlin erst, als sich im Uno-Sicherheitsrat bei einer Resolution gegen die Invasion der Ukraine zahlreiche afrikanische Staaten enthielten oder gar im Sinne Russlands stimmten. Nun versucht man es eilig mit Sympathieoffensiven, mit einem »Dialog auf Augenhöhe«, wie Berlin immer wieder betont. Immerhin: Der Sound ändert sich, Deutschland lernt langsam, Afrika ernst zu nehmen.
Doch die alten Fehler passieren immer wieder. Noch immer versuchen deutsche Diplomaten, afrikanische Regierungen ideologisch auf ihre Seite zu ziehen, eine entschlossene Haltung gegen Moskau einzufordern. Das mag aus europäischer Sicht moralisch geboten erscheinen, ist aber realpolitisch grundfalsch. Viele afrikanische Staaten halten sich lieber an das sogenannte Non-Alignment, bleiben ohne klare Position, reden mit allen, halten sich Optionen offen. Das ist angesichts der Erfahrungen aus der Kolonialzeit und der Blockpolitik des Kalten Krieges verständlich. Deutschland sollte es akzeptieren.
Was fehlt, ist eine klare Linie. Das zeigt sich auch nun in Nigeria wieder. Olaf Scholz würde gern mehr nigerianisches Gas importieren, soviel steht fest. Doch dafür müsste eigentlich auch in die marode Infrastruktur vor Ort investiert werden, in Pipelines und Terminals. Scholz redete zwar von deutschen Firmen, die Bahnlinien bauen könnten. Konkreter wurde es jedoch nicht.
Das erinnert stark an seinen Besuch im Senegal im Mai vergangenen Jahres. Auch da ging es um Erdgas, Deutschland brauchte dringend neue Lieferanten, nachdem Russland sanktioniert wurde. Der Bundeskanzler sprach über eine Kooperation mit Senegal, wollte diese »intensiv verfolgen«. Doch passiert ist bislang: nichts. Deutschland redet gern, doch für große und riskante Investitionen fehlt der Mut. Die Bundesregierung konzentriert sich auf die wenigen Bereiche, die sich gut verkaufen lassen: den Ausbau erneuerbarer Energien oder Grünen Wasserstoff. Diese Projekte können helfen, sie sind sinnvoll, keine Frage. Aber alle Länder des Globalen Nordens stürzen sich darauf, bieten sich als Partner an. Die Chinesen wiederum holen Lithium und Kobalt aus dem Boden – und sie gehen auch in die Länder, wo sich Europa nicht hintraut, die Demokratische Republik Kongo zum Beispiel.
Ein wenig Mut zeigt in dieser Woche zumindest Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er reist genau dorthin, wo es wehtut: in die deutsche Kolonialvergangenheit. Im tansanischen Songea trifft er Hinterbliebene von Opfern der Gewaltherrschaft in der früheren Kolonie Deutsch-Ostafrika. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt, vielleicht sogar historisch.
Olaf Scholz in Kenia: Nette Worte, kaum konkrete Angebote (im Mai) Foto: Michael Kappeler / dpa
Denn auch das ist Fakt in Afrika: Die junge Bevölkerung setzt sich zunehmend kritisch mit den alten Kolonialmächten auseinander, vor allem Frankreich bekommt das schmerzhaft zu spüren. Die Jugend denkt panafrikanisch, Europa ist für viele schon lange kein Vorbild mehr. Zu diesem Selbstbewusstsein kommt oft eine gute Portion Populismus. Deutschland sollte diese Entwicklung sehr ernst nehmen. Statt russische Propaganda verantwortlich zu machen (die es zweifellos gibt), sollten sich die Verantwortlichen mit den eigenen Fehlern auseinandersetzen und sie korrigieren.
Ein Umdenken braucht es auch beim Thema Migration, ein weiteres Dilemma der deutschen Afrikapolitik: Über Jahrzehnte wurde der Kontinent als Produzent Abertausender Geflüchteter eingestuft, noch heute schauen viele mit dieser Perspektive dorthin. Migration wurde stets als Horrorszenario beschrieben, es wurden vor allem nach 2015 Abkommen mit Diktatoren geschlossen, um die Menschen fernzuhalten. Wenn es um den Schutz der europäischen Grenzen ging, spielte Moral kaum mehr eine Rolle.
Zwar betont die Ampelregierung endlich auch die Chancen von Zuwanderung. Nun sollen Fachkräfte angeworben und mehr legale Migrationsmöglichkeiten geschaffen werden. Das beteuerte Scholz auch wieder in Nigeria (auch wenn diese Aussagen im Zuge der Abschiebungsdebatte ziemlich untergehen).
Lieblingsprojekt Deutschlands: der Ausbau erneuerbarer Energien, hier in Kenia
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Lieblingsprojekt Deutschlands: der Ausbau erneuerbarer Energien, hier in Kenia Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL
Doch was die Bundesregierung wohl nicht verstanden hat: Deutschland ist als Zielland für gut ausgebildete afrikanische Fachkräfte ziemlich uninteressant. Sie müssen erst Deutsch lernen, und die Visaverfahren sind eine bürokratische Hölle. Die meisten gehen da lieber nach Kanada, die USA oder Großbritannien – dort werden sie mit offenen Armen empfangen.
Deutschland hätte aber eine andere Chance: Statt auf top ausgebildete Fachkräfte zu setzen, sollten junge Menschen mit Schulabschluss angeworben werden, die in Kassel, Erfurt oder Straubing eine Ausbildung machen und dann als Kfz-Mechatronikerin, Pfleger oder Bäcker arbeiten können. Damit würde man genau die Zielgruppe erreichen, die sich sonst irregulär auf den Weg nach Europa gemacht hätte. Doch solche Pläne sind in Deutschland nur schwer zu verkaufen.
Olaf Scholz versuchte es in Nigeria mit kleinen Zugeständnissen: Man wolle Visaverfahren beschleunigen, dafür ein neues Onlinetool einführen. Mit mikroskopischen Eingriffen, die möglichst niemanden wehtun, lassen sich in Afrika aber keine Sympathien mehr gewinnen – das sollte inzwischen klar sein.
https://www.spiegel.de/


Steinmeier in Tansania: Freundliche Worte statt Entschädigung

Bundespräsident Steinmeier will sich bei seinem Besuch in Tansania zu deutschen Kolonialverbrechen äußern
Aert van Riel 31.10.2023, 17:08 Uhr Lesedauer: 5 Min.
Frank-Walter Steinmeier bei einem frühren Besuch in Tansania
Foto: IMAGO / photothek
In Songea, im Südwesten von Tansania, erinnert noch heute ein Galgen an die Grausamkeit der deutschen Kolonialisten. Hier wurden am 27. Februar 1906 mehr als 60 Anführer hingerichtet, die sich gegen die Herrschaft des Kaiserreichs in der Kolonie mit dem Namen Deutsch-Ostafrika gewehrt hatten. Sie kämpften im Maji-Maji-Krieg, der ein Jahr zuvor in der Kolonie ausgebrochen war und 1908 endgültig von den Kolonialtruppen niedergeschlagen wurde.
Der Galgen in Songea ist Teil des Maji-Maji-Museums. Am Mittwoch wird dort erneut Geschichte geschrieben. Die Tansanier erwarten erstmals hohen Besuch aus Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will zum Abschluss seiner dreitägigen Visite in Tansania das Museum und die Gräber von afrikanischen Opfern des Maji-Maji-Krieges besuchen und Gespräche mit ihren Nachfahren führen. Vertreter des tansanischen Staates nehmen hier regelmäßig an Gedenkfeiern teil, deutsche Spitzenpolitiker haben diesen Ort bisher hingegen gemieden. Aus seinem Büro wird verlautbart, dass Steinmeier sich »der tansanischen Geschichte und insbesondere der deutschen Kolonialherrschaft widmen« wolle.
Der Maji-Maji-Krieg ist ein zentraler Teil dieser Geschichte. Maji bedeutet übersetzt aus der Kiswahili-Sprache Wasser. Die afrikanischen Krieger vertrauten auf einen Trank mit diesem Namen, von dem erzählt wurde, dass er die deutschen Gewehrkugeln in Wasser verwandeln würde.
Einer ihrer Anführer war Songea Mbano. Die Stadt im Südwesten von Tansania ist nach dem Ngoni-Herrscher benannt. Songea Mbano wurde von den Kolonialtruppen gefangen genommen, im Februar 1906 hingerichtet und ebenso wie viele seiner Leidensgefährten ohne Kopf beerdigt. Sein Schädel wurde für rassistische und pseudowissenschaftliche Forschungen nach Deutschland gebracht. Hier wurde er noch immer nicht gefunden.
Im Jahr 2017 startete die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein Projekt, um die Herkunft von etwa 1000 geraubten Schädeln aus der früheren Kolonie zu erforschen, die sich in deutschen Museen befinden. Mehr als 900 von ihnen konnten Gebieten in den heutigen Staaten Ruanda, Tansania und Kenia zugeordnet werden und sollen in die Heimat zurückgebracht werden. Die genetischen Daten von einzelnen Schädeln wurden mit der DNA aus Speichelproben möglicher Nachfahren verglichen. In einem Fall wurde eine vollständige Übereinstimmung mit einem Mann festgestellt, der in Tansania lebt. In Songea wird Steinmeier Fragen beantworten müssen, wie es um die Rückgabe von weiteren Gebeinen und Kulturschätzen steht, welche die frühere Kolonialmacht einst gestohlen hatte.
Doch das dürfte nicht das einzige Thema bei Steinmeiers Visite sein. In einem Forderungskatalog an den Bundespräsidenten, der unter anderem von den Organisationen Tanzania Network und Berlin Postkolonial unterzeichnet wurde, heißt es, dass Steinmeier »um Entschuldigung Deutschlands bei den Nachfahren der Opfer des Maji-Maji-Kriegs« und für alle von Deutschen in Ostafrika begangenen Kolonialverbrechen bitten solle. Darüber hinaus wird die Bundesregierung zu Verhandlungen aufgefordert. Diese sollten mit den vom deutschen Kolonialismus besonders betroffenen tansanischen Communities und Regionen sowie mit der tansanischen Regierung über Entschädigungen für diese Gemeinschaften geführt werden.
Zu diesen Fragen hatte sich die Bundesregierung bisher zurückhaltend geäußert. Im Mai hatte sie auf eine Kleine Anfrage der inzwischen parteilosen Abgeordneten Sevim Dağdelen, die zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied der Linken war, lediglich mitgeteilt, sich »der moralischen und politischen Verantwortung zu stellen, die aus den durch deutsche Kolonialtruppen verübten Verbrechen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika resultiert«. Hinsichtlich der Erwartungen und Bedürfnisse der tansanischen Seite würden auch von Seiten der Bundesregierung vertrauensvolle Gespräche geführt.
Tansania, ohne die Insel Sansibar, war von 1885 bis 1918 Teil der Kolonie, zu der auch Burundi, Ruanda und ein kleiner Teil von Mosambik gehörten. Unterschiedliche ethnische Gruppen lehnten sich gegen die Kolonialisten auf und es kam zu mehreren Kriegen. Die größte und blutigste Auseinandersetzung war der Maji-Maji-Krieg. Die Kolonialtruppen verübten zahlreiche Kriegsverbrechen und setzten auf die Strategie der verbrannten Erde, die sich vor allem gegen die Zivilbevölkerung richtete und zu Hungersnöten und Seuchen führte. Felder, Getreidespeicher, Brunnen und ganze Dörfer wurden zerstört. Tansanische Historiker gehen von bis zu 300 000 Todesopfern aus, ein Drittel der Menschen, die in dem betroffenen Gebiet lebten.
Anders als Sevim Dağdelen und ihre Genossen, die ebenso wie einige tansanische Historiker von »Völkermord« sprechen, vermeidet die Bundesregierung diesen Begriff. In diesem Fall müsste sie damit rechnen, dass Tansania dem Beispiel Namibias, wo das Kaiserreich einen Völkermord an den Herero und Nama beging, folgen und Entschädigungen von der Bundesrepublik verlangen wird. Solche Forderungen wurden seit 2017 von einzelnen tansanischen Politikern wie etwa Hussein Mwinyi, damals Verteidigungsminister, erhoben, aber später von anderen Mitgliedern des Kabinetts wieder revidiert.
Die Debatte in Tansania wird auch vor dem Hintergrund geführt, dass die Folgen der grausamen deutschen Kolonialherrschaft und des Maji-Maji-Krieges noch immer sichtbar sind. Berlin Postkolonial und das Tanzania Network verweisen darauf, dass die einstigen Kriegsgebiete im Süden von Tansania »im Vergleich zum Rest des Landes arm sind und eine höhere Kindersterblichkeit und ein niedrigeres Pro-Kopf-Einkommen aufweisen«. Auch dies sei ein Erbe der Kolonialzeit.
Inwieweit sich Steinmeier auch hiermit beschäftigen wird, ist noch offen. Er will sich ab 11 Uhr eine Stunde Zeit nehmen, um das Maji-Maji-Museum zu besuchen. Es folgt ein Kurzbesuch der Maji-Maji-Grundschule in Songea. Bereits mittags will das deutsche Staatsoberhaupt das Land wieder verlassen, weil es zu politischen Gesprächen im benachbarten Sambia erwartet wird.
Aert van Riel: »Der verschwiegene Völkermord. Deutsche Kolonialverbrechen in Ostafrika und ihre Folgen.« Papyrossa, 178 S., br., 16,90
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Bundespräsident Steinmeier in Tansania: Koloniale Vergangenheit aufarbeiten

Deutschland und Tansania wollen gemeinsam in die Zukunft schauen – das machen Bundespräsident Steinmeier und Staatspräsidentin Hassan in Daressalam deutlich. Es geht ihnen aber auch um ein dunkles Kapitel.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will gemeinsam das „dunkle Kapitel aufarbeiten“. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
von dpa
31.10.2023  |  13:50 Uhr
Deutschland und Tansania wollen ihre Beziehungen weiter ausbauen und dabei auch die gemeinsame koloniale Vergangenheit aufarbeiten.
„Wir sind bereit, offizielle Verhandlungen zu beginnen, um zu sehen, wie wir mit dem kolonialen Erbe in unserem Land umgehen können“, sagte die tansanische Präsidentin Samia Suluhu Hassan in Daressalam nach einem Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Dieser betonte: „Mir ist es wichtig, dass wir dieses dunkle Kapitel aufarbeiten, dass wir es gemeinsam aufarbeiten.“ Deutschland sei auch zur Rückführung von Kulturgütern und menschlichen Überresten bereit.
Bis zu 300.000 Menschen getötet
Tansania gehörte bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zur Kolonie Deutsch-Ostafrika. Die Kolonialherrschaft war von Unterdrückung, Ausbeutung und Gräueltaten geprägt. Im so genannten Maji-Maji-Krieg wurden zwischen 1905 und 1907 nach tansanischen Schätzungen bis zu 300.000 Menschen getötet. Viele Schädel und Gebeine liegen noch heute in deutschen Museen. Es gebe Familien, die auf die Gebeine ihrer geliebten Vorfahren warteten, sagte Hassan. Als erster deutscher Staatsvertreter wird Steinmeier an diesem Mittwoch solche Angehörige treffen.
Die tansanische Präsidentin betonte, beide Länder arbeiteten seit 60 Jahren gut zusammen, die Bundesregierung sei ein „verlässlicher Freund und Partner“. Steinmeier zufolge geht es darum, diese guten Beziehungen nun zu stärken und „zukunftsfest zu machen“.
Tansania möchte Wirtschaftszusammenarbeit stärken
Hassan wünschte sich vor allem mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit. „Es gibt noch Potenzial, Handel und Investitionen auszubauen.“ Das gelte auch für den Tourismusbereich. Zwar kämen schon sehr viele deutsche Touristen in ihr Land. „Aber auch da gibt es noch Potenzial, die Zahlen zu steigern.“
Steinmeier betonte: „Ich wünsche mir, dass von dieser Reise ein Impuls für unsere wirtschaftlichen Beziehungen ausgeht.“ Der Bundespräsident wird von einer Wirtschaftsdelegation begleitet, die die Chancen für neue Geschäfte ausloten will.
Steinmeier würdigte den von Hassan eingeschlagenen Weg der Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat. „Das ist umso mehr zu bewundern und zu respektieren, als wir beide in einer Welt leben, in der Demokratie und demokratische Strukturen immer mehr unter Druck geraten sind.“ Steinmeier versicherte Hassan: „Deutschland, die Bundesregierung wird Sie auf diesem Weg der innerstaatlichen Reformen gerne unterstützen.“
Hassan ist erst seit rund zweieinhalb Jahren im Amt und das einzige weibliche Staatsoberhaupt mit Regierungsgewalt auf dem afrikanischen Kontinent. Die 63-Jährige ist aus Berliner Sicht eine Hoffnungsträgerin. Nach dem autokratischen Kurs ihres Vorgängers John Magufuli – der sich dafür den Spitznamen „Bulldozer“ einhandelte – wählte sie einen liberaleren Weg. So wurde etwa das jahrelange Demonstrationsverbot aufgehoben. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International bemängeln gleichwohl, dass es noch immer erhebliche Defizite etwa bei der Presse- und Versammlungsfreiheit gebe – was in Berlin durchaus ähnlich gesehen wird.
Tansania ist von der Fläche etwa zweieinhalbmal so groß wie Deutschland, zählt aber mit rund 65 Millionen Einwohnern deutlich weniger Menschen. Das Land gilt als politisch stabil, es hat eine der stärksten Volkswirtschaften im Subsahara-Raum. Touristen kommen vor allem wegen des Serengeti-Nationalparks und wegen des Kilimandscharos, der der höchste Berg Afrikas ist.
Deutschland & Welt
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„Gräueltaten der deutschen Kolonialbesatzung“ :
Steinmeier möchte Vergangenheit gemeinsam mit Tansania aufarbeiten

Die deutsche Kolonialherrschaft überschatte die Geschichte beider Länder, sagte der Bundespräsident. Er erklärte sich zur Rückführung von Kulturgütern bereit.
31.10.2023, 14:58 Uhr
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich dafür ausgesprochen, die deutsche Kolonialherrschaft in Tansania gemeinsam mit dem ostafrikanischen Land aufzuarbeiten.
„Mir ist es wichtig, dass wir dieses dunkle Kapitel aufarbeiten, dass wir es gemeinsam aufarbeiten“, sagte Steinmeier am Dienstag im Rahmen eines Treffens mit Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan in der Stadt Daressalam.
Deutschland sei bereit zur Zusammenarbeit, das schließe „auch die Rückführung von Kulturgütern und menschlichen Überresten“ ein.
Steinmeier sprach sich dafür aus, vor allem in Deutschland das Wissen über die Kolonialvergangenheit zu vergrößern. „Gräueltaten der deutschen Kolonialbesatzung“ im ehemaligen Deutsch-Ostafrika würden die gemeinsame Geschichte zwischen Deutschland und Tansania überschatten.
Steinmeier trifft in Tansania auf Nachfahren der Opfer deutscher Kolonialherrschaft
Steinmeier reist am Mittwoch in die Stadt Songea im Süden Tansanias, wo er unter anderem das Maji-Maji-Museum besichtigen und Nachfahren der Opfer treffen will.
Der Bundespräsident sagte, dieser Besuch sei der „gemeinsamen Aufarbeitung gewidmet“. Er sei „zutiefst dankbar, dass einige der Nachfahren von Opfern aus dem Maji-Maji-Krieg mich zum Gespräch eingeladen haben“. Dies sei „alles andere als eine Selbstverständlichkeit“.
Deutsche Kolonialherren schlugen Maji-Maji-Aufstand brutal nieder
In Songea hatte sich eines der blutigsten Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte abgespielt.
Mit großer Brutalität schlugen die Kolonialherren im damaligen Deutsch-Ostafrika zwischen 1905 und 1907 einen Aufstand gegen ihre Herrschaft nieder. Historiker schätzen die Zahl der Toten im Verlauf des Maji-Maji-Aufstands auf 200.000 bis 300.000.
Die meisten von ihnen starben als Folge der systematischen Zerstörung von Feldern und Dörfern durch die deutschen Kolonialtruppen.
(AFP)
https://www.tagesspiegel.de/


Politik
Steinmeier: Deutsche Kolonialherrschaft gemeinsam mit Tansania aufarbeiten

AFPIn POLITIK31. Oktober 2023, 13:31 Uhr
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Bild: AFP
Bundespräsident Steinmeier hat sich dafür ausgesprochen, die deutsche Kolonialherrschaft in Tansania gemeinsam mit dem ostafrikanischen Land aufzuarbeiten. 'Gräueltaten der deutschen Kolonialbesatzung' würden die gemeinsame Geschichte überschatten.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich dafür ausgesprochen, die deutsche Kolonialherrschaft in Tansania gemeinsam mit dem ostafrikanischen Land aufzuarbeiten. "Mir ist es wichtig, dass wir dieses dunkle Kapital aufarbeiten, dass wir es gemeinsam aufarbeiten", sagte Steinmeier am Dienstag im Rahmen eines Treffens mit Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan in der Stadt Daressalam. Deutschland sei bereit zur Zusammenarbeit, das schließe "auch die Rückführung von Kulturgütern und menschlichen Überresten" ein.
Steinmeier sprach sich dafür aus, vor allem in Deutschland das Wissen über die Kolonialvergangenheit zu vergrößern. "Gräueltaten der deutschen Kolonialbesatzung" im ehemaligen Deutsch-Ostafrika würden die gemeinsame Geschichte zwischen Deutschland und Tansania überschatten.

Steinmeier reist am Mittwoch in die Stadt Songea im Süden Tansanias, wo er unter anderem das Maji-Maji-Museum besichtigen und Nachfahren der Opfer treffen will. Der Bundespräsident sagte, dieser Besuch sei der "gemeinsamen Aufarbeitung gewidmet". Er sei "zutiefst dankbar, dass einige der Nachfahren von Opfern aus dem Maji-Maji-Krieg mich zum Gespräch eingeladen haben". Dies sei "alles andere als eine Selbstverständlichkeit".
In Songea hatte sich eines der blutigsten Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte abgespielt. Mit großer Brutalität schlugen die Kolonialherren im damaligen Deutsch-Ostafrika zwischen 1905 und 1907 einen Aufstand gegen ihre Herrschaft nieder. Historiker schätzen die Zahl der Toten im Verlauf des Maji-Maji-Aufstands auf 200.000 bis 300.000. Die meisten von ihnen starben als Folge der systematischen Zerstörung von Feldern und Dörfern durch die deutschen Kolonialtruppen.
https://unternehmen-heute.de/

Afrika-Reise des Bundespräsidenten
Steinmeier verspricht Tansania Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit

Bundespräsident Steinmeier hat bei seinem Besuch in Tansania eine Aufarbeitung der gemeinsamen Kolonialgeschichte angekündigt.
31.10.2023
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht an einem Rednerpult mit dem Staatswappen Tansanias.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im State House in Daressalam, Tansania (Bernd von Jutrczenka / dpa / Bernd von Jutrczenka)
Steinmeier sagte bei einem Treffen mit Präsidentin Suluhu Hassan in Daressalam, ihm sei wichtig, dieses dunkle Kapitel zusammen aufzuarbeiten. Bis 1918 gehörten große Teile Tansanias mit dem heutigen Burundi und Ruanda zur Kolonie Deutsch-Ostafrika. Deutsche Kolonialtruppen töteten laut Schätzungen von Historikern bis zu 300.000 Menschen bei der Niederschlagung eines Aufstandes. Die Bundesregierung hat die Restituierung damals geraubter menschlicher Knochen angekündigt.
Suluhu Hassan sagte, beide Länder arbeiteten seit 60 Jahren gut zusammen, die Bundesregierung sei ein „verlässlicher Freund und Partner“.
Diese Nachricht wurde am 31.10.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.
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Steinmeier in Tansania
Deutsche Kolonialzeit soll aufgearbeitet werden

Stand: 31.10.2023 15:00 Uhr
Als erster deutscher Staatsvertreter wird Bundespräsident Steinmeier in Tansania auf Angehörige von Opfern deutscher Kolonialherrschaft treffen. Beide Länder wollen diese Zeit der Ausbeutung und Gewalt nun gemeinsam aufarbeiten.Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich dafür ausgesprochen, die deutsche Kolonialherrschaft in Tansania gemeinsam mit dem ostafrikanischen Land aufzuarbeiten.
"Mir ist es wichtig, dass wir dieses dunkle Kapital aufarbeiten, dass wir es gemeinsam aufarbeiten", sagte Steinmeier bei einem Treffen mit Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan in der Hafenmetropole Daressalam. Hassan sagte, Tansania sei dazu bereit, "offizielle Verhandlungen zu beginnen, um zu sehen, wie wir mit dem kolonialen Erbe in unserem Land umgehen können." Deutschland sei bereit zur Zusammenarbeit, das schließe "auch die Rückführung von Kulturgütern und menschlichen Überresten" ein. Steinmeier sprach sich dafür aus, vor allem in Deutschland das Wissen über die Kolonialvergangenheit zu vergrößern. "Gräueltaten der deutschen Kolonialbesatzung" überschatteten die gemeinsame Geschichte.
Annalena Baerbock und Lai Mohammed bei der Unterzeichnung einer Absichtserklärung für Eigentumsübertragungen wertvoller Benin-Bronzen.
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Gräueltaten während der KolonialherrschaftTansania gehörte bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zur Kolonie Deutsch-Ostafrika. Die Kolonialherrschaft war von Unterdrückung, Ausbeutung und Gräueltaten geprägt. Aufstände gegen die Deutschen wurden brutal niedergeschlagen. Im so genannten Maji-Maji-Krieg wurden zwischen 1905 und 1907 nach tansanischen Schätzungen bis zu 300.000 Menschen getötet.Viele Schädel und Gebeine liegen noch heute in deutschen Museen. Es gebe Familien, die auf die Gebeine ihrer geliebten Vorfahren warteten, sagte Hassan.
Steinmeier trifft Angehörige von Opfern
Als erster deutscher Staatsvertreter wird Steinmeier am Mittwoch in Songea im Süden des Landes solche Angehörige treffen. Der Bundespräsident sagte, dieser Besuch sei der "gemeinsamen Aufarbeitung gewidmet". Er sei "zutiefst dankbar, dass einige der Nachfahren von Opfern aus dem Maji-Maji-Krieg mich zum Gespräch eingeladen haben". Dies sei "alles andere als eine Selbstverständlichkeit".
Karte: Daressalam und Songea, Tansania
Die Beziehungen "zukunftsfest" machen
Steinmeier wird bei seiner Reise von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Ihm zufolge geht es auch darum, die Beziehungen zu Tansania "zukunftsfest zu machen". Der Tourismus ist für deutsche Investoren interessant, auch die Landwirtschaft.Das Land verfügt zudem über reichhaltigen Bodenschätze - neben Gold beispielsweise Grafit, Seltene Erden, Uran und Kohle. Das trägt mit dazu bei, dass die Konjunkturaussichten gut sind. Experten schätzen das Wachstum im Moment auf rund fünf Prozent, Tendenz steigend. Einer Prognose des Internationalen Währungsfonds zufolge könnte Tansania in etwa zehn Jahren sogar Kenia als stärkste Wirtschaftskraft Ostafrikas ablösen.
Bundespräsident Steinmeier besucht eine Produktionsstätte der Firma Twiga Cement, einer Tochterfirma von Heidelberg Materials, am Rande von Daressalam.
Bei Daressalam besuchte Steinmeier eine Produktionsstätte einer Zementfirma
Hassan gilt als HoffnungsträgerinEntscheidend dafür ist auch das politische Klima. Hassan ist erst seit rund zweieinhalb Jahren im Amt und das einzige weibliche Staatsoberhaupt mit Regierungsgewalt auf dem afrikanischen Kontinent. Steinmeier würdigte den von Hassan eingeschlagenen Weg der Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat. Die 63-Jährige ist aus Berliner Sicht eine Hoffnungsträgerin. Nach dem autokratischen Kurs ihres Vorgängers John Magufuli wählte sie einen liberaleren Weg. So wurde etwa das jahrelange Demonstrationsverbot aufgehoben.
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International bemängeln gleichwohl, dass es noch immer erhebliche Defizite etwa bei der Presse- und Versammlungsfreiheit gebe - was in Berlin durchaus ähnlich gesehen wird. Tansania ist von der Fläche etwa zweieinhalbmal so groß wie Deutschland, zählt aber mit rund 65 Millionen Einwohnern deutlich weniger Menschen. Das Land gilt als politisch stabil, es hat eine der stärksten Volkswirtschaften im Subsahara-Raum. Touristen kommen vor allem wegen des Serengeti-Nationalparks und wegen des Kilimandscharos, der der höchste Berg Afrikas ist. Mit Informationen von Antje Diekhans, ARD Nairobi
Player: audioAuftakt Steinmeier-Reise - Wirtschaft und Kolonialvergangenheit. Hintergrundbild für den Audioplayer | ARD-aktuell
Auftakt Steinmeier-Reise - Wirtschaft und Kolonialvergangenheit
00:0001:10
Antje Diekhans, ARD Nairobi, tagesschau, 31.10.2023 10:00 Uhr >>>
Dieses Thema im Programm:
Dieser Beitrag lief am 31. Oktober 2023 um 05:21 Uhr im Deutschlandfunk in der Sendung "Informationen am Morgen".
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Deutsche Kolonialzeit in Tansania
»Diese brutalen Verbrechen werden gezielt verschwiegen«

Bis 1918 besetzte das Deutsche Reich das heutige Tansania als Kolonie Deutsch-Ostafrika – mit brutaler Gewaltherrschaft. Nun reist Bundespräsident Steinmeier an. Historiker Oswald Masebo erklärt, was er vom Besuch erwartet.
Ein Interview von Heiner Hoffmann, Nairobi
29.10.2023, 09.01 Uhr
Deutsche Kolonialsoldaten in Deutsch-Ostafrika, historische Zeichnung von 1894 Foto: imagebroker / IMAGO
Globale Gesellschaft
Am kommenden Montag reist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Tansania. Er besucht einen historisch denkbar heiklen Ort: Songea, das Zentrum des Maji-Maji-Aufstandes gegen die deutsche Kolonialherrschaft, als erster hochrangiger Politiker aus Deutschland. Tausende Einheimische erhoben sich in den Jahren 1905 bis 1907 gegen die Unterdrücker aus dem Deutschen Reich. Ihr Aufstand wurde von den Kolonialherren brutal niedergeschlagen, bis zu 300.000 Menschen kamen infolgedessen zu Tode, die genaue Zahl ist noch immer nicht bekannt.
Gemacht fürs Leben.
Die Reise Steinmeiers ist also auch ein Trip in ein dunkles Kapitel der deutschen Vergangenheit, das in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle spielt. Welche Worte sollte der Bundespräsident finden? Was erwarten die Hinterbliebenen der Opfer? Wie tief sitzen die Wunden vor Ort? Darüber hat DER SPIEGEL mit Oswald Masebo gesprochen, tansanischer Kolonialhistoriker und Vorstandsvorsitzender des Nationalmuseums.
Zur Person
Oswald Masebo lehrt als Historiker an der Universität von Daressalam, beschäftigt sich vor allem mit der Kolonialgeschichte Tansanias. Er ist Präsident der tansanischen Historikervereinigung und Vorstandsvorsitzender der Nationalmuseen von Tansania.
SPIEGEL: Frank-Walter Steinmeier reist bald nach Tansania. Könnte es ein historischer Besuch werden?
Masebo: Ja, dieser Besuch ist historisch, und er ist ungeheuer wichtig. Der deutsche Bundespräsident wird das Maji-Maji-Museum besuchen, er soll die koloniale Vergangenheit nacherleben. Er soll erfahren, wie sich die Bevölkerung gegen die Kolonialherrschaft aufgelehnt hat. Die deutsche Regierung muss sich endlich den Verbrechen der Vergangenheit stellen. Die Narbe dieser Gräueltaten ist in Tansania überall zu spüren, sie verfolgt uns. Sie liegt wie ein Schatten über den Beziehungen beider Länder. Der Bundespräsident wird Nachfahren derer treffen, die durch deutsche Gewalt ihr Leben verloren haben. Ihre Körper wurden verstümmelt, Köpfe abgeschnitten, und ihre Körperteile nach Deutschland verschickt. Sich dem zu stellen, ist eine historische Chance, und sie kommt zur rechten Zeit. Es könnte ein Wendepunkt werden.
SPIEGEL: Erwarten Sie eine Entschuldigung vom Bundespräsidenten?
Masebo: Ja, das könnte eine Geste sein. Aber das Wichtigste sind nicht Worte, sondern Aufrichtigkeit. Es darf nicht bei diesem Besuch als isoliertes Ereignis bleiben, sondern er muss der Beginn eines langen Prozesses der Aussöhnung und der Heilung sein.

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck besuchte 2015 Tansania, allerdings ging er lieber nach Sansibar und in den Serengeti-Nationalpark als ins Kolonialmuseum Foto: Wolfgang Kumm / dpa
SPIEGEL: Die Deutschen wissen sehr wenig über die koloniale Vergangenheit in Deutsch-Ostafrika, über die Gräueltaten in diesem Teil der Welt.
Masebo: Ja, das überrascht mich in keiner Weise. Das Wissen über diese Zeit wurde der Öffentlichkeit bewusst vorenthalten. Diese brutalen Verbrechen werden gezielt verschwiegen, um die nationale Identität der Deutschen nicht zu hinterfragen, um das sogenannte Nation Building nicht zu gefährden. Wenn Deutschland sich dieser schwierigen Vergangenheit wirklich stellen will, dann muss das Thema auch öffentlich mehr Aufmerksamkeit erfahren. Deutsch-Ostafrika war das größte Kolonialgebiet der Deutschen. Es ist absolut inakzeptabel, dass die Bevölkerung darüber nichts weiß. Wie soll eine Aufarbeitung stattfinden, wenn grundlegende Informationen vorenthalten werden? Die Verbrechen müssen zum Schulstoff werden! Die Jugend muss verstehen, was ihre Vorfahren getan haben. Sonst macht das alles keinen Sinn. Und Deutschland kann das – mit dem Holocaust ist es auch gelungen. Diese Erfahrung muss genutzt werden, um jetzt die kolonialen Verbrechen in den Fokus zu rücken.
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SPIEGEL: Deutlich präsenter in der deutschen Wahrnehmung sind die Kolonialverbrechen in Namibia, der Völkermord an den Nama und Herero. Warum?
Masebo: Das liegt an den Interessengruppen in Namibia, die haben das Thema aggressiver vorangebracht. Außerdem gibt es in Namibia noch sehr viele Nachfahren der Deutschen von damals, es ist eine große Bevölkerungsgruppe, sie besitzen immer noch weite Teile des Landes – die koloniale Ungerechtigkeit setzt sich also fort. Hier in Tansania gibt es diese klaren Kontinuitäten weniger; es leben kaum Deutsche im Land. Tansanier sind zudem sehr höfliche Leute, sehr zurückhaltend, wir gehen solche kontroversen Fragen sehr geduldig und respektvoll an. Wir setzen normalerweise nicht auf Konfrontation.
Historische Zeichnung zum Maji-Maji-Aufstand Foto: UIG / IMAGO
SPIEGEL: Der Maji-Maji-Aufstand wurde brutal niedergeschlagen, Hunger gezielt als Waffe eingesetzt, Felder zerstört, Dörfer verwüstet, mehrere Zehntausend Menschen kamen zu Tode. War das auch ein Völkermord, so wie in Namibia?
Masebo: Ich sehe viele Gemeinsamkeiten zwischen den Verbrechen in Namibia und denen in Tansania. In der internationalen Forschung geht es meist um die Frage der Absicht als Kriterium für den Begriff Völkermord, darüber wird im Fall von Tansania noch gestritten. Aber was das Ausmaß der Gewalt betrifft, sehe ich wirklich keinen Unterschied zu Namibia. Die Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstands zeigt die notorische Grausamkeit, die die Deutschen an den Tag legten. Das geht für mich über den Tatbestand eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit hinaus. Es hatte zumindest Züge eines Völkermords. Ob man es auch so bezeichnen kann, darüber sind sich Historiker noch nicht einig. Die Frage wird jetzt jedenfalls prominenter diskutiert. Wir brauchen dringend mehr Forschung zum Thema.
SPIEGEL: Mit Namibia hatte Deutschland ein Aussöhnungsabkommen verhandelt, doch am Ende ist es politisch gescheitert, wurde nie verabschiedet – zu groß war der Widerstand vor Ort. Vor allem der Vorwurf, dass die betroffenen Nama und Herero nicht ausreichend einbezogen wurden, sorgte für massive Kritik. Was muss Deutschland tun, um diese Fehler in Tansania nicht zu wiederholen?
Masebo: Es müssen alle Seiten gehört werden: einzelne Haushalte, deren Vorfahren Opfer von Gewalt wurden, Communities, die bis heute unter den Folgen der Kolonialzeit leiden und zivilgesellschaftliche Organisationen. Und natürlich die Regierung von Tansania, die den Rahmen der Gespräche vorgibt. Wir müssen kreative Wege finden, um all diese Gesprächspartner einzubinden. Wir dürfen nicht einfach deutsche Vorstellungen überstülpen. Dieser Fehler wurde in Namibia gemacht, da wurde nicht ausreichend zugehört.
An Namibia wurden geraubte Schädel zurückgegeben Foto: IPON / IMAGO
SPIEGEL: Auf dem Tisch ist auch die Frage nach Reparationszahlungen, also finanzieller Wiedergutmachung für die kolonialen Verbrechen. Schon 2020 forderte der tansanische Botschafter in Berlin die Bundesregierung zu entsprechenden Verhandlungen auf. Wäre das ein richtiger Schritt?
Masebo: Das kommt sehr darauf an, wie es passiert. Es fängt schon an mit der Frage: Wer soll solche Wiedergutmachung erhalten? Wir kennen nicht mal die Identität aller Hinterbliebenen oder betroffenen Communities. Aus deutscher Sicht sind Reparationen finanzieller Natur, es geht also ums Geld. Aber für die Betroffenen in Tansania kann das ganz anders aussehen. Das westliche Konzept von Reparationen führt in Tansania nicht automatisch zur Heilung der historischen Narben. Ein Menschenleben kann man nicht finanziell aufwiegen. Die Tansanier sollten selbst entscheiden, in welcher Form Wiedergutmachung geschehen sollte. Sonst erzeugen wir nur Chaos.
SPIEGEL: Ein Teil der Debatte dreht sich um die Rückgabe geraubter Schädel aus Tansania. Sie wurden von den Kolonialherren von Friedhöfen gestohlen oder von Opfern abgetrennt und nach Deutschland geschickt. Nun lagern sie in deutschen Museen, unter anderem bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die will sie zurückgeben, hat sogar in drei Fällen in Tansania konkrete Nachfahren ausgemacht. Doch wie genau das geschehen soll, ist nach wie vor nicht geklärt. Warum ist das Thema so schwierig?
»Deutsche Museen begehen schwere Fehler.«
Masebo: Die menschlichen Überreste müssen zurück nach Tansania, das steht außer Frage. Es geht hier um Körper der Opfer. Für die Hinterbliebenen sind sie viel mehr als nur ein paar Knochen. Sie müssen nach der Rückgabe spirituelle Prozesse durchlaufen, um sie wieder zu vermenschlichen. Dann können sie bestattet werden. Die Details der Rückgabe sind noch Gegenstand laufender Verhandlungen. Doch ich frage mich manchmal, ob die deutschen Museen wirklich bereit sind, sich mit dieser heiklen Angelegenheit auseinanderzusetzen: Wollen sie die kulturellen Objekte und menschlichen Überreste wirklich abgeben?
SPIEGEL: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bekräftigt das nachdrücklich.
Masebo: Die Deutschen sehen in der Rückgabe einen politischen Meilenstein, eine noble Geste. Als sie per DNA-Test die Nachfahren der Opfer ausfindig gemacht haben, wurde zuerst die deutsche Öffentlichkeit informiert und dann erst die Hinterbliebenen. Deutsche Museen begehen im Umgang mit afrikanischen Partnern schwere Fehler. Sie haben eine Vielzahl an Verfahren und Standards entwickelt, um mit der Kolonialvergangenheit umzugehen. Doch diese Regeln werden der afrikanischen Seite aufgezwungen, statt zuzuhören, was eigentlich die Bedürfnisse sind. Das führt am Ende zu großen Frustrationen auf beiden Seiten.
SPIEGEL: In Deutschland erstarkt derzeit die politische Rechte; viele verharmlosen die Kolonialzeit, reden sogar von angeblichem Fortschritt, den sie gebracht habe. Wie stark beunruhigt sie das?
Masebo: Das überrascht mich nicht. Das sind Revisionisten, große Kolonialfans. Sie sehen diese Zeit als Symbol für den Glanz des Deutschen Reiches. Der Rechtsextremismus in Deutschland wird salonfähig und damit auch ein verherrlichender Blick auf die Kolonialzeit. Was da passiert, erschwert ganz sicher den Prozess der Aussöhnung zwischen Deutschen und Tansaniern.
https://www.spiegel.de/


Treffen mit Maji-Maji-Nachfahren
Steinmeier will Kolonialgeschichte in Tansania aufarbeiten

29.10.2023, 12:33 Uhr
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Historische Illustration aus dem Jahr 1880 von Bagamoyo, der ersten Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika im heutigen Tansania.
(Foto: picture alliance / Bildagentur-online/Sunny Celeste)
Die Debatte um die Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit wird immer lauter. Nun reist der Bundespräsident in die ehemalige Kolonie Deutsch-Ostafrika im heutigen Tansania, um sich der blutigen deutschen Geschichte auf dem afrikanischen Kontinent zu stellen.
Es ist ein Besuch am Ort eines grausamen Verbrechens: Am Dienstag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Songea erwartet, einer abgelegenen Stadt im Süden Tansanias. Hier, im afrikanischen Hochland, hatte sich eines der blutigsten Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte abgespielt.
Mit großer Brutalität schlugen die Kolonialherren im damaligen Deutsch-Ostafrika zwischen 1905 und 1907 einen Aufstand gegen ihre Herrschaft nieder - ein Verbrechen, das aus dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen weitgehend verschwunden ist. Historiker schätzen die Zahl der Toten im Verlauf des Maji-Maji-Aufstandes auf 200.000 bis 300.000. Die meisten von ihnen starben als Folge der systematischen Zerstörung von Feldern und Dörfern durch die deutschen Kolonialtruppen.
Mehr Bewusstsein für deutsche Kolonialverbrechen
Steinmeier will sich in Songea mit Nachfahren der Maji-Maji-Opfer treffen und ein Museum besuchen. Es wurde an jenem Ort errichtet, an dem die Deutschen 67 Aufständische öffentlich hinrichteten.
POLITIK
28.05.21
Kolonialzeit im heutigen Namibia
Deutschland erkennt Völkermord an >>>
Wenig ist in der deutschen Öffentlichkeit bekannt über die eigene Kolonialgeschichte, die nur wenige Jahrzehnte währte und bereits im Ersten Weltkrieg endete. Die Islamwissenschaftlerin Johanna Pink von der Universität Freiburg verweist darauf, dass allenfalls die systematische Tötung des Herero-Volks in Deutsch-Südwestafrika 1904 Eingang ins öffentliche Bewusstsein gefunden habe. Dass Steinmeier sich nun auch mit Nachfahren der Opfer des Maji-Maji-Aufstandes treffen will, deute darauf hin, "dass ein öffentliches Bewusstsein dafür geschaffen werden soll, dass auch dort deutsche Kolonialverbrechen stattgefunden haben", vermutet die Professorin.
Maji-Maji-Aufstand
Hauptauslöser des Maji-Maji-Aufstands war die hohe Steuerlast, welche die afrikanischen Bauern zwang, in Plantagen zu arbeiten und die eigenen Felder zu vernachlässigen.
Der Heiler, das religiöses Medium und der Anführer Kinjikitile Ngwale zog daraufhin predigend über das Land, das unter der Knechtschaft der Deutschen litt. Seine Botschaft: Der Gott Bokero habe ihm Maji-Maji, Wasser mit Zauberkraft, gegeben. Wer es trinkt, werde gegen die Kugeln aus den Gewehrläufen deutscher Kolonialsoldaten unverwundbar.
Die Geschundenen begehren auf - und werden gnadenlos bestraft: Vertreibung, Hunger, massenhafter Tod kommen über sie. Gezielt zerstören die Kolonialtruppen die Lebensgrundlage der Bevölkerung, um den Aufständischen den Rückhalt zu entziehen. Die Strafexpedition terrorisiert, brandschatzt und plündert. Eine Strategie der verbrannten Erde, das Land blutet aus. Hunger als politische Waffe: Das große Sterben beginnt.
Berichte von Zeitzeugen dokumentieren das Elend. Der deutsche Missionar Pater Simon Troßmann schreibt 1907: "Kein frohes Leben ist mehr zu beobachten." Alles drehe sich um "njaa", den Hunger. Er beobachtet: "Die Kinder, die einer kräftigen Nahrung so sehr bedürfen, sind zum Skelett abgemagert. Größere haben trotz der Magerkeit einen aufgedunsenen Unterleib."
Aufteilung des afrikanischen Kontinents erfolgte in Berlin
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Begonnen hat die deutsche Kolonialgeschichte in Ostafrika 1885, als das Deutsche Reich im Zuge der Berliner Konferenz Errichtung die Kolonie Deutsch-Ost-Afrika (heutige Republik Tansania) in dem weiten Steppenland zwischen dem Indischen Ozean und dem Viktoriasee errichtete. Finanziell war die Kolonie freilich eine Belastung. Um neue Einkünfte aufzutun, treibt die Kolonialmacht den Baumwollanbau voran. Einheimische werden zur Plantagenarbeit gezwungen, müssen an die Fremden Steuern abführen.
Als Gouverneur Gustav Adolf Graf von Götzen im März 1905 die "Hüttensteuer" für die Einheimischen stark erhöht, formiert sich der Unmut. Der charismatische Anführer Kinjikitile schart die zerstrittenen Ethnien des Gebiets hinter sich. Mithilfe afrikanischer Askari-Soldaten lässt Götzen den Aufstand militärisch rasch niederschlagen. Der Maji-Maji-Anführer wurde im Zuge dessen von deutschen Schutztruppen verhaftet und erhängt.
Götzen verteidigt sein Vorgehen später in einem Buch: "Wie in allen Kriegen gegen unzivilisierte Völkerschaften war auch im vorliegenden Fall die planmäßige Schädigung der feindlichen Bevölkerung an Hab und Gut unerlässlich."
In Berlin gibt es inzwischen Ansätze der Aufarbeitung. Vor wenigen Jahren wurde eine Straße in Maji-Maji-Allee umbenannt. In Berlins Museen wurden zudem sterbliche Überreste identifiziert, die von Aufständischen aus Deutsch-Ostafrika stammen könnten. Über ihre Rückführung wird verhandelt.
Quelle: ntv.de, mes/AFP
https://www.n-tv.de/


BESUCH IN TANSANIA
:Steinmeier stellt sich einem Verbrechen der deutschen Kolonialgeschichte

AKTUALISIERT AM 29.10.2023-09:47
Reist am Dienstag nach Tansania, um sich dort mit Nachfahren von Kolonialopfern zu treffen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Aufnahme aus dem Juni auf dem militärischen Teil des Flughafens Berlin Brandenburg)
Im tansanischen Songea schlugen deutsche Soldaten 1905 bis 1907 einen Aufstand gegen die Kolonialherren blutig nieder. Jetzt trifft sich Bundespräsident Steinmeier dort mit Nachfahren der Opfer.
Es ist ein Besuch am Ort eines grausamen Verbrechens: Am Dienstag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Songea erwartet, einer abgelegenen Stadt im Süden Tansanias. Hier, im afrikanischen Hochland, hatte sich eines der blutigsten Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte abgespielt. Mit großer Brutalität schlugen die Kolonialherren im damaligen Deutsch-Ostafrika zwischen 1905 und 1907 einen Aufstand gegen ihre Herrschaft nieder – ein Verbrechen, das aus dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen weitgehend verschwunden ist.
Historiker schätzen die Zahl der Toten im Verlauf des Maji-Maji-Aufstands auf 200.000 bis 300.000. Die meisten von ihnen starben in Folge der systematischen Zerstörung von Feldern und Dörfern durch die deutschen Kolonialtruppen. Steinmeier will sich in Songea mit Nachfahren der Maji-Maji-Opfer treffen und ein Museum besuchen. Es wurde an jenem Ort errichtet, an dem die Deutsche 67 Aufständische öffentlich hinrichteten.
In der deutschen Öffentlichkeit ist wenig über die eigene Kolonialgeschichte bekannte, die nur einige Jahrzehnte währte und bereits im Ersten Weltkrieg endete. Die Islamwissenschaftlerin Johanna Pink von der Universität Freiburg verweist darauf, dass allenfalls die systematische Tötung des Herero-Volks in Deutsch-Südwestafrika 1904 Eingang ins öffentliche Bewusstsein gefunden habe.
„Kinder zum Skelett abgemagert“
Hauptauslöser des Maji-Maji-Aufstands war die hohe Steuerlast, welche die afrikanischen Bauern zwang, in Plantagen zu arbeiten und die eigenen Felder zu vernachlässigen. Ein weiß gekleideter Magier namens Kinjikitile zog daraufhin predigend durch das Land, das unter der Knechtschaft der Deutschen litt. Seine Botschaft: Der Gott Bokero habe ihm Maji-Maji, Wasser mit Zauberkraft, gegeben. Wer es trinkt, werde gegen die Kugeln aus den Gewehrläufen deutscher Kolonialsoldaten unverwundbar. Die Geschundenen begehrten auf und wurden gnadenlos bestraft: Die Deutschen brachten Vertreibung, Hunger und massenhaften Tod über sie.
Gezielt zerstörten die Kolonialtruppen die Lebensgrundlage der Bevölkerung, um den Aufständischen den Rückhalt zu entziehen. Die Strafexpedition terrorisierte, brandschatzte und plünderte. Eine Strategie der verbrannten Erde, das Land blutete aus, die Menschen starben zu Tausenden.
Berichte von Zeitzeugen dokumentieren das Elend. Der deutsche Missionar Pater Simon Troßmann schrieb 1907: „Kein frohes Leben ist mehr zu beobachten.“ Alles drehe sich um „njaa“, den Hunger. Er beobachtete: „Die Kinder, die einer kräftigen Nahrung so sehr bedürfen, sind zum Skelett abgemagert. Größere haben trotz der Magerheit einen aufgedunsenen Unterleib.“
Erste Aufarbeitung in Berlin
Begonnen hatten die deutschen Kolonialbestrebungen in Ostafrika 1885, als sich das Deutsche Reich das weite Steppenland zwischen dem Indischen Ozean und dem Viktoriasee einverleibte. Finanziell war die Kolonie freilich eine Belastung. Um neue Einkünfte aufzutun, trieb die Kolonialmacht den Baumwollanbau voran. Einheimische wurden zur Plantagenarbeit gezwungen und mussten an die Fremden Steuern abführen.
Als Gouverneur Gustav Adolf Graf von Götzen im März 1905 die „Hüttensteuer“ für die Einheimischen stark erhöhte, regte sich der Unmut. Der Zauberer Kinjikitile scharte die zerstrittenen Ethnien des Gebiets hinter sich. Götzen ließ mit Hilfe afrikanischer Soldaten den Aufstand militärisch rasch niederschlagen. Kinjikitile wurde am Galgen hingerichtet.
Götzen verteidigte sein Vorgehen später in einem Buch: „Wie in allen Kriegen gegen unzivilisierte Völkerschaften war auch im vorliegenden Fall die planmäßige Schädigung der feindlichen Bevölkerung an Hab und Gut unerlässlich.“
In Berlin gibt es inzwischen Ansätze der Aufarbeitung. Vor wenigen Jahren wurde eine Straße in Maji-Maji-Allee umbenannt. In Berliner Museen wurden zudem sterbliche Überreste identifiziert, die von Aufständischen aus Deutsch-Ostafrika stammen könnten. Über ihre Rückführung wird verhandelt.
Quelle: AFP
https://www.faz.net/


GESCHICHTE
DEUTSCH-OSTAFRIKA 1905/06
„Die planmäßige Schädigung der feindlichen Bevölkerung ist unerlässlich“

Bei seinem Staatsbesuch in Afrika erinnert der Bundespräsident an den Maji-Maji-Aufstand, besucht ein Museum und spricht mit Nachfahren von Opfern. Der damalige deutsche Gouverneur wusste, was er tun ließ – er sprach von „Vernichtungstaktik“.
Stand: 07:18 Uhr | Lesedauer: 4 Minuten
Von Sven Felix Kellerhoff
Der Schlachtruf lautete: „Maji Maji!“ Mit diesen Worten griffen ab Sommer 1905 tausende Angehörige ostafrikanischer Völker, vor allem der Matumbi, der Ngoni (manchmal auch Nguni geschrieben) und verschiedene Yao-Stämme, deutsche Kolonialisten an. Sie glaubten, durch ein geheimnisvolles Zauberwasser, eben „Maji“, vor den Kugeln aus den Gewehren der „Schutztruppe“ geschützt zu sein. Das hatte der stets in Weiß gekleidete Geisterheiler Kinjiktile Ngwale verkündet: Wer den geweihten Wunderstoff getrunken habe, dessen Haut werde feindliche Kugeln wie Tropfen abperlen lassen.
In diesem Glauben stürzten sich Aufständische in Deutsch-Ostafrika auf MG-Trupps der Kolonialsoldaten. Das Ergebnis war natürlich absehbar: Das „Maji“ wirkte überhaupt nicht; vielmehr starben fast alle Männer, die es versucht hatten.
Trotzdem dauerte es rund zwei Jahre, bis der Aufstand niedergeschlagen war. Insgesamt 15 Deutsche und 389 ihrer afrikanischen Söldner, genannt „Askaris“, verloren ihr Leben, aber je nach Schätzung zwischen 75.000 und 300.000 Einheimische. Darunter übrigens auch Kinjiktile Ngwale, der wenige Tage nach Beginn des Aufstandes, am 4. August 1905, hingerichtet worden war.
Der Ngoni-Anführer Songea Mbano, 1906 hingerichtet, und sein Grab in der nach ihm benannten Stadt Songea im südwestlichen Tansania
Quelle: CC-BY-SA 4.0 / Downluke Veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-SA 4-0
118 Jahre später besucht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Tansania und wird in der Stadt Songea im Südwesten des Landes das Majimaji Memorial Museum besuchen, eine Zweigstelle des Nationalmuseums von Tansania. Es wurde an jenem Ort errichtet, an dem am 27. Februar 1906 ein Trupp Marineinfanterie unter Major Kurt Johannes weitere 67 Aufständische öffentlich hinrichtete. Unter den Opfern war der „Chief“ (mit „Häuptling“ ungenau übersetzt, mehr so etwas wie „Anführer“ oder „Unterkönig“ ) Songea Mbano, dessen Grab bis heute ein Mahnmal ist.
Gegenüber den sonstigen Folgen der Kriegsführung in Deutsch-Ostafrika war das nur ein relativ „kleines“ Verbrechen – aber eines, das an einem bekannten Ort zu einer genau bekannten Zeit stattfand und daher konkret zu erinnern ist. Daher liegt das Museum gerade hier, in der Provinzstadt mit einer knappen Viertelmillion Einwohner. Steinmeier will sich hier mit Nachkommen von Opfern des Maji-Maji-Aufstandes treffen und mit ihnen sprechen.
Wie die teilweise zeitgleich laufenden Kämpfe in Deutsch-Südwestafrika (heute: Namibia) hatte auch der Krieg in Deutsch-Ostafrika genozidale Züge. Nach dem beginn des Aufstandes 1905 hatte Hauptmann Curt von Wangenheim, ein Offizier der dortigen deutschen Truppen, an Gouverneur Gustav Adolf Graf von Götzen geschrieben: „Nur Hunger und Not können eine endgültige Unterwerfung herbeiführen. Militärische Aktionen allein werden mehr oder weniger ein Tropfen auf den heißen Stein bleiben.“ Das war ein Bekenntnis zum völkermörderischen Vorgehen gegen die Einheimischen.
Maji-Maji-Aufständische vor ihrer Hinrichtung am 27.2.1906 im heutigen Songea
Einige Maji-Maji-Aufständische vor ihrer Hinrichtung am 27. Februar 1906 im heutigen Songea
Quelle: CC-BY-SA 4.0 / Downluke
Tatsächlich zerstörten die Kolonialtruppen gezielt die Lebensgrundlage der Bevölkerung, um den Aufständischen deren Rückhalt zu entziehen. Die Strafexpeditionen unter anderem von Major Johannes terrorisierten, brandschatzten und plünderten. Eine Strategie der verbrannten Erde, das Land blutete aus. Hunger als politische Waffe: Ein großes Sterben begann.
Berichte von Zeitzeugen dokumentierten das Elend. Der deutsche Missionar Pater Simon Troßmann etwa schrieb 1907: „Kein frohes Leben ist mehr zu beobachten.“ Alles drehe sich um „njaa“, den Hunger. Er beobachtete: „Die Kinder, die einer kräftigen Nahrung so sehr bedürfen, sind zum Skelett abgemagert. Größere haben trotz der Magerheit einen aufgedunsenen Unterleib.“
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Götzen hatte sich Wangenheims Auffassung zu eigen gemacht: „Wie in allen Kriegen gegen unzivilisierte Völkerschaften war auch im vorliegenden Fall die planmäßige Schädigung der feindlichen Bevölkerung an Hab und Gut unerlässlich.“ Obwohl er ahnte, welche Reaktionen sein Vorgehen in der Heimat auslösen würde: „Die Vernichtung von wirtschaftlichen Werten, wie das Abbrennen von Ortschaften und Lebensmittelbeständen, erscheint wohl dem Fernstehenden barbarisch.“
Jedoch, so Götzen weiter in seinem 1909 erschienenen Band „Deutsch-Ostafrika im Aufstand 1905/06“, könne „in den meisten Fällen, wie auch dieser Krieg bewiesen hat, nur ein solches Vorgehen einzig und allein den Gegner zur Unterwerfung zwingen“. Dann werde man zu einer „milderen Auffassung dieser dira necessitas“ (zu Deutsch: „grausamen Notwendigkeit“) gelangen. Götzen wusste, worum es ging – er schrieb selbst von „Vernichtungstaktik“.
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„Deutschland hat bisher an seinen Kolonien wenig Freude gehabt“, kommentierte die bürgerliche „Vossische Zeitung“ aus Berlin die Vorgänge bitter. Begonnen hatte das deutsche Abenteuer in Ostafrika 1885, als das Deutsche Reich das weite Steppenland zwischen dem Indischen Ozean und dem Viktoriasee als vermeintliches „Schutzgebiet“ beanspruchte. Finanziell war die Kolonie freilich stets eine Belastung. Um neue Einkünfte aufzutun, trieb man den Baumwollanbau voran. Einheimische wurden zur Plantagenarbeit gezwungen und mussten an fremde Herren Steuern abführen.
Als Götzen im März 1905 die pauschale „Hüttensteuer“ für die Einheimischen stark erhöhte, formierte sich Unmut. Nun scharte der charismatische Kinjikitile die zerstrittenen Ethnien des Gebiets hinter sich und rief sie zum Aufstand auf. Am 29. Juli 1905 begann „die Bevölkerung Ausschreitungen“, wie es in einem Bericht an den Gouverneur hieß, einen Tag später starb der deutsche Siedler und Baumwollfarmer Hans Hopfer. Eine Untat, dem hunderttausendfacher grausamer Tod von Einheimischen folgte.
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Steinmeier will "dunkles Kapitel" mit Tansania aufarbeiten

31.10.2023
Der Umgang mit der deutschen Kolonialherrschaft in Ostafrika ist das große Thema des Bundespräsidenten bei seinem Besuch in Daressalam. Die politischen Vorzeichen im Gastgeberland sind günstig.
Bundespräsident Steinmeier in Tansania
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die tansanische Präsidentin Samia Suluhu HassanBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance
Deutschland und Tansania wollen ihre Beziehungen weiter ausbauen und dabei auch die gemeinsame Vergangenheit in den Blick nehmen. Das haben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die tansanische Präsidentin Samia Suluhu Hassan vereinbart.
Beide Regierungen arbeiteten seit 60 Jahren gut zusammen, die Bundesrepublik sei ein "verlässlicher Freund und Partner", sagte Hassan nach einer Begegnung mit ihrem Gast in Daressalam. Es gebe aber noch Ausbaupotenzial, etwa bei Handel und Investitionen. Steinmeier sagte zu der von Unterdrückung, Ausbeutung und Gräueltaten geprägten Kolonialvergangenheit Deutschlands in Ostafrika: "Mir ist es wichtig, dass wir dieses dunkle Kapitel gemeinsam aufarbeiten."
Steinmeier in Tansania: Gemeinsame Formen der Aufarbeitung
00:27 >>>
Hassan ist seit zweieinhalb Jahren im Amt. Die 63-Jährige gilt aus Berliner Sicht als Hoffnungsträgerin. Nach dem autokratischen Kurs ihres Vorgängers John Magufuli stärkte sie die Bürgerrechte. So wurde beispielsweise das jahrelang geltende Demonstrationsverbot aufgehoben, Zeitungen erhielten ihre Lizenzen zurück, inhaftierte Oppositionsführer wurden freigelassen. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sehen allerdings noch immer erhebliche Defizite.
Starke Volkswirtschaft im Subsahara-Raum
Tansania gilt als politisch stabil; es hat eine der stärksten Volkswirtschaften im Subsahara-Raum. Für das laufende Jahr wird mit einem Wirtschaftswachstum von 4,9 Prozent gerechnet. Die Landesfläche ist etwa zweieinhalbmal so groß wie die der Bundesrepublik, doch die Einwohnerzahl ist mit 65 Millionen deutlich kleiner. Daressalam war bis 1974 Hauptstadt und ist weiterhin Sitz der Regierung.
Von 1885 bis 1918 bestand die Kolonie Deutsch-Ostafrika, deren Gebiet im Wesentlichen die heutigen Staaten Tansania, Burundi und Ruanda umfasste. Historiker schätzen, dass im Verlauf des Maji-Maji-Aufstands gegen die deutschen Kolonialherren zwischen 1905 und 1907 bis zu 300.000 Menschen getötet wurden. Steinmeier will am Mittwoch in die Stadt Songea reisen, um Gräber der Opfer zu besuchen und deren Nachfahren zu treffen.
jj/djo (dpa, afp)
Tansania: Der lange Weg zur Wiedergutmachung >>>
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Noch immer verdrängter Genozid

Nachfahren von Opfern erinnern an deutsche Kolonialverbrechen in Ostafrika
Peter Nowak 25.04.2023, 17:36 Uhr Lesedauer: 5 Min.
Das in Tansania gestürzte Denkmal des Afrikaforschers und Kolonialbeamten Hermann von Wissmann liegt nun im Deutschen Historischen Museum (Symbolbild).
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Cesilia Mollel und John Mbano haben eine lange Reise hinter sich. Aus dem Süden Tansanias sind sie nach Deutschland gekommen, um nach den sterblichen Überresten ihres Ahnen Songea Mbano zu suchen. Dessen Schädel befindet sich bis heute in dem Land, das Ende des 19. Jahrhunderts große Gebiete in Ostafrika zu seinem Eigentum erklärte und dessen Bewohner ausbeutete, versklavte, ermordete.
Am Dienstag führten Mollel und Mbano ein Gespräch mit Katja Keul (Grüne), Staatssekretärin im Auswärtigen Amt. Später schilderte das Ehepaar auf Einladung des Vereins Berlin Postkolonial vor Journalisten seine Eindrücke vom Stand der Aufarbeitung deutscher rassistischer und kolonialistischer Verbrechen in Afrika zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Songea Mbano wurde am 27. Februar 1906 gemeinsam mit zahlreichen weiteren Widerstandskämpfer*innen gegen die Kolonialherren hingerichtet. Er war ein wichtiger Protagonist des Maji-Maji-Aufstands von 1905 bis 1907. Die deutsche Schutztruppe schlug die geeinte Erhebung vieler Volksgruppen brutal nieder. Es starben bis zu 300 000 Menschen, die meisten, weil die Deutschen damals bereits die Strategie der verbrannten Erde anwandten, also Ernten und Vorräte zerstörten. Die Folge waren verheerende Hungersnöte. Bis heute ist dieser Genozid, im Unterschied zu jenem an den Herero und Nama im heutigen Namibia, im historischen Bewusstsein der deutschen Gesellschaft kaum verankert.
John Mbano ist der Urenkel von Songea Mbano. »Ich bin hier, weil sein Kopf hier vermutet wird«, sagte er am Dienstag. Sein Urgroßvater habe das Schicksal Tausender Gegner des deutschen Kolonialismus geteilt, die verfolgt und ermordet worden seien. Songea Mbano wurde zusammen mit elf weiteren Männern öffentlich gehängt, zur Abschreckung der Bevölkerung. In seiner Heimat erzähle man sich bis heute, dass bei Songea Mbana das Seil dreimal gerissen sei, er aber nicht starb. Daher sei er von den Kolonialisten erschossen und mit den anderen Hingerichteten im Ort begraben worden.
Songea Mbanos Grab wurde jedoch geöffnet, sein Kopf abgeschnitten und in einer Kiste nach Deutschland transportiert. »Seitdem trauert die Familie. Sie versuchen alles, um den Kopf nach Hause zu bringen, damit sie ihre Trauer beenden können«, erklärte John Mbano. Daher habe ihre Reise das Ziel, den Schädel des Urgroßvaters nach Hause zu bringen und traditionell zu begraben. »Wir haben es geschafft, hierherzukommen und wichtige Leute zu treffen«, sagte Mbano. Er lobte ausdrücklich die Arbeit der Aktivist*innen von Initiativen wie Berlin Postkonial, die auch Menschen in Tansania und den Teilen der Nachbarländer, die Anfang des 20. Jahrhunderts zu »Deutsch-Ostafrika« gehörten, unterstützen.
Cecilia Mollel ist Grundstuhllehrerin in Tansania und lehrt dort deutsche Kolonialgeschichte. »Es fällt uns immer schwer, Kinder darüber zu informieren, was in der Kolonialzeit passierte«, sagt sie. So können sie nicht verstehen, dass die Gegner*innen der Kolonialherrschaft nicht nur hingerichtet wurden. Als besonders verwerflich sehen sie es an, dass ihnen Körperteile abgeschnitten und nach Deutschland transportiert wurden. »Meistens fragen die Schüler*innen, ob denn die Geschichte mit den abgeschnittenen Köpfen stimme – und wie sie zurückgebracht werden können.« Sie sei dankbar, sagt Mollel, in Deutschland nach Antworten auf die Fragen ihrer Schüler*innen suchen und vielleicht manche finden zu können.
Überrascht zeigte sich die Pädagogin, dass die deutsche Kolonialgeschichte in deutschen Schulen kaum eine Rolle spielt. Sie habe aber Hoffnung, dass sich dies bald ändere, weil auch in der Bundesrepublik viele Menschen ihre Forderungen unterstützen. Mollel glaubt, dass jene, die sich für die Vergangenheit interessieren, eine Brücke zwischen den Menschen in Deutschland und in afrikanischen Ländern bauen können.
Auf die Frage, warum die deutsche Kolonialgeschichte hierzulande immer noch eine so geringe Rolle spielt, ging Mnyaka Sururu Mboro von Berlin Postkolonial ein. Ein zentraler Grund sei die rassistische Forschung, sagt der ebenfalls aus Tansania stammende Aktivist, der bereits seit 1978 in Deutschland lebt und seit Jahren dafür kämpft, dass sich die deutsche Gesellschaft ihrer Vergangenheit als brutale Kolonialmacht in seinem Herkunftsland stellt. In der Tatsache, dass die Gebeine noch immer nicht zurückgegeben wurden, sieht Mboro das Fortwirken rassistischer Missachtung bis in die Gegenwart.
Er kritisierte, dass auch Museen aus Leipzig und Berlin (Ost) Gebeine afrikanischer Menschen noch immer nicht an Nachfahren oder Herkunftsländer zurückgegeben hätten. Zugleich betonte Mboro, er sei im damaligen Leipziger Grassi-Museum für Völkerkunde Ende der 70er Jahre, also zu DDR-Zeiten, wesentlich respektvoller behandelt worden als in Museen der Bundesrepublik.
Mboro, der ebenfalls an dem Gespräch mit Staatssekretärin Keul teilgenommen hat, zeigte sich vorsichtig optimistisch, dass der Kopf von Songea Mbano in seiner Heimat begraben werden kann. Aktuell warten die Nachfahren auf das Ergebnis eines DNA-Tests, mit dem die Herkunft eines Schädels aus dem Berliner Naturkundemuseum geprüft werden soll.
Der Aktivist beklagt, dass vor allen die junge Generation nichts von der deutschen Kolonialgeschichte wisse. In der Schule werde nur über britischen und französischen Kolonialismus gesprochen. Dabei gebe es hierzulande Spuren des deutschen Kolonialismus. Dazu gehört auch das sogenannte Afrikanische Viertel in Berlin, in dem noch Straßen nach Kolonialverbrechern benannt sind bzw. waren, denn einige wurden inzwischen umbenannt.
Nach dem Pressegespräch nahmen die Aktiven von Berlin Postkolonial die vom Bezirksamt Mitte geplante Umbenennung der nach dem brutalen Kolonialisten Carl Peters benannten Petersallee in Maji-Maji-Allee symbolisch vorweg.
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Afrika
Deutscher Völkermord in Namibia: Nachfahren der Opfer enthüllen Gedenkstein auf Shark Island

Die Nachfahren der namibischen Volksgruppen Herero und Nama haben ein Denkmal für die Opfer des Völkermords in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs enthüllt.
23.04.2023
Herero- und Nama-Gefangene um 1904 im heutigen Namibia. (afp / National Archives of Namibia)
Es steht auf der Insel „Shark Island“, wo die deutschen Kolonialherrscher damals ein Konzentrationslager errichtet hatten. Etwa 4.000 Menschen seien allein dort ums Leben gekommen, sagte der Vorsitzende des technischen Organisationskomitees der NTLA, Johannes Ortmann, der dpa. Man habe sie an die Haie verfüttert. Die Opfer hätten nie ein respektvolles Begräbnis bekommen.
Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im damaligen Deutsch-Südwestafrika und schlug Aufstände brutal nieder. Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 kam es zu einem Massenmord, der als erster Genozid im 20. Jahrhundert gilt. Historiker schätzen, dass 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 von 20.000 Nama getötet wurden. Die Bundesregierung und die Regierung von Namibia verhandeln seit langem über ein vorgelegtes Aussöhnungsabkommen.
Diese Nachricht wurde am 23.04.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.
https://www.deutschlandfunk.de/


Politik Völkermord an Herero und Nama
Namibia: Ein Stein gegen das Vergessen

Herero und Nama erinnern am Ort eines ehemaligen deutschen Konzentrationslagers an Opfer des Völkermords. Berlin verweigert direkte Reparationsverhandlungen weiterhin
Christian Selz, Kapstadt 21.04.2023, 18:04 Uhr Lesedauer: 5 Min.
Auf Shark Island, von den Kolonialherren einst »Haifischinsel« genannt, entstand ab 1904 eines der ersten deutschen Konzentrationslager. Tausende Nama und Herero wurden dort während des bis 1908 andauernden Völkermords zu Tode gequält. Heute dient die durch einen Damm mit dem Festland verbundene Insel vor der Küste Namibias als Zeltplatz. An die dunkle Geschichte des Eilands erinnert wenig, auf Tafeln wird nicht etwa der Opfer, sondern verstorbener Angehöriger der kaiserlich-deutschen Kolonialarmee »Schutztruppe« sowie des Kaufmanns Adolf Lüderitz gedacht. Nach diesem ist auch die nahegelegene Hafenstadt Lüderitz noch immer benannt. Von dort aus wollen die traditionellen Autoritäten der Herero und Nama am heutigen Sonnabend ihren alljährlichen »Völkermord-Erinnerungs- und Reparationsmarsch« beginnen. Am Endpunkt der Route auf Shark Island soll schließlich ein Gedenkstein zur Erinnerung an die Opfer des Völkermords enthüllt werden.
Die Zeremonie ist Teil eines dreitägigen Programms, in dessen Rahmen auch öffentliche Vorlesungen zur Geschichte des Völkermords angeboten werden, die sich vor allem an Jugendliche in der südnamibischen Kleinstadt richten. Die Ovaherero Traditional Authority und die Nama Traditional Leaders Association als traditionelle Interessenvereinigungen der beiden Volksgruppen wollen mit der Veranstaltung auch auf einen Missstand im eigenen Land hinweisen: Der Genozid an den Herero und Nama ist in Namibia – ebenso wie in Deutschland – noch immer kein fester Bestandteil der Lehrpläne.
In der Erinnerungskultur des erst seit 1990 unabhängigen Landes nimmt der Befreiungskampf gegen das südafrikanische Apartheidregime, den die heutige Regierungspartei Swapo maßgeblich angeführt hatte, einen deutlich größeren Raum ein als die weiter zurückliegenden Verbrechen der deutschen Kolonialmacht. Zu tun hat das auch damit, dass die Swapo ihren wichtigsten Rückhalt in der Bevölkerungsgruppe der Ovambo hat, die vom Völkermord nicht betroffen war. Viele Herero und Nama, deren Vorfahren infolge des Völkermords ihrer Ländereien beraubt wurden, fühlen sich im eigenen Land nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch marginalisiert.
Die traditionellen Autoritäten der beiden Volksgruppen fordern auch deshalb direkte Reparationsverhandlungen mit der deutschen Bundesregierung, stoßen damit in Berlin aber nach wie vor auf taube Ohren. Zwar hatte Deutschland 2021 nach sechs Jahre andauernden Verhandlungen ein Aussöhnungsabkommen mit Namibia vereinbart, doch verabschiedet wurde es seitdem in keinem der beiden Länder.
In Namibia wurde die Parlamentsdebatte Ende 2021 abgebrochen, nachdem es zu wütenden Protesten von Nama und Herero gekommen war. Deren offizielle Vertreter waren in die Verhandlungen nicht eingebunden worden. Und obwohl insbesondere die Grünen sich bis 2021 aus ihrer Oppositionsrolle heraus für eine stärkere Beteiligung der Herero- und Nama-Verbände eingesetzt hatten, beruft sich das inzwischen grün geführte Auswärtige Amt bis heute darauf, lediglich mit der Zentralregierung in Windhoek verhandeln zu können.
Es ist die Fortführung eines Eiertanzes, der inzwischen jahrzehntelange Tradition hat. Bereits 2004 hatte die damalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) als erstes bundesdeutsches Regierungsmitglied von einem »Völkermord« gesprochen, was vom damaligen Außenminister Joseph Fischer (Grüne) jedoch umgehend zur »Privatmeinung« herabklassifiziert worden war. Das Wort »Völkermord« durfte in offiziellen Sprachregelungen nicht vorkommen, weil es, so Fischer, für »entschädigungsrelevant« gehalten wurde. Die Bundesregierung zog sich in der Folge auf den Standpunkt zurück, dass es zum Tatzeitpunkt noch keinen im Völkerrecht definierten Tatbestand »Völkermord« gegeben habe.
An dieser Haltung änderte sich im Kern auch nichts, als Heiko Maas (SPD) im Mai 2021 als Außenminister die Gräueltaten der Schutztruppe »ohne Schonung und Beschönigung benennen« und den »Völkermord« offiziell als solchen anerkennen wollte – wohlweislich mit dem Beisatz »aus heutiger Sicht«. Zwar gestand die Bundesregierung nun eine »moralische« Verantwortung ein, Maas stellte jedoch klar: »Rechtliche Ansprüche auf Entschädigung lassen sich daraus nicht ableiten.« Dieser Standpunkt hatte aus deutscher Sicht den Vorteil, nicht ergebnisoffen mit den Nachfahren der Opfer über Reparationszahlungen verhandeln zu müssen.
Stattdessen konnten die deutschen Unterhändler mit den Gesandten der namibischen Regierung, die wenig Interesse an einer übermäßigen finanziellen Stärkung einzelner ethnischer Gruppen hat, ein Wiederaufbauprogramm vereinbaren. Dafür wollte Berlin über einen Zeitraum von 30 Jahren 1,1 Milliarden Euro nach Windhoek überweisen – ziemlich exakt so viel, wie in den 31 Jahren seit Namibias Unabhängigkeit zuvor an Entwicklungshilfe geflossen war.
Eine Umsetzung dieses Aussöhnungsabkommen scheint inzwischen allerdings unwahrscheinlich. Selbst die namibische Regierung forderte zwischenzeitlich Nachverhandlungen, die traditionellen Autoritäten der Herero und Nama sogar einen kompletten Neustart der Gespräche unter ihrer Beteiligung. Gegen das Aussöhnungsabkommen haben sie im Januar in Namibia Klage eingereicht. Die Bundesregierung will dennoch an der Vereinbarung festhalten und weigert sich weiterhin, direkte Gespräche mit Nama- und Herero-Vertretern zu führen – obwohl der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags inzwischen dargelegt hat, dass direkte Verhandlungen in Abstimmung mit der Regierung in Windhoek sehr wohl möglich wären.
Kritik an der Blockadehaltung Berlins kommt nicht nur aus Namibia, sondern auch von der Linkspartei. »Es ist beschämend, dass die Bundesregierung in den Verhandlungen ihre Machtposition in neokolonialer Manier schamlos ausnutzt und sich ungeachtet der breiten Empörung in Namibia der Zahlung von Reparationen weiter verweigert«, erklärte Sevim Dagdelen, Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, am Donnerstag gegenüber »nd.Die Woche«. Der Koalition gehe es »offenbar nur darum, sich bei der namibischen Regierung für einen Schlussstrich aus der Geschichte freizukaufen«.
https://www.nd-aktuell.de/

Rettet Südwest Taschenbuch – 1. Januar 1982






Gedenken an Völkermord an Herero und Nama am Wochenende in Namibia

Freitag, 21.04.2023 15:58

Nachfahren der Opfer deutscher Kolonialverbrechen in Namibia wollen sich am Wochenende auf dem Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers versammeln, um der zehntausenden Opfer des Völkermords zu gedenken und ein Mahnmal zu enthüllen.

Nachfahren der Opfer deutscher Kolonialverbrechen in Namibia wollen sich am Wochenende auf dem Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers versammeln, um der zehntausenden Opfer zu gedenken. Während der dreitägigen Zeremonie soll auf der Haifischinsel nahe der Hafenstadt Lüderitz ein Mahnmal zur Erinnerung an den Völkermord an den Herero und Nama enthüllt werden, wie die Ovaherero Genocide Foundation mitteilte. Während der deutschen Kolonialherrschaft waren in dem Konzentrationslager auf der Halbinsel tausende Menschen getötet worden.
"Shark Island war nicht nur ein Konzentrationslager, es war ein Todeslager", sagte Nandiuasora Mazeingo, der Leiter der Ovaherero Genocide Foundation. Gefangene in dem Konzentrationslager waren brutaler Behandlung, Gewalt und Zwangsarbeit ausgesetzt. Mazeingo sagte, Nachkommen der Opfer des Völkermords seien enttäuscht, dass die Haifischinsel mittlerweile ein Ort sei, "an dem Menschen Urlaub machen" - und dass die Regierung in Windhuk dies erlaube.
Namibia - damals Deutsch-Südwestafrika - war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. In dieser Zeit wurden Schätzungen zufolge rund 100.000 Angehörige der Volksgruppen der Herero und Nama gezielt getötet, tausende wurden in Konzentrationslager gebracht. Historiker stufen die Vorgänge als ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts ein.
2021 hatten Deutschland und Namibia die grundsätzliche Einigung auf ein Versöhnungsabkommen bekannt gegeben. Es sieht als Wiedergutmachung für die deutschen Kolonialverbrechen Entwicklungs- und Wiederaufbauhilfen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre vor.
In dem Abkommen werden die deutschen Verbrechen an den Volksgruppen der Herero und Nama im historischen, nicht aber im völkerrechtlichen Sinne als "Völkermord" anerkannt. Die Vereinbarung wird unter anderem von der Opposition in Namibia und Vertretern der Herero und Nama heftig kritisiert. Sie beklagen eine fehlende Beteiligung von Opfervertretern an den Verhandlungen mit Deutschland.
Windhuk (AFP) / © 2023 AFP
https://www.tah.de/


Deutschlands Kolonien: Bildwandkarte von 1938 Landkarte – Gefaltete Karte, 1. Mai 2019

Dieses herrliche Wandbild faßt alle geographischen, wirtschaftlichen und politischen Daten zu den ehemaligen deutschen Schutzgebieten in Afrika und in der Südsee zusammen. Nachdruck nach einer Vorlage von 1938.






Verbrechen deutscher Kolonialherren: Gedenken an Opfer des Völkermords in Namibia

22.04.2023 ∙ tagesschau24 ∙ tagesschau24
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Verbrechen deutscher Kolonialherren: Gedenken an Opfer des Völkermords in Namibia
Bild: ARD-Standbild
Video verfügbar:
bis 29.04.2023 ∙ 14:33 Uhr
https://www.ardmediathek.de/


Eine Reise durch die Deutschen Kolonien; 4. Band Deutsch- Südwest- Afrika Gebundene Ausgabe – 1. Januar 2016

Eine Reise durch die Deutschen Kolonien; herausgegeben von der illustrierten Zeitschrift ' Kolonie und Heimat ', hier 4. Band: Deutsch- Südwest- Afrika. Verlag Kolonialpolitischer Zeitschriften G.m.b.H. (Berlin, 1912). VIII, 126, 1 S. Register, 1 S. Verlagsanzeige, Mit 2 Karten und 212 Abbildungen , darunter 13 ganzseitigen Bildern. Format: Quer Quart (22,8 x 30,5), Schrifttyp: Latein (Modernes Schriftbild), Sprache: Deutsch.




DEUTSCHE KOLONIALGESCHICHTE
Kolonialverbrechen: Deutschland und Tansania wollen aufklären

Die Aufarbeitung der Verbrechen der deutschen Kolonialherrschaft in Tansania soll die Beziehungen beider Länder stärken. Noch steht der Prozess am Anfang. Auch die Entschädigungsfrage wird in Tansania diskutiert.
Datum 21.03.2023
Autorin/Autor Martina Schwikowski
Zur Aufarbeitung gehört auch eine geplante gemeinsame Sonderausstellung zu Tansanias Geschichte
Oft sind es Aktivisten und Historiker, die die Erinnerung an den deutschen Kolonialismus nach mehr als 100 Jahren wachhalten. Ihnen ist zu verdanken, dass Debatten um Restitution von Kulturgütern und Entschädigung von kolonialem Unrecht auf die politische Agenda gelangt sind - wie etwa das Beispiel Namibia zeigt.
Um Tansania, Teil der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, war es bisher noch ruhig. Doch das wollen Politiker auf beiden Seiten jetzt ändern. Dabei geht es um die Rückgabe der menschlichen Überreste unzähliger Opfer der Kolonialkriege, die in deutschen Museen lagern, und um die Restitution von Kulturobjekten - sogenannter Beutekunst.
Historiker empfiehlt "Rückgabe aus tiefstem Herzen"
"Für dieses Vorhaben ist es auf keinen Fall zu spät", sagt der tansanische Historiker Philemon Mtoi im DW-Interview. "Der Zeitpunkt ist richtig, um neu anzuknüpfen, die Menschen zu versöhnen und eine gemeinsame Zukunft zu gestalten." Deutschland solle darauf achten, dass es "nicht die Beziehungen zerstört, die auch nach der Kolonialisierung in Tansania bestehen", fügt Mtoi an.
Die deutschen Verantwortungsträger sollten daher kritisch an diese Aufgabe herangehen und sich die Art und Weise, wie sie Objekte zurückführen, gut überlegen, rät Mtoi. Ihre Gesten sollten authentisch sein, "aus tiefstem Herzen" kommen. Deutschland könne somit auf ehrliche Weise dafür sorgen, dass die Vergangenheit in Erinnerung bleibt.
Staatsministerin des Auswärtigen Amtes Katja Keul (Mitte) und Deutschlands Botschafterin Regine Hess (links) zu Gast bei Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan (Foto: Tanzania Statehouse)
2022 empfing Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan Staatsministerin Katja Keul und Botschafterin Regine Hess (v.r.)
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, denn die Aufarbeitung der Gräueltaten während der deutschen Kolonialzeit in Tansania steht ganz am Anfang. Doch auch deutsche Akteure drängen zur Eile. So Katja Keul (Bündnis 90/ Grüne), Staatsministerin im Auswärtigen Amt: "Geschehnisse sind eben sowohl in Tansania als auch in Deutschland nicht ausreichend bekannt", sagt Keul im DW-Interview. Und das sei wichtig, denn es seien schwere Verbrechen begangen worden.
Grabfrevel in Tansania
Mehrere Aufstände wurden zur Zeit der Kolonialherrschaft brutal bekämpft. Besonders verheerend waren die Entwicklungen um den Maji-Maji-Aufstand von 1905 bis 1907 in Ostafrika, bei dessen Niederschlagung nach Schätzungen von Historikern bis zu 300.000 Menschen getötet wurden. Zahllose Schädel und Knochen gelangten in der Folge nach Deutschland.
Namibia erhält Artefakte zurück: Hermann Parzinger mit Esther Moombolah-/Gôagoses vom Nationalmuseum Namibia (Foto: Tobias Schwarz/AFP)
Gespräche mit Namibia führten bereits zu Rückgaben: im Bild Hermann Parzinger mit Esther Moombolah-/Gôagoses vom Nationalmuseum Namibia
Nach dem Willen des Auswärtigen Amtes und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin sollen die sterblichen Überreste an Tansania zurückgegeben oder an einem angemessenen Ort bestattet werden. Laut Stiftungspräsident Hermann Parzinger hat die Stiftung 2011 die große Sammlung menschlicher Überreste des Medizinhistorischen Museums der Charité in ihren Bestand übernommen.
Sie seien im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert aus Friedhöfen von Dorfgemeinschaften geraubt worden, um hauptsächlich in Deutschland anthropologische Untersuchungen vorzunehmen, sagte Parzinger im DW-Interview. "Das ist Grabzerstörung, Grabfrevel, was damals wie heute hier in Deutschland strafbar gewesen wäre."
Insofern solle nun der gesamte Bestand zurückgeben werden. Allerdings gebe es eine Verpflichtung, im Vorfeld einer Rückgabe alle Informationen, auch in Archiven in ostafrikanischen Staaten, zusammenzutragen, um die genaue Herkunft der Gebeine möglichst präzise zu bestimmen.
Frage der Entschädigung in Tansania auf dem Tisch
Das sei geschehen - es gebe eine Publikation dazu, die mit Kolleginnen und Kollegen aus Ruanda und Tansania angefertigt worden sei. "Diese Informationen haben wir schon bei Projektabschluss vor zwei, drei Jahren an die betreffenden Staaten des Bestands von 1200 Schädeln übermittelt – etwa 250 stammen aus Tansania, circa 900 aus Ruanda und 35 aus Kenia", sagt Parzinger der DW.
Foto des Häuptlings Mkwawa im Nationalmuseum von Daressalam - er kämpfte gegen die kaiserlichen Truppen (Foto: Carola Frentzen/dpa/picture alliance)
Der Schädel des tansanischen Widerstandskämpfers Mkwawa tauchte später in Bremen wieder auf
Auch Tansania erhöht den Druck auf die Bundesregierung, Verantwortung für deutsche Kriegsverbrechen während der Kolonialzeit in Ostafrika zu übernehmen. Der tansanische Botschafter in Berlin, Abdallah Possi, forderte die Bundesregierung Anfang 2020 zu "Verhandlungen über Wiedergutmachungen" für Verbrechen während der deutschen Kolonialzeit in Ostafrika auf.
Die tansanische Regierung bereitet sich gerade auf die gemeinsame Arbeit mit der deutschen Regierung vor und hat eigens einen Sonderausschuss für diesen Zweck gegründet, wie die DW von Said Othman Yakubu, Staatssekretär im Ministerium für Kultur, Kunst und Sport, erfuhr. "Der Ausschuss ist noch in Arbeit", sagt Yakubu. Sobald die Vorgehensweise auf tansanischer Seite geklärt sei, werde es konkrete Antworten geben. "Die Frage der Entschädigung ist einer der Punkte, die auf dem Tisch liegen", sagt Yakubu.
Heilung nicht mit Reparationen zu erkaufen
Für den Historiker Mtoi darf es allerdings nicht hauptsächlich um Reparationszahlungen gehen, damit allein könne niemand Frieden und Heilung in der Gesellschaft erkaufen. Regierung, Politiker und auch die betroffenen Familien sollten diese Gelegenheiten nicht als "goldenen Moment nutzen, um sich einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen", so Mtoi.
Ausstellung Deutscher Kolonialismus im Deutschen Historischen Museum (DW/J. Hitz)
RASSISTISCH, RÜCKSICHTSLOS, GRAUSAM - DIE DEUTSCHE KOLONIALGESCHICHTE
Die Fratze des Kolonialismus
Nachdem Reichskanzler Otto von Bismarck Namibia, Kamerun, Togo sowie Teile Tansanias und Kenias unter deutsche Schutzmacht gestellt hatte, versuchte ab 1888 Kaiser Wilhelm II. den Kolonialbesitz weiter auszubauen. Die Reichsregierung wolle einen "Platz an der Sonne", so formulierte es 1897 der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow.
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Vielmehr müssten sie die Tatsache respektieren, dass ihre Geschichte nicht mit materiellem Gewinn aufgewogen werden könne, sondern dass sie wiederhergestellt und in Ehren gehalten werden sollte - egal was Afrikaner und Tansanier während der damaligen Regierung der Deutschen durchlebt hätten.
Keul: Aufarbeitung stärkt Blick in die Zukunft
Die gemeinsame Aufarbeitung der Historie würde den Blick in die Zukunft richten und eine intensivere Beziehung daraus ableiten, sagte auch Katja Keul zur DW. Aber im Moment liege noch vieles, was Tansania betreffe, im Dunkeln. "Das heißt, dass auch auf der anderen Seite zunächst erst einmal geklärt werden muss, was man denn eigentlich genau für Bedürfnisse hat und wie wir da zusammen kommen können", so Keul.
Im Berliner Humboldt Forum soll sich eine Ausstellung im September kritisch mit der Tansania-Sammlung befassen. Die Objekte aus dem Maji-Maji-Krieg sollen dann voraussichtlich 2024 gezeigt und anschließend an Tansania zurückgegeben werden.
Mitarbeit: Verena Greb, Sudi Mnette, Rosalia Romaniec
https://www.dw.com/


Auswärtiges — Kleine Anfrage — hib 174/2023
Versöhnungsabkommen mit Namibia

09.03.2023
Berlin: (hib/AHE) Nach der 2021 gefundenen „Gemeinsamen Erklärung“ Deutschlands und Namibias mit dem Titel „Vereint im Gedenken an unsere koloniale Vergangenheit, vereint im Willen zur Versöhnung, vereint in der Vision für die Zukunft“ erkundigt sich die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (20/5788). Die Bundesregierung soll unter anderem mitteilen, ob mit dem im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP genannten „Versöhnungsabkommen“ diese „Gemeinsame Erklärung“ gemeint ist. Außerdem wollen die Abgeordneten wissen, ob die Regierungen beider Länder an dieser Erklärung festhalten und ob sich beide Seiten weiterhin einig sind, dass noch offene Fragen der Umsetzung nur im Wege von Nachverhandlungen - nicht Neuverhandlungen - zu klären seien.
https://www.bundestag.de/


Shark Island concentration camp

Shark Island concentration camp is located in NamibiaShark Island concentration camp
Location of Shark Island within Namibia
Other names Konzentrationslager auf der Haifischinsel vor Lüderitzbucht
Location Luderitz, German South West Africa
Operated by Imperial German Army
Original use Officially a prisoner of war camp, in reality a civilian internment camp, described by some as a death camp[1][2][3] or even extermination camp[4][5][6][7]
Operational 1905–1907
Inmates Herero, Nama
Killed Unknown (estimates range between 1,032 and 3,000)
Shark Island or "Death Island" was one of five concentration camps in German South West Africa. It was located on Shark Island off Lüderitz, in the far south-west of the territory which today is Namibia. It was used by the German Empire during the Herero and Namaqua genocide of 1904–08. Between 1,032 and 3,000 Herero and Namaqua men, women, and children died in the camp between March 1905 and its closing in April 1907.[8][9][10]

Background
On 12 January 1904, the Herero people rebelled against German colonial rule under the leadership of Samuel Maharero. Origins of the Herero revolt date back to the 1890s when tribes settled in Namibia came under pressure from the growing number of German settlers wanting their land, cattle, and labor. Factors such as loss of property, increasing debt in an attempt to resettle lost herds, low wages on white-owned farms, and racial inequalities only intensified the hostility between the Herero and the Germans.[11]
When the Herero rebelled, they killed over 100 German settlers near the town of Okahandja. Over 15,000 German reinforcements under the command of Lothar Von Trotha defeated the Herero force at the Waterberg River in August 1904.
Two months later, the Nama people broke out in a similar rebellion against German colonists. Traditional rivalries prevented the Herero and Nama from joining together, however both groups continued fighting guerrilla warfare against the German colonial forces.
Following the abandonment of Lothar von Trotha's policy of exterminating Herero within the borders of German South West Africa by denying them access to water holes, the colonial authorities adopted a policy of sweeping the bush clear of Herero – both civilians and rebels – and removing them, either voluntarily or by force, to concentration camps.

Operation

Establishment
Although there are records of Herero prisoners-of-war being held in Lüderitz Bay as early as 1904, the first references to a camp at Shark Island and the transfer of large numbers of Herero prisoners from Keetmanshoop are in March 1905.[12]
From early on, large numbers of Herero died in the camp, with 59 men, 59 women and 73 children reportedly dying by late May 1905.[13] Despite this high initial rate of mortality on the island which, with its cold climate, was unsuitable for habitation, particularly for people used to the dry, arid climate of the veld, the German authorities continued to transfer people from the interior to the island, ostensibly because of a lack of food in the interior, but also because they wished to use the prisoners as labour in constructing a railway connecting Lüderitz with Aus.[14]

Conditions at the camp
Word quickly spread among the Herero of the conditions at the camp, with prisoners in other parts of German South West Africa reportedly committing suicide rather than be deported to Lüderitz due to the stories of harsh conditions there in late 1905.[15] Due to the camp's reputation, detainees were not told where they were being sent to reduce the chance of revolt or escape.[16] The Cape Argus, a South African newspaper, also ran stories describing terrible conditions at the camp in late September 1905. One transport rider who was described as having been employed at the camp in early 1905 was quoted as saying:
The women who are captured and not executed are set to work for the military as prisoners ... saw numbers of them at Angra Pequena (i.e., Lüderitz) put to the hardest work, and so starved that they were nothing but skin and bones [...] They are given hardly anything to eat, and I have very often seen them pick up bits of refuse food thrown away by the transport riders. If they are caught doing so, they are sjamboked (whipped).[17]
August Kuhlmann was one of the first civilians to visit the camp. What he witnessed shocked him as he described in September 1905:
A woman, who was so weak from illness that she could not stand, crawled to some of the other prisoners to beg for water. The overseer fired five shots at her. Two shots hit her: one in the thigh, the other smashing her forearm... In the night she died.[18]
Many cases of rape of prisoners by Germans were reported at the camp.[19] Although some of these cases did result in the perpetrator being successfully punished where a "white champion" took up the victim's cause, the majority of cases went unpunished.[20]
Other factors such as minimal food rations, uncontrolled diseases, and maltreatment led to high mortality rates. Prisoners typically received a handful of uncooked rice. Diseases such as typhoid spread quickly. Prisoners were concentrated in large, unsanitary living quarters with low medical attention. Beating occurred frequently as the German officials often used the sjambok to force prisoners to work.

Arrival of the Nama
Word quickly spread among the Herero of the conditions at the camp, with prisoners in other parts of German South West Africa reportedly committing suicide rather than be deported to Lüderitz due to the stories of harsh conditions there in late 1905.[15] Due to the camp's reputation, detainees were not told where they were being sent to reduce the chance of revolt or escape.[16] The Cape Argus, a South African newspaper, also ran stories describing terrible conditions at the camp in late September 1905. One transport rider who was described as having been employed at the camp in early 1905 was quoted as saying:
The women who are captured and not executed are set to work for the military as prisoners ... saw numbers of them at Angra Pequena (i.e., Lüderitz) put to the hardest work, and so starved that they were nothing but skin and bones [...] They are given hardly anything to eat, and I have very often seen them pick up bits of refuse food thrown away by the transport riders. If they are caught doing so, they are sjamboked (whipped).[17]
August Kuhlmann was one of the first civilians to visit the camp. What he witnessed shocked him as he described in September 1905:
A woman, who was so weak from illness that she could not stand, crawled to some of the other prisoners to beg for water. The overseer fired five shots at her. Two shots hit her: one in the thigh, the other smashing her forearm... In the night she died.[18]
Many cases of rape of prisoners by Germans were reported at the camp.[19] Although some of these cases did result in the perpetrator being successfully punished where a "white champion" took up the victim's cause, the majority of cases went unpunished.[20]
Other factors such as minimal food rations, uncontrolled diseases, and maltreatment led to high mortality rates. Prisoners typically received a handful of uncooked rice. Diseases such as typhoid spread quickly. Prisoners were concentrated in large, unsanitary living quarters with low medical attention. Beating occurred frequently as the German officials often used the sjambok to force prisoners to work.

Forced labour
The prisoners held on Shark Island were used as forced labour throughout the camp's existence.[23] This labour was made available by the German army Etappenkommando for use by private companies throughout the Lüderitz area, working on infrastructure projects such as railway construction, the building of the harbour, and flattening and levelling Shark Island through the use of explosives.[24] This highly dangerous and physical work inevitably led to large-scale sickness and death amongst the prisoners, with one German technician complaining that the 1,600-strong Nama work force had shrunk to a strength of only 30–40 available for work due to 7–8 deaths occurring daily by late 1906.[25] The policy of forced labour officially ended when prisoner-of-war status for the Herero and Nama was revoked on 1 April 1908, although Herero and Nama continued to labour on colonial projects after this.[26]

Closing
The decision to close the camp was made by Major Ludwig von Estorff, the new commander of the Schutztruppe of German South West Africa who had signed the agreement under which the Witbooi (a Nama tribe) had surrendered to the Germans, after a visit to the camp in early 1907.[27] After the closing of the camp, prisoners were transferred to an open area near Radford Bay. Whilst mortality rates were still high initially in the new camp, they eventually declined.


Death toll
The precise number of deaths at the camp are unknown. A report by the German Imperial Colonial Office estimated 7,682 Herero and 2,000 Nama dead at all camps in German South West Africa,[28] of which a significant portion died at Shark Island. A military official at the camp estimated 1,032 out of 1,795 prisoners held at the camp in September 1906 having died, it is estimated that eventually only 245 of these prisoners survived. In December 1906, an average of 8.5 prisoners died per day.[10] By March 1907, according to records that do exist, 1,203 Nama prisoners had died on the island.[10] The over-all figure for deaths at the camp has been estimated as being as many as 3,000.[8] Combined with deaths amongst prisoners held elsewhere in Lüderitz bay, the total may well exceed 4,000.[29]
The vast majority of these prisoners died through preventable diseases such as typhoid and scurvy exacerbated by malnutrition, over-work[30] and the unsanitary conditions in the camps.[28]

Medical experimentation
In 1906, research was conducted by the doctor Eugen Fischer, later a prominent Nazi scientist, on the skulls of dead prisoners[31] and on prisoners with scurvy by Dr. Bofinger. In 2001 a number of these skulls were returned from German institutions to Namibia. The captured women were forced to boil heads of their dead inmates (some of whom may have been their relatives or acquaintances) and scrape remains of their skin and eyes with shards of glass, preparing them for examinations by German universities.[32]
Head of Shark Island prisoner used for medical experimentation
This work was performed at the camp at Swakopmund, and some of these experiments were conducted by the German doctors to develop their race theories about the evolutionary proximity of black Africans to apes.[16]

https://en.wikipedia.org/


KOLONIALGESCHICHTE
Bereit für Rückgabe: Schädel aus Ruanda, Tansania und Kenia

In deutschen Museen lagern Hunderte von Schädeln, die in der Kolonialzeit von Friedhöfen in Ostafrika geraubt wurden. Warum ihre Rückgabe so wichtig ist, erklärt Hermann Parzinger im Interview.
Datum 21.03.2023
Autorin/Autor Verena Greb
Hermann Parzinger ist Professor für Prähistorische Archäologie und Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Bei ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren erklärte Kulturstaatsministerin Claudia Roth die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte zur Staatsaufgabe. Mit Nigeria einigte sich die Bundesregierung 2022 über eine Rückführung der sogenannten Benin-Bronzen, mit Namibia verhandelt sie bereits seit Jahren über eine Aufarbeitung der Kolonialgeschichte und eine mögliche Entschädigung - und zieht dabei auch Kritik auf sich.
Nun rückt Tansania in den Fokus: Als Teil der sogenannten Kolonie "Deutsch-Ostafrika" begangen deutsche Kolonialherren hier furchtbare Verbrechen - und raubten Schädel von Friedhöfen, um sie wissenschaftlich zu untersuchen. Diese menschlichen Überreste, von Fachleuten auch mit dem englischen Ausdruck "human remains" bezeichnet, sollen nun zurückkehren.
Warum das wichtig ist, erläutert Hermann Parzinger, Vorsitzender der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
DW: Herr Professor Parzinger, wie bekannt wurde, sollen im Zuge der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte in Tansania Hunderte Schädel zurückgegeben werden, die - laut Staatsministerin Katja Keul vom Auswärtigen Amt - in Kisten verpackt in den Kellern deutscher Museen lagern. Alternativ soll ein "angemessener Ort" - so wurden Sie zitiert - für deren Bestattung gefunden werden. Was genau ist da im Moment der Stand der Dinge?
Hermann Parzinger: Wir haben vor über zehn Jahren - um genau zu sein 2011 - die große Sammlung an "human remains" des Medizinhistorischen Museums der Charité in den Bestand der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übernommen. Danach haben wir begonnen, die Provenienzen dieser "human remains", überwiegend Schädel, aufzuarbeiten.
Video abspielen7:09 min
Die deutsche Kolonialgeschichte
Es ging nicht darum zu entscheiden, was zurückgegeben werden soll und was nicht, sondern klar war: Das sind Dinge, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert aus Friedhöfen existierender Dorfgemeinschaften entnommen wurden, um daran hier in Europa - und ganz konkret in Deutschland - anthropologische Untersuchungen vorzunehmen. Das ist Grabstörung, Grabfrevel, was damals wie heute auch in Deutschland strafbar gewesen wäre. Insofern ist für uns der eindeutige Rückgabefall des gesamten Bestandes ganz klar.
Provenienzforschung heißt hier: Wenn wir die Dinge zurückgeben, dann ist es unsere Verpflichtung, im Vorfeld alle Informationen, die wir dazu finden können - auch in Archiven in ostafrikanischen Staaten zum Beispiel - zusammenzutragen, um die genaue Herkunft möglichst präzise zu bestimmen. Das ist geschehen, es gibt eine gemeinsame Publikation dazu mit Kolleginnen und Kollegen aus Ruanda, aus Tansania.
Auch ist zu sagen, dass die "human remains" bei uns nicht irgendwo in Kellern liegen, sondern wir haben sie konservatorisch behandelt und entsprechend aufbewahrt in einem Depot, aber sie sind natürlich nicht zugänglich. Auch der Forschung sollen sie nicht zur Verfügung stehen. Es geht darum, sie würdig aufzubewahren und dann an die Staaten, aus denen sie kommen, zurückzugeben. Diese Informationen haben wir schon bei Projektabschluss vor zwei, drei Jahren an die betroffenenen Staaten übermittelt - etwa 250 stammen aus Tansania, circa 900 aus Ruanda und etwa 35 aus Kenia. Sie sind darüber informiert, dass wir die Forschungen beendet haben und zur Rückgabe jederzeit bereit sind. Und da stehen wir jetzt.
Hätten die betroffenen Staaten die Schädel denn gerne zurück; also neben Tansania auch Ruanda und Kenia?
Wir sind mit all diesen drei Staaten in Kontakt gewesen und weiterhin in Kontakt. Ich habe Gespräche mit den Botschafterinnen und Botschaftern geführt, wir haben auch Briefe geschrieben. Im Grunde möchten wir die Dinge zurückgeben.
Es ist auch von deren Seite ganz klar der Wunsch geäußert worden, dass man die Dinge zurückhaben möchte, aber konkret sind wir noch nicht geworden. Natürlich steht es uns nicht an, hier jetzt Druck oder ähnliches ausüben zu wollen. Das sind Dinge, die in den Ländern geklärt werden müssen: Was macht man mit diesen "human remains", wenn sie zurückkehren?
Auch da steht es uns nicht zu, irgendwelche Vorschriften oder Vorschläge zu machen, sondern es muss dort geklärt werden. Aber offenbar ist man noch nicht so weit. Wir würden sie jedenfalls gerne jederzeit zurückgeben, und bisher fehlt noch ein Zeichen von den Ländern.
Hermann Parzinger und Abba Isa Tijani schütteln einander die Hand. Sie tragen blau und stehen vor dem Stadtschloss in Berlin.
Im September 2022 eröffnete das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum. Dazu begrüßte Hermann Parzinger Abba Isa Tijani, den Direktor der nigerianischen Museumskommission, in Berlin
Gäbe es ansonsten die alternative Bestrebung, sie gegebenenfalls hier zu bestatten? Sie wurden dahingehend zitiert, dass es um die Suche nach einem '"angemessenen Ort" gehe.
Nein, das wäre definitiv keine Option. Das können wir nicht, da es ein Vorgreifen auf Entscheidungen der jeweiligen Staaten oder auch der Communities wäre, wo die einzelnen Schädel herkommen. Das würden wir also keinesfalls tun. Wir haben die Arbeiten abgeschlossen, und wir hoffen, dass wir doch irgendwann ein Zeichen von den Ländern bekommen. Sie hier zu bestatten, das wäre für uns keine Option.
Was war dann genau mit dem "angemessenen Ort" gemeint?
Wenn man die Schädel, die "human remains", zurückgibt, dann stellt sich die Frage, was damit geschieht. Können sie an einem angemessenen Ort bestattet werden? Wo ist dieser Ort? Liegt er nahe an den Herkunftsorten, also in den Bereichen der jeweiligen Communitys, oder eher zentral? Das muss man eben klären. Die betreffenden Länder müssen intern entscheiden - in Gesprächen mit ihren Gemeinschaften -, wie sie damit umgehen wollen. Da können wir zwar beratend tätig sein, aber die Entscheidung liegt ganz bei der rücknehmenden Seite.
Außenansicht des Medizinhistorischen Museums der Charité.
Die sogenannten "human remains" lagerten bis 2011 im Medizinhistorischen Museum der Berliner Charité
Wurden diese Schädel jemals irgendwo in Deutschland ausgestellt?
Nein. Das waren Schädel, die in der Tat nur für anthropologische Forschungen zur Verfügung standen. Das waren sogenannte "rassenkundliche Forschungen", wo man eben in erster Linie Schädel gesammelt hat, weil man mithilfe ihrer Vermessung Merkmale von Populationen meinte definieren und voneinander unterscheiden zu können. Das übrige Skelettmaterial, also die Langknochen, das ganze postcraniale Skelett, war für solche Forschungen weitgehend uninteressant. Darum befinden sich in solchen Sammlungen weltweit überwiegend Schädel.
Ich weiß nicht, ob im frühen 20. Jahrhundert mal Dinge ausgestellt worden sind, aber sicher nicht in der Nachkriegszeit, also nach dem Zweiten Weltkrieg, und in den letzten Jahrzehnten und bei uns sowieso nicht. Bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und in den Staatlichen Museen zu Berlin hatten wir nie "human remains", also nie eine anthropologische Sammlung, in unserem Bestand. Es ging immer um Kunst und kulturgeschichtliche Objekte - eben bis auf diese Rücknahme dieses Bestandes aus der Charité, aber mit dem klaren Ziel, Provenienzen aufzuarbeiten und die "human remains" zurückzugeben.
Schädel sind nun ganz besondere Gegenstände, wenn man überhaupt von "Gegenständen" sprechen kann. Auf die ganze Debatte um die Rückgabe von Kunst und Kunstgegenständen blickend, wie weit sind wir mit der Restitution in Deutschland?
Die Rückgabe von Kunst und Kulturgütern ist ein völlig anderes Thema. Ich glaube, dass wir da relativ weit sind und würde sogar sagen, dass wir in Europa ganz vorne mit dabei sind. Im letzten Jahr haben die fünf großen deutschen Museen in Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart und Leipzig ihre Bestände an Benin-Bronzen komplett rückübertragen und auch schon erste Objekte zurückgegeben. Die Dinge, die sich noch hier befinden, die gehören bereits Nigeria - sie sind als Leihgaben ausgestellt. Ich glaube, das war ein klares Bekenntnis zum Anerkennen von kolonialem Unrecht in dem Sinn, dass es sich eindeutig um Plünderungen handelte. Benin City, die Hauptstadt des historischen Königreichs Benin, ist 1897 von britischen Truppen geplündert worden, und die während des Raubzugs erbeuteten Dinge sind dann über den Handel - über London und andere Stationen - in ganz Europa und später weltweit verbreitet worden.
Zwei Benin-Bronzen auf einem weißen Tuch
Benin-Bronzen: Deutschland hat im letzten Jahr zahlreiche Kunstgegenstände an Nigeria zurückgegeben
Es gibt auch andere Beispiele, unter anderem die Objekte im Kontext des Maji-Maji-Krieges aus Tansania, wozu wir eine klare Haltung haben: Was eindeutig aus Unrechtskontexten stammt, geplündert, geraubt, unter Gewaltanwendung entwendet worden ist, sind für uns eindeutige Rückgabefälle. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Objekte, die nicht eindeutig in einem Unrechtskontext stehen, die aber entweder für die Identität bestimmter Gemeinschaften dort sehr wichtig sind oder die eine Epoche der Geschichte belegen. Auch in solchen Fällen sind wir durchaus zu Rückgaben bereit und haben auch bereits Rückgaben vorgenommen.
Aber ganz klar sage ich auch, es ist nicht so, dass man alle Kulturobjekte, die in irgendeinem kolonialen Kontext stehen, per se geraubt hat und diese illegal hier sind aufgrund von Machtungleichgewicht und so weiter. Sondern man muss schon genau hinsehen, wie die Dinge wirklich erworben worden sind. Da gibt es große Unterschiede.
Claudia Roth und Annalena Baerbock stehen klatschend neben dem nigerianischen Außenminister und dem Kulturminister, der eine Bronze in der Hand hält.
Dezember 2022: Offizielle Übergabe der Benin-Bronzen in Abuja, Nigeria
Im Humboldt-Forum soll es zum Maji-Maji-Krieg ja ein gemeinsames Projekt mit Tansania geben. Können Sie da noch etwas zu sagen?
Im Ethnologischen Museum haben wir Objekte aus dem Maji-Maji-Krieg. Mehr oder weniger parallel zu dem Genozid an den Herero und Nama in ehemals Deutsch-Südwestafrika, gab es zwischen 1905 und 1908 in Ostafrika einen Aufstand gegen die Deutsche Kolonialmacht, worauf diese sehr brutal reagiert hat. Ähnlich wie in Namibia gab es Kämpfe und Kampfhandlungen, aber dann hat man die Truppen in Trockengebiete zurückgedrängt. Man rechnet zwischen 200.000 und 300.000 Toten. Also da kann man schon auch von einem Völkermord sprechen.
Das ist natürlich für die Menschen in Tansania enorm wichtig. Und weil einfach in Deutschland wenige Menschen von diesem Krieg jemals etwas gehört haben und gar nicht wissen, wie grausam auch die deutsche Kolonialgeschichte in Tansania zum Beispiel war - von Vorgängen aus Deutsch-Südwestafrika hat man vielleicht noch gehört, aber das andere Kapitel ist doch eines, das bisher wenig bekannt ist -, wollen wir anhand dieser Objekte, und zwar gemeinsam mit Tansania, diese Geschichte aufarbeiten. In führender Rolle sind Kuratorinnen und Kuratoren aus Tansania, wir haben außerdem eine Kooperation mit der Universität und dem Nationalmuseum.
Drei Männer in Anzügen tauschen Dokumente aus, im Hintergrund stehen weitere Menschen
2022 einigen sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und das Nationalmuseum Tansania auf eine gemeinsame Ausstellung zur Geschichte Tansanias
Einer möglichen Eigentumsübertragung an den Objekten, mit denen wir diese Geschichte hier erzählen wollen, hat der SPK-Stiftungsrat übrigens bereits zugestimmt. Die Ausstellung soll im nächsten Jahr eröffnet werden, und wenn sie hier eine Zeit lang gelaufen ist, soll sie mit den Objekten nach Tansania zurückkehren, wo sie dann für immer bleiben wird, weil hier auch ein ganz eindeutiger Unrechts- und Gewaltkontext vorliegt.
Das Gespräch führte Verena Greb.
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POLITICS TANZANIA
Clarifying German colonial-era atrocities in Tanzania

Martina Schwikowski
22.03.2023 March 22, 2023
The process of coming to terms with German colonial-era crimes in Tanzania is intended to strengthen relations. The two countries are also in talks on reparations.
Activists and historians have helped to keep the memory of German colonialism alive over the past 100 years. Their debates about restitution and reparations for colonial injustices have put the issue onto the political agenda in countries such as Namibia. .
Tanzania, once part of German East Africa and the scene of colonial-era atrocities, had been relatively quiet — until now.
'It is by no means too late'
Politicians in the two countries want to work towards clarifying and making right on the events of the past. The return of the human remains of countless colonial war victims to Tanzania is on the cards. These are still stored in German museums, along with cultural objects — so-called looted art.
Samia Suluhu Hassan, Katja Keul and Regine Hess Samia Suluhu Hassan, Katja Keul and Regine Hess
Tanzania's President Samia Suluhu Hassan received Germany's Minister of State at the Federal Foreign Office Katja Keul (middle) and its Ambassador to Tanzania Regine Hess in 2022Image: Tanzania Statehouse
"It is by no means too late for this project," Tanzanian historian Philemon Mtoi said. "The time is right to reconnect, to reconcile the people and to build a common future."
Germany should be careful not to "destroy the relationships that existed in Tanzania even after colonization," Mtoi told DW.
Moi says Germany's leaders should approach the task critically and think carefully about the way they bring back objects. Their gestures should be authentic, coming "from the bottom of their hearts." In this way, he said Germany can honestly ensure that the past is remembered.
The process of coming to terms with the atrocities committed during the German colonial period in Tanzania is still in its infancy. But German actors are also urging haste.
"What happened is not sufficiently known, both in Tanzania and in Germany," Katja Keul, Germany's Minister of State at the Federal Foreign Office, told DW.
Grave crimes in Tanzania
Several uprisings were brutally suppressed at the time of German colonial rule. Particularly devastating were the developments surrounding the Maji-Maji Rebellion of 1905-1907. Historians estimate that as many as 300,000 people were killed in east Africa. Countless skulls and bones were subsequently taken to Germany.
A man and a woman standing over cultural artifactsA man and a woman standing over cultural artifacts
The Head of Germany's Prussian Cultural Heritage Foundation Hermann Parzinger and National Museum of Namibia Director Esther Moombolah-/GoagosesImage: Tobias Schwarz/AFP
The German Foreign Office and the Prussian Cultural Heritage Foundation in Berlin want the remains are to be returned to Tanzania or buried in an appropriate place. The foundation took over the large collection of human remains from the Charité Medical History Museum in 2011, according to its president, Hermann Parzinger.
The remains had been looted from village cemeteries in the late 19th and early 20th centuries, mainly to conduct anthropological research in Germany,
"This is grave destruction, grave robbery, which would have been punishable here in Germany, then as now," Parzinger told DW.
A picture of Chief MwakwaA picture of Chief Mwakwa
The skull of the Tanzanian resistance fighter Chief Mkwawa was traced to the German city of Bremen in the 1950sImage: Carola Frentzen/dpa/picture alliance
A reparations option
The entire inventory of looted human remains should now be returned, said Parzinger. There was an obligation to gather information in advance. in order to determine the exact origin of the bones as precisely as possible. Some information was held in archives in East African countries, he said.
"We already sent the information to the countries concerned of the inventory of 1,200 skulls when the project was completed two or three years ago. About 250 are from Tanzania, around 900 from Rwanda and 35 from Kenya," Parzinger told DW.
Tanzania is also increasing pressure on the German government to take responsibility for German colonial-era atrocities in East Africa.
In early 2020, Tanzania's ambassador to Berlin, Abdallah Possi, called on the German government to "negotiate reparations" for these crimes.
The Tanzanian government is currently preparing to work jointly with the German government and has established a special committee for this purpose, according to Said Othman Yakubu, Permanent Secretary in Tanzania's Ministry of Culture, Arts and Sports.
"The committee is still in the works," Yakubu says. "The issue of reparations is one of the items on the table."
Africa's stolen treasures: Time to give them back?
26:01
Last exhibitions before restitution
Historian Mtoi said reparations alone can't translate to peace and healing in a society. He warned that the government, politicians and descendents of the victims should not see it as a "golden moment to gain an economic advantage."
Rather, he said, they should respect the fact that their history cannot be offset with material gain, but should be restored and honored - no matter what Africans and Tanzanians went through under the German government of the time.
The joint reappraisal of the history would direct the view into the future and derive a more intensive relationship from it, Keul believes.
But at the moment, there is still a lot that is very much in the dark as far as Tanzania is concerned, she told DW: "That means that on the other side, too, we first have to clarify what exactly our needs are and how we can come together."
A carved statute covered in cowrie shellsA carved statute covered in cowrie shells
Germany has given the green light for the return of the Ngonnso figure to Cameroon, a former colony of the German EmpireImage: Okach George/DW
In Berlin's Humboldt Forum, an exhibition in September will take a critical look at the Tanzania collection. The objects from the Maji-Maji Rebellion are then expected to be shown in 2024 and subsequently returned to Tanzania.
Verena Greb, Sudi Mnette and Rosalia Romaniec conributed to this article.
Edited by Benita van Eyssen
https://www.dw.com/


POSTKOLONIALE RECHTSWISSENSCHAFT
: Ein Anfang ist gesetzt

VON ALEXANDRA KEMMERER-AKTUALISIERT AM 22.03.2023-12:25
Gefahrenabwehr, die politisch gescheitert ist, bleibt in der Wissenschaft in anderem Sinne geboten: Ruine einer Polizeistation aus der Kolonialzeit in Namibia.
Antwort auf Cengiz Barskanmaz: Mit dem Band „(Post)Koloniale Rechtswissenschaft“ hat ein Selbstgespräch des Faches begonnen.
Noch vor wenigen Jahren war Kolonialismus in der deutschen Rechtswissenschaft nicht einmal ein Nischenthema. Unsere koloniale Vergangenheit kam im disziplinären Diskurs, an juristischen Fakultäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen schlicht nicht vor. Selbst in der Debatte um die Internationalisierung der deutschen Rechtswissenschaft, um ihre transnationale und damit notwendig auch transdisziplinäre Öffnung spielte deutsche Kolonialgeschichte zunächst keine Rolle.
Dabei zeichnete sich schon vor fast zwei Jahrzehnten ab, dass in der Perspektive eines damals populär gewordenen global law oder transnational law auch die Auseinandersetzung mit deutschen Kolonialverbrechen politische wie juristische Relevanz gewinnen würde. Dass die viel beschworene Globalisierung des Rechts und seiner Wissenschaft neben neuen Verflechtungen ganz alte ins Spiel brachte – und deren Kontinuitäten. Zunächst marginal, dann aber entschieden begann eine Rezeption postkolonialer Theorien....
https://www.faz.net/


Deutsche Kolonialgeschichte Taschenbuch – 31. Mai 2019

Das deutsche Kolonialreich war nicht groß und währte nur 30Jahre. Es wirkte jedoch in vielfältiger Weise auf Deutschland zurück. Sebastian Conrad beschreibt, wie die koloniale Ordnung funktionierte, wo sie an ihre Grenzen stieß und wie die einheimischen Gesellschaften auf die Fremdherrschaft reagierten.Gleichzeitig bindet er die Geschichte der Kolonien in den größeren Zusammenhang der Globalisierung um 1900 ein und zeigt, wie stark die koloniale Erfahrung das Denken der Europäer prägte.



Zur Anerkennung kolonialen Unrechts als Völkermord Intertemporales Völkerrecht im Kontext des deutsch-namibischen Versöhnungsabkommens

Wissenschaftliche Dienste
Deutscher Bundestag
Sachstand

09.01.2023

Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Zur Begründung von Reparationsforderungen
Die Völkermordkonvention als „intertemporales“ Völkerrecht
Zur (politischen) Anerkennung historischen Unrechts als Völkermord
Anerkennung von Völkermord mit dem Zusatz „aus heutiger Sicht“

Im Zuge der historischen und rechtlichen Aufarbeitung von kolonialem Unrecht im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika verhandeln die Regierungen Namibias und Deutschlands seit Jahren über ein gemeinsames, bis heute aber noch nicht unterzeichnetes Versöhnungsabkommen. Im Mai 2021 entschuldigte sich die Bundesregierung offiziell für das in Deutsch-Südwestafrika begangene koloniale Unrecht und erkannte auch die Tötung und Misshandlung tausender Herero und Nama während den Jahren 1904-1908 als „Völkermord aus heutiger Sicht“ an. Zwischen den Verhandlungsparteien bestanden indes Differenzen über den Zusatz „aus heutiger Sicht“, der in einem „Annex“ zum Versöhnungsabkommen verankert werden soll(te) und den insbesondere Vertreter der namibischen Opposition sowie Repräsentanten der Herero und Nama scharf kritisieren.
https://www.bundestag.de/


Politik Genozid in Namibia
»Wir wollen selbst verhandeln«

Organisationen der Herero und Nama bereiten eine Klage gegen die namibische Regierung vor. Sie wollen neue Verhandlungen mit Deutschland über Reparationen für den Genozid, den deutsche Truppen in der Kolonialzeit verübt haben
Von Ulrike Wagener
25.11.2022
Sima Luipert sitzt im Zug und nimmt sich eine Pause für den Kopf. Gerade will sie einmal keine Fragen beantworten. Wenn die Zeit gekommen ist, klingt die 53-Jährige kämpferisch und pointiert. Luipert berät die Nama Traditional Leaders Association (Vereinigung der Traditionellen Führer der Nama, NTLA) in Bezug auf den Genozid, den die Deutschen 1904 bis 1908 an den Nama und Ovaherero im heutigen Namibia begangen haben. Ihrer Überzeugung nach ist die im vergangenen Jahr abgeschlossene Gemeinsame Erklärung der deutschen und der namibischen Regierung mangelhaft: »Wir wollen über unsere Belange selbst verhandeln«, sagt sie im Gespräch mit »nd«, als wir an diesem verhältnismäßig warmen Novembertag endlich in einem Café in Berlin angekommen sind.
Die Gemeinsame Erklärung sieht vor, dass Deutschland über einen Zeitraum von 30 Jahren 1,1 Milliarden Euro an Namibia zahlt. Das entspricht in etwa der Höhe der bislang gezahlten »Entwicklungshilfe« und ist rechtlich nicht bindend. Außerdem will Deutschland sich öffentlich entschuldigen und den Völkermord »aus heutiger Perspektive« anerkennen.
Luipert hat damit aus vielerlei Hinsicht ein Problem. Ihre Organisation bereitet gerade zusammen mit den Ovaherero Traditional Authorities (Traditionelle Autoritäten der Herero, OTA) und Bernadus Swartbooi, dem Parteivorsitzenden des Landless People Movement (Landlosenbewegung) eine Klage gegen die namibische Regierung vor. Der Windhuker Anwalt Patrick Kauta ist selbst Herero und vertritt die drei Organisationen. Im September hat er einen Brief an den Generalstaatsanwalt von Namibia geschrieben, der »nd« vorliegt. Darin heißt es, die Gemeinsame Erklärung in ihrer jetzigen Form sei »nicht im Einklang mit der Verfassung, sie verletzt die Menschenrechte und das Völkergewohnheitsrecht«. In Namibia ist der Generalstaatsanwalt verantwortlich für die Wahrung und den Schutz der Verfassung.
Von 1884 bis 1918 beanspruchte Deutschland das heutige Namibia als Kolonie. Im sogenannten Deutsch-Südwestafrika raubten die Deutschen Teilen der einheimischen Bevölkerung Land und Vieh. Zwischen 1904 und 1908 verübte Deutschland einen Völkermord an den Ovaherero und Nama. Die Menschen wurden zusammengetrieben und vergewaltigt, versklavt, ermordet oder in Konzentrationslager gebracht, wo viele an Hunger, Kälte und Zwangsarbeit starben. Zugleich förderte der Kolonialstaat – anders als in anderen deutschen Kolonien – die Ansiedlung von weißen Deutschen. Diese koloniale Landnahme wirkt bis heute fort: Rund 70 Prozent des privaten Landes in Namibia gehören einer Minderheit: den Nachfahren weißer Europäer*innen. Viele der Nachfahren der Überlebenden des Genozids und der Kolonialverbrechen leben in Armut. Für viele dieser Menschen ist die im vergangenen Jahr von Namibia und Deutschland veröffentlichte Gemeinsame Erklärung nicht akzeptabel.

Entschädigungen statt Entwicklungshilfe
Beim Besuch von Vertreter*innen von OTA, NTLA und Landless People Movement in Berlin sind nur wenige deutsche Poliker*innen bereit, mit ihnen zu sprechen: Jamila Schäfer (Grüne), die in ihrer Fraktion für das Südliche Afrika zuständig ist, will sich künftig in einer Gruppe von Grünen-Abgeordneten für »Dekolonisierung und Dialog über das Abkommen hinaus« einsetzen, erzählt sie im Gespräch mit »nd«. Sevim Dağdelen (Linke) hat Mitte November in Namibia auch mit Regierungspolitiker*innen gesprochen. »Seitens der namibischen Regierung und Gesellschaft herrscht Einigkeit und Klarheit, dass die Erklärung in dieser Form nicht das Ende der Verhandlungen sein kann«, sagt sie.
Auf Nachfragen der Abgeordneten hatte die Bundesregierung Anfang November erklärt, man halte an der Gemeinsamen Erklärung fest. Allein offene Fragen der Umsetzung sollten nachverhandelt und in einem Nachtrag festgehalten werden. »Dass sich die Bundesregierung weigert, die Verantwortung für die strukturellen Folgen der deutschen Kolonialherrschaft zu übernehmen sowie Verhandlungen über Reparationen zu führen, ist ein Skandal und zeugt von neokolonialer Arroganz«, so Dağdelen.
Von Reparationen ist in dem Papier keine Rede, Rechtsbegriffe wurden vermieden. Es ist vielmehr eine Absichtserklärung seitens der deutschen Regierung, in der finanzielle Ansprüche künftiger Generationen Namibias ausgeschlossen werden.
Außerdem schließt die Zahlung Herero und Nama aus, die infolge des Völkermords in der Diaspora leben, in Botswana, Angola oder den USA. Als im September 2021 im namibischen Parlament über das Papier gestritten wurde, kletterten Demonstrant*innen über den Zaun vor dem Gebäude und stürmten das Gelände. Szenen, mit denen die deutsche Regierung wohl nicht gerechnet hatte. Die Gemeinsame Erklärung wurde im namibischen Parlament nicht ratifiziert. Die offizielle Unterzeichnung und der Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für eine öffentliche Entschuldigung stehen bis heute aus.
Für Steinmeiers Bitte um Vergebung hatte der inzwischen verstorbene Herero-Chief Vikuii Reinhard Rukoro – Vertreter einer der Gruppen, bei denen sich das Staatsoberhaupt entschuldigen müsste – Proteste angekündigt. Er war einer der schärfsten Kritiker des Abkommens. Wie andere befürchtete er, dass die namibische Regierung das Geld aus dem Abkommen nicht zugunsten der Herero und Nama nutzen würde, sondern um sich selbst zu bereichern oder eigene Projekte zu finanzieren. »Wir wurden vom ersten Tag an von dem Prozess ausgeschlossen«, erklärt sein Nachfolger Mutjinde Katjiua. Der 54-Jährige ist seit März 2022 Paramount Chief der traditionellen Autoritäten der Ovaherero.
Katjiua ist ein sorgsam gekleideter Mann mit Hut und sanfter Stimme. Seinen Stock schmückt ein Löwe, der den Kampf der Betroffenen symbolisieren kann: »Der Löwe steht für den Zusammenhalt der Gemeinschaft.« Kein Mensch könne allein einen Löwen töten. Zuvor arbeitete Katjiua im Bereich Landmanagement als außerordentlicher Professor an der Universität für Wissenschaft und Technologie in Windhuk. Jetzt ist er in »Vollzeit mit dem Fall beschäftigt«. Nebenbei betreibt er Landwirtschaft im Kommunalgebiet der Omaheke-Region und exportiert Rindfleisch nach Europa. Auch er fordert Neuverhandlungen, in denen die Selbstvertretungen der Ovaherero und Nama als gleichberechtigte Partner der Bundesregierung anerkannt werden. »Uns ist der politische Weg über Verhandlungen versperrt, deshalb bleibt uns nur der Rechtsweg«, sagt Katjiua.
Der deutsche Unterhändler Ruprecht Polenz (CDU) entgegnete auf Kritik immer wieder, es seien Herero und Nama an den Verhandlungen beteiligt gewesen, und man könne nicht mit den Organisationen verhandeln, weil diese keine homogene Meinung hätten. Es heißt, Vertreter*innen von OTA und NTLA hätten auch mitverhandeln können. Man merkt, dass Luipert diesem Argument schon oft widersprochen hat: »Von uns wird erwartet, dass wir als Berater teilnehmen. Aber wir wollen eine Selbstvertretung. Diese Forderung wird als Ablehnung unsererseits interpretiert«, sagt sie energisch.
Dieser Punkt ist Bestandteil der möglichen Klage: »Der Ausschluss der Ovaherero und Nama als Verhandlungspartner widerspricht dem Völkerrecht«, sagt Anwalt Patrick Kauta bei einem Gespräch in Berlin. Laut Uno-Deklaration über die Rechte indigener Völker haben diese ein »Recht auf Selbstbestimmung, auf die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen in ihren Gebieten sowie auf Entschädigung für Ländereien, Territorien und Ressourcen, die ihnen ohne ihre freie Zustimmung weggenommen, besetzt oder beschädigt wurden«.
Die namibische Regierung verstoße mit den geheimen bilateralen Verhandlungen auch gegen eine Resolution des Parlaments von 2006, die vorsieht, dass Verhandlungen zwischen den betroffenen Communitys und Deutschland ermöglicht werden sollen, mit dem Ziel, »volle Entschädigung im Sinne des Völkerrechts« auszuhandeln. Dafür müsste Deutschland den Völkermord an den Ovaherero und Nama rechtlich anerkennen. In seinem Brief an die Staatsanwaltschaft forderte Kauta eine Zusicherung, dass das letzte Wort über die Gemeinsame Erklärung beim Parlament liegen werde. Anderenfalls erwäge man, sich an das Oberste Gericht zu wenden. Der Staatsanwalt wies die Vorwürfe in dem Schreiben brüsk zurück und drohte Kautas Klient*innen mit Strafzahlungen.
Sima Luiperts Aktivismus ist von der Ungerechtigkeit getrieben. Sie hat das Landless People Movement, die Landlosenbewegung, in Nambia mitgegründet, sich dann zurückgezogen, als aus der Bewegung 2016 eine Partei wurde. Sie lebt in der Hardap-Region im Süden des Landes; es ist die Region mit dem höchsten Anteil an Weißen. Bei den Kommunalwahlen 2020 erzielte das Landless People Movement hier die Mehrheit mit 45 Prozent der Stimmen. Während der Apartheid lebten die Weißen in den Vororten und an den Rändern der Stadt, die Einheimischen lebten in den Townships. Luipert lebt mit ihrem Mann und vier Kindern immer noch dort. »Aus freien Stücken, weil ich so mit meinen Leuten in Kontakt bleibe«, erklärt sie. Ob sie mit ihren Nachbar*innen über die Kolonialzeit und den Genozid spricht? »Sie brauchen nicht darüber zu reden, sie leben es jeden Tag«, sagt sie nur.
Damit spielt sie wohl auf das von Polenz immer wieder vorgetragene Argument an, man könne Entschädigungen nicht direkt an Ovaherero und Nama auszahlen, da es sich – anders als bei Reparationen für den Holocaust – nicht um direkte Opfer, sondern um die Generation der Urgroßenkel und Ururgroßenkel handele. Die Vertreter*innen der Organisationen sehen auch diese Generationen als Opfer: durch das intergenerationale Trauma, das ihnen vererbt wurde, und durch die ihnen geraubte wirtschaftliche Grundlage.
Gegen koloniale Muster
Bei unserem Treffen im Oktober schaut Patrick Kauta immer wieder auf sein Telefon. Gerade hat die namibische Regierung erklärt, man wolle Nachverhandlungen mit der Bundesregierung in Bezug auf die Höhe der Zahlungen. Ob ihn das von der Klage abbringen wird? »Das Gerichtsverfahren wird eingeleitet«, sagt er mit finsterem Blick. Er ist der Überzeugung, dass die Regierung ihn und seine Klient*innen mit diesem Schritt nur besänftigen will. »Sie sind total widersprüchlich: Auf der einen Seite behaupten sie, sie wollen nachverhandeln beziehungsweise eine Ergänzung zur bestehenden Erklärung aushandeln. Gleichzeitig sind sie schon dabei, die Gemeinsame Erklärung zu implementieren«, sagt er. Kauta ist entschlossen, die Erklärung zwischen Deutschland und Namibia vor Gericht zu kippen. »Ich habe mich gezwungen gesehen zu handeln, damit das Vermächtnis von Paramount Chief Kuaima Riruako und Paramount Chief Vekuii Rukoro nicht umsonst war«, sagt er dem »nd«. Beide Politiker haben sich vehement für den Kampf der Ovaherero und Nama eingesetzt.
Den Betroffenen geht es nicht primär um Geld. »Die Gemeinsame Erklärung ist rassistisch und leugnet den Genozid«, sagt Katjiua. Dort heißt es wörtlich: »Die Bundesregierung erkennt an, dass die in Phasen des Kolonialkrieges verübten abscheulichen Gräueltaten in Ereignissen gipfelten, die aus heutiger Perspektive als Völkermord bezeichnet würden.« Damit erkennt sie den Genozid politisch an, nicht aber juristisch, und will sich Ansprüchen auf Reparationen entziehen.
Die Völkerrechtsexpertin Karina Theurer berät Kauta auf diesem Gebiet. Sie erklärt: »Die Bundesregierung argumentiert, dass die Herero und Nama nach dem internationalen Kriegsrecht und humanitärem Völkerrecht keinen Schutz aus internationalen Verträgen bekommen konnten, weil sie zu den sogenannten unzivilisierten Völkern gehörten. Mit dieser Auslegung reproduziert sie den Rassismus, der den Kolonialismus erst ermöglichte.« Demnach wäre die Ermordung der Ovaherero und Nama keine Rechtsverletzung nach dem kolonialen europäischen Recht gewesen – und das wird hier angewendet. Aus Sicht der Anwält*innen verstößt die namibische Regierung mit dieser Formulierung gegen ihre verfassungsgemäßen Pflichten, gegen die Reproduktion von Rassismus und kolonialen Mustern vorzugehen.
Dass es nun ein Addendum geben soll, ist für Theurer nicht ausreichend: »Die Gemeinsame Erklärung ist rechtswidrig zustande gekommen. Aus diesem Grund muss neu verhandelt werden, diesmal unter Einhaltung der rechtlichen Mindeststandards«, sagt Theurer. Ein mögliches Verfahren würde den Abschluss der Gemeinsamen Erklärung und die Auszahlung finanzieller Mittel weiter aufschieben. Für Sima Luipert ist das dennoch die bessere Option: »Die Aushandlung eines solchen Prozesses braucht Zeit. Wir können keine Schnellschüsse zulassen, die unsere Rechte verletzen.«
https://www.nd-aktuell.de/


Das Weltreich der Deutschen: Von kolonialen Träumen, Kriegen und Abenteuern

Was wollten die Deutschen in der Südsee und in Afrika? Waren sie brutale Eroberer oder »sanfte Herren«? Antworten findet Bestsellerautor Guido Knopp am Kilimandscharo, im »Südseeparadies« von Samoa und Neuguinea, aber auch in der blutigen Niederschlagung der Hereroaufstände in Deutsch-Südwestafrika. Anhand der Geschichten von Glücksrittern und Abenteurern, von schwarzen Stammeskriegern und weißen Generälen entsteht ein eindringliches Bild von Aufstieg und Niedergang der deutschen Kolonien.




Gunnar Schupelius – Mein Ärger
Senat will Reparationen für „koloniale Verbrechen“ und „Klima-Rassismus“

20.11.2022, 17:04 Uhr
Von Gunnar Schupelius
Staatssekretärin Gomis sieht Gründe für Flucht und Migration heute in der Kolonialzeit vor 140 Jahren. Dafür soll nun endlich Schadenersatz geleistet werden. Dieser Blick auf die Geschichte ist einseitig und die permanente Selbstbezichtigung schwer zu ertragen, meint Gunnar Schupelius.
Die Staatssekretärin für Vielfalt und Antidiskriminierung im Justizsenat, Saraya Gomis, nahm als Botschafterin Berlins an einer internationalen Migrationskonferenz im holländischen Utrecht teil („Integrating City Charter“).
Dort erklärte sie, „die weltweiten Gründe für Flucht und Migration“ hätten „ihre Wurzeln in der Kolonialzeit“.
Berlin habe im Kaiserreich eine „zentrale Rolle als Kolonialmetropole“ gespielt und sei deshalb weltweit für „Migrationsursachen“ verantwortlich. Dafür wolle man heute „Verantwortung übernehmen“.
Der Berliner Senat plädiere deshalb für „Reparationen und Schadensersatz für die weiterhin von kolonialen Verbrechen betroffenen Menschen“.
Diese Erklärung verbreitete Frau Gomis als Pressemitteilung der Justizverwaltung am 16. November. Es handelt sich damit nicht mehr nur um ihre persönliche Einschätzung, sondern um eine offizielle Verlautbarung des Senats. Also muss man sie ernst nehmen.
Die Schlussfolgerungen aus der deutschen Geschichte, wie Frau Gomis sie zieht, mögen in sich schlüssig sein. Sicherlich ist es richtig, die Kolonialzeit von 1880 bis 1914 kritisch zu beleuchten.
Daraus aber nach über hundert Jahren eine Schuld der jetzt hier lebenden Menschen abzuleiten und zu fordern, dass ihr Steuergeld als Reparationen nach Afrika und Asien überwiesen wird, das geht dann doch etwas zu weit.
Abgesehen davon, dass sich Berlin selbst in einer schweren finanziellen Notlage befindet und praktisch zahlungsunfähig ist. Das hat Frau Gomis vielleicht noch nicht bemerkt, das wird ihr der Finanzsenator sagen können.
Die Staatssekretärin geht aber noch weiter. Sie behauptet, der „europäische Rassismus“ wirke bis heute fort. „Nicht-weiße Menschen“ würden hierzulande „in rassistischen Bildern“ wahrgenommen und diskriminiert.
Wörtlich schreibt sie: „So kommt es auch in Berlin zur Kriminalisierung dieser Menschen durch das Aufenthaltsrecht und die Sicherheitsbehörden.“ Für diesen ungeheuren Vorwurf gegen die Berliner Verwaltung und die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst liefert sie keinerlei Beweis.
Stattdessen möchte sie „die Realität des Klimarassismus in den Fokus rücken“. Die ehemaligen Kolonien seien vom Klimawandel härter getroffen als die Länder Europas, die daran schuld seien.
Was für eine Stadt ist es, die Saraya Gomis da beschreibt? Berlin nimmt mehr außereuropäische Migranten auf als jede andere Hauptstadt der EU. Seit wann ist unser größtes Problem der Rassismus? In welcher Welt lebt diese Staatssekretärin? Und für wen spricht sie?
Die Forderung nach Reparationen für „koloniale Verbrechen“ und „Klimarassismus“ zeugt von einem moralischen Größenwahn, der seinesgleichen sucht.
Dieser vollkommen einseitige Blick auf die Geschichte, kombiniert mit einer permanenten und wütenden Selbstbezichtigung, ist schwer zu ertragen.
Hat Gunnar Schupelius recht? Rufen Sie an: 030/2591 73153, oder Mail: gunnar.schupelius@axelspringer.de
https://www.bz-berlin.de/


Deutsche Kolonialgeschichte (Reclams Universal-Bibliothek) Taschenbuch – 7. Mai 2021

Die Diskussion um die deutsche Kolonialherrschaft ist in vollem Gange. Zu Recht: Die Folgen von Ausbeutung und Genozid sind in den ehemaligen deutschen Kolonien bis heute präsent, und auch die deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts ist ohne die koloniale Erfahrung nicht zu verstehen. Winfried Speitkamp behandelt die deutsche Kolonialgeschichte nicht nur als Geschichte von Unterwerfung, Gewalt und Widerstand. Er thematisiert auch Begegnung und Austausch und bestimmt den Standort der Kolonialzeit in der Erinnerungskultur.



Die deutsch-namibischen Beziehungen und das sogenannte Versöhnungsabkommen

Deutscher Bundestag
Drucksache 20/3236
20. Wahlperiode
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Ali Al-Dailami,
Dr. Gregor Gysi, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.– Drucksache 20/2799
Die deutsch-namibischen Beziehungen und das sogenannte
Versöhnungsabkommen

Vorbemerkung der Fragesteller
Am 15. Mai 2021 paraphierten die Sonderbeauftragten der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Namibia, Ruprecht Polenz und Dr. Zedekia Ngavirue, die gemeinsame Erklärung „Vereint im Gedenken an unsere koloniale Vergangenheit, vereint im Willen zur Versöhnung, vereint in unserer Vision für die Zukunft“. In Namibia hat das „Versöhnungsabkommen“ nicht nur bei Nachfahren der Opfer große Empörung verursacht. Auch im Parlament in Windhoek gab es heftige Kritik fast der ganzen Opposition, aber auch in Teilen der SWAPO Regierung (https://www.deutschlandfunkkultur.de/verbrechen-der-kolonialmaechte-verjaehrt-verantwortung-fuer.1083.de.html?dram:article_id=499004).
Etwas über ein Jahr, nachdem die damalige Bundesregierung ein Aussöhnungsabkommen mit Namibia vorgelegt hat, ist die Vereinbarung nach hitzigen Debatten im namibischen Parlament immer noch nicht in Kraft. Die Regierung hat der Nationalversammlung Namibias – dem namibischen Parlament – aufgrund des Widerstands das Versöhnungsabkommen bislang nicht zur Ratifizierung vorgelegt (https://www.spiegel.de/ausland/namibia-herero-und-nama-fordern-neues-versoehnungsabkommen-mit-deutschland-a-2c53257a-74b8-48c1-87fc-e841dfe4df3e). Stattdessen kündigte diese am Ende der parlamentarischen Debatte Nachverhandlungen mit der deutschen Seite an
(https://neweralive.na/posts/govt-poised-to-conclude-genocide-issue-kapofi).
Der Historiker und Leiter der Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe, Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, kritisiert unter anderem an der Höhe der zugesagten Gelder, dass diese, auf 30 Jahre verteilt, 36 Mio. Euro pro Jahr erge
ben. Das entspräche ziemlich genau dem, was Namibia in den letzten drei Jahrzehnten an sogenannter Entwicklungshilfe bekommen habe. Er kritisiert darüber hinaus, dass die versprochenen Gelder lediglich als Hilfen kommen sollen: „Hilfe ist etwas, was den Geber moralisch erhöht, während Wiedergutmachung eine Pflicht ist, die ich habe, weil ich etwas falsch gemacht habe“ (KNA vom 29. Mai 2021).
Nach Ansicht des früheren Forschungsdirektors des schwedischen Nordischen Afrikainstituts in Uppsala, Prof. Dr. Henning Melber, kommt dies einer Beleidigung gleich: „Die vorgesehene deutsche Zahlung von 1,1 Mrd. Euro über
30 Jahre ist schäbig“. Der Bau des Berliner Flughafens habe 7 Mrd. Euro gekostet, der Umbau des Bahnhofs in Stuttgart sei derzeit mit 8 Mrd. Euro veranschlagt. „Setzen Sie das mal in Relation zu den 1,1 Mrd. Euro für den ein
gestandenen Völkermord an den Ovaherero und Nama!“ (EPD vom 13. Juni 2021). Der ausgehandelte Betrag entspricht etwa dem 1,5-Fachen der Kosten des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses der Hohenzollern, also der Dynastie, die auch den letzten deutschen Kaiser stellte, in dessen Namen der Völkermord verübt wurde (https://mission-lifeline.de/juergen-zimmerer/).
Im Koalitionsvertrag 2021 bis 2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP heißt es vor dem Hintergrund der Debatten um das „Versöhnungsabkommen“: „Die Aussöhnung mit Namibia bleibt für uns eine unverzichtbare Aufgabe, die aus unserer historischen und moralischen Verantwortung erwächst. Das Versöhnungsabkommen mit Namibia kann der Auftakt zu einem gemeinsamen Prozess der Aufarbeitung sein.“ (S. 100).
https://dserver.bundestag.de/

Die deutsch-namibischen Beziehungen und das sogenannte Versöhnungsabkommen
31.08.2022 | Deutscher Bundestag / Drucksache 20/3236 / 20. Wahlperiode Antwort der Bundesregierung / auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Ali Al-Dailami, Dr. Gregor Gysi, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.– Drucksache 20/2799
220831_BT_Antwort_versoehnung_namibia.pdf (378.44KB)
Die deutsch-namibischen Beziehungen und das sogenannte Versöhnungsabkommen
31.08.2022 | Deutscher Bundestag / Drucksache 20/3236 / 20. Wahlperiode Antwort der Bundesregierung / auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Ali Al-Dailami, Dr. Gregor Gysi, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.– Drucksache 20/2799
220831_BT_Antwort_versoehnung_namibia.pdf (378.44KB)



Germany and reparations: the reconciliation agreement with Namibia

Research Article
Henning Melber ORCID Icon
Pages 475-488 | Published online: 22 Aug 2022
ABSTRACT
In 2015 Germany admitted that the warfare in its colony South West Africa was tantamount to genocide. Bilateral negotiations with the Namibian government resulted in May 2021 in a so-called reconciliation agreement. This is not yet ratified. This article critically examines its limitations. It explains why this – despite being a step in the right direction – has so far been insufficient and a form of tokenism. In the absence of true efforts to reconcile with the descendants of the local communities most affected by the genocide, the government-to-government negotiations have failed so far to achieve any meaningful reconciliation.
https://www.tandfonline.com/


Africa revives push for colonial-era reparations

Isaac Kaledzi
08.04.2022 August 4, 2022
For years, Africa's push for reparations from European nations for colonial-era wrongs has been piecemeal. Now the continent wants to consolidate ongoing campaigns.
In a joint initiative, African countries are renewing their efforts to obtain reparations from European countries for the transatlantic slave trade and other colonial-era wrongs committed centuries ago.
The slave trade — which affected millions of Africans — was the largest forced migration in history and one of the most inhumane.
Over 400 years, Africans were transported to many areas of the world, yet no reparations have as yet been paid. The process is proving much slower than many Africans expected.
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Reparations 'long overdue'
This week Ghana's president, Nana Akufo-Addo, revived the push for slavery and colonial retribution.
"No amount of money can restore the damage caused by the transatlantic slave trade — and its consequences — which has spanned many centuries, but nevertheless, it is now time to revive and intensify the discussions about reparation for Africa," Akufo-Addo said at a summit on reparations and racial healing in Accra, Ghana.
Ghana was one of the points of departure for many of those enslaved in West Africa and, for the Ghanaian leader, the time for reparations for colonial crimes and slavery is "long overdue."
Africa deserves formal apology
In recent years some European nations that played key roles in colonial crimes and the slave trade have hesitantly tendered an apology for their actions.
President Akufo-Addo said, "The entire continent of Africa deserves a formal apology from European nations that were involved in the slave trade, the crimes and damage it has caused to the population, psyche, image of the African the world over."
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Participants at this week's summit agreed to pool their strategic efforts to ensure Africans get the needed compensation and justice due them for the devastating effects of the transatlantic slave trade on the continent.
The African Union — which has often been criticized for doing very little to ensure that reparations happen and swiftly — is pushing back.
John Ikubaje, who works at the AU Commission, told DW that the continental organization deserves a bit of credit instead for the key role it has played in recent reparation negotiation successes by some African countries and the return of stolen artifacts.
"The issues of reparative justice did not start today, it started long time ago and the African Union has been doing a lot in this regard," he said.
Ikubaje continued: "Reparation has been one of the focus [of the African Union] and you know actually what is happening on the continent in recent time, in terms of return of artifacts, they are not unconnected with the African Union declarations in terms of the themes of the year."
Sengbe Pieh: A slave returning
01:59
Very little progress
This year Germany agreed to pay Namibia €1.1 billion ($1.3 billion) in reparation for genocide committed during its colonial-era occupation of the country.
That was after the European nation returned skulls of people murdered during the Namibian genocide a century ago. Tens of thousands of Namibians were slaughtered between 1904 and 1908.
At the time Germany had colonized the Southern African nation and was responding to an anti-colonial uprising. The victims were indigenous Namibians from the Herero and Nama people.
A ceremony was performed at a church service in Berlin in August 2018 to hand over the remains to the descendants of the Herero tribe.
Berlin was accused of taking too long to formally apologize for the massacre. For years it had refused to accept responsibility and apologize. In 2016, Germany finally said it was prepared in principle to apologize.
Germany also returned some stolen artifacts to Nigeria last month, while Belgium returned the remains of Democratic Republic of Congo's independence hero — Patrice Lumumba — to the family for proper burial.
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The search for a king's remains
Rwanda is now making a case for the return of the body of their former King Yuhi Musinga who was exiled in 1931 to the neighboring Democratic Republic of Congo where he died.
His body was never seen nor returned to Rwanda for burial and Rwanda has accused the former colonial masters of having taken the king's remains to Belgium.
King Yuhi Musinga was deposed for refusing to collaborate with the Belgians. He also refused to be baptized in the Roman Catholic Church.
Following negotiations between the two countries, some artifacts have been returned to Rwanda by Belgium. But now Rwanda has asked Belgium to return the remains of the king.
Andre Ntagwabira, a researcher at Rwanda cultural heritage academy told DW that it is sad that no one knows where the king's remains are.
Namibia: The price of the genocide
25:59
"As a researcher of Rwanda cultural heritage academy, I have had the privilege to conduct and work with researchers, curators and conservators from Belgium museums and other scientific institutions which have partnerships with Rwanda cultural heritage academy," Ntagwabira said.
"Among those I asked, they all checked in their museum's collections and none has found King Musinga's body."
For blogger Kelly Rwamapera, the onus is on Belgium to produce the king's remains.
"Of course, one has to blame this on the Belgians, the colonizers, because they are the ones who banished him. They knew where he was and he died, so they had all his information. They should be knowing where his body is," Rwamapera told DW.
"Because when one says they have the body, it's true they really have the body. All evidence points to them."
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Consolidating and solidifying the struggle
John Ikubaje from the AU's secretariat, the African Union Commission, said that "these are developments the African Union is working on and will continue to work with different stakeholders that are working along that line" to get justice for Africa.
He said beyond the return of artifacts, compensation and apologies for past crimes, the AU's current structures and major policy programs are to ensure that Africa doesn't remain subservient to the West moving forward.
But some activists say retribution will mean the pulling down of existing global structures that continue to keep Africa beneath the rest of the world.
Professor Horace Campbell, a renowned peace and justice scholar based in the United States, told DW that structures and systems that promote racial capitalism must be disbanded.
"We need a new structure that treats all Africans — and all humans — as human beings; there should be no hierarchy of human beings," he said.
According to Campbell, "the European Union, the European development bank, the European Investment Bank, the German government itself has to retreat from ... theories that separate Europeans from other human beings in the world."
Examining Germany's brutal history in Namibia
02:24
'Legacy of enslavament'
For years compensation campaigns for colonial-era crimes have been piecemeal.
British playwright, Esther Armah, who heads the Armah Institute of Emotional Justice, told DW the continent of Africa must push harder on all fronts and avoid any loose ends in campaigning for reparations and social justice.
"So we need to fight harder, do more, engage together, but we also must remember that part of the legacy of enslavement is how we see each other and how we treat each other as global black people," Armah said.
For her, social healing is also key to compensating for the damages caused centuries ago.
8 images
"Africa needs emotional justice because we have to do our emotional work, which is about severing how whiteness sees us, and that impacting how we see each other," she said.
'Hope keeps us alive'
The African Union is now assuming a key role in formulating a continental framework and strategy that would guide the process of achieving anticipated reparatory justice for historical injustices moving forward.
Makmid Kamara from the Africa Transitional Justice Legacy Fund said this posture and strategy from the continental body should lead to many gains in the shortest possible time.
"The only person that should not be optimistic is the person that is dead," Kamara told DW.
"Hope is what keeps us alive, and like you mentioned the Namibia example, people have been engaging, people have been campaigning, some people have dedicated their lives to this call. So we are hopeful and determined to continue this campaign for reparative justice and healing."
Some European nations have only apologized for the past crimes, but continue to be hesitant in paying monies as reparations. Unfortunately, there is still a long way to go before Africa gets what it really yearns for.
Alex Ngarambe in Kigali, Rwanda contributed to this article.
Edited by Keith Walker
https://www.dw.com/


Tanzania puts Germany under pressure to pay for colonial sins

Oliver Moody
Thursday February 06 2020, 12.01am GMT, The Times
German forces crushed the Maji Maji rebellion in east Africa 115 years ago
UNIVERSAL HISTORY ARCHIVE/GETTY IMAGES
Tanzania has demanded reparations from Germany for the atrocities that were inflicted on its people during colonial rule in the age of the Kaisers.
From 1885 until the end of the First World War, the German empire ruled over a substantial tranche of east Africa, including large parts of what are now Rwanda, Burundi and Tanzania.
The main source of resentment is the brutal suppression of the Maji Maji rebellion of 1905, when several tribes in the south of the colony took up arms against cotton production quotas that had disrupted their way of life. Over the following two years up to 300,000 people died as the Germans crushed the uprising with a scorched-earth campaign, indiscriminately murdering civilians, destroying thousands of acres of crops and
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Kolonialgeschichte: Zahlen und schweigen?

Barbara Wesel
30.05.2021 30. Mai 2021
Deutschland entschuldigt sich für koloniale Verbrechen im heutigen Namibia und finanziert Hilfsprojekte. Wie gehen andere europäische Länder mit ihrer kolonialen Vergangenheit um und wären Reparationen richtig?
Hereros und Namas warten 2011 am Flughafen von Windhoek auf die Rückkehr ihrer Delegation aus DeutschlandBild: AFP/Getty Images/B. Weidlich
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Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia hat die Bundesregierung die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama am 28. Mai als Völkermord anerkannt und dies auch so benannt.
Doch welche Art von Wiedergutmachung und Entschädigung gegenüber den Opfern und deren Angehörigen wäre angemessen? Und könnte Deutschland mit seinem Vorgehen in Namibia einen Weg jenseits der üblichen Verdrängung der Vergangenheit durch die alten Kolonialmächte Europas aufzeigen?
"Ich glaube, wir sollten sehr vorsichtig sein, wenn wir über Reparationen reden", sagt Kolonialforscherin Olivette Otele im DW-Gespräch. Besser wäre es von "wiederherstellender Gerechtigkeit" zu sprechen.
Die Historikerin forscht an der Universität Bristol vor allem zur kolonialen Vergangenheit in Frankreich und Großbritannien. Ihre Berufung zur ersten schwarzen Geschichtsprofessorin im Land machte Schlagzeilen.
Prof. Olivette Otele Historikerin Bristol UniversityProf. Olivette Otele Historikerin Bristol University
Prof. Olivette Otele arbeitet als Historikerin in Großbritannien an der Universität BristolBild: Adrian Sherratt
Otele denkt bei Reparationen nicht an Einmalzahlungen, sondern an Maßnahmen, die sich den Traumata der Vergangenheit stellen und versuchen, diese in einer irgendeiner Form wieder gut zu machen. Damit könnten Bereiche wie Bildung oder Gesundheit in den ehemals kolonialisierten Ländern unterstützt werden.
"Vor allem sollten wir langfristig denken. Nicht einfach zahlen und glauben, dass unsere Verantwortung damit endet”.
Ein kurzer Blick auf die politische Debatte in dieser Frage in Europa zeigt, wie weit die früheren Kolonialländer noch von solch konstruktiven Ansätzen entfernt sind.
Belgien und der Kongo
Kongogräuel im Kongo-FreistaatKongogräuel im Kongo-Freistaat
Kongolesen halten die Hände zweier ermordeter Landsleute hoch. Die weißen Missionare dokumentierten die Verbrechen der belgischen KolonialherrenBild: picture-alliance/dpa/Everett Collection
Belgien herrschte über den heutigen Kongo in so brutaler Weise, dass sogar die anderen Kolonialmächte der Epoche entsetzt waren. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden unter Koenig Leopold II. Millionen von Kongolesen umgebracht und verstümmelt.
Erst 2020, also 60 Jahre nach der Unabhängigkeit des Landes, schickte der belgische Koenig Philippe einen Brief an die Regierung des Kinshasa und drückte sein "tiefstes Bedauern für die Verletzungen der Vergangenheit” aus. Inzwischen gibt es Kritik an gewissen reichen Familien in Belgien, deren Geld weitgehend aus der Ausbeutung des Kongo stammt.
Italien und Nordafrika
Italien entschuldigte sich 2008 bei einem Besuch des damaligen Premiers Silvio Berlusconi in Libyen offiziell für seine koloniale Verbrechen in Nordafrika in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Berlusconi vereinbarte mit dem damaligen libyschen Herrscher Muammar Gaddafi die Zahlung von vier Milliarden Euro für Infrastruktur-Projekte.
Es ging allerdings eher um einen Deal als um eine Reparation, denn Libyen verpflichtete sich im Gegenzug, mehr Rohöl nach Italien zu exportieren und Flüchtlinge von der Fahrt über das Mittelmeer abzuhalten.
Portugal und der Sklavenhandel
BG 400 Jahre Sklavenhandel Westafrika BG 400 Jahre Sklavenhandel Westafrika
Portugiesische Galeeren mit gefesselten Sklaven legen 1482 am Fort "Sao Jorge de Mina" in Guinea ab. Eine Illustration von Giogio AlbertiniBild: Imago Images/Leemage
Portugiesische Seefahrer waren die Pioniere des transatlantischen Sklavenhandels. Viele Portugiesen sind weiterhin stolz auf die Kühnheit der frühen Seefahrer und verschließen die Augen vor deren Brutalität. Und sie klammerten sich lange an ihre besetzten Gebiete: Angola wurde erst 1975 befreit.
500 Jahre später soll nun das erste Denkmal für die Opfer des Kolonialismus eingeweiht werden. Die Debatte über diese Vergangenheit spaltet immer noch das Land.
Die Niederlande in Südostasien
2020 zahlten die Niederlande zum ersten Mal eine Entschädigung an die Opfer kolonialer Gewalttaten, die niederländische Truppen in Indonesien begingen. Es geht jedoch nur um kleinere Summen für deren direkte Nachfahren.
Generell lehnen die Niederlande die Zahlung von Reparationen ab. Die Regierung entschuldigte sich inzwischen für die Gewalt, die ihre Truppen vor allem in den vierziger Jahren in Indonesien begingen. Damals wurden in einem sogenannten "Anti-Guerillakrieg” Tausende indonesischer Männer ermordet. Im März dieses Jahres erklärte König Willem Alexander sein offizielles Bedauern.
Frankreichs "unbestreitbare Gewalttaten"
Burkina Faso Besuch Emmauel Macron Universität in OuagadougouBurkina Faso Besuch Emmauel Macron Universität in Ouagadougou
Präsident Emmanuel Macron bei seinem Besuch im November 2017 in Burkina FasoBild: Reuters/P. Wojazer
Während eines Afrika-Besuches 2017 rief der französische Präsident Emmanuel Macron zur Versöhnung zwischen früheren Kolonialmächten und den kolonisierten Ländern auf. Finanzielle Reparationen lehnte er ab. In einem Fernsehinterview erklärte er, es sei "lächerlich”, wenn Frankreich für die Kolonialzeit "Unterstützungen oder einen Ausgleich zahlen würde”.
Gleichzeitig nannte er die Gewalttaten der europäischen Kolonialmächte "unbestreitbar”. 2001 hatte Frankreich ein bahnbrechendes Gesetz verabschiedet, mit dem der Sklavenhandel als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit” klassifiziert wird. Der Unabhängigkeitskrieg in Algerien dagegen spaltet die französische Politik weiter.
"In der Frage ausgleichender Gerechtigkeit ist die Debatte völlig festgefahren", bemerkt Historikerin Otele. Frankreich habe in dieser ganzen Diskussion noch nichts geleistet. Manche Leute glaubten jetzt, dass die Rückgabe von Kunstgütern eine Art Wiedergutmachung sei. "Damit bin ich nicht einverstanden”, sagt sie.
Grossbritannien und das Empire
David Cameron zu Besuch in IndienDavid Cameron zu Besuch in Indien
David Cameron drückte in Amritsar als erster britischer Premier sein Bedauern für ein koloniales Massaker ausBild: Reuters
Auch London weist die Idee von Reparationen oder finanziellen Ausgleichszahlungen weit von sich. Und sogar bei der Anerkennung von Unrecht geht es nur langsam voran. Bei seinem Indien-Besuch 2013 entschuldigte sich der damalige Premier David Cameron zwar für die Todesopfer des Massakers von Amritsar 1919.
Gleichzeitig betonte er aber: "Ich glaube, es gibt eine Menge, worauf man stolz sein kann, was das Empire getan hat." Noch im vorigen Jahr teilten nach Umfragen 43 Prozent der Briten diese Auffassung.
In Einzelfällen zahlte die britische Regierung Entschädigungen, etwa an die Opfer der gewaltsamen Niederschlagung der sogenannten Mau Mau Aufstände in Kenia in den 1950er Jahren. Es blieb jedoch bei einem individuellem Schadensersatz.
Im großen Ganzen stecke das offizielle Großbritannien noch in der Vergangenheit fest, so glaubt Olivette Otele. Mehr noch: Man rede sich diese schön. "Diese Vergangenheit, in der die kolonialen Geschichten großartig und glänzend waren und wo es um die 'Zivilisierung' ferner Völker ging, hat so nie existiert."
Waren manche Länder "fortschrittlicher" als andere?
Olivette Otele glaubt nicht, dass es in dieser Debatte so etwas wie gute oder schlechte Beispiele gibt. Was man aus der Vergangenheit lerne sei, dass man sie nicht ändern kann.
"Wir müssen lernen, miteinander zu leben, indem wir uns ständig engagieren”. Die Historikerin glaubt dabei nicht, dass ein Staat mit Geld einfach soziale Ungerechtigkeit ausgleichen könne. "Was nützt es, wenn man an eine Gruppe von Leuten (die Regierung) Geld zahlt?”
Allerdings gebe es inzwischen andere Ansätze. In Großbritannien passiere zum  Beispiel jenseits der offiziellen Ebene sehr viel. Stiftungen oder Universitäten würden sich dort für eine wiedergutmachende Gerechtigkeit engagieren und in den nächsten Jahren für den notwendigen Wandel sorgen.
Otele nennt das Beispiel der Universität Glasgow, die mehrere Millionen Pfund in Unterricht und Dialog mit karibischen Ländern investiert habe. "Vielleicht ist das auch nicht die Lösung, aber ich begrüße jede Initiative, die diese traumatische Vergangenheit adressiert”.
https://www.dw.com/


Deutscher Kolonialismus in Tansania – Der Streit um Raubkunst

SWR2 WISSEN

STAND
21.10.2021, 7:56 UHR
JOCHEN RACK
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Von 1885 bis 1918 war das heutige Tansania Teil von Deutsch-Ostafrika, der größten Kolonie des Kaiserreichs.
Zeitung: Eine Ausgabe der "Usamabara-Post: Unabhängiges Organ für die wirtschaftlichen Interessen von Deutsch-Ostafrika" vom 25. Januar 1913, herausgegeben in Tanga  Tansania (Foto: IMAGO, IMAGO / Joerg Boethling)
Eine Ausgabe der "Usamabara-Post: Unabhängiges Organ für die wirtschaftlichen Interessen von Deutsch-Ostafrika" vom 25. Januar 1913, herausgegeben in Tanga / Tansania
Etwa 10.200 geraubte Kunst- und Kulturobjekte aus Tansania befinden sich bis heute allein im Ethnologischen Museum in Berlin und sollen zum Teil auch im neuen Humboldt-Forum ausgestellt werden.
Aktivistinnen und Aktivisten fordern, die Objekte nach Tansania zurückzubringen. Den Menschen dort geht es dabei nicht nur um Wiedergutmachung, sondern auch um die Frage, was die deutsche Kolonialzeit für das Land heute bedeutet.
Manuskript zur Sendung >>>
Sendung vom
Fr., 22.10.2021 8:30 Uhr, SWR2 Wissen, SWR2
https://www.swr.de/


Völkermord an Herero und Nama: Abkommen zwischen Deutschland und Namibia

22.06.2021 /
Die deutsche und die namibische Regierung haben nach insgesamt sechs Jahre dauernden Gesprächen um eine Wiedergutmachung für den deutschen Völkermord an den Herero und Nama eine erste Einigung erzielt: Deutschland erkennt den Völkermord an, entschuldigt sich und will 1,1 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe leisten. Es gibt jedoch auch Kritik an dem Abkommen.
Von 1884 bis 1915 war das Deutsche Reich Kolonialmacht im heutigen Interner Link:Namibia. Seit der Gründung der Interner Link:Kolonien bekämpfte es die lokale Bevölkerung, die sich gegen die Fremdherrschaft und Menschenrechtsverletzungen zur Wehr setzten, immer wieder mit militärischer Gewalt, um Herrschaftsbereiche auszudehnen. Einen Höhepunkt der Gewalt stellte der Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerungsgruppen der Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 dar. Generalleutnant Lothar von Trotha befahl die völlige Vernichtung der Herero im Oktober 1904 und der Nama im April 1905. Schätzungsweise bis zu 100.000 Menschen wurden durch die deutschen Truppen ermordet, verdursteten in der Omaheke-Wüste oder starben in Konzentrationslagern. Der Interner Link:Genozid gilt als der erste des 20. Jahrhunderts.
Mit dem Ende des Interner Link:Ersten Weltkriegs gingen alle Kolonien gemäß des Versailler Vertrags als Mandatsgebiete an den neu gegründeten Völkerbund, so auch „Deutsch-Südwestafrika“, wie das Deutsche Reich Namibia genannt hatte. Südafrika, das größere Nachbarland, erhielt ein Mandat des Völkerbundes zu dessen Verwaltung.Interner Link: Am 21. März 1990 wurde Namibia ein souveräner Staat.
Jahrzehntelang weder Anerkennung noch Aufarbeitung
Jahrzehntelang erkannte Deutschland den Interner Link:Völkermord an den Herero und Nama weder an, noch bemühte es sich um dessen Aufarbeitung. In Beschlüssen von 1989 und 2004 begründete der Interner Link:Bundestag entwicklungspolitische Sonderbeziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu Namibia mit der aus einem „Vernichtungsfeldzug“ erwachsenen „besonderen historischen und moralischen Verantwortung“. Deutschland zahlte Namibia seit den 1990er-Jahren umfangreiche Interner Link:Entwicklungshilfegelder, die jedoch formell nicht der Entschädigung dienten. 2002 reichten Hereroführer Kuaima Riruako und weitere Herero vor einem US-Gericht gegen die Bundesrepublik Deutschland Klagen in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar ein, ohne Erfolg.
Als erster deutscher Kanzler nach dem Völkermord besuchte Helmut Kohl Namibia im Jahr 1995, noch ohne Verantwortung für die Verbrechen des Interner Link:Deutschen Reichs zu übernehmen. Im Jahr 2004 nahm die damalige Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul an einer Gedenkveranstaltung zum 100. Jahrestag der Niederschlagung des Interner Link:Hereroaufstandes teil. Sie sprach eine Entschuldigung für die Verbrechen aus, die Bundesregierung distanzierte sich jedoch davon.
Gespräche begannen 2015
2006 forderte die namibische Nationalversammlung ihre Regierung auf, sich gegenüber Deutschland für die Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama einzusetzen. Es dauerte jedoch noch weitere neun Jahre, bis Regierungsgespräche um den Völkermord begannen. Noch 2012 betonte die Bundesregierung, dass die Niederschlagung des Aufstandes der Volksgruppen der Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen „nicht nach den heute geltenden Regeln des humanitären Völkerrechts bewertet und daher auch nicht als Völkermord eingestuft werden“ könne.
Im Juli 2015 kamen zwei Ereignisse zusammen, die den Wiedergutmachungsprozess prägten: Zum einen reiste eine Gesandtschaft unter dem traditionellen Führer der Herero, Vekuii Rukoro, mit einer Petition zum Bundespräsidenten. In der Petition wurden eine umfassende Entschädigung und Wiedergutmachung gefordert und der Bundesregierung dafür bis Oktober Zeit eingeräumt. Zum anderen bezeichnete der damalige Präsident des deutschen Bundestages Norbert Lammert – als er den osmanischen Völkermord an den Armeniern kritisierte – auch die Verbrechen des Deutschen Reiches in Namibia in einer Zeitung als Völkermord, einige Wochen später gefolgt vom Auswärtigen Amt. Zum Ablauf der Frist für die Forderungen kritisierte Hereroführer Rukoro im Oktober die deutsche Regierung scharf und beklagte dabei unter anderem, dass Opferorganisationen bisher gar nicht in Gespräche einbezogen wurden. Die Debatte um die Anerkennung des Genozids wurde in der deutschen Öffentlichkeit zunehmend lauter geführt.
Ende 2015 begann schließlich der offizielle Dialog zwischen Deutschland und Namibia zur Aufarbeitung der deutschen Verbrechen in der Kolonialzeit. Beide Staaten ernannten dafür Sonderbeauftragte. Der langjährige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, vertrat Deutschland. Namibia wurde durch den früheren Diplomaten Zedekia Ngavirue repräsentiert. An den Gesprächen waren auch beratende Gremien beteiligt, die von der namibischen Regierung eingesetzt wurden und nach offiziellen Angaben für alle Nachkommen der Opfer offenstanden. Tatsächlich wurden die Vertreter/-innen aber von der namibischen Regierung ausgewählt.
Kritik von Opferorganisationen
Manche Volksgruppenvertreter/-innen lehnten die Verhandlungen ab. Andere fühlten sich im Laufe des Dialogprozesses zurückgestoßen oder ignoriert. Auch deswegen haben Vertreter von Herero und Nama im Januar 2017 an einem Bundesbezirksgericht in New York eine Sammelklage gegen Deutschland eingereicht – und berufen sich dabei auf eine Interner Link:UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker, wonach sie sich an Entscheidungsprozessen, die ihre Rechte berühren, beteiligen dürfen. Die Bundesregierung hielt den Prozess für unzulässig und beruft sich auf den völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität, wonach ein Land nicht über ein anderes richten darf. Die Klage wurde Anfang März 2019 abgewiesen, Anfang Juni 2021 hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten auch eine Wiederaufnahme des Prozesses abgelehnt.
Interner Link:Reparationszahlungen waren immer wieder ein zentrales Thema der Gespräche. Noch im Sommer 2020 sorgte die in namibischen Medien kursierende Meldung für Empörung, dass die Bundesregierung zehn Millionen Euro als Entschädigungssumme angeboten habe. Polenz dementierte dies. Auch die Terminologien spielten eine große Rolle. Während der Verhandlungen wurde debattiert, ob Deutschland "Reparationen", "Entschädigungen" oder "Zahlungen zur Heilung der Wunden" leisten solle.
Einigung auf Seiten der Regierungen
Am 28. Mai 2021 gab das Auswärtige Amt schließlich bekannt, dass eine Einigung in den Gesprächen erzielt worden sei. Außenminister Heiko Maas sagte, dass Deutschland die Ereignisse von damals nunmehr als Völkermord bezeichnen werde. "Im Lichte der historischen und moralischen Verantwortung Deutschlands werden wir Namibia und die Nachkommen der Opfer um Vergebung bitten", sagte Maas.
Zudem will Deutschland, so wörtlich, als "Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde", insgesamt 1,1 Milliarden Euro für ein Programm "zum Wiederaufbau und zur Entwicklung" zahlen. "Bei dessen Gestaltung und Umsetzung werden die vom Völkermord betroffenen Gemeinschaften eine entscheidende Rolle einnehmen", hieß es von Seiten des Auswärtigen Amtes. Gleichzeitig leite sich daraus jedoch kein Entschädigungsanspruch ab.
Die von den Regierungen ausgehandelte Einigung stieß in Teilen der namibischen Zivilgesellschaft auf Kritik. Teile der Herero und der Stammesführerverband der Nama beharrten darauf, dass Deutschland Reparationszahlungen leisten sollte. Zudem wollen Herero und Nama die Rückgabe ihrer Ländereien erreichen. Ein Vertreter der Herero kündigte Massenproteste bei dem geplanten Besuch von Steinmeier in Namibia an.
Rückblick auf 1904
Der Herero-Aufstand begann im Januar 1904, nachdem deutsche Siedler immer größere Teile des Landes aufkauften und die angestammte Bevölkerung vertrieben. Ein weiterer Grund, der zu dem Aufstand führte, waren Menschenrechtsverletzungen seitens der deutschen Kolonialherren: Etwa durch Misshandlungen, aber auch die von der Kolonialverwaltung eingeführte „Rassentrennung“.
Im Mai 1904 übernahm General Lothar von Trotha das Kommando über die Schutztruppe. Bei der Schlacht am Waterberg am 11. und 12. August 1904 versuchte von Trotha, die gegnerischen Herero einzukesseln. Der Plan schlug zwar fehl, aber die überlebenden Herero-Soldaten mussten mit ihren Familien in die Omaheke-Wüste fliehen. Von Trotha erließ Anfang Oktober den so genannten "Vernichtungsbefehl": "Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu Ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen." (Quelle: Externer Link:BArch R 1001/2089) Der deutsche General ließ die Omahekee-Wüste zudem monatelang abriegeln und die wenigen Wasserstellen bewachen, sodass zehntausende verdursteten.
Die Nama erhoben sich Ende 1904. Insgesamt zogen sich die Guerilla-Gefechte mit der deutschen Schutztruppe über vier Jahre. Gegen die Nama folgte am 22. April 1905 ein zweiter Vernichtungsbefehl.
Für gefangene Hereros und Nama ließ die Kolonialverwaltung Konzentrationslager bauen. Schätzungen gehen davon aus, dass von 1904 bis 1908 zwischen 54.000 und 74.000 Herero und Nama starben, andere Quellen sprechen von bis zu 100.000 Toten. Etwa 80 Prozent der Herero wurden dabei ermordet. Selbst im imperial-nationalistisch gesinnten Kaiserreich stießen die Verbrechen der Truppe von Trothas auf scharfe Kritik.
https://www.bpb.de/
Mehr zum Thema:
Interner Link:Jürgen Leskien: Deutschland – Namibia, Beziehung der ungenutzten Chancen (Deutschland-Archiv)
Interner Link:Jürgen Zimmer: Schwierige (post-)koloniale Aussöhnung. Deutschland, Namibia und der Völkermord an den Herero und Nama


Geschichte der deutschen Kolonien Taschenbuch – 14. November 2022

Die Geschichte der deutschen Kolonien in einer wissenschaftlichen Gesamtdarstellung. Dieses Buch verbindet die Perspektive Europas mit derjenigen der Peripherie und lenkt den Blick auch auf die langfristigen Folgen der deutschen Kolonialherrschaft. Darstellung und Analyse haben folgende Schwerpunkte: - die Kolonialbewegung und die Kolonialpolitik im Gefüge der inneren und äußeren Politik des Deutschen Kaiserreiches - die Ausübung und Auswirkung der Kolonialherrschaft in den ehemals deutschen „Schutzgebieten“ in Afrika, Ostasien und Ozeanien - die „situation coloniale“, die Begegnung von Kolonialherren und einheimischen Gesellschaften.



Völkermord in Namibia
: "Wir fordern die Begleichung einer grausamen Schuld"

Die Bundesregierung verkauft das Versöhnungsabkommen mit Namibia als Erfolg. Esther Muinjangue sieht das anders, sie kämpft seit Jahren für die Anerkennung des Genozids.
Interview: Celia Parbey 02.06.2021, 12:44 Uhr
Völkermord in Namibia: Esther Utjiua Muinjangue ist Herero, Mitbegründerin und Vorsitzende des Ovaherero Genocide Committees und namibische Politikerin.
Esther Utjiua Muinjangue ist Herero, Mitbegründerin und Vorsitzende des Ovaherero Genocide Committees und namibische Politikerin. © Gianluigi Guercia/​AFP/​Getty Images
Deutschland erkennt die kolonialen Verbrechen in Namibia als Völkermord an, wird aber keine Reparationen zahlen. Zwischen 1904 und 1908 verübten sogenannte deutsche Schutztruppen in der damaligen deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika einen Völkermord an den Volksgruppen der Ovaherero und Nama. Sie ermordeten zwischen 65.000 und 100.000 Ovaherero und mindestens 10.000 Nama: der erste Genozid des 20. Jahrhunderts. Vergangene Woche gab die deutsche Regierung bekannt, sich auf ein Versöhnungsabkommen mit der namibischen Regierung geeinigt zu haben. Verschiedene Vertreter*innen der betroffenen Ovaherero und Nama haben das Abkommen bereits abgelehnt. Darunter auch Esther Utjiua Muinjangue. Sie ist Herero, Mitbegründerin und Vorsitzende des Ovaherero Genocide Committees und namibische Politikerin. Im Gespräch erklärt sie, wie eine echte Vergangenheitsaufarbeitung aussehen sollte. ...
https://www.zeit.de/


WIEDERGUTMACHUNG
Reparationen für koloniale Verbrechen: Zahlen und schweigen?

Deutschland entschuldigt sich für koloniale Verbrechen im heutigen Namibia und finanziert Hilfsprojekte. Wie gehen andere europäische Länder mit ihrer kolonialen Vergangenheit um und wären Reparationen richtig?
Datum 30.05.2021
Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia hat die Bundesregierung die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama am 28. Mai als Völkermord anerkannt und dies auch so benannt.
Doch welche Art von Wiedergutmachung und Entschädigung gegenüber den Opfern und deren Angehörigen wäre angemessen? Und könnte Deutschland mit seinem Vorgehen in Namibia einen Weg jenseits der üblichen Verdrängung der Vergangenheit durch die alten Kolonialmächte Europas aufzeigen?
"Ich glaube, wir sollten sehr vorsichtig sein, wenn wir über Reparationen reden", sagt Kolonialforscherin Olivette Otele im DW-Gespräch. Besser wäre es von "wiederherstellender Gerechtigkeit" zu sprechen.
Die Historikerin forscht an der Universität Bristol vor allem zur kolonialen Vergangenheit in Frankreich und Großbritannien. Ihre Berufung zur ersten schwarzen Geschichtsprofessorin im Land machte Schlagzeilen.
Otele denkt bei Reparationen nicht an Einmalzahlungen, sondern an Maßnahmen, die sich den Traumata der Vergangenheit stellen und versuchen, diese in einer irgendeiner Form wieder gut zu machen. Damit könnten Bereiche wie Bildung oder Gesundheit in den ehemals kolonialisierten Ländern unterstützt werden.
"Vor allem sollten wir langfristig denken. Nicht einfach zahlen und glauben, dass unsere Verantwortung damit endet”.
Ein kurzer Blick auf die politische Debatte in dieser Frage in Europa zeigt, wie weit die früheren Kolonialländer noch von solch konstruktiven Ansätzen entfernt sind.
Belgien und der Kongo
Belgien herrschte über den heutigen Kongo in so brutaler Weise, dass sogar die anderen Kolonialmächte der Epoche entsetzt waren. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden unter Koenig Leopold II. Millionen von Kongolesen umgebracht und verstümmelt.
Erst 2020, also 60 Jahre nach der Unabhängigkeit des Landes, schickte der belgische Koenig Philippe einen Brief an die Regierung des Kinshasa und drückte sein "tiefstes Bedauern für die Verletzungen der Vergangenheit” aus. Inzwischen gibt es Kritik an gewissen reichen Familien in Belgien, deren Geld weitgehend aus der Ausbeutung des Kongo stammt.
Italien und Nordafrika
Italien entschuldigte sich 2008 bei einem Besuch des damaligen Premiers Silvio Berlusconi in Libyen offiziell für seine koloniale Verbrechen in Nordafrika in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Berlusconi vereinbarte mit dem damaligen libyschen Herrscher Muammar Gaddafi die Zahlung von vier Milliarden Euro für Infrastruktur-Projekte.
Es ging allerdings eher um einen Deal als um eine Reparation, denn Libyen verpflichtete sich im Gegenzug, mehr Rohöl nach Italien zu exportieren und Flüchtlinge von der Fahrt über das Mittelmeer abzuhalten.
Portugal und der Sklavenhandel
Portugiesische Seefahrer waren die Pioniere des transatlantischen Sklavenhandels. Viele Portugiesen sind weiterhin stolz auf die Kühnheit der frühen Seefahrer und verschließen die Augen vor deren Brutalität. Und sie klammerten sich lange an ihre besetzten Gebiete: Angola wurde erst 1975 befreit.
500 Jahre später soll nun das erste Denkmal für die Opfer des Kolonialismus eingeweiht werden. Die Debatte über diese Vergangenheit spaltet immer noch das Land.
Die Niederlande in Südostasien
2020 zahlten die Niederlande zum ersten Mal eine Entschädigung an die Opfer kolonialer Gewalttaten, die niederländische Truppen in Indonesien begingen. Es geht jedoch nur um kleinere Summen für deren direkte Nachfahren.
Generell lehnen die Niederlande die Zahlung von Reparationen ab. Die Regierung entschuldigte sich inzwischen für die Gewalt, die ihre Truppen vor allem in den vierziger Jahren in Indonesien begingen. Damals wurden in einem sogenannten "Anti-Guerillakrieg” Tausende indonesischer Männer ermordet. Im März dieses Jahres erklärte König Willem Alexander sein offizielles Bedauern.
Frankreichs "unbestreitbare Gewalttaten"
Während eines Afrika-Besuches 2017 rief der französische Präsident Emmanuel Macron zur Versöhnung zwischen früheren Kolonialmächten und den kolonisierten Ländern auf. Finanzielle Reparationen lehnte er ab. In einem Fernsehinterview erklärte er, es sei "lächerlich”, wenn Frankreich für die Kolonialzeit "Unterstützungen oder einen Ausgleich zahlen würde”.
Gleichzeitig nannte er die Gewalttaten der europäischen Kolonialmächte "unbestreitbar”. 2001 hatte Frankreich ein bahnbrechendes Gesetz verabschiedet, mit dem der Sklavenhandel als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit” klassifiziert wird. Der Unabhängigkeitskrieg in Algerien dagegen spaltet die französische Politik weiter.
"In der Frage ausgleichender Gerechtigkeit ist die Debatte völlig festgefahren", bemerkt Historikerin Otele. Frankreich habe in dieser ganzen Diskussion noch nichts geleistet. Manche Leute glaubten jetzt, dass die Rückgabe von Kunstgütern eine Art Wiedergutmachung sei. "Damit bin ich nicht einverstanden”, sagt sie.
Grossbritannien und das Empire
Auch London weist die Idee von Reparationen oder finanziellen Ausgleichszahlungen weit von sich. Und sogar bei der Anerkennung von Unrecht geht es nur langsam voran. Bei seinem Indien-Besuch 2013 entschuldigte sich der damalige Premier David Cameron zwar für die Todesopfer des Massakers von Amritsar 1919.
Gleichzeitig betonte er aber: "Ich glaube, es gibt eine Menge, worauf man stolz sein kann, was das Empire getan hat." Noch im vorigen Jahr teilten nach Umfragen 43 Prozent der Briten diese Auffassung.
In Einzelfällen zahlte die britische Regierung Entschädigungen, etwa an die Opfer der gewaltsamen Niederschlagung der sogenannten Mau Mau Aufstände in Kenia in den 1950er Jahren. Es blieb jedoch bei einem individuellem Schadensersatz.
Im großen Ganzen stecke das offizielle Großbritannien noch in der Vergangenheit fest, so glaubt Olivette Otele. Mehr noch: Man rede sich diese schön. "Diese Vergangenheit, in der die kolonialen Geschichten großartig und glänzend waren und wo es um die 'Zivilisierung' ferner Völker ging, hat so nie existiert."
Waren manche Länder "fortschrittlicher" als andere?
Olivette Otele glaubt nicht, dass es in dieser Debatte so etwas wie gute oder schlechte Beispiele gibt. Was man aus der Vergangenheit lerne sei, dass man sie nicht ändern kann.
"Wir müssen lernen, miteinander zu leben, indem wir uns ständig engagieren”. Die Historikerin glaubt dabei nicht, dass ein Staat mit Geld einfach soziale Ungerechtigkeit ausgleichen könne. "Was nützt es, wenn man an eine Gruppe von Leuten (die Regierung) Geld zahlt?”
Allerdings gebe es inzwischen andere Ansätze. In Großbritannien passiere zum  Beispiel jenseits der offiziellen Ebene sehr viel. Stiftungen oder Universitäten würden sich dort für eine wiedergutmachende Gerechtigkeit engagieren und in den nächsten Jahren für den notwendigen Wandel sorgen.
Otele nennt das Beispiel der Universität Glasgow, die mehrere Millionen Pfund in Unterricht und Dialog mit karibischen Ländern investiert habe. "Vielleicht ist das auch nicht die Lösung, aber ich begrüße jede Initiative, die diese traumatische Vergangenheit adressiert”.
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Verteidigung des deutschen Kolonialismus (Edition Sonderwege bei Manuscriptum) Taschenbuch – 30. April 2021

Muss die deutsche Kolonialgeschichte neu geschrieben werden? Mit dem vorliegenden Band stellt der US-amerikanische Politologe Bruce Gilley unser sicher geglaubtes Wissen über die koloniale Vergangenheit des Deutschen Reiches auf den Kopf. Faktenbasiert, schonungslos und stets humorvoll entlarvt Gilley die post-moderne Kolonialforschung als Geisel politischer Korrektheit. Nicht die historischen Tatsachen, sondern die Bedürfnisse des politischen Zeitgeistes bestimmen heute in Berlin über die Wahrnehmung dieser historischen Epoche, so Gilley. Entstanden ist dadurch eine semi-religiöse, schuldbeladene Weltsicht, in der weiße Europäer immer Täter, Afrikaner aber stets die Opfer zu sein haben. Eine folgenreiche Fehldeutung, die in diesem Werk gründlichen Widerspruch erfährt. Im Gegenteil war die Kolonialzeit „für die Kolonisierten objektiv gewinnbringend“ und für die Kolonisatoren „subjektiv gerechtfertigt“, wie Gilley unter Verweis auf prominente Quellen beweist. Eine Sicht auf die Vergangenheit vorzulegen, in der die Deutschen nicht ausnahmslos bösartig, ihre kolonialen Errungenschaften nicht allein von Gräueltaten und Rassismus geprägt waren, braucht Mut – heute mehr denn je. Gilley hat der historischen Forschung mit diesem Grundlagenwerk eine Schneise geschlagen. Es bleibt zu hoffen, dass seine Thesen und Argumente zu lebhaften Debatten anregen und perspektivisch eine Kehrtwende in der erinnerungspolitischen Kultur Deutschlands initiieren können.


Milliardenzahlungen an Namibia: Deutschland erkennt Völkermord an Herero und Nama an
Nach langen Verhandlungen will sich Deutschland mit Namibia aussöhnen. Es geht um Schuld, eine Bitte um Vergebung - und um einen Milliardenbetrag.

28.05.2021, 05:31 Uhr
Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia erkennt die Bundesregierung die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama als Völkermord an. Die Nachkommen will Deutschland in den kommenden 30 Jahren mit 1,1 Milliarden Euro unterstützen und offiziell um Vergebung bitten.
Darauf haben sich Regierungsdelegationen aus beiden Ländern nach fast sechs Jahren Verhandlungen verständigt, wie Außenminister Heiko Maas am Freitag bekanntgab. „Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen“, sagte er. Aus deutscher Sicht war es wichtig, jetzt noch vor der Bundestagswahl zu einer Einigung zu kommen. Denn auch die beiden Parlamente sollen noch zustimmen.
Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia und schlug Aufstände brutal nieder. Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 im damaligen Deutsch-Südwestafrika begingen die Kolonialherren einen Massenmord, der als erster Genozid des 20. Jahrhunderts gilt. Historikern zufolge wurden etwa 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 von 20.000 Nama getötet.
Bereits seit 2015 verwendet das Auswärtige Amt den Begriff des Völkermords in seinem allgemeinen Sprachgebrauch für den Vernichtungskrieg in Namibia. Jetzt werden die Gräueltaten auch ganz offiziell als Völkermord bezeichnet.
Anfang des 20. Jahrhunderts, zum Zeitpunkt der Gräueltaten gegen die Herero und Nama, gab es diesen juristischen Begriff noch gar nicht. Erst 1948 beschloss die UN-Generalversammlung als Konsequenz aus dem Holocaust die „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ und machte Völkermord damit zum Straftatbestand. Die Konvention gilt aber nicht rückwirkend, deswegen ergeben sich für Deutschland aus der Anerkennung des Völkermords auch keine rechtlichen Konsequenzen.
Eine Milliarde als „Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids“
Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund auch immer wieder betont, dass es aus ihrer Sicht keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung gibt. Dass sie nun trotzdem eine Summe von 1,1 Milliarden Euro locker macht, sieht sie als politisch-moralische Verpflichtung. Es sei eine „Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde“, sagte Maas. Das Geld soll über einen Zeitraum von 30 Jahren vor allem in Projekte in den Siedlungsgebieten der Herero und Nama gesteckt werden. Dabei soll es um Landreform, Landwirtschaft, ländliche Infrastruktur und Wasserversorgung sowie Berufsbildung gehen.
Auflistung der wichtigsten Territorien deutscher Kolonien:
Deutsch-Südwestafrika (1884-1915): Ältestes „Schutzgebiet“ und einzige Kolonie mit einer nennenswerten Anzahl deutscher Siedler.
Deutsch-Ostafrika (1885-1918): Mit fast einer Million Quadratkilometern und 7,75 Millionen Einwohnern größte deutsche Kolonie. Auch hier gab es immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen mit Einheimischen.
Kamerun (1884-1916): Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet bedeutendste Kolonie; großflächiger Kakao-Plantagenanbau.
Togo (1884-1914): Handelskolonie mit geringer europäischer Bevölkerung (nie mehr als 350 Personen); wurde neben Samoa als einzige Kolonie ohne Reichszuschüsse verwaltet.
Deutsch-Neuguinea (1885/1899-1919): Umfasste unter anderem Nauru und die Palau-Inseln sowie Teile von Papua-Neuguinea, Mikronesien und den Salomonen.
Deutsche Samoa-Inseln (1900-1914): Deutschlands „Perle in der Südsee“ blieb ebenso wie Deutsch-Neuguinea wirtschaftlich unbedeutend, kam aber wie Togo ohne Reichszuschüsse aus.
Kiautschou (1898-1914): Die Ermordung zweier Steyler Missionare gab den Deutschen den Vorwand, 1897 die Bucht von Kiautschou in Nordchina zu besetzen. Gedacht als Flotten- und Handelsstützpunkt, erfüllten sich die Erwartungen nicht. Stattdessen war die brutale Niederschlagung des Boxeraufstands (1900) ein weiterer Tiefpunkt in der kurzen Geschichte des deutschen Kolonialismus.
Das dritte Kernelement der gemeinsamen politischen Erklärung, die in den nächsten Wochen noch feierlich unterzeichnet werden soll, ist die Bitte um Vergebung. Berichten zufolge soll sie durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem feierlichen Akt im Parlament von Namibia ausgesprochen werden. Offiziell angekündigt wurde das vom Bundespräsidialamt aber noch nicht.
„Unser Ziel war und ist, einen gemeinsamen Weg zu echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden“, sagte Maas. Er betonte aber auch, dass die Vereinbarung mit Namibia keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit bedeute. „Die Anerkennung der Schuld und unsere Bitte um Entschuldigung ist aber ein wichtiger Schritt, um die Verbrechen aufzuarbeiten und gemeinsam die Zukunft zu gestalten“, betonte er. Ziel ist es, die Zusammenarbeit beider Länder nun deutlich zu intensivieren.
Die Verhandlungen wurden von Beauftragten der beiden Regierungen geführt, die Herero und Nama waren aber eng eingebunden. Bei einigen Vertretern der Volksgruppen hatten erste Hinweise auf das Abkommen jedoch bereits Kritik ausgelöst. Es sei nichts weiter als ein PR-Coup Deutschlands und ein Akt des Betruges der namibischen Regierung, hatte es in einer Erklärung der Ovaherero Traditional Authority und Nama Traditional Leaders Association geheißen.
Nach Angaben ihrer deutschen Vertreterin haben beide Gruppen zudem eine entsprechende Petition im Bundestag eingebracht. Die Ovaherero Traditional Authority ist nur eine von vielen Herero-Gruppen, von denen acht offiziell von der Regierung anerkannt und in der namibischen Verhandlungsdelegation vertreten sind. Auch die Nama Traditional Leaders Association ist nicht repräsentativ für alle Nama-Gruppen.
Deutschland hatte sich ab 1884 Kolonien in Afrika, Ozeanien und Ostasien angeeignet. Es verfügte damit über das viertgrößte koloniale Gebiet und war Besatzungsmacht nicht nur in Deutsch-Südwestafrika (Namibia), sondern auch in Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika (Tansania), im chinesischen Tsingtao und auf Pazifikinseln. Die gewaltvolle Herrschaft der Deutschen führte zu Aufständen und Kriegen. Mit der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg wurden ihre Kolonien dann unter den Siegermächten aufgeteilt.
Deutsche Kolonialvergangenheit Aussöhnungsabkommen mit Namibia vor dem Abschluss
Die jetzt abgeschlossenen Verhandlungen hingen lange Zeit an der heiklen Frage einer finanziellen Entschädigung für koloniale Ausbeutung und Unterdrückung fest. Über lange Strecken muteten sie wie ein Geschacher um Bedingungen und Umstände für die längst überfällige Entschuldigungsgeste Deutschlands an. Die Bundesregierung habe einer „bedingungslosen Entschuldigung“ an die namibische Regierung, ihr Volk und die betroffenen Gemeinden zugestimmt, wolle aber nicht den Begriff „Reparationen“ benutzen, hatte Namibias Präsident Hage Geingob noch im vergangenen August geklagt. Auch der Begriff „Heilung der Wunden“ wurde als unzureichend abgelehnt.
(dpa)
https://www.tagesspiegel.de/


Namibia
Deutschland erkennt Völkermord an

Stand: 28.05.2021 10:49 Uhr
Nach jahrelangen Verhandlungen will sich Deutschland mit seiner früheren Kolonie - dem heutigen Namibia - aussöhnen. Es geht um ein Schuldeingeständnis, eine Bitte um Vergebung - und um einen Milliardenbetrag.Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia erkennt die Bundesregierung die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama als Völkermord an. Die Nachkommen will sie mit einem Milliardenbetrag unterstützen."Als Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde, wollen wir Namibia und die Nachkommen der Opfer mit einem substanziellen Programm in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zum Wiederaufbau und zur Entwicklung unterstützen", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Deutschland will zudem offiziell um Vergebung für die Verbrechen bitten.
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Deutschland erkennt Völkermord im heutigen Namibia an
Michael Stempfle, ARD Berlin, tagesschau 20:00 Uhr
Fast sechsjährige Verhandlungen
Zuvor hatten Delegationen beider Länder nach fast sechsjährigen Verhandlungen eine Einigung über eine gemeinsame politische Erklärung erzielt, der beide Regierungen nun zugestimmt haben. Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia und schlug Aufstände brutal nieder. Historikern zufolge wurden etwa 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 von 20.000 Nama getötet.Die Bundesregierung will in dem Abkommen die Tötung Zehntausender Menschen in der Ex-Kolonie Deutsch-Südwestafrika aus heutiger Sicht als Völkermord einstufen. Eine offizielle Bitte um Vergebung soll Berichten zufolge durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Festakt im namibischen Parlament erfolgen.Bund: Keine rechtlichen Ansprüche auf EntschädigungMit den 1,1 Milliarden Euro sollen über einen Zeitraum von 30 Jahren vor allem Projekte in den Siedlungsgebieten der Herero und Nama gefördert werden. Dabei soll es um Landreform, Landwirtschaft, ländliche Infrastruktur und Wasserversorgung sowie Berufsbildung gehen. Die Bundesregierung betont aber, dass sich aus ihrer Anerkennung des Völkermords und der Gründung des Hilfsfonds keine rechtlichen Ansprüche auf Entschädigung ergeben, sondern dass es um eine politisch-moralische Verpflichtung geht."Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen", sagte Maas. "Unser Ziel war und ist, einen gemeinsamen Weg zu echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden." Die gemeinsame Erklärung muss noch unterzeichnet werden.Maas betonte, dass dies aber keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit bedeute. "Die Anerkennung der Schuld und unsere Bitte um Entschuldigung ist aber ein wichtiger Schritt, um die Verbrechen aufzuarbeiten und gemeinsam die Zukunft zu gestalten", betonte er. Die Verhandlungen wurden von Beauftragten der beiden Regierungen geführt, die Herero und Nama waren aber eng eingebunden.
Deutsche Kolonialverbrechen an Herero und Nama
Anfang des 20. Jahrhunderts ermordeten deutsche Kolonialtruppen Zehntausende Angehörige der Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Historiker bezeichnen diese Gräueltaten als "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts".
Von 1904 bis 1908 hatten sich die Herero aus existenzieller Not heraus gegen die deutsche Kolonialmacht erhoben. Eine rund 15.000 Mann starke Streitmacht unter Generalleutnant Lothar von Trotha schlug die Rebellion der Einheimischen nieder.
Auftakt für den Völkermord war die Schlacht von Ohamakari am 11. August 1904, auch als "Schlacht am Waterberg" bekannt. Dort ließ der deutsche Befehlshaber einen Großteil der Herero-Bevölkerung einkesseln und töten. Zudem ließ er die wasserlose Omaheke-Wüste abriegeln, in die Tausende Herero geflohen waren. Die Flüchtlinge verdursteten. Später gab Trotha den Vernichtungsbefehl: "Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr erschossen."
Insgesamt sollen mindestens 65.000 Menschen umgekommen sein. Im Oktober 1904 erhoben sich auch die Nama gegen die Kolonialherren. Die deutschen Truppen gingen erneut rücksichtslos vor und töteten rund 10.000 Nama. Hinzu kamen Tausende, die in Konzentrationslager gesteckt oder vertrieben wurden.
Deutsch-Südwestafrika war 1884 unter deutsche Kolonialherrschaft gekommen. Diese endete am 9. Juli 1915 mit der Niederlage der deutschen Kolonialtruppen gegen die Armee der Südafrikanischen Union.
"Schritt in die richtige Richtung"Namibias Regierung begrüßte die Anerkennung der deutschen Verbrechen. "Die Anerkennung von Seiten Deutschlands, dass ein Völkermord begangen wurde, ist der erste Schritt in die richtige Richtung", sagte der Sprecher von Präsident Hage Geingob, Alfredo Hengari, der Nachrichtenagentur AFP. Kritik aus der namibischen OppositionAus den Reihen der namibischen Opposition hagelte es indessen Kritik an der Vereinbarung mit Deutschland. Eine Vertreterin der größten Oppositionspartei des südafrikanischen Landes, Popular Democratic Movement (PDM), sprach von einer "Beleidigung" Namibias. Deutschlands Vertreter hätten "nicht in gutem Glauben verhandelt", zitiert die Tageszeitung "The Namibian" die Abgeordnete Inna Hengari. Die Vereinbarung sei zum Nachteil der Nachfahren der Herero und Nama."Wenn Namibia Geld von Deutschland erhält, sollte es an die traditionellen Anführer der betroffenen Gemeinschaften gehen statt an die Regierung", kritisierte eine Vertreterin der Partei Landless People's Movement (LPM). Auch der Oppositionsführer Mike Kavekotora von der Rally for Democracy and Progress (RDP) wirft der Regierung von Präsident Geingob vor, die Nama und Herero in dem Prozess "ausgeschlossen" zu haben: "Ich denke nicht, dass das das Beste ist, was Namibias Regierung von Deutschland hätte bekommen können".Einige Parlamentarier riefen die Opposition dazu auf, den Deal zwischen den beiden Ländern geeint zurückzuweisen. Sie plädieren weiterhin für direkte Reparationen an die Nachfahren der Völkermord-Opfer.

Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. Mai 2021 um 06:00 Uhr in den Nachrichten.
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Germany Formally Acknowledges Colonial Genocide In Namibia, Will Pay Reparations

May 28, 2021 4:21 PM ET
Heard on All Things Considered
Eyder Peralta
Germany apologized to Namibia for a colonial-era slaughter of up to 80,000 people when its troops put down a tribal uprising. It offered $1.3 billion to aid in reconstruction and development.
AUDIE CORNISH, HOST:
Germany today apologized for a genocide - in this case, the slaughter of tens of thousands of people in the African nation of Namibia. The killings came during the colonial era, when German troops stamped out an uprising in Namibia by almost wiping out two tribes. And in France earlier this week, the government admitted to bear some responsibility for the 1994 genocide in Rwanda. Joining us to talk about these developments is NPR Africa correspondent Eyder Peralta. Welcome back.
EYDER PERALTA, BYLINE: Hey. Thank you for having me.
CORNISH: So to start, why did Germany say now was the time for this acknowledgement?
PERALTA: Yeah. I mean, look; this is a long time coming. Germany and the government of Namibia have been negotiating this for five years. But as you alluded to in your intro, there is, you know, quite a bit of introspection happening on the continent of Africa and in Europe. You know, people and governments are trying to come to terms with the brutality of colonialism. You know, critics say that Germany and other European countries are looking at African countries as an emerging market, and that might be the reason for this apology.
CORNISH: I want to come back to what amends might look like, but first, a little bit of the history. What happened during this uprising? When was this?
PERALTA: Yeah, so as you mentioned, it happened more than a hundred years ago, from 1904 to 1908. And Germany was the colonial power in control of Namibia, and there was a rebellion by the Herero and the Nama tribes, and the German government reacted viciously. They took land and cattle. And many Herero and Nama people were taken to concentration camps in the Kalahari Desert, and many of them died of starvation there. In the end, scholars estimate that about 80% of the Herero and Nama people were killed during this period.
CORNISH: What's been the reaction to the government's plans to offer a billion dollars to help reconstruction and development in Namibia as part of this acknowledgement?
PERALTA: Tribal leaders, you know, say that this is a deal between two governments and that it doesn't really solve the big problems. They say that this will not lead to reconciliation. And the big sticking point is that they wanted individual reparations - you know, for example, they wanted the German government to buy land from the people of German descent and then return it to the descendants of the victims of this genocide. You know, activists say that the Herero and the Nama people are living in poor conditions, that they live in crowded, informal settlements. And a redistribution of land, they say - that that could actually lead to a real reconciliation and to a real change in the way that the Herero and the Nama people are living.
CORNISH: Before I let you go, can we talk about France admitting to having responsibility in the 1994 genocide in Rwanda? At that time, 800,000 people were killed. What's being said there?
PERALTA: Yeah, so President Macron stopped short of issuing an apology on behalf of France, but this is still big news. This has been a source of tension between Rwanda and France because President Paul Kagame, who halted the genocide - his forces stopped the genocide - always saw France as being complicit because they stood by the genocidal regime, and like other Western countries, they failed to stop the slaughter of Tutsis. But a lot like what is happening with Germany and Namibia, France ordered an investigation. They opened up their archives. And, you know, they have officially admitted that they bore, quote, "overwhelming responsibility" for the genocide. And this week, the leaders of both countries stood side by side, and they said that this marked a new chapter in their relationship.
CORNISH: And that's NPR's Africa correspondent Eyder Peralta. Thank you.
PERALTA: Thank you, Audie.
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Deutsche Kolonialgeschichte (Beck'sche Reihe) Taschenbuch – 13. Juli 2023

Das deutsche Kolonialreich war nicht groß und währte nur 30 Jahre. Die koloniale Erfahrung hatte jedoch zahlreiche Rückwirkungen auf Deutschland selbst und war dadurch wichtiger, als man lange Zeit meinte. Sebastian Conrad beschreibt in seinem systematischen Überblick, wie die koloniale Ordnung funktionierte, wo sie an ihre Grenzen stieß und wie die einheimischen Gesellschaften auf die Fremdherrschaft reagierten. Gleichzeitig bindet er die Geschichte der Kolonien in den größeren Zusammenhang der Globalisierung ein.




Namibia und Ruanda – Parallelen zwischen zwei Genoziden

28.09.2020
Erstellt von Lara Wiliams
Das Deutsche Reich erhob Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge des Kolonialismus auf dem afrikanischen Kontinent Ansprüche auf Kamerun und Togo, sowie auf Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika. Die beiden letztgenannten Gebiete wurden im 20. Jahrhundert zum Schauplatz brutaler Genozide. Wie konnte es dazu kommen? Was verbindet die beiden Massenverbrechen, die zeitlich und räumlich voneinander getrennt sind?
Der europäische Kolonialismus
Der Europäische Kolonialismus prägte über Jahrhunderte hinweg viele Teile der Erde. Dabei erreichte die europäische Expansion ihren Höhepunkt Ende des 19. Jahrhunderts. In den beherrschten Gebieten setzten die Europäer*innen ihre Lebensstile, Interessen, Wirtschaftsweisen, Regierungsformen und Wertevorstellungen mithilfe wirtschaftlicher Ausbeutung, sozialer und politischer Verwerfungen durch. Als 1884/1885 über die Aufteilung Afrikas entschieden wurde, waren sich die europäischen Vertreter darin einig, die Afrikaner*innen nicht an den Beratungen zu beteiligen, geschweige denn ihre Interessen anzuhören oder gar zu berücksichtigen. In ihrem Denken sahen sie sich den Afrikaner*innen überlegen, die zur selben Zeit etablierte „Rassenlehre“ berechtigte in ihren Augen die ausufernden Verbrechen an der Menschlichkeit[1]. Dieses Denken wurde im Recht konstituiert, welches koloniale Gewalträume eröffnete und deren Existenz wiederum legitimierte. So war die Herrschaft der europäischen Mächte insbesondere durch ihre permanente Androhung und Anwendung von exzessiver Gewalt geprägt: Aufstände wurden brutal niedergeschlagen, Zwangsarbeit war die Norm, Strafexpeditionen und Zwangsumsiedelungen durchgeführt. Der grausame Genozid in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, unter dem deutschen Generalleutnant von Trotha von 1904 bis 1908 an den Herero, Nama und Damara, markierte einen Schlüsselmoment der deutschen Kolonialbesetzung. Der Genozid 1994 in Ruanda durch die Hutu-Milizen und Sicherheitskräfte verübt an den Tutsi und moderaten Hutu in den Nachwehen des Kolonialismus verleiht dem kolonialen Erbe Ausdruck, welches Deutschland und Belgien in dem Land hinterlassen haben. Und auch wenn die beiden Genozide zeitlich fast ein Jahrhundert auseinander liegen, gibt es Parallelen zwischen ihnen. Da beide Schauplätze der Genozide ehemalige deutsche Kolonien waren, sollen sie im Folgenden verglichen werden.
Der Genozid in Namibia
Schon 1884 entschied sich der damalige Reichskanzler, Fürst Otto von Bismarck, in Deutsch-Westafrika eine Siedlerkolonie zu gründen und unter die Obhut des deutschen Reiches zu stellen. Schon bald nachdem sich die ersten deutschen Siedler niedergelassen hatten, begann die teils gewaltsame Enteignung der Bevölkerung von landwirtschaftlich nutzbaren (Weide-) Flächen und Wasserquellen. Über 70 Prozent der Weideflächen fiel an das räuberische Kolonialregime. Als 1897 eine Rinderkrankheit 95 Prozent der Nutztiere das Leben kostete[2], sah sich die Bevölkerung zudem noch gezwungen, um ihr Überleben zu sichern, für die Deutschen unter menschenunwürdigen Konditionen zu arbeiten. Die wachsende Unzufriedenheit eskalierte im Januar 1904 im Aufstand der Herero, der rasch von Gouverneur Theodor Leutwein und seinem Nachfolger von Trotha bekämpft wurde. In der Entscheidungsschlacht im August 1904 kesselten die deutschen Truppen die Herero am Waterberg ein, den Überlebenden der Schlacht blieb nur der Ausweg in die Omaheke-Wüste und damit ins sichere Verderben. Die Besatzer versperrten alle Fluchtwege und trieben die Herero noch tiefer in die tödliche Wüste oder erschossen sie beim Versuch, an die Wasserstellen zu kommen. Nur ein kleinster Bruchteil schaffte es, in das angrenzende heutige Botswana zu fliehen. Insgesamt überlebte nur ein Fünftel der Bevölkerungsgruppe den Genozid. Die Gruppe der Nama lehnte sich wenig später ebenfalls gegen die Fremdherrschaft auf, doch auch sie wurden schließlich im Februar 1909 niedergeschlagen. Insgesamt starben in den fünf Jahren des ersten Völkermordes des 20. Jahrhunderts 95.000 Angehörige der Herero und Nama[3].
Der Genozid in Ruanda
Die Erfahrung kolonialer Herrschaft hat noch immer (tiefe) Folgen für die postkolonialen gesellschaftlichen und politischen Ordnungen. In Namibia beispielsweise, sind die Betroffenen des Genozids nach wie vor politische Minderheit und leiden bis heute unter der Enteignung ihres Landes, Viehs und ihrer Lebensgrundlagen. Noch heute gehören sie zu den ärmsten der Armen. Das Trauma von Fremdherrschaft und Ausbeutung und die damit einhergehenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit beben allerdings nicht nur in Namibia nach. Ersichtlich wurde das Erbe der Kolonialzeit insbesondere im ruandischen Genozid, der sich aus den rassistisch begründeten sozialen Kategorien, die die Kolonialherren zur Organisation ihrer Herrschaft eingeführt und genutzt hatten, entwickelte. Zuvor gab es jahrhundertelang währende gemeinsame Traditionen und Bindungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die friedlich nebeneinander lebten. Sie teilten Sprache (Kinyarwanda) und Religion und bildeten eine gemeinsame Nationalkultur. Ursprünglich lag ihr Unterschied in der Zugehörigkeit zu Sozialkategorien, welche sich am Besitzverhältnis an Rindern orientierte. Dabei gehörten solche, die in Besitz mehrerer Rinder, dem Symbol für wirtschaftliche Kraft und Status, waren, den Tutsi an, Besitzer*innen nur weniger Rinder den Hutu und rinderlose Jäger und Sammler der Gruppe der Twa an. Durch Anhäufung/Verlust von Rindern war ein Statuswechsel der Menschen möglich. Erst die deutschen Kolonialherren und Forscher schufen aus den sozialen Kategorien Ethnien. Ihrer Interpretation nach waren Tutsi die Angehörigen einer „höher entwickelten“ Bevölkerungsgruppe. Sie sei aus Äthiopien eingewandert und besäße „rassische Merkmale“ die besser für Führungsaufgaben geeignet sei als die Hutu-Mehrheit[4]. Auf diese Weise zementierten die Deutschen nach dem Prinzip der „indirekten Herrschaft“ die Tutsi-Aristokratie[5]. Belgische Kolonialherren übernahmen 1916 diese rassistisch begründete, ethnisch orientierte Ungleichbehandlung der Gruppen und setzten die Kennzeichnung ihrer Gruppenzugehörigkeit auf den Personalpapieren durch. Somit war das bisher durchlässige Schichtensystem unwiderruflich festgeschrieben. Die Handlungen der Deutschen und Belgier führte zur Spaltung der dominierenden Tutsi-Minderheit und der unterdrückten Hutu-Mehrheit. Diese blieb auch für die neuen Machthaber nach Ende der Besetzung durch die Kolonialmächte handlungsleitend. Schon zwischen 1959 und 1961 veranlassten die ersten Hutu-Aufstände die Flucht von rund 150.000 Tutsi in die Nachbarländer. Als Ruanda 1962 seine Unabhängigkeit von Belgien gewann, fiel es unter die Hand einer Hutu-Regierung, weitere Tausende Tutsi ergriffen die Flucht. Dagebliebene wurden systematisch unterdrückt. Frankreich hatte eine problematische Nähe zur neuen Regierung, beispielsweise wurde die ruandische Armee von französischen Militärvertretern trainiert. Am 6. April 1994 wurde das Flugzeug des Präsidenten Habyarimana von Unbekannten abgeschossen, bereits eine halbe Stunde später begann die etwa 100 Tage andauernde Ermordung von fast einer Million Menschen. Erst als im Juli der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) die Machtübernahme gelang, endete das schreckliche Blutvergießen.
Konsequenzen der Genozide
Beide schrecklichen Genozide wurden von den europäischen Mächten oder der UN nicht verhindert. Die Regierung des Deutschen Reiches nahm in Deutsch-Südwest-Afrika das Morden in Kauf und das spätere Deutschland tat trotz seiner kolonialen Verbindungen zu Ruanda wenig, um den Massenverbrechen entgegen zu wirken. Als aktiver Täter im Genozid an den Herero und Nama und als Mitpräger der Wurzeln des Genozids in Ruanda durch seine kolonialen Konstruktionen, hat die ehemalige Kolonialmacht Schuld auf sich geladen, die es bis heute gilt, aufzuarbeiten. Beides blieb bislang (fast) ohne rechtliche Konsequenzen.
Im Fall von Namibia veranlasste die Reichsregierung erst zum 1. Dezember 1905 die Aufhebung des Trothaschen Befehls, unschuldige und wehrlose Frauen und Kinder durch Schüsse in die Wüste zu treiben und ihre Männer zu erschießen. 100 Jahre nach dem Grauen, 2004, entschuldigte sich die damalige SPD-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul informell für den „Völkermord“, dessen Terminus bislang penibel vermieden wurde[6]. Erst im Jahr 2016, über ein Jahrhundert nach dem Massenverbrechen, erkannte Deutschland die Verbrechen in Namibia offiziell als Völkermord an. Seitdem setzt sich u. a. die KASA auch für eine offizielle Entschuldigung der deutschen Bundesregierung an die Nachfahren der Herero und Nama ein und fordert die schnellstmögliche Rückgabe der kulturellen Schätze und der verschleppten menschlichen Überreste der Kolonisierten sowie Wiedergutmachungszahlungen[7]. Ein Entschädigungsangebot Deutschlands in Höhe von 10 Millionen Euro für die Verbrechen in der Kolonialzeit wurde im August 2020 von Namibia abgelehnt[8].
Im Fall von Ruanda wurde Deutschland schon 1991 durch den in Ruanda lebenden deutschen Pfarrer Jörg Zimmermann vor den großen Spannungen und einer baldigen Eskalation in regelmäßigen Rundbriefen an mehrere hunderte Adressaten, gewarnt. Auch Reinhard Bolz, Mitarbeitender der GTZ (heute GIZ) als Regierungsberater in Ruanda, warnte die deutsche Botschaft und das Entwicklungsministerium (BMZ) vor einer drohenden Katastrophe. Ebenfalls warnten Hilfsorganisationen und Angehörige der Bundeswehr. Allerdings wurden in den Botschaftsunterlagen keinerlei Informationen über die drohende Gefahr vermerkt und keinerlei Konsequenzen gezogen. Noch immer gibt es keine breite Aufarbeitung der Vorkommnisse in Ruanda von offizieller deutscher Seite, geschweige denn eine Entschuldigung[9].

Dass es Deutschland so schwerfällt, mit der eigenen Geschichte und Kolonialzeit umzugehen, ist vor allem nach dem Eingeständnis des Holocaust verwunderlich. Allerdings scheint es, als hätten die Verbrechen des Dritten Reiches die Erinnerungen an die Zeit als Kolonialmacht überlagert. Zudem spielt die frühe erzwungene Aufgabe der Kolonien 1919 durch den Versailler Vertrag eine Rolle in der Wahrnehmung, dass Deutschland kurz Kolonialmacht war und entsprechend auch weniger verantwortlich für die kolonialen Verbrechen[10]. Allerdings bleibt die Aufarbeitung der Kolonialzeit im Sinne von historischem Anstand, im Vorgehen gegen rassistische Ansichten und gegen Nachwirkungen des Kolonialismus etwa in Wirtschaftsstrukturen unentbehrlich.
Gemein ist den beiden Genoziden nicht nur die grausame, ausufernde Gewalt, ihr kolonialer Kontext als Kolonie oder ehemalige Kolonie, sowie ihre fehlende oder nur unzulängliche Aufarbeitung, sondern auch die Situation in den Ländern und der Bevölkerung, die die Genozide hinterlassen hat. Denn die Gräueltaten haben ihre Spuren hinterlassen.
Im damaligen Süd-Westafrika wurden die traditionellen sozialen Strukturen aufgehoben, sämtliche Viehbestände und Weideland konfisziert, die übrig gebliebene Bevölkerung der Armut überlassen, von den Kolonialherren vergewaltigte Frauen brachten deren Kinder auf die Welt und bis heute konnten sich die Herero weder politisch noch wirtschaftlich vollständig erholen[11]. Viele damals geflohene Herero und Nama leben noch immer in Südafrika und Botswana. Noch 116 Jahre später spüren die Nachfahren der Opfer den Schmerz. Jährlich gedenken die Herero der Opfer am Hererotag und am Heroes day und bemühen sich seit Jahrzehnten um die offizielle Anerkennung der Verbrechen als Genozid durch die Vereinten Nationen.
In Ruanda destabilisierte der Völkermord die gesamte Große-Seen-Region, zwei Millionen Ruander*innen flohen aus dem Land, viele im Genozid vergewaltigte Mädchen und Frauen wurden durch die sexuellen Gewalttaten Mütter (in hoher Prozentsatz darunter ist HIV-positiv), ca. 50.000 Haushalte wurden ohne Erwachsene und ohne regelmäßiges Einkommen geführt, 160.000 Kinder waren zu Waisen geworden, Millionen Menschen waren (und sind noch) traumatisiert[12]. Seit 1995 gibt es viele Gedenkstätten zur Erinnerung an den Völkermord und jährlich findet eine nationale Gedenkwoche mit kollektiven Trauerveranstaltungen statt. Ruandas Regierung bemüht sich um eine Politik des Wiederaufbaus, der Einheit des ruandischen Volkes und der Versöhnung.
Der Weg nach vorne
Über Generationen hinweg vererbte Traumata aus der Kolonialzeit und nachkolonialen Entwicklungen sitzen beiden Bevölkerungen noch tief in den Knochen. Es wird Zeit, dass Deutschland für seine vergangenen Verbrechen einsteht, damit Namibier*innen wie auch Ruander*innen endlich Gerechtigkeit erfahren können. Aber auch die Vereinten Nationen, Frankreich und Belgien sollten im Fall von Ruanda eine deutliche Entschuldigung aussprechen. Belgien wegen seiner unrühmlichen Beteiligung an der Spaltung der angeblichen „Ethnien“, und Frankreich wegen seiner Unterstützung des Hutu-Regimes u.a. mit Waffen und die Taten seiner „Opération Turquoise“, durch deren Errichtung sicherer Zonen viele Génocidaires fliehen und an Ausstattung kommen konnten[13]. Ehemaliger Präsident Mitterand wurde zudem schon vor dessen Ausbruch vor einem Völkermord gewarnt, blieb jedoch untätig und unterstützte weiter das ehemalige Regime[14]. Eine Schlüsselfigur in der Organisation des Genozids spielte Habyarimanas Witwe, die bis heute unbehelligt in Frankreich lebt.
Die damaligen Kolonialmächte sollten für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden und aus ihren Fehlern lernen – damit Massenverbrechen wie in Ruanda oder Namibia niemals wieder geschehen.
[1] Bpb: Europa zwischen Kolonialismus und Dekolonialisierung
[3] https://www.genocide-alert.de/projekte/deutschland-und-massenverbrechen/herero-und-nama/
[4] https://www.liportal.de/ruanda/geschichte-staat/
[5] https://www.deutschlandfunk.de/vergessenes-kapitel-kolonialgeschichte.730.de.html?dram:article_id=102713
[6] https://www.spiegel.de/politik/ausland/wieczorek-zeul-in-namibia-deutschland-entschuldigt-sich-fuer-kolonialverbrechen-a-313373.html
[7] https://www.kasa.de/aktuell/detail/erklaerung-des-bundesweiten-netzwerks-zur-dekolonisierung-der-erinnerungskultur/
[8] https://www.tagesschau.de/ausland/namibia-kolonialzeit-entschaedigung-101.html
[9] https://www.dw.com/de/blind-und-taub-deutschlands-rolle-beim-genozid-in-ruanda/a-18518886
[10] https://www.zeit.de/wissen/geschichte/2016-07/voelkermord-herero-deutschland-kolonialismus-namibia/komplettansicht
[11] https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/namibia-bedauern-ohne-zu-bezahlen
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_in_Ruanda#Folgen
[13] https://www.sueddeutsche.de/politik/voelkermord-in-ruanda-blutige-spur-in-den-elysee-palast-1.3592390
[14] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/frankreichs-rolle-kritik-an-der-historikerkommission-zu-ruanda-16146295.html
Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika
https://www.kasa.de/


Koloniale Vergangenheit holt Deutschland ein

Mehr als 100 Jahre nach dem Ende des deutschen Kolonialreichs wächst der Druck auf die Bundesregierung: Neben Namibia verlangen nun auch Tansania und Burundi Reparationen für die von Deutschen begangenen Verbrechen.
Datum 27.08.2020
Autorin/Autor Antonio Cascais
Mehrere Gräueltaten aus den 1900er-Jahren holen das Deutschland der Gegenwart gerade ein: Namibia verhandelt bereits seit 2015 mit Deutschland über Reparationen wegen des Völkermords an den Volksgruppen der Herero und Nama. Tansania wirft deutschen Truppen Kriegsverbrechen bei der Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstands vor und will Entschädigungen verlangen.
Jetzt will auch Burundi Forderungen wegen verschiedener "Aggressionen" seitens der deutschen und belgischen Kolonialherren erheben. "Es scheint, als ob die Regierung in Berlin von den Forderungen überrascht worden sei, dabei war das schon lange abzusehen, dass man dieses wichtige Kapitel nicht unter dem Teppich schieben kann", sagt Jürgen Zimmerer, Professor für die Geschichte Afrikas an der Universität Hamburg. Einerseits habe sich Deutschland hohe moralische Ansprüche auferlegt, was die Aufarbeitung der eigenen Geschichte angeht. Andererseits stehe man jetzt tatenlos vor den kolonialen Verbrechen in Afrika und wolle keine richtige Antwort geben.

Genozide, Kriegsverbrechen und Raubzüge
Deutschland war zwischen 1885 und 1919 die drittgrößte europäische Kolonialmacht in Afrika, hinter dem Vereinigten Königreich und Frankreich. Das deutsche Kaiserreich herrschte über Deutsch-Südwestafrika (das heutige Namibia), Deutsch-Ostafrika (das das Staatsgebiet der heutigen Staaten Burundi, Ruanda sowie Tansania ohne die Insel Sansibar umfasste), sowie über Gebiete in den heutigen Staaten Togo, Ghana und Kamerun. Das Imperium überdauerte nur etwas mehr als drei Jahrzehnte: Im Zuge des verlorenen Ersten Weltkriegs musste das Deutsche Reich seine Kolonien an die Siegermächte abtreten.
Illustration | Hauptmann Franke Im Kampf Gegen Die Hereros
Diese Illustration von 1904 trägt den Titel "Hauptmann Franke im Kampf gegen die Hereros"
"Obwohl es eine kurze Periode war, war das deutsche Kolonialsystem sehr einschneidend", sagt Historiker Zimmerer. "Die Kolonien mussten de facto überall erobert werden, weil es überall zu Widerstandsaktionen kam, die von deutscher Seite brutal niedergeschlagen wurden." Die blutigsten Aufstände waren 1905-1907 der Maji-Maji-Aufstand in Ostafrika, bei dessen Niederschlagung nach Schätzungen von Historikern bis zu 300.000 Menschen getötet wurden, und 1904-1908 der Aufstand der Herero und Nama in Südwestafrika, bei dem es zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts mit 80.000 Toten kam.
Namibia: "Reparationen" oder "Heilung der Wunden"?
Offiziell verhandelt Deutschland nun schon seit gut fünf Jahren mit Namibia über eine förmliche Entschuldigung für die Kolonialverbrechen sowie über Wiedergutmachungszahlungen. Uneinigkeit besteht vor allem darüber, welche Form - und welches Label - eine Wiedergutmachung für Niederschlagung der Herero- und Nama-Aufstände haben soll. Vertreter der Herero und Nama verlangen vom Bundestag neben einer Entschuldigung auch "Reparationszahlungen".
Deutschland Rückgabe sterblicher Überreste aus Deutscher Kolonialzeit
Regierungsvertreterinnen Deutschlands und Namibias bei einer Übergabe von Gebeinen 2018
Ruprecht Polenz, seit 2015 Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Dialog mit Namibia, stellt im DW-Interview klar: "Deutschland möchte sich seiner politischen und moralischen Verantwortung für die Verbrechen stellen, die zwischen 1904 und 1908 begangen worden sind." Es sei aber aus Sicht der Bundesregierung keine Rechtsfrage. "Das haben auch Gerichte mehrfach festgestellt, die von Teilen der Herero und Nama angerufen worden sind. Es ist eine politisch-moralische Frage und daraus folgt, dass wir in den Texten und Erklärungen Begriffe wählen, die das zum Ausdruck bringen und keine Begriffe, die in einem engeren Sinne Rechtsbegriffe sind." Deutschland wolle sich lieber heute als morgen für diese Verbrechen entschuldigen, sagt Rupert Polenz im DW-Interview.
Burundi: Aggressionen und ökonomische Unterdrückung
Infolge der laufenden Gespräche zwischen Deutschland und Namibia hat auch Burundi einen Vorstoß gemacht, Entschädigung von Berlin für in der Kolonialzeit begangene Verbrechen zu verlangen. Eine vom burundischen Senat ernannte Expertengruppe bereitet die Veröffentlichung eines Berichts vor. Berichten zufolge sollen finanzielle Wiedergutmachungen in Höhe von circa 36 Milliarden Euro von den früheren Kolonialmächten Deutschland und Belgien verlangt werden.
Der burundische Historiker Aloys Batungwanayo, Professor an der Universität Lausanne und Mitglied der burundischen Expertenkommission, hält es für gerechtfertigt, dass Deutschland Burundi eine Entschädigung für "deutsche Aggressionen" in Burundi zahlt: "Wir werfen Deutschland brutale Aggressionen gegen die burundische Bevölkerung vor." Deutschland habe Burundi militärisch unterworfen. Jetzt, 100 Jahre später, gehe es vor allem darum, "dass Deutschland akzeptiert, dass es notwendig ist, die Konsequenzen seiner Kolonialpolitik lückenlos zu erforschen und eine Lösung zu finden, wie beide Seiten in Zukunft damit umgehen sollen."
Tansania: Gedenken an die Opfer des Maji-Maji-Aufstands
Auch Tansania erhöht den Druck auf die Bundesregierung, Verantwortung für deutsche Kriegsverbrechen während der Kolonialzeit in Ostafrika zu übernehmen. Der tansanische Botschafter in Berlin, Abdallah Possi, forderte die Bundesregierung Anfang 2020 zu "Verhandlungen über Wiedergutmachungen" für Verbrechen während der deutschen Kolonialzeit in Ostafrika auf - darunter Massaker an verschiedenen einheimischen Bevölkerungsgruppen, die sich mit unterlegenen Waffen im Maji-Maji-Aufstand gegen die Besatzer wehrten.
Skelett Brachiosaurus im Naturkundemuseum
Dieses Brachiosaurus-Skelett wurde im heutigen Tansania gefunden - trotzdem steht es in Berlin
Achilles Bufure, Direktor des tansanischen Nationalmuseums in Daressalam sagt im DW-Gespräch, es sei überaus wichtig, dass die Regierung seines Landes bald beginne, über Reparationszahlungen für die deutschen Kriegsverbrechen zu verhandeln. Als Museumsdirektor gehe es ihm aber auch um ein anderes wichtiges Thema: Die Rückgabe unzähliger gestohlener Kunstobjekte und Kulturgüter. "Es wäre ein sehr gutes, erstes Zeichen, wenn zum Beispiel das große Dinosaurier-Skelett, das im Deutschen Naturkundemuseum in Berlin ausgestellt ist, bald an den ursprünglichen Fundort Tansania zurückkäme."
Die tansanische Regierung plant, zahllose Objekte und menschliche Überreste zurückzufordern, die in deutschen Museen liegen. Aus der Kolonie waren zahllose Schädel und Knochen nach Deutschland gebracht worden. Viele der Knochen und Kulturobjekte gehörten Menschen, die sich im Maji-Maji-Krieg gegen Deutschland aufgelehnt hatten.
Mitarbeit: Eric Topona
https://www.dw.com/


BURUNDI

By Kizzi Asala
Last updated: 27.08.2020
43 billion US dollars is the financial compensation being requested by Burundi - by way of the president of the Senate, Reverien Ndikuriyo, from former colonisers Germany and Belgium. Financial reparations together with a public apology as a way to atone for the list of crimes against their humanity. Amongst others, "forced labour, cruel, inhumane and degrading punishment" such as whipping and prison - inflicted on the population during the colonial period between 1896 and 1962.
The nation, now led by President Évariste Ndashyimiye, is also demanding that its stolen objects be returned their archives
Financial compensation to atone for colonial crimes
In 2018, the Burundian Senate appointed a group of experts including historians and anthropologists to assess the impact of colonialism on its soil. Aloys Batungwanayo, a Burundian Historian and Researcher at the University of Lausanne briefly explains the nation’s position, "The continuity of the state requires that the leaders of the Kingdom of Belgium today recognise and ask forgiveness for the crimes committed in Burundi, and there must be a restitution of the archives."
Similar requests for reparations were already made in late July by the Burundian parliament at a "retreat" held in Gitega.
A centuries-old kingdom in the Great Lakes region, Burundi was a former German colony from 1890 before being placed under Belgian trusteeship after World War I until its independence from Rwanda in July 1962.
https://www.africanews.com/


Burundi verlangt Reparationen
Ostafrikanisches Land will von Belgien und BRD Kompensation für Folgen der Kolonialherrschaft

19.08.2020 / Ausland / Seite 7
Christian Selz
Welchen Schaden hat die Kolonialherrschaft europäischer Staaten in afrikanischen Ländern angerichtet – und wie lässt dieser sich heute bemessen? In Burundi, einem Kleinstaat am Tanganjikasee in Ostafrika, geht dieser Frage seit 2018 eine vom Senat eingesetzte Kommission aus Historikern und Anthropologen nach. Auf Grundlage ihrer Untersuchungen verlangt das Land nun von den ehemaligen Kolonialmächten Deutschland und Belgien Reparationszahlungen. Einem Bericht der englischsprachigen Nachrichtenagentur Bloomberg vom Freitag zufolge belaufen sich die Forderungen auf insgesamt 43 Milliarden US-Dollar (36 Milliarden Euro).
Neben finanzieller Wiedergutmachung drängte Senatspräsident Révérien Ndikuriyo am Donnerstag in der Hauptstadt Gitega zudem auf Rückgabe von Archivmaterialien und gestohlenen Objekten. Bloomberg zitiert den Historiker Aloys Batungwanayo, der auf die gesellschaftlichen Auswirkungen der von den Kolonialmächten forcierten Unterteilung der Mensch...
Artikel-Länge: 4055 Zeichen
https://www.jungewelt.de/


Burundi fordert Reparationen von BRD und Belgien

ONLINE EXTRA
14.08.2020, 19:23:11 / AUSLAND

Evariste Ndayishimiye, Präsident von Burundi (Gitega, 26.6.2020)
Gitega. Burundi fordert von Belgien und Deutschland 43 Milliarden Dollar als Wiedergutmachung für den Schaden, der während der jahrzehntelangen Kolonialherrschaft über die ostafrikanische Nation angerichtet wurde. Das berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Freitag. Der Schritt folgt ähnlichen Forderungen nach Entschädigung durch die Demokratische Republik Kongo, nachdem der belgische König Philippe im Juni sein »tiefstes Bedauern« über die koloniale Vergangenheit seiner Nation im Kongo zum Ausdruck gebracht hatte.
Burundi fordert von Belgien und der Bundesrepublik auch, Archivmaterial und Objekte zurückgeben, die zwischen 1899 und 1962 gestohlen wurden, sagte Senatspräsidentin Reverien Ndikuriyo dem Bericht zufolge am Donnerstag vor Senatoren in der Hauptstadt Gitega. Im Jahr 2018 setzte der Senat ein Gremium aus Historikern und Anthropologen ein, das die Auswirkungen des Kolonialismus in der Nation untersuchen soll. (jW)
https://www.jungewelt.de/


Burundi 'to demand billions' from Germany for colonial rule

POLITICS AFRICA
16.08.2020 August 16, 2020
The East African country is a former German colony and lived under Belgian rule until gaining independence almost 60 years ago. A report says its leaders plan to ask the two ex-rulers to pay damages — and not just cash.
Burundi wants Germany and Belgium to pay €36 billion ($42.6 billion) in reparations for colonial rule, media reports published on Sunday said.
The country's senate has put together a panel of experts to assess the damage done during colonialism and advise on the cost of damages, according to Radio France International.
The broadcaster said that once the amount has been decided, Burundi plans to send these recommendations to the German and Belgium governments.
The country also intends to demand the European countries return stolen historical artifacts and archive material.
From 1890, Germany colonized Burundi, which became part of German East Africa. After WWI, the country was ruled by Belgium, until it gained its independence in 1962.
Read more: Burundi: Coronavirus prompts timid steps for a break with the past
Colonial legacy
During the colonial era, the ruling powers strengthened the divide between the Hutu and Tutsi groups.
This contributed to deadly ethnic conflict between them in the 1970s and then another civil war for 12 years from 1993, which killed some 300,000 people.
The Belgium government carried out a program of kidnapping biracial children from Burundi and then Belgium Congo during the 1940s and 50s.
Belgium officially apologized for this in 2009.
Read more: Germany's colonial era brought to light amid global protest
Germany to apologize to Namibia
02:25
Facing up to past crimes
Although less well-known than other colonial powers, Germany was at one time the fourth-largest colonial power in the world.
In addition to German East Africa, which was made up of present-day Rwanda and parts of Tanzania in addition to Burundi, Germany had territories in what is now Ghana and Namibia and elsewhere.
The German government has been in talks since 2015 with Namibia — the country wants both financial reparations and an official apology from Germany for losses sustained and crimes committed during its colonial rule.
Belgium is planning to set up a panel of experts to advise its administration on how to deal with its colonial history.
kmm/mm (KNA, epd)
https://www.dw.com/


Wiedergutmachung für Kolonialzeit"Nicht akzeptabel": Namibia lehnt millionenschweres Entschädigungsangebot Deutschlands ab

Donnerstag, 13.08.2020, 13:37
Namibia hat ein Entschädigungsangebot Deutschlands bei den Verhandlungen zur Aufarbeitung der Kolonialzeit abgelehnt. Das Angebot der Bundesregierung, zehn Millionen Euro als Wiedergutmachung zu zahlen, sei für Präsident Hage Geingob weiter "nicht akzeptabel", zitierte die Zeitung "The Namibian" am Dienstag den Berater des Präsidenten, Alfredo Hengari.
Geingob selbst twitterte, er sei über den Stand der Gespräche informiert worden und habe empfohlen, die Verhandlungen fortzusetzen. "Wir bleiben beim Abschluss dieser Schlüsselmission konsequent", schrieb er.
Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia und schlug damals die Aufstände von zwei Volksgruppen brutal nieder. Historikern zufolge wurden etwa 65.000 der 80.000 Herero und mindestens 10.000 der 20.000 Nama getötet. Seit Jahren verhandeln beide Regierungen darüber, wie eine Wiedergutmachung aussehen soll.
"Bedingungslose Entschuldigung"
Zur Zeit wird die Aufarbeitung der Kolonialzeit in Namibia - der ehemals deutschen Kolonie Südwestafrika - auch durch die Coronakrise beeinträchtigt. Vertreter der Herero und Nama verlangen vom Bundestag eine Entschuldigung für zur Kolonialzeit begangenen Verbrechen sowie eine finanzielle Wiedergutmachung.
Hengari sagte der Zeitung zufolge, die deutsche Regierung habe zugestimmt, eine "bedingungslose Entschuldigung" an die namibische Regierung, ihr Volk und die betroffenen Gemeinden zu richten. Allerdings wolle Deutschland nicht den Begriff "Reparationen" benutzen. Stattdessen wolle man von "Heilung der Wunden" sprechen. Das namibische Verhandlungsteam halte diesen Begriff aber für unzureichend.
https://www.focus.de/


WIEDERGUTMACHUNG
Kommentar: Zehn Millionen für deutsche Kolonialverbrechen in Namibia?

Angeblich stehen die Verhandlungen über eine Entschädigung für den Völkermord an Herero und Nama kurz vor dem Abschluss. Doch aus dem namibischen Präsidialbüro kommen verstörende Zitate und Zahlen, meint Claus Stäcker.
Datum 13.08.2020
Autorin/Autor Claus Stäcker
Detail des Denkmals zur Erinnerung an den Völkermord an den Herero und Nama in Windhuk
Da stand sie plötzlich im Raum, diese Zahl: zehn Millionen Euro. Zehn Millionen für einen Genozid. Verbreitet über nächtliche Agenturen, die sich auf die namibische Zeitung The Namibian beriefen. Die wiederum einen Sprecher des Präsidenten Hage Geingob zitierte, der sich seinerseits auf eine Rede seines Vorgesetzten bezog, die der Präsident bereits Anfang Juni gehalten hatte. Das deutsche Entschädigungsangebot für die Verbrechen in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika sei inakzeptabel, schob er nach, "eine Beleidigung für Namibia".
Tatsächlich ist die Summe so beschämend niedrig, dass sie Deutschland wohl jegliche Ernsthaftigkeit einer - Vorsicht: rhetorische Falle - Wiedergutmachung absprechen würde. Zehn Millionen Euro können nicht wirklich das Ergebnis fünfjähriger, wenn auch mehrfach unterbrochener Verhandlungen sein.
"Ich weiß nicht, wo diese Zahl herkommt"
Gemeinhin ist der mit der Schlacht am Waterberg vor genau 116 Jahren eingeläutete Massenmord an Hereros und Namas als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts anerkannt - auch wenn die Details der Vernichtung und die Opferzahlen schwanken, sie hier und da auch instrumentalisiert werden. An dem Faktum gibt es nichts zu deuteln und zu beschönigen - und ein Verhandlungsabschluss wie eine offizielle Entschuldigung sind überfällig.
Stäcker Claus Kommentarbild App
Claus Stäcker leitet die Afrika-Programme der DW
Schon 2015 hatte der deutsche Verhandlungsführer, der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, eine Einigung bis zum Ende der damaligen Legislaturperiode in Aussicht gestellt, also 2017. Inzwischen wird über einen Abschluss 2021 spekuliert. Weil aber Stillschweigen über die Verhandlungen vereinbart ist, steht die Zahl zehn Millionen seit Monaten unwidersprochen im Raum. Mehr als ein "Ich weiß nicht, wo diese Zahl herkommt", lässt sich Verhandlungsführer Polenz im DW-Interview nicht entlocken.
Aus gut informierten Quellen hört man, dass die veranschlagte Summe weitaus höher sein wird, dass sie zweckgebunden in Gesundheits-, Bildungs- und Infrastrukturprojekte fließen soll. Möglichst in Regionen, die damals besonders hart betroffen gewesen seien. Erst am Ende soll eine offizielle Bitte um Entschuldigung stehen, ausgesprochen möglichst vom Bundespräsidenten und vor Ort. Und die natürlich die Namibier annehmen müssen.
Deutschland in Erklärungsnot
Diese messen die Ernsthaftigkeit der deutschen Absichten aber auch am Verhandlungsergebnis, sprich der konkreten Summe. Da hilft auch nicht die Tatsache, dass Namibia der größte Pro-Kopf-Empfänger von Entwicklungshilfe in Afrika ist und seit der Unabhängigkeit 1990 fast eine Milliarde Euro nach Namibia geflossen ist.
Deutschland ist in Erklärungsnot, und Namibias Präsident Geingob weiß das politisch zu nutzen. Umso kleinlicher wirkt da der Streit um Begrifflichkeiten: So vermeidet die deutsche Seite hartnäckig den justiziablen Ausdruck "Entschädigung" - also reparations - und spricht lieber blumig von "Heilung der Wunden in der gemeinsamen Geschichte", was wiederum die Namibier erzürnt. Denn für sie geht es genau auch darum: eine materielle Entschädigung, die deutlich höher ausfallen muss als zehn Millionen Euro. Und das wird sie auch - das ist sicher auch der Bundesregierung und ihren Unterhändlern sehr bewusst.
https://www.dw.com/


Die Deutschen und ihre Kolonien Gebundene Ausgabe – 17. März 2022

Zwischen 1884 und 1914 besaß Deutschland ein Kolonialreich, das von Togo in Westafrika bis zu den Inseln Samoas im Pazifik reichte. Dieses Buch bietet einen kenntnisreichen und allgemeinverständlichen Überblick über die kurze, aber folgenreiche deutsche Kolonialzeit. Es informiert über die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen und Nachwirkungen, vor allem aber über den »kolonialen Alltag« und das Zusammenleben von Deutschen und Einheimischen, das keineswegs nur von Widerstand und Gewalt geprägt war. Im Fokus stehen unter anderem das Wirken von Verwaltung, Justiz und Militär, die christliche Mission, die Rolle der Frauen, der Rassismus, die Hoffnungen und Träume nach dem Verlust des Kolonialreichs – aber auch der heutige Umgang mit diesem Teil der deutschen Geschichte. Dritte, erweiterte Auflage – mit über 70 Abbildungen und Karten.


Kolonialzeit-Entschädigung

Namibia lehnt deutsches Angebot ab

Stand: 12.08.2020 06:49 Uhr
Zehn Millionen Euro als Wiedergutmachung - dieses Angebot Deutschlands als Wiedergutmachung für Verbrechen in der Kolonialzeit ist für Namibias Regierung inakzeptabel. Grund ist offenbar nicht das Geld allein.Namibia hat ein Entschädigungsangebot Deutschlands bei den Verhandlungen zur Aufarbeitung der Kolonialzeit abgelehnt. Zehn Millionen Euro als Wiedergutmachung zu zahlen, sei für Präsident Hage Geingob weiter "nicht akzeptabel", zitierte die Zeitung "The Namibian" den Berater des Präsidenten, Alfredo Hengari.Geingob selbst twitterte, er sei über den Stand der Gespräche informiert worden und habe empfohlen, die Verhandlungen fortzusetzen. "Wir bleiben beim Abschluss dieser Schlüsselmission konsequent", schrieb er.
Entschädigung oder Reparation?Strittig ist unter anderem die Bezeichnung der Entschädigungen als Reparationen. Geingob erklärte, die Bundesregierung lehne die Verwendung des Begriffs weiterhin mit der Begründung ab, dass dieser auch bei den Verhandlungen Berlins mit der israelischen Regierung über Wiedergutmachungen für Holocaust-Opfer vermieden worden sei. Einen von der Bundesregierung vorgeschlagenen Alternativbegriff lehnte wiederum Geingob ab. Die Terminologie werde daher weiter Gegenstand der Verhandlungen bleiben, erklärte Namibias Staatschef.Berlin und Windhoek verhandeln seit 2015 über eine Vereinbarung, die neben einer offiziellen Entschuldigung Deutschlands für die Kolonialverbrechen auch Zusagen für Entwicklungshilfen enthalten soll.Historiker sprechen von VölkermordZwischen 1904 und 1908 waren unter der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia Zehntausende Angehörige der Volksgruppen Herero und Nama durch deutsche Truppen getötet worden. Historiker bewerten die Massaker als ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Deutschland hat eingeräumt, dass es während der Kolonialherrschaft Gräueltaten gegeben hat. Eine offizielle Entschuldigung oder eine Entschädigung dafür gibt es bisher aber nicht.
Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. August 2020 um 08:30 Uhr.
https://www.tagesschau.de/

Kein Platz an der Sonne: Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte

Namibia gehört heute zu den beliebtesten Fernreisezielen der Deutschen - vielleicht auch deshalb, weil es einst als "Deutsch-Südwestafrika" Kolonie war. Die Erfahrung von Tourismus und Globalisierung rückte in den vergangenen Jahren den europäischen Kolonialismus, der auch die deutsche Geschichte weit stärker als gemeinhin angenommen prägte, ins allgemeine Bewusstsein. Das Buch legt eine Bilanz der Spurensuche nach Erinnerungsorten der oft unrühmlichen deutschen Kolonialgeschichte vor. In 30 leicht verständlich geschriebenen Einzelbeiträgen präsentiert es Personen, Institutionen, Ereignisse und Vorstellungswelten. Albert Schweitzers Hospital Lambaréné, Hagenbecks Tierpark und die "Hunnenrede" Kaiser Wilhelms II. zählen hierzu ebenso wie der Berg Kilimandscharo, den der Deutsche Hans Meyer als erster Europäer bestieg, Bernhard Grzimeks Film "Serengeti darf nicht sterben" oder der "Sarotti-Mohr". Ein unentbehrliches Buch für alle, die am deutschen Kolonialismus und am deutschen kollektiven Gedächtnis interessiert sind.


Deutschlands koloniale Schuld und der Kampf um Wiedergutmachung

Deutschlands koloniale Vergangenheit ist bis heute ein blinder Fleck. Die Bundesregierung hat Reparationszahlungen an die Opfer des deutschen Kolonialismus bislang abgelehnt. Können die derzeitigen Proteste das ändern?
29.06.2020
Von Maresi Starzmann
Deutschland gilt als Weltmeister des Erinnerns. So wird das »deutsche Modell« und der verantwortungsvolle Umgang mit den Verbrechen der NS-Zeit weithin als vorbildlich angesehen. Umso erstaunlicher ist es, dass ein Land, das sich so gründlich mit einem traumatischen Kapitel seiner Geschichte auseinandergesetzt hat, ein anderes schmerzhaftes Kapitel kaum thematisiert: das Erbe des deutschen Kolonialismus. Wiederholten Versuchen von Opferverbänden, Bürgerinneninitiativen oder parlamentarischen Gruppen, eine Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit zu initiieren, wurde meist mit leeren Versprechungen, Schweigen oder gar offener Ablehnung begegnet.
Mit der jüngsten Welle an antirassistischen Protesten ausgelöst durch den Tod George Floyds in den Vereinigten Staaten wird wieder einmal deutlich, wie tief heutige Formen des Rassismus in der langen Geschichte rassistischer Gewalt verankert sind. Auch Deutschland ist in dieser Hinsicht alles andere als unschuldig. Die bislang ergebnislosen Verhandlungen über Entschädigungszahlungen für Deutschlands Kolonialverbrechen zeigen, wie sehr das Unvermögen, vergangenes Leid anzuerkennen, in der Gegenwart zu immer neuen Verletzungen führt.
Die Geschichte des Genozids
Obgleich das Deutsche Kaiserreich vergleichsweise kurzlebig war, begingen seine Handlangenden unbeschreibliche Verbrechen. So verübten Kolonialtruppen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika – dem heutigen Namibia – den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts gegen die Herero und Nama. Beginnend im Jahr 1884 beschlagnahmten sie große Teile des Landes sowie des Viehbestands der Herero und Nama, und setzten Männer, Frauen und Kinder harter Arbeit und anderen Strafmaßnahmen aus.
Als die Herero im Jahr 1904 Widerstand leisteten, wurde der Aufstand von den deutschen Streitkräften brutal niedergeschlagen. Unmittelbar im Anschluss stellte der preußische General Lothar von Trotha einen Vernichtungsbefehl aus, wonach innerhalb der deutschen Grenze »jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen« werden sollte.
Darüber hinaus belegt ein Telegramm der Reichskanzlei vom Januar 1905 erstmals den Einsatz von Konzentrationslagern, was auf gespenstische Weise die Verbrechen des Nationalsozialismus vorausahnen lässt. Durch Mangelernährung, Zwangsarbeit, sexuelle Gewalt, medizinische Versuche und die Verbreitung von Krankheiten sollten die Konzentrationslager zum Erschöpfungstod führen. Bis zum Jahr 1908 starben in diesem »Völkermord durch schriftliche Anweisung«, wie es der Gründer der Association of Ovaherero Genocide in the USA Veraa Barnabas Katuuo nennt, mindestens 65.000 Herero. Ähnliche Methoden wurden gegen die Nama angewandt, als diese sich ebenfalls gegen die Kolonialherrschaft auflehnten, was zu 10.000 Toten führte.
Vertreterinnen und Vertreter der Herero und Nama fordern seit Jahren eine offizielle Anerkennung und Entschuldigung vonseiten Deutschlands für diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Bislang hat sich die deutsche Regierung jedoch strikt verweigert – und bat stattdessen um »Vergebung«. Deutschland beharrte selbst dann noch auf dieser Position, als der Whitaker Report der Vereinten Nationen im Jahr 1985 das Vorgehen gegen die Herero und Nama offiziell als Genozid deklarierte. Erst 2016 erkannte die deutsche Regierung die Definition der UNO an, jedoch nicht ohne eine wichtige Einschränkung: So erklärte das Auswärtige Amt, es sei rechtlich nicht möglich, ein Verbrechen, das vor dem Holocaust stattgefunden habe, als Völkermord einzuordnen. Bis heute besteht man darauf, dass die Anwendung des Begriffs Genozid im Fall Namibias rein »politisch-moralisch« und nicht juristisch sei.
Dieser politische Eiertanz hat es Deutschland bislang ermöglicht, keine Verantwortung für die Verbrechen der Kolonialzeit zu übernehmen und Reparationszahlungen aus dem Weg zu gehen. Dennoch entschied man sich 2015 dafür, bilaterale Verhandlungen mit der namibischen Regierung aufzunehmen. Fünf Jahre später scheint Deutschland erstmals Entschädigungszahlungen in Erwägung zu ziehen, um auf diese Weise das Thema ein für alle Mal abzuschließen.
Die Herero und Nama selbst jedoch bleiben skeptisch. Zwar waren sie es, die ursprünglich die Aufnahme zwischenstaatlicher Gespräche angeregt hatten, doch sind sie heute von allen Verhandlungen ausgeschlossen. Diese werden nunmehr von der namibischen Regierung unter Führung der SWAPO-Partei, deren Mitglieder mehrheitlich der ethnischen Gruppe der (nicht vom Völkermord betroffenen) Ovambo angehören, kontrolliert.
Der Rechtsstreit
Mit dieser ausweglosen Situation konfrontiert, entschlossen sich die Herero und Nama dazu, die Sache vor Gericht zu bringen. Im Jahr 2017 trat Veraa Katuuo als der offizielle Vertreter der Herero in den USA gemeinsam mit dem Oberhaupt der Herero, Vekuii Rukoro, sowie dem Nama-Chief David Frederick als Hauptkläger vor den US-amerikanischen Bundesgerichtshof in New York. Dass die Sammelklage überhaupt in den Zuständigkeitsbereich eines US-amerikanischen Gerichts fällt, ist interessanterweise einem spezifischen historischen Ereignis geschuldet, das abermals die Langlebigkeit kolonialer Praktiken und rassistischer Gewalt deutlich macht. So befinden sich die sterblichen Überreste von mindestens zwei Opfern des deutschen Völkermordes gegen die Herero und Nama heute in den USA – um genau zu sein, im American Museum of Natural History (kurz AMNH) in New York City.
Als Veraa Katuuo im Jahr 2017 endlich Zugang zu den Archiven des AMNH erhielt, nahm er Fotos von zwei Schädeln auf, die mit handgeschriebenen Inventarnummern und der Beschriftung »Herero« versehen waren. Neben den schwarzen Schriftzügen kann man auffällige Kratzspuren auf dem fahlen Knochen ausmachen. Die Kolonialbeamten, die die abgetrennten Schädel gesammelt hatten, zwangen Herero-Frauen dazu, diese auszukochen und Fleischreste mit Glasscherben vom Knochen zu lösen.
»Der Kolonialismus trägt sowohl eine materielle als auch moralische Erblast.«
Die Schädel erreichten die Vereinigten Staaten auf Umwegen. Nach der ersten »Aufbereitung« wurden die menschlichen Überreste der Herero und Nama nach Deutschland verschifft, wo sie überwiegend der Sammlung des aus Österreich stammenden Ethnologen Felix von Luschan zugefügt wurden. Von Luschan, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene und berüchtigter Erfinder der von-Luschan-Skala zur Klassifizierung von Hautfarben, besaß eine öffentliche Sammlung mit insgesamt 6.300 Schädeln, von denen bisher nur 800 nach Namibia zurückgeführt wurden. Der Rest befindet sich weiterhin in Berlin. Zusätzlich zu seiner öffentlichen Sammlung besaß von Luschan eine Privatsammlung, die seine Frau nach seinem Tod im Jahr 1924 an das AMNH verkaufte. Der Ankauf vergrößerte die anthropologische Sammlung des Museums um das Doppelte.
Die zwei Schädel mit der Aufschrift »Herero«, die Deutschland vor über einem Jahrhundert unter Verstoß gegen internationales Recht geraubt hatte, sind nun Teil der Beweisführung im Gerichtsverfahren der Herero und Nama. Für Veraa Katuuo ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Gebeine seiner Vorfahrinnen und Vorfahren nach Namibia zurückgeführt werden müssen, wo sie ordentlich bestattet oder in einer Ausstellung zum Völkermord der Öffentlichkeit gezeigt werden können. Die Schädel dagegen weiterhin in Pappkartons in einem verstaubten Museumskeller aufzubewahren, würde die abscheuliche Geschichte kolonialen »Sammelns« nur unnötig verlängern.
Doch die Rückführung der menschlichen Überreste ist nur ein erster Schritt in einem langen Kampf um Gerechtigkeit. Als Nachfahren der Opfer des Völkermordes und als legitime Vertreter aller Herero und Nama – nicht nur in Namibia, sondern auch in Botswana, Südafrika und weltweit – verlangen die Kläger zudem einen Platz am Verhandlungstisch. Würde dies den Herero und Nama gewährt, so wäre das für den Präsidenten der Association of the Ovaherero Genocide in the USA, Dr. Ngondi Kamatuka, ein Zeichen dafür, dass sich Deutschland endlich »auf der richtigen Seite der Geschichte« positioniert.
Wiedergutmachung
Darüber hinaus verlangen die Kläger auch, dass die deutsche Regierung die »unermesslichen Schäden« anerkennt, die die koloniale Gewalt den Herero und Nama zugefügt hat. Eine solche Anerkennung würde über Reparationszahlungen hinausgehen und ein Bemühen um Wiedergutmachung in einem umfassenderen Sinne bedeuten. Dazu könnte etwa eine Umverteilung des Landes in Namibia gehören, um so die durch die koloniale Landnahme verminderte politische Stellung der Herero und Nama wiederherzustellen. Denn vor der Ankunft der Deutschen waren die von den nomadischen Herero genutzten landwirtschaftlichen Flächen überwiegend Gemeineigentum. Den Kolonistinnen und Kolonisten hatte man lediglich ein vertraglich geregeltes Siedlungsrecht in bestimmten ausgewiesenen Gebieten zugesagt. Schon bald jedoch brachen die deutschen Siedlerinnen und Siedler diese Verträge und beschlagnahmten das fruchtbarste Weideland, was über 25 Prozent des Landes ausmachte.
Als Namibia im Jahr 1990 seine Unabhängigkeit gewann, war die Hälfte aller landwirtschaftlich nutzbaren Flächen im Besitz von nur 0,2 Prozent der Bevölkerung – überwiegend weißen Bäuerinnen und Bauern. Für die Herero und Nama ist deshalb eine Landreform, die dieses Ungleichgewicht beseitigen und die wirtschaftliche Versorgung absichern könnte, unabkömmlich. Entgegen der 1995 von der SWAPO-Regierung angestoßene Landreform, die ausnahmslos die Ovambo begünstigte, wollen die Herero und Nama einen großen Teil ihres angestammten Landes wiedergewinnen. Der Erfolg der Sammelklage vor dem New Yorker Gericht, bei der es auch um die Rückgabe geplünderten Vermögens und konfiszierter Liegenschaften geht, ist in diesem Zusammenhang von grundlegender Bedeutung.
Doch hängt ein Beschluss in dem gerichtlichen Verfahren momentan in der Luft. Im März 2019 hatte die Richterin im Amtsgericht, Laura Taylor Swinn, entschieden, dass Deutschland gegenüber den Ansprüchen der Herero und Nama als souveräner Staat Immunität reklamieren kann. Die Kläger aber wollen nicht aufgeben und haben inzwischen ein Berufungsverfahren eingeleitet. Die Corona-Pandemie lässt den weiteren Verlauf der Gerichtsverhandlungen zwar zeitlich nur schwer einschätzen, doch wird erwartet, dass der Prozess noch dieses Jahr weitergeht.
Und Veraa Katuuo hat Grund zur Hoffnung. So weist er darauf hin, dass die Herero und Nama in der Vergangenheit viel Unterstützung von der deutschen Bevölkerung erfahren haben – und zwar sowohl von Einzelpersonen als auch von Organisationen wie etwa der Initiative Berlin Postkolonial e.V. Er hält dies für essenziell, wenn es darum geht, die deutsche Regierung in die richtige Richtung zu bewegen. Hinzu kommt, dass derzeit nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland ein neuer Ton in der Debatte um Rassismus angeschlagen wird. Dies beinhaltet eine Thematisierung des institutionellen Rassismus sowie ein wachsendes Verständnis dafür, dass für die Bekämpfung von Rassismus in der Gegenwart die Auseinandersetzung mit der Geschichte rassistischer Gewalt – einschließlich des Kolonialismus – unabdingbar ist.
Reparationszahlungen sind wesentlicher Bestandteil dieses Prozesses. Am 20. Juni veröffentlichten die Nama Traditional Leaders Association und die Herero Traditional Authority der Republik Namibia gemeinsam eine Pressemitteilung, in der sie ihre Unterstützung für die weltweite Reparationsbewegung zum Ausdruck bringen. Sie rufen zudem zur Beseitigung und dem Verbot aller kolonialen Symbole in Namibia auf und solidarisieren sich rückhaltlos mit den Black Lives Matter-Protesten.
Dies macht deutlich, dass der Kolonialismus sowohl eine materielle als auch moralische Erblast trägt. Die Ausgrenzung der Herero und Nama von den Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia führt dazu, dass zutiefst rassistische Praktiken in der Gegenwart fortbestehen können. Wenn aber Restitution, Umverteilung und Reparationen erfolgreich sein sollen, müssen die Nachfahrinnen und Nachfahren der Opfer kolonialer Gewalt den Weg zur Wiedergutmachung vorgeben dürfen.
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Deutschland und sein koloniales Erbe: Das kollektive Vergessen

Im Zuge der Black-Lives-Matter-Demonstrationen wird auch das kritische Weißsein eingefordert.
30 Jahre lang war das Deutsche Reich Kolonialmacht und unterdrückte Menschen in Afrika, Asien und im Pazifik. Eine Zeit, die im kollektiven Gedächtnis keine Rolle spielt, obwohl an jeder Ecke – für Weiße wohl unbewusst – an die Kolonialgeschichte erinnert wird.
Miriam Keilbach
20.06.2020, 12:00 Uhr
Moshi, 1900. Die Deutschen hängen den Aufständischen Mangi Meli, Anführer der Chagga, an einem Baum neben dem Verwaltungsgebäude der Kolonialregierung auf. Den Kopf schlugen sie ab und brachten ihn nach Deutschland, für Forschungszwecke.
Berlin, 2020. Mnyaka Sururu Mboro ist noch immer dabei, das Versprechen einzulösen, das er seinem Dorf im heutigen Tansania gegeben hat: den Schädel von Mangi Meli nach Hause zu bringen. Denn ohne den Schädel drohen Naturkatastrophen, so der Glaube.
Auch 2020: In Bristol werfen Demonstranten die Statue von Sklavenhändler Edward Colston in den Fluss, in Boston wird die Statue von Christopher Kolumbus geköpft. Können Nationen, die Menschenschlächter feiern, wie der britische Soziologe Danny Dorling einst sagte, ernsthaft antirassistisch sein? Sind diese Nationen bereit, sich mit der strukturellen Ungerechtigkeit auseinanderzusetzen, die mit Menschen begann, die bisweilen als Helden verehrt werden?
Deutschlands “Platz unter der Sonne”: Das Kolonialreich
Tansania, Ruanda, Burundi, Namibia, Togo, Kamerun, Nauru, Samoa, Palau, die Marshallinseln, Neuguinea und Kiautschou in China, dazu kleine Teile von Ghana, Mosambik und Botswana – so sah Deutschlands “Platz unter der Sonne” Ende des 19. Jahrhunderts aus. Die Länderbezeichnungen gab es noch nicht, stattdessen hießen die Kolonien Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika oder Deutsch-Neuguinea. 30 Jahre währte die deutsche Kolonialgeschichte – deutlich kürzer als die der Portugiesen, Briten, Spanier, Niederländer oder Dänen, die schon im 16. Jahrhundert den Handel mit Afrika – und mit Afrikanern – für sich entdeckten.
2020. Koloniale Spuren und Gedanken finden sich im Alltag, oft unbewusst für Weiße. Denn in Deutschland verdrängt man die unrühmliche Zeit lieber – immerhin waren andere Nationen länger und grausamer in Afrika unterwegs. Doch um eine antirassistische Gesellschaft zu formen, braucht es diese Auseinandersetzung. Es geht nicht nur um die Unterdrückung von Afrikanern durch Europäer, es geht um eine weiße Dominanz, die schwarze Bevölkerung drangsalierte und abwertete. Also das, was sich bisweilen heute noch findet.
Afrodeutsche werden in ihrer Heimat mit Mördern ihrer Ahnen konfrontiert
Schwarze Deutsche werden in ihrer Heimat noch immer mit den Mördern ihrer Vorfahren konfrontiert, weil Straßen nach Nachtigal, Wissmann, von Lettow-Vorbeck oder Trotha benannt sind. Lüderitz sind 63 Straßen in Deutschland gewidmet, allein in Hannover finden sich zwölf Straßennamen mit kolonialem Bezug. Wißmann, der für den Maji-Maji-Aufstand in Deutsch-Ostafrika sorgte, wird mit einem Denkmal in Bad Lauterberg im Harz geehrt.
Die Umbenennung scheitert offiziell oft am bürokratischen Aufwand und den Kosten: Adressänderungen sind eine last für Anwohner. Der einfachere Weg: Straßen werden umgewidmet. Nun wird nicht Carl Peters, “der blutigen Hand”, wie er in Tansania heute noch genannt wird, gedacht, sondern Carl Peters, dem Astrophysiker. Oder es wird neu kontextualisiert: Dann wird aus dem von Nazis installierten Denkmal für Peters ein Mahnmal für Kolonialgeschichte – indem eine Tafel mit Text ergänzt wird. So verfestigen sich über Jahrzehnte Namen und Heldensagen in den Köpfen, ohne dass sich wirklich mit der Thematik auseinadergesetzt wird.
Carl Hagenbeck: Legendenbildung statt Aufarbeitung der Menschenzoos
Wer an Carl Hagenbeck denkt, denkt nicht an den Mann, der Afrikaner unter falschen Versprechungen nach Deutschland lockte, um sie im Zoo, zwischen den Tieren, in Völkerschauen auszustellen. Wer an Carl Hagenbeck denkt, denkt an den Zoo. Wer an Edeka denkt, denkt an einen Einkaufsladen, nicht aber an die Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler, wofür die Abkürzung (einst E.d.K.) eigentlich steht.
Hierzulande hat sich auf diese Art eine Kultur des kollektiven Vergessens etabliert. Die Kolonialgeschichte spielt in den Schulen kaum eine Rolle. Die Schwarze Schmach vom Rhein? Der Völkermord an den Herrero und Nama? Höchstens Randnotizen bei der Behandlung des Ersten Weltkrieges. Das hat auch etwas mit Prioritäten zu tun: Die Kolonialverbrechen geschahen meist weit weg an exotischen, fremden Orten. Dann kamen die Nazis. Weil die Deutschen also später in der Geschichte noch Schlimmeres anrichten sollten, wird die Kolonialzeit überlagert.
Das Gefühl der weißen Dominanz tragen wir in uns
Dabei trägt jeder von uns das koloniale Erbe in sich – und damit auch das Gefühl der weißen Dominanz. Das zeigt sich etwa bei Urlaubsfotos aus Ländern des Globalen Südens. Süße afrikanische Kinder mit großen Augen, halb nackte Frauen mit Körperbemalung, Männer mit Speeren – das alles findet sich in Subsahara-Afrika, ist aber nicht die Regel. Genau dieses Klischee wird aber von Reisenden, Medien und Politikern vermittelt.
Auch in der Entwicklungshilfe zeigen sich koloniale Spuren: Sie ist aus der Kolonialbewegung entstanden. Die Umsetzung ist eine andere, der Hintergrund jedoch der gleiche: Der allwissende weiße Europäer muss Kultur, Aufklärung und Bildung nach Afrika bringen, damit die Menschen nicht mehr nackt im Busch leben müssen. Kulturmission nannte man es früher, White-Savior-Komplex heute.
Schwarze müssen Forderungen stellen dürfen
Die Black-Lives-Matter-Proteste erinnern die weiße Bevölkerung an ihre Verantwortung. An eine Geschichte, die sich nicht vergessen lässt. 106 Jahre nach der Aufgabe der letzten Kolonie muss sich Deutschland endlich mit diesem Teil seiner Geschichte auseinandersetzen, um eine gleichberechtigte Gesellschaft zu formieren. Die Autorin Charlotte Wiedemann schreibt in “Der lange Abschied von der weißen Dominanz”, dass diese Zeit mit Konflikten verbunden sein wird. Denn Gleichberechtigung gibt es erst, wenn Schwarze und andere Minderheiten nicht nur ihre Gefühle ausdrücken, sondern Forderungen stellen. Im Lokalen, wenn sie keine Denkmäler von Rassisten mehr sehen wollen. Im Globalen, wenn Staaten die Rückgabe von Raubkunst fordern.
Der Prozess wird wehtun, es müssen neue, gemeinsame Richtlinien des Erinnerns und Gedenkens gefunden werden. Aber einen anderen Ausweg kann es im Jahr 2020 nicht mehr geben.
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Schluss mit dem Bagatellisieren der deutschen Kolonialverbrechen

USA: Künstler malen gemeinsam in bunten Lettern "Black Lives Matter" auf die Straße vor dem Dr. Carter G. Woodson African American Museum.
Wer als Weißer “Black Lives Matter” ernst nimmt, muss sich selbst kritisch hinterfragen. Und muss sich vor allem der Verantwortung bewusst sein, die das bloße Weißsein mit sich bringt. Denn weiß, das steht für Privilegien, Dominanz, Mitsprache, Macht, Unterdrückung, Gewalt. Wer diese Fakten ausblendet, kann nicht wirklich für “Black Lives Matter” sein, meint Miriam Keilbach.
Miriam Keilbach
19.06.2020, 13:49 Uhr
Mehr als 100 Jahre nach Ende seiner Kolonialzeit versteckt sich Deutschland noch immer hinter anderen: Die Briten waren viel schlimmer, die Spanier viel länger da - und die Portugiesen brachten die atlantische Sklaverei in Gang. Doch mit einem Bagatellisieren der Kolonialverbrechen verschwinden diese nicht - ganz im Gegenteil, Narben bei jenen, die mit dem Erbe der Opfer leben müssen, werden dadurch nur größer.
Es kann nicht sein, dass Afrodeutsche im Jahr 2020 in der Lüderitz oder Trotha-Straße wohnen müssen, dass sie an einer U-Bahn-Haltstelle Mohrenstraße umsteigen oder auf dem Arbeitsweg ein Denkmal für Hermann von Wissmann passieren. Das alles ist aber Realität für Hunderttausende Schwarze, oftmals in Deutschland geboren, mit deutschem Pass ausgestattet.
In der Kolonialzeit bündelt sich der Glaube der weißen Übermacht
Wenn wir über Rassismus reden, müssen wir über die Strukturen reden, die dahinter liegen. Die Kolonialzeit gibt Aufschluss, denn dort bündelt sich das Rassendenken, der Glaube der weißen Übermacht, dem Irrsinn, andere Völker aufklären und missionieren zu müssen. Gedankengut, das sich heute noch vielerorts findet.
Das Herunterspielen der Rolle der Deutschen in der Kolonialgeschichte muss ein Ende haben. Dafür jedoch müssten wir weiße Deutsche uns ernsthaft und kritisch mit dem Erbe beschäftigen. Wir tragen nicht die Schuld, aber eine Verantwortung - und dieser Verantwortung müssen wir bei Begegnungen mit Minderheiten gerecht werden. Eine Debatte, die wir schon einmal geführt haben: Als es um die Aufarbeitung des Dritten Reichs ging.
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Rassismusdebatte: Wie deutsche Städte mit ihren Kolonialdenkmälern umgehen

Demonstranten versenken im Hafen von Bristol bei einem Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt die Statue von Edward Colston.
In den USA reißen Demonstranten Denkmäler von Christoph Kolumbus vom Sockel, in Bristol (England) landet Edward Colston im Fluss. Umstrittene Kolonialdenkmäler gibt es aber auch zuhauf in deutschen Städten. Wie soll man mit ihnen umgehen?
Matthias Schwarzer
12.06.2020, 10:27 Uhr
Berlin/Hamburg. Die Bilder gehen um die Welt: Demonstranten in den USA, aber auch in Europa reißen Statuen vom Sockel, zerstören sie oder versenken sie gar im Fluss. Ein erster Fall dieser Art spielte sich Anfang der Woche im britischen Bristol ab: Hier wurde das Denkmal von Edward Colston zu Fall gebracht und unter Jubelschreien in den Fluss Avon geworfen. Colston war im 17. Jahrhundert ein bekannter Wohltäter, er spendete großzügig an Schulen und Krankenhäuser. Aber: Er war auch am Sklavenhandel beteiligt.
Ein ähnlicher Fall ereignete sich in Minneapolis, USA, wo George Floyd durch Polizeigewalt starb: Hier stürzten Demoteilnehmer eine über drei Meter hohe Bronzefigur von Christoph Kolumbus. Die Ureinwohner Nordamerikas lehnen die Verehrung Kolumbus’ ab, da seine Expedition nach Amerika die Kolonisierung und den Völkermord überhaupt erst ermöglichte.
Am Dienstag dann wurde in Richmond, Virginia, ein Kolumbus-Denkmal von 1927 verwüstet und in einen See geworfen. Am Mittwoch wurde in Boston einer Statue des Entdeckers der Kopf abgetrennt und zerstört.
Bei Protesten in Bristol: Sklavenhändlerstatue vom Sockel geholt
Bei Anti-Rassismus-Protesten im englischen Bristol haben Demonstranten die Statue eines Sklavenhändlers von einem Sockel geholt und ins Hafenbecken geworfen.
Jürgen Zimmerer, Professor für die Geschichte Afrikas an der Universität Hamburg, ist einer der profiliertesten Forscher zum Kolonialismus. Er hält den Umgang der Demonstranten für gerechtfertigt, wie er dem Deutschlandfunk sagte. Das Denkmal in Bristol “stand ja seit Jahren in der Kritik”, so Zimmerer. “Es gab immer wieder Debatten, es gab immer wieder Hinweise der Zivilgesellschaft, der Black Community und anderer auf diese Vergangenheit von Colston. (...) Diese Ehrung war zu unterbinden, weil sie Rassismus fördert, Rassismus verherrlicht und Leute beleidigt. Und man hat das auch einfach zu lange ignoriert.”
Zimmerer appelliert aber auch, bei der Debatte nicht nur ins Ausland zu schauen. “Rassismus ist auch in Deutschland ein Riesenproblem. Und ich wollte darauf hinweisen, dass eben auch diese koloniale Erinnerung in die deutschen Städte, in die deutschen Gebäude eingewoben ist, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.”
Kreuz auf dem Humboldt Forum in Berlin
Als konkretes Beispiel nennt Zimmerer ein gerade erst neu gebautes: Das Kreuz auf dem Humboldt Forum in Berlin. Kritiker sehen darin ein schlechtes Vorzeichen für völker- und religionsübergreifende Themen wie etwa die Restitutionsdebatte um Objekte mit kolonialem Hintergrund. Der religiöse Anspruch des Kreuzes wird zudem durch ein Schriftband um die Kuppel betont, in dem die Unterwerfung aller Menschen unter das Christentum gefordert wird.
Auch in Hamburg gibt es solche umstrittenen Denkmäler: Zimmerer nennt etwa Askari-Reliefs, die an Paul von Lettow-Vorbeck erinnern – ihn würde man heute als Kriegsverbrecher bezeichnen. In Bad Lauterberg im Harz gibt es ein Denkmal für den Kolonialoffizier Hermann von Wissmann. In vielen Städten gebe es zudem an vielen Orten und Kirchen Gedenktafeln, die an gefallene deutsche Soldaten der Kolonialkriege erinnern.
Beispiele für Umgestaltung
In Hamburg ist man sich der Problematik durchaus bewusst, erklärt Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde, auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). In Arbeitskreisen versuche man derzeit, den richtigen Umgang mit den historisch belasteten Denkmälern zu finden.
Wie das aussehen kann, sieht man bereits am umstrittenen Kriegerdenkmal am Dammtordamm. Hier entstand in den Achtzigerjahren ein Gegenentwurf zum Gedenkklotz der Nationalsozialisten – vorausgegangen war dem ein Wettbewerb zur “künstlerischen Umgestaltung der Denkmalsanlage”. 1983 wurde schließlich der Entwurf eines vierteiligen Gegendenkmals des Wiener Bildhauers Alfred Hrdlicka (1928-2009) zur Ausführung bestimmt.
Gedenkort zur Erinnerung an die Deserteure
Im Juni 2012 beschloss die Hamburgische Bürgerschaft zudem einstimmig die Schaffung eines Gedenkorts zur Erinnerung an die Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz. Als Standort wurde ebenfalls die Fläche beim Kriegerdenkmal vorgeschlagen.
Auch zum Umgang mit den Kolonialdenkmälern habe es bereits einen Runden Tisch gegeben, sagt Isermann. Das sei allerdings ein längerer Prozess und aktuell gebe es noch keine konkreten Maßnahmen.
Hamburg hat diesbezüglich ohnehin eine besondere Geschichte: In der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November 1968 stürzten Studierende der Universität zwei Denkmäler vor dem Hauptgebäude. Dabei handelte es sich um die beiden Kolonialoffiziere Hermann von Wissmann (1853-1905) und Hans Dominik (1870-1910). Seit Beginn der Sechzigerjahre hatte es immer wieder Kritik an den Figuren gegeben, 1967 versuchten Studierende, das Denkmal erstmals zu stürzen – erfolglos. Die Uni baute die Wissmann-Figur wieder auf. Am 1. November 1968 gelang der Sturz dann jedoch.
Auch in Berlin sucht man den richtigen Umgang mit den Kolonialdenkmälern der Stadt. Die rot-rot-grüne Landesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag von 2016 bereits verankert, man wolle “die Erinnerungskultur durch Projekte erweitern, die die Migrationsgeschichte der Stadt thematisieren, sich mit der deutschen Kolonialherrschaft auseinandersetzen und die internationalen Bezüge der Berliner Geschichte hervorheben”. Eine besondere Verpflichtung sehe die Koalition hinsichtlich der “Anerkennung, Aufarbeitung und Erinnerung deutscher Kolonialverbrechen wie dem Völkermord an den Herero und Nama”.
Mit dem Doppelhaushalt 2020/2021 habe Berlin nun die “Initiative für postkoloniales Erinnern in der Stadt” gestartet, berichtet Daniel Bartsch, Sprecher der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, auf RND-Anfrage. Noch in diesem Jahr solle ein großes stadtweites Kulturprojekt zur Auseinandersetzung mit der Berliner Kolonialgeschichte und ihren Folgen starten.
“Über einen Zeitraum von fünf Jahren realisieren zivilgesellschaftliche Initiativen in Kooperation mit weiteren Museen und Akteuren Ausstellungen, Veranstaltungen und Festivals, Interventionen im Stadtraum und eine anwachsende Webkartierung kolonialer und postkolonialer Orte.” Zudem gebe es den Verein “Berlin Postkolonial”, mit dem man eng zusammenarbeite.
Problematisch sind in der Hauptstadt aber nicht nur Denkmäler, sondern auch Straßennamen. Im Afrikanischen Viertel in Wedding sind beispielsweise drei Straßennamen nach deutschen Kolonialherren benannt. “Diese drei Straßen sollen umbenannt werden, das zumindest hat die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Mitte Ende 2016 beschlossen. Auf den neuen Straßennamen sollen Opfer und Gegner des Kolonialismus geehrt werden”, erklärt Bartsch. Das sei aber nur ein erster kleiner Schritt: Im Haushalt seien weitere Mittel zur postkolonialen Erinnerung eingeplant.
Kolonialdenkmale stehen derweil nicht nur in den Großstädten. Im niedersächsischen Braunschweig etwa ist im Stadtpark ein Werk des Bildhauers Jakob Hofmann zu sehen. Auch damit setzte man sich “seit Jahren aktiv” auseinander, teilt das Kulturinstitut der Stadt auf Anfrage mit. 2004 habe man beschlossen, das Denkmal umzuwidmen, daraufhin wurden Erläuterungstafeln zu historischen Einordnung angebracht. Im Rahmen eines Schülerprojektes habe man das Denkmal zeitweise gar verhüllt. Ein Abriss oder eine Umgestaltung des Denkmals sei jedoch nicht geplant.
Historiker Zimmerer ist der Meinung, man solle die umstrittenen Erinnerungsorte in deutschen Städten “brechen”. “Rein umwidmen mit Schrifttafeln reicht nicht. Man könnte den Colston, man könnte einen Wissmann, man könnte sie alle ja zum Beispiel liegend hinstellen, man könnte sie auf den Kopf stellen, man könnte sie einfach in ein Ensemble einbetten, das eigentlich die kolonialen Verbrechen und den kolonialen Rassismus thematisiert und damit im Grunde auf diese Geschichte verweist, auf die unser Wohlstand in Europa ja zu nicht geringem Teil eigentlich beruht”, so Zimmerer im Deutschlandfunk. “Das wäre eine Aufklärungsarbeit, die zwingend notwendig ist – auch, um diesen Rassismus zu bekämpfen.”
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The shadow of German colonialism

HISTORY
Christoph Hasselbach
22.06.2020 June 22, 2020
The legacy of Germany's colonial empire has long been ignored by the government and public at large. But amid the global anti-racist movement, a reckoning is due over how to handle leftover colonial symbols.
A statue of the English merchant and slave trader Edward Colston was toppled and pushed into the river in his hometown of Bristol; a statue of Christopher Columbus in Boston was beheaded. Authorities in Belgium's port city of Antwerp removed a statue of former King Leopold II, clearly fearing that it, too, might be torn down. After all, Leopold was notorious for the unbelievable cruelty perpetrated in his own "private colony."
Read more: What should be done with controversial monuments?
Across the world, symbols of colonialism and racism are being questioned and, in many cases, torn down. This after decades, even centuries, where these pointers to a terrible past had often been glorified even as many historians and activists called for a rethink of colonial legacies. But now, following a white police officer's killing of black American civilian George Floyd, the times have clearly changed. Many people who long ignored the brutal history of colonialism and its racist legacy have now become interested in the past.
By comparison with other European colonial powers, Germany's colonial history was relatively short. Though some German states and several private companies had long mounted colonial projects abroad, officially Germany's colonial empire only began in 1884. Indeed, one of the key events of global and colonial history took place on German soil at the invitation of the country's first chancellor, Otto von Bismarck— the Berlin Conference of 1884-5, where representatives from 14 countries and empires met to formally partition colonial Africa.
The German colonial empire would officially last only from 1884 to the end of World War I, when it was made to cede control of its colonies in Africa, Oceania, and East Asia. But at the apogee of its expansion, the German colonial empire was the fourth-largest colonial power in the world. Numerous traces of that era exist today, both in Germany and abroad.
Berlin sign with streetname Lüderitz Street crossed outBerlin sign with streetname Lüderitz Street crossed out
The battle about renaming streets in Berlin's African quarter continuesImage: DW/D. Pelz
Reckoning with historical figures
Streets and squares throughout Germany are still named after colonial-era leaders including Carl Peters, Adolf Lüderitz, and Gustav Nachtigal. General Paul von Lettow-Vorbeck was the commander of the German East Africa campaign; until just a few years ago, his name was given to army camps and schools. There is still a statue celebrating Hermann von Wissmann, a former governor of German East Africa, in the small town of Bad Lauterberg in central Germany as well as a bust representing Nachtigal, who served for a time as commissioner for Germany's West Africa protectorates (today's Cameroon and Togo), in the eastern city of Stendal.
Read more: On decolonizing school books
How can Germany best come to terms with its colonial past? It is a question that is easier to pose than to answer. What to do with all the statues? The street names? And the looted art that is to be found in such abundance in Germany's museums? Possibly the biggest question of all is of whether Germany must officially apologize for colonial crimes such as the Herero and Nama genocide in Southwest Africa, the Maji Maji Rebellion in East Africa, and deliberate famines that together cost several hundreds of thousands of deaths. Just as important is the issue of whether Berlin should now make reparation payments to compensate for the massacres. All these unresolved topics are part of the dark shadow cast by Germany's colonial past.
Resistance to renaming
One northern district of the German capital is called the "African Quarter." Many streets in the area have names related to Africa and there is a fierce and long-running debate over whether some of them should be renamed. The district assembly decided in recent years that two streets and one square should carry the names of resistance fighters who challenged Germany's colonial rule.
Read more: Europe's overseas territories — What you need to know
However, some local residents and people with businesses in the area oppose the move — and not always for political reasons but because having to change their address would come at a cost. Others say they simply want things to stay just the way they are; a question of habit. But an initiative called "For the African Quarter" has come up with a seemingly creative solution to the deadlock. It proposes that the streets should keep their present names, but rather be named for different people and places. Lüderitzstraße would, for instance, be named after the Namibian town with the same name. Nachtigalplatz would be renamed after a theologian, Johann Nachtigal. And Petersallee was already renamed back in 1986 to carry the name of Hans Peters, a resistance fighter against Nazi Germany, and no longer Carl Peters, who ruled so brutally in East Africa. For many people, however, that is a copout — and does not begin to address the widespread brutality, oppression, and killing wrought by the German colonial empire.
Man taking picture of sign saying Lettow barracksMan taking picture of sign saying Lettow barracks
The former Lettow-Vorbeck barracks in Hamburg have become a point of interestImage: picture-alliance/dpa/M. Gambarini
At the former Lettow-Vorbeck barracks in Hamburg, information panels have been installed with background on the busts of men like Paul von Lettow-Vorbeck and Lothar von Trotha, who played key roles in suppressing resistance and violent uprisings in the German colonies. But what exactly the future holds is unclear. The Hamburg city government wants future generations to be able to make up their own minds on how best to deal with these dark chapters in German history. The concept is opposed to both glorification and eradication and looks instead to remembrance and coming to terms with history.
Call for 'anti-memorials'
The activist and awareness-raising group "Postkolonial" — active in more than 20 German cities — is taking the debate one step further. According to its website, the group is pushing for "the comprehensive decolonization of Hamburg as an urban space (…) and the visualization of the history of anti-colonial resistance as well as a respectful commemoration of the victims of colonialism and racism." That includes the renaming of streets, but the group's priority is not merely to erase all traces of colonialism. Christian Kopp, a Berlin-based spokesman for the group, says that what he calls "anti-memorials" are also welcome. He argues that it simply does not go far enough to just put up another information panel in front of another monument or another memorial.
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Meanwhile, Hamburg University African studies expert and colonial historian Jürgen Zimmerer says that the issue is multifaceted. "What I'm interested in is preserving monuments as historical sources. At the same time, they have to be radically deconstructed, de-theorized, and emptied of any notion of heroism, so that they lose their function in glorifying history. We could turn them upside down, for example. Or lie them down on the ground."
One example of how history can be obscured by a blanket of silence is the grave of Lothar von Trotha in Bonn. As commander of German troops in Southwest Africa, he issued what he called an "extermination order" in 1904 leading to the horrific crushing of a Herero uprising and the starvation and killing of thousands of civilians in what became Namibia. His grave bears no mention of his murderous past.
A 'cult of guilt,' the far-right claims
Though numerous historians have called these massacres the first genocide of the 20th century, it is a position that the German government has so far refused to officially recognize. But, speaking in Windhoek earlier this month, Namibian President Hage Geingob said he believes that Germany is now finally willing to issue a formal apology. His statement, however, was met with silence in Berlin. The German government has so far dismissed any prospect of reparation payments, above all by claiming that Namibia — the country that suffered hundreds of thousands of deaths at the hands of German colonial leaders — has benefited extensively from development aid since then.
historical fotos or Herero prisonershistorical fotos or Herero prisoners
The German colonial administration was ruthless in its approach to the HereroImage: Bundesarchiv, Bild 146-2003-0005/Unknown/CC-BY-SA 3.0
Germany's political parties share a critical approach towards their country's colonial past. With one exception: the far-right populist Alternative for Germany, the AfD. Referring to the current debate on how to confront the past and monuments to the past, the party's co-leader in parliament, Alexander Gauland, recently said: "Attempts to impose a historical narrative cleansed of any troubling aspects, were something we know thus far only from totalitarian systems." Another AfD parliamentarian, Gottfried Curio, appeared in a video recording, bemoaning what he sees as a campaign by the left to inculcate Germans with an "African cult of guilt."
Memorials 'manifest our own ideas and values'
So, is it even possible to judge historical personalities and events by today's standards? Historian Zimmerer is in no doubt whatsoever that we can: "Otherwise, we would not be able to distance ourselves from Hitler, Himmler and the rest and condemn them for what they did." He says at the heart of today's debate is the question of "whether historical personalities are suitable models, and our current standards have to apply in judging them. In memorials to the past, we manifest our own ideas and values."
Johann Hinrich Claussen, Cultural Commissioner of Germany's Evangelical Church, is among those who welcome the spirit of protest and questioning — and believe that it is high time to face up to Germany's colonial past. Claussen concedes that it is not always possible to compare the debate in Germany on how best to remember the past with the same debate in countries like the USA and UK. There can be little doubt that some people in Germany are now finally waking up to their country's colonial past. But, Claussen says, there is a long way to go.
https://www.dw.com/


Der Maji-Maji-Aufstand in Deutsch-Ostafrika 1905-1908: Ein anderer Blick auf deutsche Kolonialgeschichte

Studienarbeit aus dem Jahr 1995 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - 1848, Kaiserreich, Imperialismus, Note: 1,0, Universität Bielefeld, Veranstaltung: Rassismus in Deutschland im 19. / 20. Jahrhundert, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Jahre 1905 kam es im damaligen Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, zu einem der größten Eingeborenenaufstände der Kolonialgeschichte. In seinen Konsequenzen und vor allem in der Brutalität der deutschen Gegenmaßnahmen war diese sogenannte Maji-Maji-Erhebung weit bemerkenswerter als zum Beispiel der vieldiskutierte Herero- und Hottentottenaufstand in Deutsch-Südwestafrika. Dennoch ist dieses Ereignis „im historischen Bewusstsein der Deutschen so gut wie nicht existent.“ Dabei liegt in diesem Fall eine durchaus außergewöhnliche Quellenlage sowie ein zufrieden stellender Forschungsstand vor: Auf deutscher Seite stehen sämtliche Akten der Kolonialverwaltung, unzählige Presseartikel und gar ein (höchst zweifelhaftes) Buch des damaligen Gouverneurs der Kolonie, Graf von Götzen, zur Verfügung. Zudem kann auf ein „Oral History“-Projekt der Universität Dar-es-Salaam zurückgegriffen werden, das auch die Sichtweise der Aufständischen und betroffenen Zivilisten dokumentiert. So präsentiert sich dem Historiker ein ungewöhnlich vielschichtiges, differenziertes Bild der Ereignisse, das bereits Grundlage für mehrere Monographien gewesen ist. Auf die Werke von Karl-Martin-Seeberg und Joseph F. Safari wird hier besonderer Bezug genommen. Die vorliegende Arbeit stellt dabei die wesentlichen Ursachen, Voraussetzungen und Konsequenzen des Aufstandes sowie seine Bedeutung für moderne Ansätze der Kolonialgeschichte kurz zusammen und reflektiert diese.


Inside Shark Island, Germany’s First Concentration Camp — Used Decades Before The Holocaust

By Andrew Milne | Edited By Jaclyn Anglis
Published May 14, 2020
From 1904 to 1908, more than 80 percent of Namibia’s Herero people and 50 percent of its Nama people were killed by German forces in a genocide carried out in concentration camps like the one on Shark Island.
Surviving Herero Tribes On Shark Island
Ullstein Bilderdienst
Herero tribespeople who escaped Shark Island.
Shark Island is a lonely, desolate place, almost Martian in its barrenness and removal from the wider world. Hewn from rocks worn smooth by the Atlantic’s beating waves, the only protection from the brutal African sun afforded there is a smattering of palm trees.
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This tiny outcrop off the coast of Namibia has a history even more somber than its present geography — and the only testimonial is a small marble memorial shaped like a grave marker.
Today, Shark Island has been hemmed into the mainland as a peninsula jutting out from nearby Lüderitz, in the extreme southwest of Namibia. But from 1904 to 1908, it was home to a brutal concentration camp, unofficially referred to as “Death Island.”
Shark Island was a tragic last stop for many Herero and Namaqua (also called Nama) people, punished for their opposition to German colonialism of their land. This last stop included torture, starvation, and hard labor designed to build up the harbor and lay down a railway line.
As an act of genocide in the 20th century, Shark Island was a symptom in the oncoming flu of atrocities that was European fascism. While not as notorious as Leopold II’s crimes in the Congo, Shark Island was just as brutal.
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The prison camp was a particularly egregious example of a genocide in the region, the result of the Scramble for Africa and a bellwether for the Holocaust. For many, its wound still festers today.
Genocide In Namibia
Africa Map In 1903
Sloan Foundation
A map of the divided Africa in the early 1900s.
Between the end of the 19th century and the beginning of the 20th century, something was sweeping over Africa. European powers, eager for greater resources and power, swarmed over the continent.
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France, Britain, Portugal, Italy, Belgium, and Germany tore Africa apart and reconstituted it to serve their own ends. The Scramble for Africa represented the end of self-governance for nearly one-fifth of the world’s land mass, as Europeans ruled over 90 percent of the continent by 1900.
In the 1880s, Germany claimed a southwest section of Africa, today known as Namibia, with a land mass more than twice the size of Germany. They took over the territory with brutal force, confiscating land, poisoning water wells, and stealing livestock.
Continuously subjected to systematic sexual and physical violence by colonists, a local tribe called Herero rebelled in 1904, later joined by the Nama.
The few years after this uprising saw a German response that led to the deaths of some 100,000 of these tribespeople, half of whom perished in death camps. By 1908, more than 80 percent of Namibia’s Herero population and 50 percent of its Nama population would be killed by German forces.
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Founding Of Shark Island
Present Day Luderitz
Gerald de Beer
Lüderitz, Namibia was built upon the shoulders of Shark Island prisoners.
Shark Island is a dot in Lüderitz Bay, in the time of colonialism called German Southwest Africa. The bay is sandwiched between the desert and the wide expanse of the Southern Atlantic.
When the rebellions began, the governor of Germany’s colony, Major Theodor Leutwein, was eager to reach a settlement with the rebels.
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The General Staff in Berlin, however, saw the conflict as an opportunity – why not build up the infrastructure of this tiny stopover while simultaneously ridding themselves of the tribes rebelling against them?
The construction of concentration camps was inspired by a similar policy developed by British colonies during the South African War. The German word Konzentrationslager was a direct translation of the English term “concentration camp.”
Soon after Leutwein’s military forces were forced to retreat from Herero rebels on April 13, 1904, Leutwein was relieved of command and replaced by General Lothar von Trotha.
Assuming power, General Lothar von Trotha ordered: “The people of the Herero have to leave the country… Within German borders, every Herero, with or without a rifle, with or without cattle, will be shot.”
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The Herero’s chieftain Samuel Maharero explicitly told his soldiers not to harm German women or children, though four colonist women would later die during the skirmishes. Alternatively, General Lothar von Trotha promised that if his German forces encountered Herero or Nama women and children, they were ordered to “drive them back to their people or have them shot.”
“A humane war cannot be waged against those who are not human,” Von Trotha rationalized.
Life On Death Island
Political Cartoon About Shark Island
Wikimedia Commons
A sketch of German soldiers packing the skulls of the victims at Shark Island.
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Hard labor was one trial the imprisoned peoples faced on Shark Island. Under the hot African sun, laborers had to deal with empty bellies, as they were fed mostly uncooked rice and flour.
The Shark Island prisoners had to hoist the fallen bodies of fellow prisoners, often relatives, and dig their graves.
Brutal mistreatment was another trial the inmates faced. When they fell, they were tortured. Sometimes this torture came in the form of leather whips. Sometimes it was random gunshots. Sometimes it was the simple indignity of toiling under harsh conditions, wearing rags and living in poorly built tents, prisoners on their own land.
Of course, the final tribulation was Shark Island’s main purpose: death. A missionary on the island recorded up to 18 per night.
Considering the exposure to vicious cruelty along with the harsh elements, it’s estimated that 80 percent of Shark Island prisoners died.
Legacy Of Shark Island
Memorial Of Shark Island
Johan Jönsson
Shark Island today has few testimonials of its sad history.
The seeds of Germany’s sins of the 1930s and 1940s were sown on Shark Island: Body parts of the Herero and Nama victims were sometimes shipped to Germany as samples meant to support claims of Aryan superiority.
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Herero women were forced to use scraps of glass to scrape the skin and flesh from the heads of 3,000 dead prisoners so their skulls could be sent back for just that purpose.
German physician Eugen Fischer would also conduct experiments on the prisoners, injecting smallpox and tuberculosis into his subjects and performing forced sterilizations.
Some of Germany’s sins were sown psychologically: Namibia was colonized based on a social Darwinism theory that Europeans needed the land and resources more than the people whom it belonged to originally.
Much of the land taken during colonization is still under control of the descendants of the Germans; monuments and cemeteries honoring German occupiers still outnumber those made to honor the Herero and Nama.
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In the New York Times a chief of the Nama tribe, Petrus Kooper, stated that the loss of lives, property, and land during the genocide were still felt in his community, where there are no paved roads and many people live in shacks. He said, “It is because of those wars that we live like this on this barren land.”
But there is a movement in Namibia to obtain reparations from Germany.
The Fight For Reparations
“We live in overcrowded, overgrazed and overpopulated reserves – modern-day concentration camps – while our fertile grazing areas are occupied by the descendants of the perpetrators of the genocide against our ancestors,” said Namibian activist Veraa Katuuo.
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“If Germany pays reparation then the Ovaherero can buy back the land that was illegally confiscated from us through the force of arms.” And of course, Shark Island was a practical canary in the coal mine for the mid-century crimes of Europe.
“It’s important to see Germany’s history in Africa as continuous with its better-known dark chapters in the ’30s and ’40s,” noted Jürgen Zimmerer, a historian at Hamburg University.
“In Africa, Germany experimented with the criminal methods it later applied during the Third Reich, for example through… the colonization of eastern and central Europe… There is a trend among the public to view the Nazi period as an aberration of an otherwise enlightened history. But engaging with our colonial history confronts us with a more uncomfortable thesis.”
Another direct connection exists between the genocide in Namibia and Europe’s mid-century Holocaust.
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In 1922, a Bavarian senior lieutenant named Franz Ritter von Epp, who had served as company commander under General Lothar von Trotha in Namibia, would hire Adolf Hitler as an informant to root out communists in the military. It was in this capacity that Hitler would meet Ritter von Epp’s deputy, Ernst Röhm.
Röhm would ultimately persuade Ritter von Epp to raise the 60,000 marks needed to publish the Nazi daily periodical, the Völkischer Beobachter. Ritter von Epp would also procure a supply of surplus colonial military uniforms for Hitler and Röhm.
Intended for camouflage in African terrain, the golden brown hue of the uniforms would provide a name for this Nazi paramilitary organization, the Braunhemden or Brown Shirts.
Shark Island is a testimony to the greed, bigotry, and violence resulting from the Scramble for Africa that saw its fullest realization in Nazi atrocities. This rocky piece of Namibia sharpened the knife of World War II-er horrors, and it serves as a sad reminder of the viciousness that Africa has endured for centuries.
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After reading about Shark Island, learn about the Rwandan Genocide, the modern-day mass murder that the world ignored. Then, discover the forgotten horrors of the Armenian Genocide.
https://allthatsinteresting.com/


Exklusiv Deutsche Kolonialverbrechen in Afrika: Tansania fordert von Bundesregierung „Verhandlungen über Wiedergutmachungen“

Tansania erhöht den Druck auf die Bundesregierung, Verantwortung für deutsche Kriegsverbrechen während der Kolonialzeit in Ostafrika zu übernehmen.
Von Paul Starzmann
05.02.2020, 01:38 Uhr
Der tansanische Botschafter in Berlin, Abdallah Possi, fordert die Bundesregierung zu „Verhandlungen über Wiedergutmachungen“ für Verbrechen während der deutschen Kolonialzeit in Ostafrika auf. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung hier den ersten Schritt macht und auf uns zugeht“, sagte Possi dem Tagesspiegel. Damit könne Berlin zeigen, „dass die Deutschen endlich Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen aus der Kolonialzeit übernehmen und das, was in der Vergangenheit in unserem Land passiert ist, wirklich ernst nehmen.“
Das Gebiet des heutigen Tansania gehörte zwischen 1885 und 1918 zur Kolonie „Deutsch-Ostafrika“. Während des Maji-Maji-Kriegs, in dem sich verschiedene einheimische Bevölkerungsgruppen gegen die deutschen Besatzer zusammenschlossen, starben nach Schätzungen rund 300.000 afrikanische Männer, Frauen und Kinder.
Novum in den deutsch-tansanischen Beziehungen
Possi fordert von der Bundesregierung, „möglichst bald darüber informiert zu werden, wie viele menschliche Gebeine und Kulturobjekte aus dem heutigen Tansania während der Kolonialzeit nach Deutschland gebracht wurden und wo sie sich heute befinden“.
Sobald die Informationen vorlägen, könnten die beiden Staaten in einem zweiten Schritt „Verhandlungen über Wiedergutmachungen“ beginnen, sagte Possi. „Bevor wir darüber sprechen, wie die deutschen Kriegsverbrechen und Verstöße während der Kolonialzeit aufgearbeitet werden können, müssen wir erst wissen, worüber wir genau reden.“
Die Forderung nach Verhandlungen ist ein Novum in den deutsch-tansanischen Beziehungen. Gespräche über Wiedergutmachungen für deutsche Kolonialverbrechen führt die Bundesregierung bislang nur mit Namibia, der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“, wo die deutschen Soldaten Anfang des 20. Jahrhunderts einen Völkermord an den Herero und Nama begingen.
Tansania und Deutschland: „Gute Partner“
Im Fall von Tansania schwebt dem Botschafter Possi eine Übereinkunft mit Deutschland über den richtigen Umgang mit der gemeinsamen Vergangenheit vor. „Es gibt bislang nicht eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Regierungen von Deutschland und Tansania über die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte“, sagte Possi. „Das ist etwas, das wir dringend ändern sollten.“
Kolonialismus Wie viel Raubkunst besitzen die Deutschen?
Zugleich betonte der Botschafter die guten diplomatischen Beziehungen zwischen den Hauptstädten Berlin und Dodoma: „Unsere Länder sind gute Partner, aber hier müssen wir einige Dinge klären.“
https://www.tagesspiegel.de/
Kolonialismus: Wie viel Raubkunst besitzen die Deutschen?
https://www.tagesspiegel.de/


Kolonialismus und Kulturgüter
:Ein Saurier und die Folgen

05.02.2020, 17:41 UhrLesezeit: 3 min
Das Skelett des Brachiosaurus brancai (hinten) im Museum für Naturkunde in Berlin ist das größte montierte Dinosaurierskelett der Welt. Gefunden wurde es im heutigen Tansania. (Foto: Stephanie Pilick/picture alliance / dpa)
Die tansanische Regierung plant, zahllose Objekte und "Human Remains" zurückzufordern, die in deutschen Museen liegen - und ein Dinosaurier-Skelett. Ein Interview mit dem Botschafter des Landes.
Interview von Jörg Häntzschel
Das Gebiet des heutigen Tansania war bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Zwischen 1905 und 1907 schlugen die Deutschen dort den Maji-Maji-Aufstand nieder. Dabei starben etwa 300 000 Afrikaner. Bis heute liegen in deutschen Museen zahllose kulturelle Objekte und Human Remains, vor allem Schädel, die aus der Kolonie nach Deutschland gebracht wurden. Auch die Knochen, die im Berliner Naturkundemuseum zu dem berühmten Dinosaurier Brachiosaurus brancai zusammengesetzt wurden, stammen aus Tansania. Wie der Tagesspiegel berichtete, will Tansania demnächst viele dieser Objekte zurückfordern. Der tansanische Botschafter in Berlin, Abdallah Possi, kennt die Pläne.
SZ: Was fordern Sie genau zurück?
Abdallah Possi: Erst einmal möchten wir vor allem Informationen. Bevor wir Forderungen stellen, müssen wir wissen, was überhaupt in deutschen Museen liegt.
Um welche Art von Objekten geht es Ihnen besonders?
Um alle. Wir wissen nur, dass während der Kolonialzeit viele schlimme Dinge passiert sind, und dass es Human Remains und Kulturobjekte in deutschen Institutionen gibt. Wie viele, das können wir nicht sagen. Klar ist, dass in deutschen Museen Objekte liegen, die den Menschen gehörten, die im Maji-Maji-Krieg gekämpft haben. Wir müssen herausfinden, welche von diesen Objekten den Deutschen wirklich freiwillig gegeben wurden. Bisher ist unsere einzige Information ein Brief von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu Human Remains aus Tansania, die in ihren Sammlungen liegen. Es heißt dort, es werde noch daran geforscht. Ich glaube, in dem Brief steht nicht alles.
Verseucht, zerfressen, überflutet
Ethnologische Museen Deutschlands
Verseucht, zerfressen, überflutet
Die Bestände deutscher Völkerkunde-Museen sind in einem katastrophalen Zustand. Warum wehren sich die Häuser gegen eine Rückgabe der Raubkunst an die Herkunftsländer, wenn ihnen an den Dingen so wenig liegt?
Von Jörg Häntzschel
Haben Sie Ihre Forderung nach Auskünften auch offiziell bei der Bundesregierung gestellt?
Wir arbeiten daran.
Sie haben angekündigt, im nächsten Schritt Reparationen zu verlangen.
Man kann da rechtlich oder moralisch argumentieren. Ziel ist eine Vereinbarung zwischen Deutschland und Tansania über die koloniale Vergangenheit. Wir hoffen, sie mit moralischen Argumenten zu erreichen. Jeder weiß ja, dass der Kolonialismus nicht gut war, und es ist ein offenes Geheimnis, dass damals viel Schlimmes passiert ist. Deshalb glauben wir, dass wir heute darüber sprechen können, wie man zum Beispiel umgeht mit den Leuten in Südost-Tansania, wo im Maji-Maji-Krieg viele Leute getötet wurden.
Ist Namibia ein Vorbild für Sie, der bisher einzige afrikanische Staat, der Reparationen fordert?
Der Fall von Namibia liegt ein bisschen anders. Dort ist ganz klar, dass die Deutschen einen Völkermord verübt haben. In Tansania könnte man wohl mit den Kriegsverbrechen argumentieren, die die Deutschen dort begangen haben. Wie sich das alles entwickelt, hängt stark von der Reaktion der deutschen Regierung ab. Wenn sie sich offen zeigt für Verhandlungen, wird alles einfach sein. Wenn sie sich verweigern, dann werden wir statt dem moralischen eventuell auch den rechtlichen Weg gehen.
Warum erheben Sie diese Forderungen erst jetzt?
Es kommt da vieles zusammen. Die weltweite Diskussion über den Umgang mit Human Remains; die Informationen, die wir nach und nach erhalten; der "Macron-Effekt", also die Debatte, die er ausgelöst hat mit seiner Ankündigung, geraubte Objekte aus den Kolonien zurückzugeben; die Aktivisten, die sich, hier in Berlin wie in Tansania, immer öfter zu Wort melden; die wachsende Bereitschaft in der deutschen Politik, über diese Themen zu sprechen.
Welche Rolle spielt der Dinosaurier im Naturkundemuseum?
Mit ihm hat alles begonnen. Auch in der Region, aus der der Dinosaurier stammt, gab es im Maji-Maji-Krieg Kämpfe; Dörfer wurden niedergebrannt. Eine Frage ist zum Beispiel: Wurden die Leute, die die Knochen ausgegraben und getragen haben, bezahlt? Waren sie in der Lage, zu verhandeln? Waren sie einverstanden damit, dass die Deutschen die Knochen mitnahmen? Wussten sie von ihrem Wert? Je mehr wir über ihn in Erfahrung gebracht haben, desto klarer wurde uns, dass außer den Dinosaurier-Knochen eben auch viele, viele kulturelle Objekte in deutschen Museen liegen müssen.
Wächst das Interesse an diesen Fragen auch in Tansania selbst?
Über den Dinosaurier wird zumindest in der Gegend, aus der er kommt, viel diskutiert. Wir fragen uns, warum die Schulkinder in Berlin ihn sehen können, aber die Schulkinder bei uns nicht. Mittlerweile ist das ein politisches Thema geworden. Das Bewusstsein dafür wächst.
https://www.sueddeutsche.de/


Deutsche Kolonialgeschichte in Afrika: Entstehung und Entwicklung unter Einbeziehung wechselseitiger Einflüsse auf Kolonisierende und Kolonisierte

Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - 1848, Kaiserreich, Imperialismus, Note: 1,3, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Institut für Geschichte), Veranstaltung: Proseminar: Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Fokus dieser Arbeit stehen die verschiedenen Wechselwirkungen zwischen Kolonisierten und Kolonisierenden. Beide beeinflussten sich auf manigfaltige Weise. Auch die Entstehungsgeschichte der deutschen Kolonien in Afrika findet in dieser Arbeit Erwähnung.



Deutsche Kolonialgeschichte
Schwierige (post-)koloniale Aussöhnung
Deutschland, Namibia und der Völkermord an den Herero und Nama

Jürgen Zimmerer(Mehr zum Autor)
27.09.2019 / 13 Minuten zu lesen
Seit 2015 verhandeln Deutschland und Namibia über den Umgang mit dem Völkermord an Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 in Deutsch-Südwestafrika. Fragen der Teilhabe, Repräsentation und Reparation brachten die Gespräche immer wieder an den Rand des Scheiterns.
"No number of visits by the officials of the Federal Republic of Germany will bring any reconciliation between the Nama and OvaHerero people on the one hand, and the Federal Republic of Germany on the other hand, without dialogue with the legitimate leaders of the Nama and OvaHerero people."Zur Auflösung der Fußnote[1] Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hatte sich wohl eine andere Resonanz seines Besuches Ende August 2019 in Windhuk erhofft als diese Presseerklärung der Nama Traditional Leaders Association. Zunächst schien es fast, als werde Gerd Müller die Verhandlungen mit Namibia über den Genozid an Herero und Nama von 1904 bis 1908Zur Auflösung der Fußnote[2] aus der Sackgasse führen, in die sie durch den Ausschluss zentraler Opferverbände geraten waren. Dann sprach der Minister während seiner Reise aber lediglich mit jenen Vertreter*innen von Herero und Nama, die auch bisher schon am Verhandlungstisch gesessen hatten, und legte keine konkreten Vorschläge für den zentralen Streitpunkt der Regierungsverhandlungen vor: die Frage der Reparationen. Der Text einer politischen Erklärung liege vor, die Finanzfrage sei allerdings noch offen.Zur Auflösung der Fußnote[3]
Das hatte der mittlerweile in den Ruhestand getretene deutsche Botschafter Christian-Matthias Schlaga bereits im Juni 2019 erklärt, als er in einer Rede vor der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Swakopmund ankündigte, die Regierungsverhandlungen zwischen Deutschland und Namibia über den Umgang mit dem Krieg gegen die Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika hätten zu einer fast fertigen "politischen Deklaration" geführt. "Es fehlen nur noch die Beträge", wurde er zitiert.Zur Auflösung der Fußnote[4] Eine Einigung gebe es hingegen bei der Bewertung des Krieges als Genozid, wobei der Begriff nur im "moralischen und politischen Sinne, aber nicht im rechtlichen Sinne" benutzt werden dürfe, sowie bei der Frage der Entschuldigung. Reparationen seien allerdings ein "No-Go", da beim Gebrauch dieses Begriffs der Eindruck einer rechtlichen Verpflichtung entstehe. Stattdessen solle es ein freiwilliges Engagement geben. Hier denke die deutsche Seite zum einen an einen "Versöhnungsfonds" und an ein Treuhandkonto für "besonders betroffene Gemeinschaften" (PACT, Particularly Affected Communities Trust).Zur Auflösung der Fußnote[5] Der namibische Sondergesandte für die Verhandlungen, Zed Ngavirue, bestätigte diesen Stand der Dinge von namibischer Seite. Man warte darauf, dass sich Deutschland hinsichtlich der finanziellen Aspekte entscheide.Zur Auflösung der Fußnote[6]
Warum dann die harsche Reaktion der Nama? In der Presseerklärung ist von Geld nicht die Rede, zumindest nicht unmittelbar. Es geht vielmehr um Fragen der Teilhabe und Repräsentation. Wer darf für wen sprechen, mitverhandeln, auf wessen Zustimmung kommt es an? Und reicht eine freiwillige Zahlung, eine Hilfe, die dem Geber eine herausgehobene Moralität zuweist? Wie gestaltet sich überhaupt das Verhältnis zweier Staaten in derartigen Verhandlungen, in denen einer ein wichtiger Geldgeber des anderen ist und nun historische Schuld eingestehen muss?
Diese Konstellation hat zwischen Deutschland und Namibia immer wieder zu Spannungen geführt, so auch im Juni 2019, als Botschafter Schlaga in seiner bereits zitierten Rede Tansania lobend hervorhob, wo man im Vergleich zu Namibia schon "einen Schritt weiter" sei: "In Tansania (…) wird keine Entschädigung gefordert. Das Land möchte die Kolonialgeschichte vergessen und ein gesundes Verhältnis aufbauen. Sie möchten sehen, dass Deutschland sie weiter unterstützt."Zur Auflösung der Fußnote[7] Ungeachtet der Tatsache, dass auch in Tansania ein kritischerer Umgang mit der deutschen Kolonialgeschichte gefordert und eine Restitution von während der Kolonialzeit außer Landes gebrachten Objekten diskutiert wird und einzelne Regierungsmitglieder Reparationen gefordert haben, suggerierte der höchste Repräsentant Deutschlands in Namibia zweierlei: einen Widerspruch zwischen einem kritischen Umgang mit der (Kolonial-)Geschichte und einem "gesunden Verhältnis" zwischen beiden Staaten einerseits, die Abhängigkeit der weiteren Zahlung von Entwicklungsgeldern von einem ebensolchen "gesunden Verhältnis" andererseits.
Dass Schlaga diese Rede ausgerechnet in Swakopmund hielt, für viele Sinnbild für das "deutsche" Namibia, und vor der überwiegend von deutschsprachigen Namibier*innen getragenen Wissenschaftlichen Gesellschaft, rührt an einen weiteren verkomplizierenden Faktor: die Existenz einer deutschsprachigen Minderheit in Namibia, die sich bisher mit Blick auf die eigenen Fehler beziehungsweise die ihrer Vorfahren sowie hinsichtlich der Quellen ihres Wohlstands nicht durch besondere Reflexionsbereitschaft hervorgetan hat. Es ergibt sich aber in gewisser Weise aus dem besonderen Verständnis der Beziehung zu Namibia in Deutschland seit der Unabhängigkeit, wie sich überhaupt die gegenwärtige verfahrene Situation auch aus den politischen Verdrängungen in Berlin (und Bonn) über die vergangenen dreißig Jahren ableitet.
Deutschland und Namibia im 21. Jahrhundert
Namibia wurde am 21. März 1990 unabhängig von Südafrika, an das es nach dem Ersten Weltkrieg als Mandat des Völkerbunds übergeben worden war, sodass eine offene Debatte über Kolonialverbrechen erst spät möglich war.Zur Auflösung der Fußnote[8] Dass Namibia einst eine deutsche Kolonie gewesen war und eine deutschsprachige, als deutsch empfundene und sich selbst empfindende Minderheit existiert, bestimmte auch das Gefühl einer besonderen deutschen Verantwortung für Namibia, wie sie der Deutsche Bundestag in einer Resolution am Vorabend der namibischen Unabhängigkeit festhielt. Obwohl in den ursprünglichen Anträgen insbesondere der Grünen durchaus enthalten, findet sich über die Erwähnung der deutschsprachigen Minderheit hinaus im endgültigen Resolutionstext kein Hinweis auf die Kolonialvergangenheit oder den Völkermord an Herero und Nama.Zur Auflösung der Fußnote[9]
Aufgrund dieser "besonderen Verantwortung" erhielt Namibia in den folgenden drei Jahrzehnten besonders hohe Entwicklungshilfezahlungen aus Deutschland. Diese hatten aber im Ursprung nichts mit den kolonialen Verbrechen zu tun, sondern mit den deutschen "Landsleuten". Als solche begrüßte sie Bundeskanzler Helmut Kohl 1995 während seines Besuchs in Windhuk, nachdem er gegen Vorbehalte der namibischen Regierung einen Empfang für die deutschsprachige Minderheit in Namibia als offiziellen Programmpunkt durchgesetzt hatte. In seiner Rede wies er auf die besonderen Verdienste der Deutschsprachigen bei der Entwicklung des Landes hin. Zu einem Treffen mit den Opfergruppen des Völkermords kam es hingegen nicht.Zur Auflösung der Fußnote[10] Der Staatsbesuch von Bundespräsident Roman Herzog drei Jahre später verlief ähnlich: Der Völkermord wurde nicht thematisiert, stattdessen sorgte sich Herzog um den privilegierten Status der deutschen Sprache.Zur Auflösung der Fußnote[11]
Auch unter der rot-grünen Bundesregierung änderte sich an der Haltung zu den Fragen der Anerkennung und Wiedergutmachung für den Völkermord nichts. Bundesaußenminister Joschka Fischer fand zwar immer wieder wohltönende Worte über die Verantwortung, die aus Auschwitz erfolge, bezüglich des Genozids an Herero und Nama wollte er "eine entschädigungsrelevante Entschuldigung" aber nicht abgeben.Zur Auflösung der Fußnote[12] Die Angst vor der Anerkennung des Völkermords und daraus folgender juristischer Konsequenzen, also vor allem Reparationszahlungen, gehört zu den Konstanten der deutschen Politik über alle Regierungswechsel hinweg.
Einen Kontrapunkt zur offiziellen Position setzte lediglich Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, als sie im August 2004 bei den Gedenkfeierlichkeiten der Herero in Okakarara sagte: "Die damaligen Gräueltaten waren das, was heute als Völkermord bezeichnet würde – ein General von Trotha würde dafür heute vor Gericht gebracht und verurteilt." Auf Nachfrage bestätigte sie, dass es sich dabei um eine Entschuldigung handele.Zur Auflösung der Fußnote[13] Ihre Äußerungen wurden jedoch als ihre Privatmeinung abgetan, die große Chance, die ihre Geste bot, von der Bundesregierung nicht genutzt.
Die Tabuisierung des Genozid-Begriffs durch die deutsche Politik setzte sich fort. Neben offen kolonialapologetischen Positionen, die sich teilweise auf rechtsextreme Propaganda stützten und die Ereignisse an sich infrage stellten,Zur Auflösung der Fußnote[14] vertraten Mitglieder der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien noch 2012 das problematische Argument, der Begriff "Genozid" könne nicht auf Ereignisse vor dem Ersten Weltkrieg angewendet werden, da er erst 1948 mit der UN-Völkermordkonvention Teil des internationalen Völkerstrafrechts geworden sei.Zur Auflösung der Fußnote[15] Anderslautende Rechtspositionen wurden und werden ausgeblendet. Den Genozid-Begriff nur in einem moralischen Sinne verwenden zu wollen, ist eine Konsequenz dieser Rechtsauffassung. Dass dies in den Ohren der Betroffenen wie eine Einschränkung, ein "Genozid zweiter Klasse", klingen muss, liegt auf der Hand.
Erzwungene informelle Anerkennung
Aufgebrochen wurde diese Tabuisierung von offizieller Seite letztendlich durch einen Eklat. Erst als der internationale Druck zu groß wurde, bewegte sich die Bundesregierung – ein Muster, das jenem beim deutschen Umgang mit den nationalsozialistischen Verbrechen ähnelt, wo die erinnerungspolitischen Schübe häufig von außen oder von der Zivilgesellschaft erzwungen werden mussten. Im Falle des Völkermords in Deutsch-Südwestafrika vermochten die Opfergesellschaften oder deren staatliche Vertreter*innen aufgrund des globalen Machtungleichgewichts und innerer Uneinigkeit einen solchen Druck jedoch nicht selbst aufzubauen. Dies geschah unabsichtlich erst durch den Deutschen Bundestag, der ab 2015 den osmanischen Völkermord an den Armenier*innen diskutierte.
Mit seinem Bekenntnis zur Bedeutung einer kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit leitete das Parlament eher zufällig eine erinnerungspolitische Wende für die Frage des Umgangs mit Deutschlands kolonialer Vergangenheit ein. Dass der Bundestag bereitwilliger die Anerkennung eines Völkermords eines anderen Staates diskutierte als eines deutschen, blieb ebenso wenig unkommentiert,Zur Auflösung der Fußnote[16] wie dass Bundespräsident Joachim Gauck beim zentralen Gedenkgottesdienst im April 2015 in Berlin mit Blick auf die Türkei erklärte, die offene Bewältigung derartiger Verbrechen sei die Grundvoraussetzung für eine moderne, offene und demokratische Gesellschaft,Zur Auflösung der Fußnote[17] wenige Wochen später jedoch ablehnte, eine Delegation von Herero und Nama zu empfangen.Zur Auflösung der Fußnote[18] Die international wie von der deutschen Zivilgesellschaft geäußerte Kritik entfaltete ungeahnte Wirkung, denn nur eine rasche (Teil-)Korrektur der deutschen Politik konnte den Imageschaden noch begrenzen. Und so nahm die Bundesregierung im Herbst 2015 Verhandlungen mit Namibia auf, für die die beiden Sondergesandten Ruprecht Polenz und Zed Ngavirue eingesetzt wurden, die eine gemeinsame Sprache für die Geschehnisse als Grundlage einer Anerkennung und Entschuldigung finden sollten.Zur Auflösung der Fußnote[19] Als der Bundestag 2016 in einer Resolution den Völkermord an den Armenier*innen offiziell als solchen anerkannte und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan eine deutsche Doppelmoral anprangerte,Zur Auflösung der Fußnote[20] konnte die Bundesregierung auf die laufenden Verhandlungen mit Namibia verweisen.
Verhandlungen in der Sackgasse
Vier Jahre später stecken die Verhandlungen in einer Sackgasse, viele Herero und Nama fühlen sich zurückgestoßen und ignoriert. Die Ursachen für Letzteres sind vielfältig: die schwierige innenpolitische Situation in Namibia, das Auftreten der deutschen Verhandlungsdelegation, die wenig Gespür oder Interesse für die Sensibilitäten des Themas gerade bei den Nachkommen der Opfer an den Tag gelegt hat, aber auch die Unmöglichkeit, einen grundsätzlichen Verzicht auf Reparationsforderungen als Gegenleistung für eine Anerkennung als Völkermord und eine Entschuldigung durchzusetzen – eine Forderung, der keine namibische Regierungsdelegation nachkommen kann. So ist es wenig überraschend, dass die Frage des Geldes immer noch offen ist.
Es geht aber nicht allein um Reparationszahlungen. Von Anfang an gab es Konflikte darum, wer mit am Verhandlungstisch sitzen dürfe, wer die Vertreter*innen der Herero und Nama sind und wer eigentlich zu den Opfern des Genozids gehört – nur die Herero und Nama oder alle Opfer der deutschen Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika? Dass Letzteres eine ebenso zentrale wie heikle Frage war, hatte sich bereits im Vorfeld abgezeichnet, denn um die Bedeutung des Genozids für die namibische Geschichte und auch um die Frage, ob Namibia Entschuldigung und Wiedergutmachung anstreben sollte, hatte es auch in Namibia lange Streit gegeben – erst 2006 hatte das namibische Parlament beschlossen, sich der Forderung von Herero und Nama anzuschließenZur Auflösung der Fußnote[21] –, und einige der traditionellen Repräsentanten der Herero und Nama stehen nach wie vor in Opposition zur namibischen Regierung.
Zwar waren Herero und Nama von Beginn an in die Verhandlungen einbezogen, allerdings waren ihre Vertreter*innen von der namibischen Regierung ausgesucht worden. Direkte Verhandlungen mit selbstgewählten Vertreter*innen der Opfergruppen sollte es nicht geben – auf Wunsch der Bundesregierung, heißt es aus Windhuk, auf Wunsch der namibischen Regierung, heißt es aus Berlin.Zur Auflösung der Fußnote[22] Beide Seiten ignorieren dabei die in der Diaspora lebenden Herero und Nama. Zu den Folgen des Völkermords gehörte nämlich auch die Vertreibung vieler Menschen, und bis heute leben ihre Nachkommen in Botswana, Südafrika und weltweit verteilt. Sie sind meist keine namibischen Staatsbürger*innen und können deshalb von der Regierung in Windhuk nicht vertreten werden. Ob und wie sie einbezogen werden sollen, ist nicht bekannt.
Repräsentanz und Reparationen
Repräsentanz und Reparationen waren auch die beiden zentralen Punkte der Klage, die Vertreter von Herero und Nama aus Namibia und aus der Diaspora am 5. Januar 2017 beim US District Court – Southern District of New York, einem US-Bundesgericht, einreichten.Zur Auflösung der Fußnote[23] Hauptpunkt der Klage war neben der direkten Forderung nach Reparationen der Versuch, eine Beteiligung aller Herero und Nama an den deutsch-namibischen Verhandlungen durchzusetzen und nicht nur die der von den Regierungen selbst ausgewählten. Dazu stützte sich die Klage auf die sowohl von Deutschland als auch von Namibia ratifizierte UN-Konvention zum Schutz indigener Minderheiten von 2007, in der es ausdrücklich heißt, dass indigene Minderheiten an allen sie betreffenden Verhandlungen durch ihre selbstgewählten Vertreter*innen beteiligt werden müssten. Genau dies nicht zu tun, war der Vorwurf. Die namibische Regierung könne nicht alle Nama und Herero vertreten, da diese infolge des Genozids auch außerhalb Namibias lebten und nicht alle namibische Staatsbürger*innen seien. Dass einige US-Staatsbürger*innen waren, war eine der Begründungen für die Klage in den USA.
Die Bundesregierung erkannte die Zuständigkeit des Gerichts allerdings nicht an und verzögerte die Prozessprüfung, indem sie Ladefristen verstreichen ließ.Zur Auflösung der Fußnote[24] Nach mehr als zwei Jahren wies das Gericht im März 2019 die Klage ab.Zur Auflösung der Fußnote[25] In dieser Zeit berichteten nationale und internationale Medien über die Klage und über den zugrunde liegenden Genozid, was zum einen zu einem internationalen Reputationsverlust Deutschlands führte und zum anderen den Druck auf die verhandelnden Regierungen immer weiter erhöhte. Mittlerweile haben die Anwälte der Kläger Berufung eingelegt.Zur Auflösung der Fußnote[26] Auch wenn eine gerichtliche Entscheidung zu ihren Gunsten in weiter Ferne scheint, nutzte die Hinhaltetaktik der Bundesregierung letztendlich den Klägern, da die Verhandlungen und das deutsche Verhalten in der Zwischenzeit zum internationalen Medienereignis wurde. Eine einvernehmliche Verhandlungslösung wurde damit jedoch nicht wahrscheinlicher, da die Klageführer, allen voran Herero Paramount Chief Vekuii Rukoro, auch deutscherseits nun endgültig personae non gratae geworden sind.
Dies führt zu der absurden Situation, dass deutsche Politiker*innen immer wieder betonen, dass sie mit Herero und Nama sprechen würden, dies aber tatsächlich mit den immer gleichen Gesprächspartner*innen tun. Auf ganz grundsätzlicher Ebene stoßen eben auch das geltende Völkerrecht und die diplomatische Alltagspraxis an ihre Grenzen. Der Umstand, dass Herero und Nama heute als Minderheit in Namibia leben, ist durch Grenzziehung und Völkermord eine direkte Konsequenz des (deutschen) Kolonialismus. Zu seinem Erbe gehört der namibische Nationalstaat. Nun bei der Aufarbeitung dieses Unrechts darauf zu verweisen, dass man nur mit nationalstaatlichen Regierungen verhandle, bestraft die Nachkommen der Kolonisierten erneut. Hier sind neue Wege notwendig, die deutsche Diplomatie verharrt aber immer noch zu sehr im überkommenen Habitus der Überlegenheit.Zur Auflösung der Fußnote[27]
Entschuldigung und Demut
Anlässlich seines Abschiedsbesuchs bei Staatspräsident Hage Geingob ging der scheidende deutsche Botschafter Schlaga auf die an ihm geübte Kritik ein. "Ich habe mich immer nüchtern und professionell an die Tatsachen gehalten, selbst dann, wenn es Menschen und Berichterstatter gab, die sich von politischen Motiven haben leiten lassen", sagte er in einem Gespräch mit der in Windhuk erscheinenden "Allgemeinen Zeitung".Zur Auflösung der Fußnote[28] Weiter führte er aus: "Ich mache als Botschafter ja nicht meine eigene Politik, sondern übertrage ausgewogene Entschlüsse der deutschen Regierung."Zur Auflösung der Fußnote[29] Die Herero und Nama, vielleicht auch die namibische Regierung, dürften dies ganz anders sehen. Insbesondere für Erstere, zumindest für viele von ihnen, präsentierte die deutsche Regierung keineswegs "ausgewogene Entschlüsse". In der Natur von Verhandlungen liegt es gerade, diese Ausgewogenheit erst herzustellen und einen Kompromiss zu erreichen. Indem der deutsche Vertreter die Ausgewogenheit für die eigene Position, die eigene Regierung, reklamiert, weist er den Kritiker*innen automatisch Unausgewogenheit zu. Das mag in diplomatischen Verhandlungen über Handelsverträge oder Fischereiquoten der Normalfall sein, bei Verhandlungen über historische Verbrechen ist dies fehl am Platz. Es zeigt exemplarisch, woran es bei den Verhandlungen fehlte: Demut – die Demut derer, die um Entschuldigung bitten.
https://www.bpb.de/


Kolonialverbrechen: Herero-Delegation in Berlin

Von Euronews  •  Zuletzt aktualisiert: 29.08.2018
Deutschland hat eine Kolonialgeschichte, und die ist genauso unrühmlich wie das der meisten Staaten. Auch das der Tod ein Meister aus Deutschland sei, stimmt nicht überall, für Namibia, das ehemalige Deutsch-Südwest, trifft es zu.
Herero und Nama Delegation in Berlin
Zur Zeit ist eine Delegation der Herero und Nama in Berlin, Nachfahren des ersten Genozids des 20. Jahrhunderts, begangen von deutschen Kolonialtruppen. Anlass ist die Übergabe von Gebeinen: 19 Schädel, Knochen und Hautreste sollen nach Windhuk zurück kehren.
Esther Utjiua Muinjangue ist Vorsitzende der Ovaherero Genocide Foundatio:
"Es ist sehr schmerzhaft für uns. Weil ich nicht einfach einen Knochen sehe. Ich sehe den Schädel eines Herero oder Nama-Bauern, der meine Urgroßmutter oder Urgroßvater oder Ur-Urgroßmutter oder Vater hätte sein können."
Etwa 100.000 Herero und Nama wurden teils grausam getötet, sterbliche Überreste wurden für die Rassenforschung nach Deutschland gebracht. Zuletzt waren sie in Sammlungen von Kliniken, Museen und im Privatbesitz.
Völkermord und Reparationen
Die Nachfahren fordern eine Entschuldigung für einen Völkermord und Reparationen, Deutschland bietet Wiedergutmachung an und verweist auf stets großzügige Entwicklungshilfe.
Bundesrepublik in New York verklagt
Die Stammesvertreter fordern jedoch direkte Zahlungen, darauf haben sie Deutschland vor einem US Gericht verklagt. Von der eigenen Regierung fühlen sie sich nicht gut vertreten; die wird gestellt von den Ovambo, einem Stamm, der nicht zu den Opfern zählte. Ende der Woche soll mit Ankunft der Gebeine die nächste Verhandlungsrunde im namibischen Windhuk beginnen.

https://de.euronews.com/

Deutsches Erbe in Kamerun
Nach 100 Jahren startet Aufarbeitung

26:51 Minuten
Unter Aufsicht eines deutschen Kolonisten verladen Arbeiter 1914 in Kamerun Kakaobohnen. © picture alliance/dpa/akg-images
Von Anne Françoise Weber · 12.06.2019
Das Deutsche Kaiserreich regierte unter Anwendung der Todesstrafe und Zwangsarbeit bis 1919 Kamerun. Dann folgten Briten und Franzosen und alles hat Folgen bis heute: Im Westen des Landes kämpfen Milizen für die Unabhängigkeit des anglophonen Teils.
Douala, die Wirtschaftsmetropole Kameruns. Zwischen schlecht gealterten mehrstöckigen Betonbauten fallen immer wieder niedrigere Gebäude mit Schrägdach und überdachter Veranda auf – Erbe der Zeit, als Kamerun deutsche Kolonie war.
Schon im 19. Jahrhundert war hier, an einer Flussmündung in den Atlantik, das Handels-Zentrum mit den Europäern. Auch das Deutsche Kaiserreich ließ sich hier nieder, um Kamerun ab 1884 als Kolonie zu regieren. Die Besatzer schlossen ein sogenanntes „Schutzabkommen“ mit mehreren Herrschern der Douala-Volksgruppe. Damit begann eine schwierige, konfliktreiche Geschichte – aber in der Familie des Unternehmensberaters Dieudonné Tsietse aus Douala wird etwas anderes weitergegeben.
„Wenn unsere Eltern von den Deutschen erzählten, taten sie das mit viel Respekt und Bewunderung. Die deutsche Nation heute spiegelt diese Stabilität wieder, die in der Erinnerung unserer Eltern geblieben ist. Ich glaube, wenn wir mit den Deutschen geblieben wären, hätten wir eine bessere Entwicklung durchgemacht.“
Solche Mutmaßungen höre ich häufig in Kamerun. Besonders die Kolonialherrschaft der Franzosen ist dagegen in schlechter Erinnerung geblieben. Sie übernahmen nach dem Ersten Weltkrieg und der Unterzeichnung des Versailler Vertrages am 28. Juni 1919 vier Fünftel des Territoriums von den Deutschen – der Rest ging an die Briten. Vermutlich ist der Ruf der Franzosen auch so schlecht, weil ihr Herrschaft noch nicht so lange zurück liegt. Erst 1960 wurde das zentralafrikanische Land unabhängig, 1961 erfolgte die Vereinigung mit dem Landesteil, der unter britischer Herrschaft gewesen war.
Vorgehen der Deutschen: Kriege und Zwangsarbeit
Als erste Kolonisatoren hatten die Deutschen das Land zunächst gründlich erkundet, erklärt der Historiker und Professor an der Universität von Yaoundé, Philippe Blaise Essomba:
„Sie haben zunächst Forschungen betrieben, sie haben den Boden und die Bodenschätze untersucht und festgestellt, dass Kamerun eine große Zukunft hat. Sie haben festgestellt, dass Kamerun sich nicht als Siedlungskolonie, sondern als Plantagenkolonie eignet.“
Auf einem Militärstützpunkt in der deutschen Kolonie Kamerun wird von in Tropenanzüge gekleideten Männern eine Fahne gehisst. Eine undatierte Aufnahme aus der Kolonialzeit. Von 1884 bis 1919 war Kamerun eine deutsche Kolonie, dann wurde es unter Großbritannien und Frankreich aufgeteilt.
Von 1884 bis 1919 war Kamerun eine Kolonie des Deutschen Kaiserreichs, dessen Militärs oft in Tropenanzügen rumliefen, wie hier auf einem Stützpunkt.
© picture-alliance / dpa
Bis heute, so Essomba, würden neue Landstraßen nach alten deutschen Plänen ausgerichtet, weil man das für den sinnvollsten, an Bodenschätzen orientierten Verlauf halte. Zahlreiche Straßen und zwei Eisenbahnlinien entstanden zur Zeit der deutschen Herrschaft – die kamerunische Bevölkerung wurde gezwungen, daran mitzuarbeiten:
„Jedes Mal, wenn eine Region nach einem Krieg zwischen der Schutztruppe, also der deutschen Armee und der lokalen Bevölkerung befriedet wurde, dann wusste man, was folgte: Die Deutschen siegten und hatten die Wahl: Entweder sie forderten Reparationen in Naturalien oder sie nahmen die Bevölkerung und ließen sie irgendwo arbeiten.“
Papa André Pegha Kooh Mbous:
„Einige von uns fingen, sobald die Sonne aufging, mit Aufschüttungen an. Andere stellten da, wo es nötig war, die Abtragung der Erde für die Bahndämme sicher. Diese Arbeiten wurden in Ketten ausgeführt und unter Peitschenhieben, damit niemand sich ausruhte.“
So erzählte es der damals 96-jährige Kameruner von der Zwangsarbeit in Njok, wo die Deutschen eine Eisenbahnlinie bauen ließen. Seine Erinnerungen wurden in den 1980ern von Forschern aufgezeichnet, aus der lokalen Basaa-Sprache übersetzt und kürzlich als Buch von der Stiftung „AfricAvenir“ herausgegeben. Das Gespräch ist voller unverständlicher Einzelheiten, doch manche Passagen sind sehr drastisch:
„Immer, wenn wir von einem Ort zum anderen gingen, krümmten sich unsere Körper unter Stockschlägen. Manche sind zusammengebrochen und viele sind gestorben. So war das bei der Zwangsarbeit.“
Kameruns Geschichte beruhte auf Kolonialverwaltung
In den Räumen der Stiftung „AfricAvenir“ präsentiert Ngong Bertrand Collins die Bücher dieser Reihe und erklärt:
„Wichtig an diesem Projekt ist, dass die Kameruner jetzt die Möglichkeit haben, eine andere Version ihrer eigenen Geschichte in ihren eigenen Muttersprachen zu erfahren. Und das ist wunderbar. Denn die Geschichte, die wir in der Schule oder an der Universität gelernt haben, basierte auf den Dokumenten von der Kolonialverwaltung. Und jetzt haben wir die Möglichkeit, die Geschichte durch die Erfahrungen unserer Ahnen in unserer Muttersprache zu erfahren. Und das ist eine andere Version.“
Ngong Betrand Collins von der Stiftung "Africavenir" in Douala findet es wichtig, dass die Kameruner in ihren Muttersprachen von der deutschen Kolonialzeit erfahren. Er trägt ein buntes Gewand und eine schwarze Kopfbedeckung.
Ngong Betrand Collins findet es wichtig, dass die Kameruner in ihren Muttersprachen von der deutschen Kolonialzeit erfahren.
© Roméo Ghislain Zafack
Der Gründer der Stiftung „Africavenir“, der aus Douala stammende Politikwissenschaftler Prinz Kum’a Ndumbe III., begann in den 1980ern mit dem Sammeln von Erinnerungen an die deutsche Kolonialzeit. Es war damals gar nicht so einfach, die alten Menschen zum Erzählen zu bringen – sie hatten Angst vor Sanktionen, die französische Kolonialzeit lag noch nicht lange zurück. Dass sie das Interview in ihrer Muttersprache geben konnten, erleichterte die Sache – macht jedoch die Auswertung heute schwierig. Die Kassetten mit den rund 180 Interviews in über 20 Lokalsprachen verschimmelten erst lange Jahre in einem Schrank, seit 2015 werden sie auch mit Hilfe der deutschen „Gerda-Henkel-Stiftung“ transkribiert und veröffentlicht. 20 Bände sind bereits erschienen, die meisten ins Französische übersetzt, einige nun auch ins Deutsche. Sie tragen Titel wie:
„Neun wurden erhängt, gleichzeitig… so ist das hier! Gesagt getan!“
Nur wenig von den Erinnerungen an das brutale Vorgehen der deutschen Kolonialherren hat sich im kollektiven Gedächtnis der Kameruner erhalten. Ngong Bertrand Collins von der Stiftung „AfricAvenir“ erklärt, warum die deutsche Kolonialzeit stattdessen in so positivem Licht erinnert wird:
„Man versucht, diese traurige Seite unserer Geschichte zu vergessen. Sogar in der Schule wird die Kolonialgeschichte Kameruns nicht vertieft. Selbst Studierende an der Universität haben sehr geringe Informationen über diese Zeit. Und Leute, die nicht länger in der Schule waren, können nicht viele Informationen darüber haben. Und das andere Problem ist, dass die schriftlichen Dokumente in einer Sprache sind, die sie gar nicht sprechen konnten. Es gibt eine Sprachbarriere, sie haben keinen Zugang zu diesen Dokumenten. Und ich glaube, dass es ein Prozess des Vergessens ist.“
Gründe für das positives Bild der deutschen Kolonialzeit
Oder eben ein Prozess der selektiven Erinnerung. Für die hat der Dokumentarfilmer Roméo Ghislain Zafack eine Erklärung:
„Wenn die Leute heute nostalgisch auf die deutsche Kolonialzeit blicken, dann auch deswegen, weil es noch Überreste gibt. Es gibt große Gebäude, die geblieben sind; es gibt Brücken, Plantagen, Eisenbahnlinien, die die Deutschen gebaut haben. Die Leute sehen also, dass diese Dinge immer noch da sind, obwohl so viel Zeit vergangen ist. Und sie sagen sich: Wenn wir noch weiter hart hätten arbeiten müssen, damit es mehr solche Dinge gibt, die lange bleiben – vielleicht wären wir dann heute ein bisschen weiter.“
Die Überreste der deutschen Kolonialzeit will Roméo Zafack für sein neues Filmprojekt aufsuchen. Für ihn geht es bei der Bewertung des brutalen Vorgehens der Deutschen auch um den Vergleich mit den anderen Kolonialmächten:
„Als die ersten Kameruner diese harte Behandlung durch Deutschland als unmenschlich empfanden, haben sie in Frankreich und Großbritannien nach dem Ersten Weltkrieg Retter gesehen. Aber meiner bescheidenen Meinung nach hat Frankreich diese Gelegenheit verspielt. Im Gegenteil, es hat sich den Afrikaner gegenüber nicht aufrichtig gezeigt. Und deswegen werden die Kameruner immer nostalgischer, was die deutsche Kolonialzeit angeht. Wenigstens war Deutschland ehrlich. Es hat gesagt: Um gute Straßen zu haben, muss man hart arbeiten. Und wer das nicht tut, den muss man schlagen. Und wenn man das sagt, dann schlägt man auch.“
Roméo Ghislain Zafack hat den Eindruck, die Auseinandersetzung auch mit der deutschen Kolonialgeschichte könnte helfen, das heutige von Krisen geschüttelte Kamerun besser zu verstehen und die Bevölkerung um diese gemeinsame Vergangenheit zu vereinen. Und seit er sein Filmprojekt begonnen hat, stößt er auf immer mehr Spuren der deutschen Vergangenheit, nicht nur baulicher Art:
Filmemacher Roméo Ghislain Zafack vor dem Kunstwerk „Kamerunische Helden“. Es zeigt Widerstandskämpfer gegen die Kolonisatoren, wie ganz links Rudolf Douala Manga Bell, nach dem ein Platz in Berlin benannt werden soll.
© Anne Françoise Weber
„Kürzlich habe ich in einem Ministerium jemanden getroffen, der mir erzählte, dass er der Ururenkel eines unbekannten Deutschen ist. Denn zu der Zeit dieser Zwangsarbeit hatten die Deutschen die Autorität über die lokalen Einwohner. Das hat sein Ururgroßvater ausgenutzt, um eine sexuelle Beziehung mit seiner Vorfahrin zu haben. Und danach ist er verschwunden. Da kam dieses Kind einer anderen Hautfarbe zur Welt und man konnte es nicht erklären. Aber die Chefs und die Alten wussten, was passiert war.“
Urgroßvater vom Deutschen Kaiserreich ermordet
Familienerinnerungen aus der Kolonialzeit wurden auch bei Marilyn Douala Bell weitergegeben. Das ging so weit, dass sie als Schülerin kein Deutsch lernen durfte, obwohl sie es gern getan hätte. Aber ihr eigener Urgroßvater, Rudolf Douala Manga Bell war 1914 von den Kolonialherren ermordet worden. Ein prägendes Ereignis:
„Ich bin an der Seite der jüngsten Tochter von Rudolf Douala Manga Bell aufgewachsen, sie war meine Großtante. Mit ihr hat sich die Familie jedes Jahr am 8. August am frühen Morgen versammelt. Es war immer ein Geheimnis für mich, diese große, wunderschöne Frau zu sehen, wie sie dort weinte und über diesen Verlust nachdachte, der ihr ganzes Leben geprägt hat – und natürlich die ganze Familie.“
Marilyn Douala Bell, Urenkelin des ermordeten Rudolf Douala Manga Bell, möchte, dass Deutschen und Kamerunern ihre gemeinsame Geschichte bewusst wird. Sie hat grau-schwarze Haare und trägt eine Brille.
Marilyn Douala Bell, Urenkelin des ermordeten Rudolf Douala Manga Bell, möchte, dass Deutschen und Kamerunern ihre gemeinsame Geschichte bewusst wird.
© Roméo Ghislain Zafack
Dabei stand Marilyns Urgroßvater den Deutschen zuerst sehr nahe: Als Sohn des Königs wurde Rudolf nach Deutschland geschickt, um dort Sprache und Kultur zu erlernen.
Nach seiner Rückkehr arbeitete er für die deutsche Kolonialverwaltung. Und nach dem Tod seines Vaters übernahm er die Herrschaft über das Volk der Douala, mit dem die Deutschen den ersten sogenannten Schutzvertrag geschlossen hatten. Gegen die deutsche Kolonialherrschaft lehnte er sich nie grundsätzlich auf. Bis 1911, als er nicht hinnehmen wollte, dass sein Volk zwangsumgesiedelt und enteignet werden sollte, um in der Stadt Douala die Afrikaner von den Europäern zu trennen. Manga Bell protestierte mit einer Petition an den Reichstag in Deutschland und schaltete einen deutschen Anwalt ein. Der Journalist Christian Bommarius schreibt in seinem kürzlich erscheinen Buch „Der Gute Deutsche“ über die Ermordung des Königs Rudolf Douala Manga Bell:
„Manga Bells friedlicher Kampf bedeutete für die deutsche Kolonialpolitik ein Dilemma. Wie alle Kolonialmächte beteuerte auch das Deutsche Reich, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen der afrikanischen Bevölkerung leisten zu wollen – durch Beendigung der Sklaverei und der Willkürherrschaft, den Aufbau eines Gesundheitssystems und die Einrichtung von Schulen. In der Praxis diente dieser humanitäre Aspekt aber vor allem als Deckmantel der Gewalt, auf der die Herrschaft beruhte. Es ging nicht um Zivilisierung, sondern um absolute Unterwerfung zwecks Ausbeutung der wirtschaftlichen und humanen Ressourcen. Für Manga Bell aber war Zivilisierung kein Vorwand, sondern eine Tatsache und die Achtung des Rechts ihr bester Beweis.“
Doch friedlichen Protest mit den Mitteln des Rechtsstaates wollten die deutschen Kolonialherren einem Afrikaner nicht zugestehen. Am 7. August 1914 verurteilten sie Rudolf Douala Manga Bell zusammen mit seinem Vertrauten Ngoso Din wegen Hochverrats zum Tod durch den Strang, tags darauf wurden die beiden gehängt. Eines ist Rudolfs Urenkelin Marilyn wichtig:
„Am nächsten Tag wurden hier in Douala 200 Menschen gehängt. Von ihnen spricht man nicht. Ich bin Nachkommin eines dieser Märtyrer und ich teile den Schmerz mit den Nachfahren aller anderen, all dieser Unbekannten. Es war eine Zeit voller Gewalt. Dass man den Namen des Anführers bewahrt – umso besser. Aber man darf die anderen nicht vergessen, das finde ich wichtig.“
Aktueller Konflikt mit 1800 Toten
Nach der deutschen Kolonialzeit teilten 1919 Franzosen und Briten Kamerun untereinander auf. 1961 kamen beide Teile wieder zusammen, 1972 folgte die Vereinigte Republik Kamerun. Doch vom Bildungs- und Rechtssystem, bis zur Sprache passte vieles nicht zusammen, was jetzt in einem blutigen Konflikt wieder zum Vorschein kommt.
Im kleineren, anglophonen Teil des Landes liefern sich Sicherheitskräfte und Separatisten seit 2017 blutige Kämpfe. Über 1800 Todesopfer und 530.000 Vertriebene – so die bisherige Bilanz der Auseinandersetzungen. Erst in diesem Frühjahr folgte ein erstes Dialogangebot der kamerunischen Regierung:
„Was die politischen Probleme angeht, hat mir der Präsident diese Botschaft mitgegeben: Er hat als Staatschef geschworen, die Einheit des Landes zu bewahren. Deswegen steht eine Trennung nicht auf der Tagesordnung. Aber sonst kann jeder andere Punkt diskutiert werden.“
Kameruns President Paul Biya im März 2018 beim Staatsbesuch in China in der Großen Halle des Volkes in Peking | Lintao Zhang/Pool Photo via AP)
Kameruns Präsident Paul Biya regiert seit 37 Jahren.
© Pool Getty Images / AP Photo
Mit diesen Worten überbrachte der kamerunische Premierminister Joseph Dion Ngute am 9. Mai die Botschaft von Präsident Paul Biya in die zwei anglophonen Provinzen Kameruns, die ungefähr ein Fünftel des Landes ausmachen. Ein Dialogangebot, das reichlich spät kommt. Zumal es schon vielfältige Vermittlungsangebote gab, die der Regierung unterbreitet wurden.
Zum Beispiel auf Initiative von Samuel Kleda, Erzbischof der Wirtschaftsmetropole Douala, die nah an den anglophonen Gebieten liegt. Gemeinsam mit den übrigen kamerunischen Bischöfen, aber auch mit Vertretern anderer Religionsgemeinschaften hat er bereits mehrere Anläufe zur Verständigung gestartet – ohne Erfolg.
„Wir haben uns zusammengesetzt, einen Plan erstellt und alles den Behörden übergeben. Wir warten bis heute. Wir wollten nicht einfach so beginnen, aber bisher gab es überhaupt keine Reaktion, nicht einmal eine Empfangsbestätigung, nichts.“
Separatisten wollten am Anfang nur föderalen Staat
Erst internationaler Druck konnte die Regierung unter Langzeitpräsident Paul Biya dazu bewegen, nach einigen kosmetischen Maßnahmen überhaupt einen ernsthaften Schritt in Richtung der Rebellen zu tun. Die nehmen für sich in Anspruch, die Interessen der anglophonen Bevölkerung zu vertreten, stellen aber zugleich keine einheitliche Gruppe dar. Dass die Regierung so lange untätig geblieben ist, hat indessen Folgen: Während vielen anglophonen Kamerunern anfangs noch die Rückkehr zu einem föderalen System gereicht hätte, ist heute der Ruf nach einem eigenen Staat viel lauter geworden, analysiert Jules Romuald Nkonlak, Chefredakteur der regierungskritischen Tageszeitung Le Jour:
„Die Separatisten waren zu Beginn eine kleine Gruppe, aber sie haben sich vermehrt. Nicht alle fordern heute die Abspaltung, aber ich glaube, ihre Zahl hat in den letzten drei, vier Jahren bedeutend zugenommen. Ich glaube, das Fehlen eines Dialogs hat die Leute in diesen Regionen verhärtet und radikalisiert.“
Auch wenn aufständische Milizen zahlreiche Sicherheitskräfte und Zivilisten ermordet und Schulen in Brand gesteckt haben, will der Journalist Nkonlak den Aufstand grundsätzlich nicht verteufeln:
„Ich glaube, dass die Leute, die da Forderungen aufstellen und sich beklagen, nicht der Logik eines Krieges oder einer Destabilisierung Kameruns folgen, wie es die Regierung glauben machen will. Es ist nur eine Frage des Wohlergehens – die Leute wollen besser leben. Sie wollen keine Menschen töten und Kamerun nicht zerstören.“
Die Forderungen nach einem besseren Leben und weniger Benachteiligung sind alt im anglophonen Teil Kameruns – sie begannen kurz nach der Vereinigung der beiden Landesteile. Dies geschah in zwei Etappen: 1961, kurz nach der Befreiung von der französischen bzw. britischen Kolonialmacht entstand ein föderaler Staat, Bundesrepublik genannt. Diese wurde am 20. Mai 1972 per Referendum zur „Vereinigten Republik“.
Der Fotograf Lawrence Chi Nyamngoh, der schon damals aus dem anglophonen Teil in die Hauptstadt Yaounde gezogen war, erinnert sich:
„In der Zeit gab es diese Euphorie, wir wollten uns vereinen. Mich ließ die Bezeichnung Vereinigte Republik von Kamerun an die Vereinigten Staaten von Amerika denken; es machte mich glücklich, weil ich dachte, das wäre anders als eine Bundesrepublik, und besser.“
Dominanz der Zentralregierung wirkt diskriminierend
Doch damit wurde auch die starke Dominanz der Zentralregierung in der Hauptstadt Yaounde besiegelt, die sich trotz verschiedener Verfassungsänderungen bis heute gehalten hat. Die seit den 1990ern versprochene Dezentralisierung wurde kaum umgesetzt, und die anglophonen Bürger fühlen sich im Bildungssystem, in der Justiz und im Alltag von der Zentralregierung und den Behörden diskriminiert.
Der Familienvater Peter, der seinen echten Namen lieber nicht nennen will, hat da seine eigenen Erfahrungen gesammelt:
„Ich persönlich hatte eine Auseinandersetzung mit der Polizei hier in Douala, weil sie mich behandelt haben wie einen Ausländer, wie einen Nigerianer. Das war schlimm. Ich habe ihnen meinen Ausweis gezeigt, aber sie sagten, der sei gefälscht. Ich wurde diskriminiert, weil ich anglophon bin. Das war 2011. Ich habe sie gefragt: Warum behandelt ihr mich wie einen Ausländer in meinem eigenen Land? Es war klar, dass so ein Aufstand eines Tages kommen könnte, weil die Rechte der Minderheit nicht respektiert wurden.“
Die Proteste begannen 2016 zunächst mit Streiks von Lehrern und Rechtsanwälten. Doch innerhalb eines Jahres wurde daraus ein bewaffneter Aufstand, stark geschürt von Kamerunern im Ausland. Sieben verschiedene Milizen kämpfen einem aktuellen Bericht des Thinktanks International Crisis Group mittlerweile vor Ort gegen die Sicherheitskräfte. Die Zivilbevölkerung, sofern sie noch ausharrt, steht dazwischen.
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EHEMALIGE KOLONIE
: Tansania will keine Entschädigung von Deutschland

AKTUALISIERT AM 04.05.2018-03:46
Reparationen sind für das ehemalige Deutsch-Ostafrika kein Thema, erfährt Außenminister Maas auf seiner Afrikareise. In einer anderen ehemaligen deutschen Kolonie wird dagegen noch verhandelt.
Kurz vor dem 100. Jahrestag des Endes der deutschen Kolonialherrschaft in Tansania sind Entschädigungsforderungen für die Regierung des ostafrikanischen Landes kein Thema. Außenminister Augustine Mahiga wies am Donnerstagabend nach einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas in Daressalam Reparationsforderungen einzelner Politiker und Gruppierungen in Tansania zurück. „Es ist kein Thema, das die Regierung aufgegriffen hat und wir denken, dass es andere Wege der gegenseitigen Unterstützung als die Forderung nach Entschädigung gibt“, sagte er....
https://www.faz.net/


Der Ostafrikaner: Eine deutsche Kolonialgeschichte aus vergangener Zeit. (Die ferne Zeit 34)

1504. Konrad von Kulm in Thüringen ist besessen von der Idee, die Quellen des Nils und die geheimnisvollen Mondberge in Afrika zu entdecken. In Portugal schifft er sich mit einer portugiesischen Flotte nach Indien ein, doch des Hochverrats bezichtigt, wird er alleine an der Küste Ostafrikas ausgesetzt.




Verbrechen an den Hereros und den Namas
Ringen um die Anerkennung der deutschen Schuld

Das Foto wurde von den Herero nach der Ausstellung nach Oganjira mitgenommen. Während des Völkermordes an den Herero und Nama geriet dieses Foto bei Plünderungen in die Hände der Kolonialmacht. Es wurde 1907 in Theodor Leutweins Buch "11 Jahre Gouverneur in Deutsch-Südwestafrika" veröffentlicht.
Die Gruppe der Herero und Nama auf der Ersten Deutschen Kolonialausstellung 1896 in Berlin © Bezirksamt Treptow-Köpenick
Von Jan-Philippe Schlüter und Christiane Habermalz · 20.12.2017
Zehntausende Menschen sind Anfang des 20. Jahrhunderts in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, von deutschen Soldaten getötet worden. Die meisten Historiker nennen es inzwischen einen Völkermord. Die Bundesregierung tut sich schwer, dies anzuerkennen.
"Die Sonne stand schon ziemlich tief, und die ganze Atmosphäre war mit Staub und dem Rauch des Geschütz- und Gewehrfeuers erfüllt. Es herrschte düstere Gewitterstimmung. Durch den fahlen Dämmer zuckten und blitzten die Schrapnells und Granaten, die in rasendem Schnellfeuer über Visier und Korn auf 100 Meter in die anstürmenden Schwarzen hinein gesandt wurden.“
So beschreibt einer der Hauptmänner der kaiserlichen Truppen die Schlacht am Waterberg am 11. August 1904.
Seit Beginn des Jahres haben sich die Herero gegen die Unterdrückung durch die deutschen Kolonialisten gewehrt. Sie haben Bahnlinien blockiert, Militärstationen belagert und Handelsniederlassungen überfallen. Der Oberkommandierende der kaiserlichen Truppen, Lothar von Trotha, bekommt den Auftrag, den Herero-Aufstand niederzuschlagen. Die Schlacht am Waterberg wird zur entscheidenden.
In zähen Kämpfen umzingeln die deutschen Truppen die Herero auf dem Plateau des Waterberg und nehmen taktisch wichtige Wasserstellen ein. Die Herero müssen in die Omaheke-Wüste fliehen. Lothar von Trotha lässt diese abriegeln, damit die Herero nicht zurückkommen können. Tausende von ihnen verhungern oder verdursten qualvoll in der Wüste.
Von Trotha lässt nie einen Zweifel daran: Der Kampf gegen die Aufständischen ist ein brutaler Vernichtungskrieg. Im Oktober 1904 lässt er verlauten:
„Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen. Das sind meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtigen Deutschen Kaisers.“
Die große Mehrheit der Historiker ist sich einig: Der vernichtende Kampf gegen die Herero ist der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts. Insgesamt sterben dabei je nach Schätzung bis zu 60.000 Herero. Die Überlebenden werden in Konzentrationslager gesteckt und zur Zwangsarbeit eingesetzt. Bis zum Ende der deutschen Kolonialzeit werden sie unterdrückt.
Drohung an das Volk der Nama
Etwa zur gleichen Zeit erheben sich auch die Nama unter Hendrik Witbooi im Süden der damaligen Kolonie. Anders als die Herero nutzen die Nama eher Guerillataktiken gegen die Siedler. Sie töten etwa 40 von ihnen, verschonen aber Frauen und Kinder.
Am 22. April 1905 ruft Lothar von Trotha, in seiner Proklamation an das sogenannte „Volk der Hottentotten“ die Nama auf, sich zu ergeben. Andernfalls drohe ihnen das gleiche Schicksal wie den Herero.
„An die aufständischen Hottentotten. Der mächtige, große deutsche Kaiser will dem Volk der Hottentotten Gnade gewähren, dass denen, die sich freiwillig ergeben, das Leben geschenkt werde. Dies tue ich Euch kund und sage ferner, daß es den wenigen, welche sich nicht unterwerfen, ebenso ergehen wird, wie es dem Volk der Hereros ergangen ist, das in seiner Verblendung auch geglaubt hat, es könne mit dem mächtigen deutschen Kaiser und dem großen deutschen Volk erfolgreich Krieg haben. Ich frage Euch, wo ist heute das Volk der Hereros?“
Wenig später stirbt Henrik Witbooi im Kampf. Zwei Jahre später ist der Aufstand der Nama endgültig niedergeschlagen.
Elf Jahre nach der Schlacht am Waterberg endet die deutsche Kolonialherrschaft. Die kaiserlichen Schutztruppen kapitulieren 1915 vor den Truppen des britischen Empire. Deutsch-Südwestafrika ist Geschichte.
Dieser Abschnitt der namibischen Historie hat sich tief in die kollektive Psyche der Herero und Nama eingebrannt. Sie wird von Generation zu Generation weitergetragen. Bis heute wissen auch junge Herero, was ihren Vorfahren wiederfahren ist. Vetaruhe Kandorozu, Mitte 30, ist bei seinen Großeltern aufgewachsen. Sie haben ihm die Geschichte seines Volkes und ihre persönliche Geschichte vermittelt.
"Meine Ur-Großmutter ist vor den Deutschen in den Süden geflohen. Sie hat es nicht nach Südafrika geschafft, ist aber im Süden Namibias von Angehörigen vom Volke der Nama aufgenommen worden. Mein Großvater war beim Völkermord 15 Jahre alt. Er hat uns viel erzählt, was damals passiert ist. Nachts ist er oft schreiend aufgewacht und hat gerufen: Stoppt sie! Sie töten uns! Er war wirklich traumatisiert.“
Die Position der Bundesregierung
Seit der deutsche Bundestag im Sommer 2015 in einer Resolution den Türkischen Völkermord an den Armeniern anerkannt und die Türkei dazu aufgefordert hat, für ihre Taten vor 100 Jahren Verantwortung zu übernehmen, war schnell klar, dass Deutschland nun auch vor der eigenen Tür kehren muss. Bundestagspräsident Norbert Lammert, CDU, und die frühere Entwicklungshilfeministerin Heide Wieczorek-Zeul, SPD, waren die ersten Politiker der beiden großen Volksparteien, die offiziell forderten, dass die Bundesrepublik nun auch ihren eigenen nicht aufgearbeiteten Völkermord beim Namen nennen muss. Mit der namibischen Regierung wurden Verhandlungen aufgenommen mit dem Ziel, so der offizielle deutsche Verhandlungsführer Ruprecht Polenz, zunächst eine gemeinsame Sprache zu finden, um die Ereignisse in der Vergangenheit zu beschreiben.
„Und dann wird es darum gehen, wie Deutschland sein Bedauern über diese Ereignisse zum Ausdruck bringt, und von dieser Basis ausgehend wird dann darüber zu sprechen sein, was kann denn heute nach über 100 Jahren getan werden, um die immer noch vorhandenen Wunden aus dieser Zeit zu heilen, Schmerzen zu lindern, und in welcher Form soll das geschehen.“
Die kunstvolle Umschreibung des CDU-Politikers macht deutlich, dass die Begriffsfindung weiter schwierig ist. Denn Deutschland möchte die Verbrechen an den Herero anerkennen und Maßnahmen zur Versöhnung treffen. Aber ohne dass dabei bestimmt Rechtsbegriffe fallen wie „Völkermord“, oder „Reparationen“ – die allerdings in Namibia mittlerweile zu symbolisch aufgeladenen Schlüsselbegriffen geworden sind. Zusammen mit einem offiziellen Schuldeingeständnis der Regierung, so die Befürchtung, könnte dies völkerrechtliche Folgen mit Klagen in Milliardenhöhe haben – nicht nur für Deutschland, sondern auch für andere frühere Kolonialmächte.
Unbehagen bei europäischen Partnern
In England, Frankreich und Italien schaut man durchaus mit Unbehagen auf die deutsch-namibischen Verhandlungen. Mittlerweile ist die Bundesregierung bereit, von Völkermord zu sprechen, – besteht jedoch darauf, dass dies im politisch-moralischen Sinne gemeint ist, und nicht im rechtlichen. Und auch die offizielle Entschuldigung stellt, so Polenz, in diesem Sinne kein Problem mehr dar.
„Dass sie erfolgen soll, ist klar, wie sie erfolgen soll ist auch Gegenstand der Gespräche mit Namibia, denn sie soll ja auch von der namibischen Seite angenommen werden. Also von daher müssen wir schauen, dass wir das so hinbekommen, dass der Zweck auch tatsächlich erreicht wird.“
Probleme haben die Deutschen jedoch weiterhin damit, Zahlungen als Reparationen zu bezeichnen. Man fürchtet einen Präzedenzfall, erläutert Andreas Zimmermann. Er ist Professor für Völkerrecht an der Universität Potsdam und Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Denn Reparationsforderungen, die gibt es auch immer wieder aus Griechenland oder Polen.
„Das ist die Büchse der Pandora, wenn man Namibia sagt, du Namibia hast Anspruch auf Reparationsleistungen, dann ist jedenfalls völkerrechtspolitisch doch klar, der nächste Schritt wäre dann, dass auch andere Staaten möglicherweise auf den Gedanken kommen könnten, solche Reparationsleistungen für Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg wieder zu fordern oder noch zu fordern.“
Statt von Reparationen spricht die deutsche Seite daher lieber davon, dass „noch vorhandene Wunden geheilt“ werden sollen. Die Höhe der Kosten für diese „Wundheilung“ ist freilich umstritten. Die zum Teil astronomischen Summen von bis zu 30 Milliarden Euro, die in den namibischen Medien kursieren, weisen die Deutschen zurück. Doch inhaltlich sind die Differenzen gar nicht mehr so groß. Deutschland will Geld in einen Zukunftsfonds einzahlen, aus dem Projekte in den Siedlungsgebieten der Herero und Nama finanziert werden sollen. Darunter ein Berufsbildungszentrum, Projekte zur Energieversorgung von entlegenen Dörfern mit erneuerbaren Energien und zum Bau von günstigem Wohnraum. Außerdem soll die Umverteilung von Land zugunsten von Herero und Nama unterstützt werden – dann, wenn es zu freiwilligen Landverkäufen kommt.
„Es geht im Grunde um finanzielle Mittel, um das Vorkaufsrecht der namibischen Regierung in solchen Fällen finanziell zu unterfüttern.“
Außerdem schlagen die Deutschen eine deutsch-namibische Zukunftsstiftung vor, die sich der Pflege einer gemeinsamen Erinnerungskultur widmen, Gedenkstätten einrichten und gemeinsame Schulbücher herausgeben soll. Und Polenz schwebt ein Jugendaustauschprogramm nach dem Vorbild von „Aktion Sühnezeichen“ vor. Alles Punkte, mit denen sicherlich viel Positives erreicht werden könnte – wenn da nicht das Akzeptanz- und das Zeitproblem wären. Denn die Verhandlungen ziehen sich schon viel zu lange hin – in der namibischen Öffentlichkeit macht sich Frust und Ärger breit. Und weil sich ein Teil der betroffenen Herero und Nama-Communities durch die namibische Regierung nicht vertreten fühlt, besteht die Gefahr, dass das Ergebnis der Gespräche am Ende nicht anerkannt wird. Deutschland betrachtet dies als eine innernamibische Angelegenheit. Doch die Sorge wächst, dass der erste wirkliche Aussöhnungsversuch einer früheren Kolonialmacht mit seiner ehemaligen Kolonie am Ende doch noch fehlschlagen könnte.
Die Position der Herero
Als die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im Jahr 2004 zum 100. Jahrestag der Schlacht am Waterberg nach Namibia reiste, hatte sie eine wohlausgefeilte Rede im Gepäck. Bis dahin hatten deutsche Regierungen es stets abgelehnt, die Gräueltaten der deutschen Schutztruppen als „Völkermord“ zu bezeichnen und eine Entschuldigung dafür auszusprechen. Auch diesmal war jedes Wort mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt worden. Doch Wieczorek-Zeul wurde unverhofft zum ersten deutschen Regierungsmitglied, das das erlösende Wort aussprach. Weil viele Herero getauft sind, hatte sie sich für ein Bibelzitat entschieden: Wir bitten um Vergebung für unsere Schuld.
„Und dann gabs Zwischenrufe: Apology, apology! Und dann hab ich, als ich das beendet hatte, hab ich gesagt: ´Everything I said was an apology for the atrocities committed by German Troops at that time.` Und für mich war eigentlich die Frage um Vergebung der Schuld zu bitten, viel tiefergehend, als Entschuldigung zu sagen, aber man muss ja auch die Erwartungen und Gefühle der anderen Seite berücksichtigen, deswegen habe ich es noch einmal so deutlich gesagt.“
Jubel brandete auf. Menschen hatten Tränen in den Augen. Doch dann die Enttäuschung: Der spontane Satz der Ministerin war nicht abgesprochen gewesen. Wiezcorek-Zeul wurde zurückgepfiffen, die Bundesregierung zog sich auf die alte Position zurück. Für Festus Tjikuua, traditioneller Herero-Chief und Mitglied im Technical Comittee der namibischen Verhandlungsdelegation, ist klar: Eine Entschuldigung zweiter Klasse wie damals darf sich nicht wiederholen. Eine Aussöhnung ist nur möglich, wenn Deutschland sich klar für seine Verbrechen entschuldigt, den Völkermord beim Namen nennt, und Reparationen zahlt.
„Die Entschuldigung muss in Namibia ausgesprochen werden. In einem würdigen Rahmen, an einem würdigen Tag. Und sie muss von einem hohen Repräsentanten Deutschlands ausgesprochen werden, der Kanzlerin oder dem Bundespräsidenten. Denn sonst wird sie niemals akzeptiert werden.“
Die Deutschen dürfen sich nicht wieder wegducken, sagt auch John Kasaona, wie Festus Herero und Mitglied im Technical Committee der Delegation. Seit 120 Jahren warteten die Herero und Nama auf diese Entschuldigung, sie habe einen großen symbolischen Wert für die heute lebenden Nachfahren.
„Erst wenn ihr sagt, ´wir entschuldigen uns für den Völkermord, den wir begangen haben`, dann erst werden wir aufatmen, dann erst sehen wir, dass ihr es auch ernst meint. Wenn Ihr die Wörter verbiegt und verdreht, dann ist es als würdet ihr nur wieder Ausflüchte suchen. Deswegen wollen wir diese drei Wörter hören: Völkermord, Entschuldigung und Reparationen.“
In Namibia wird außerdem erwartet, dass Deutschland auch materielle Entschädigungsleistungen zahlt, um die sozialen Folgen des Völkermords zu mildern, die bis heute in Namibia sichtbar sind. Denn die Deutschen beschlagnahmten damals das Land der ermordeten oder vertriebenen Herero und Nama und gaben es an deutsche Farmer, in deren Besitz es zum großen Teil noch heute ist. Die Nachfahren der Opfer leben dagegen in großer Armut. Festus Tjikuua rechnet vor:
„Wir wissen, wieviel Vieh damals von den Deutschen geraubt wurde. Wir wissen, wieviel Land uns genommen wurde. Und wir kennen die Zahl der Ermordeten und der unzähligen Kriegskinder, die geboren wurden, weil unsere Frauen von deutschen Soldaten vergewaltigt wurden.“
Geld für Projekte
Das Geld soll nicht als direkte Entschädigungszahlung fließen, sondern in Projekte, die den Siedlungsgebieten der Herero und Nama im Norden Namibias zugutekommen sollen. Doch über die Höhe der Zahlungen gehen die Vorstellungen auseinander. Und auch intern sind die Herero und Nama sich keineswegs einig. Der Paramount-Chief Vekuii Rukoro verlangt seit Monaten, an den Verhandlungen direkt beteiligt zu werden. Die namibische Regierung lehnt das ab, sie spreche für alle Volksgruppen des Landes. Zur Gruppe um Rukoro gehört auch Esther Utjua Muinjangue, Professorin an der Universität Windhoek und Vorsitzende der „Ovaherero Genocide Foundation“. Nach dem Zweiten Weltkrieg, sagt sie, habe Deutschland auch direkt mit dem Jüdischen Weltkongress wegen Entschädigungen verhandelt. Deutschland messe offenbar bei den Juden und den Herero mit zweierlei Maß:
„Unser Völkermord wird ignoriert, weil wir schwarz sind“.
Diese Gruppe ist es auch, die Deutschland vor einem US-Bundesgericht auf Reparationszahlungen wegen Völkermords verklagt hat – und auf Beteiligung an den Verhandlungen. Ein Prozessbeginn ist allerdings noch lange nicht in Sicht, die völkerrechtliche Zulässigkeit der Klage zweifelhaft. Die namibische Regierung distanziert sich offiziell von dem Vorgang. Allerdings hatte sie im Sommer noch selber eine Klagemöglichkeit gegen Deutschland geprüft.
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AFRIKA
Reparationen für Tansania?

Tansania will Deutschland für Verbrechen zur Rechenschaft ziehen, die während der Kolonialzeit begangen wurden. Dabei folgt das Land dem Beispiel Namibias, das bereits mit der Bundesregierung verhandelt.
Datum 09.02.2017
Autorin/Autor Martina Schwikowski
Bisher hat die Regierung in Daressalam noch keine Forderungen erhoben. Der tansanische Verteidigungsminister Hussein Mwinyi zeigt sich jedoch zuversichtlich, dass sich das Außenministerium seines Landes so schnell wie möglich konkreter mit der deutschen Regierung auseinandersetzen werde. Eine Nachfrage aus dem Parlament hatte Mwinyi am Mittwoch dazu bewogen, aus dem Wunsch nach Entschädigung vieler Familien von Opfern ein Staatsanliegen zu machen.
Zehntausende Menschen seien in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika getötet und gefoltert worden, erklärte Mwinyi. "Tansania folgt nun dem Beispiel anderer afrikanischer Länder wie Kenia und Namibia, die sich wegen Entschädigungen an die Regierungen ihrer ehemaligen Kolonialmächte gewandt haben." Kenia habe bereits Zahlungen von Großbritannien erhalten, Namibia stecke noch in Verhandlungen mit Deutschland, sagte der Minister im Gespräch mit der DW.
Debatte in den sozialen Medien
Die Ankündigung der Regierung stößt in den sozialen Medien auf große Resonanz. Auch DW-Nutzer reagierten auf Mwinyis Vorstoß. "Deutschland soll Entschädigungen zahlen für das Unheil, das sie uns angetan haben", schreibt Innocent Yona Isaya aus Kahama auf der Facebook-Seite des DW-Kisuaheli-Programms. Shechambo Gerald aus Bagamoyo hingegen hält nichts von dem Plan: "Ich sehe keinen Sinn darin, Kompensationen zu fordern. Wir brauchen Industrieländer wie Deutschland, die uns in unserer industriellen Entwicklung helfen. Deutschland hat da bereits viel getan."
Bundespräsident Gauck in Tansania
Großer Empfang für Bundespräsident Gauck und Lebensgefährtin Daniela Schadt in Arusha 2015
Deutschland pflegt heute ein enges Verhältnis zu seiner ehemaligen Kolonie. 2015 reiste Bundespräsident Joachim Gauck nach Tansania, auch die wirtschaftlichen Beziehungen sind gut. Doch die Erinnerungen an die Kolonialzeit belasten die Partnerschaft. Erst vergangenen November hatten ARD-Reporter aufgedeckt, dass in Berliner Museumssammlungen noch immer hunderte Schädel aus Deutsch-Ostafrika lagern. Sie stammen mehrheitlich aus dem heutigen Ruanda, 60 Schädel stammen vermutlich aus dem heutigen Tansania.
Koloniale Schuld
Das Thema koloniale Schuld rücke zunehmend auch ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit, sagt Niema Movassat, Mitglied des deutschen Bundestages für die Fraktion "Die Linke". Die jahrelange Debatte um die Anerkennung des Völkermordes an den Nama und Herero in Namibia habe nun auch die tansanische Regierung in ihrem Vorhaben bestärkt. "Die Zahlen der Opfer sind in Tansania sogar noch höher." Historiker schätzen, dass bis zu 300.000 Menschen zu Tode kamen, als deutsche Schutztruppen zwischen 1905 und 1907 den Maji-Maji-Aufstand im Süden Tansanias niederschlugen. Dabei brannten sie auch die Felder der Bauern nieder, Zehntausende verhungerten.
Tansania Park in Hamburg Askari Relief
Die deutsche Erinnerungskultur an die Kolonialzeit ist umstritten: Askari-Denkmal in Hamburg
Die Frage der kolonialen Verantwortung Deutschlands habe bisher nur eine untergeordnete Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung gespielt, sagt Linken-Abgeordneter Movassat. "Es gibt kein zentrales Mahnmal, das an die Verbrechen erinnert. In Schulen wird  zu wenig aufgeklärt", sagte Movassat im DW-Gespräch. "Die deutsche Kolonialgeschichte ist kaum bekannt, rückt aber jetzt stärker ins Bewusstsein durch die Klage aus Namibia. Daraus erwächst auch eine stärkere Beachtung des Themas in afrikanischen Ländern."
"Eine moralische Pflicht"
Die Kolonialverbrechen in Namibia hat die Bundesregierung vergangenes Jahr als Völkermord anerkannt. Das zeigt, dass nach mehr als hundert Jahren Bewegung in die Debatte kommt. Doch das geht manchen Namibiern nicht weit genug. Traditionelle Führer der Volksgruppen der Herero und Nama haben jetzt Klage gegen Deutschland eingereicht: Sie fordern konkrete Entschädigungszahlungen.
"Es gibt auf jeden Fall eine moralische und historische Pflicht für Deutschland, Entschädigungen zu zahlen", sagt Movassat. Und eine Reparationsklage aus Tansania habe durchaus Chancen auf Erfüllung, wenn man sich die Beispiele Kenia und Namibia anschaue. Im Januar deutete die deutsche Regierung an, möglicherweise Geld an Namibia zu zahlen. Ein Entgegenkommen, das auch tansanischen Opfervertretern Hoffnung machen dürfte. Eine Stellungnahme der Bundesregierung war bis Redaktionsschluss nicht zu bekommen.
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Colonial past

POLITICS
Jake Davies
09/25/2017September 25, 2017
The two cities of Dusseldorf, Germany, and Dschang, Cameroon, are thousands of kilometers apart, but their shared colonial history connects them to this day. Jake Davies went to explore in Dusseldorf.
The German city of Dusseldorf and Dschang in Cameroon are about 5000 kilometers (3,100 miles) apart, but still closely linked: their shared history dates back to 1895 - 11 years after Cameroon officially became a German colony thanks to an arrangement struck by German imperial commissioner for German West-Africa, Gustav Nachtigal, with King Rudolf Douala Manga Bell of Douala.
They agreed to transfer sovereignty and administration of the region to the growing European power.
Dschang, a city around 160 kilometers (100 miles) inland from the port of Douala and located in today's West Province, was first "discovered" by the Dusseldorf-born Eugen Zintgraff, a colonial explorer whose dealings with the locals in and around Dschang are well documented in the exhibit at Dusseldorf's Stadtmuseum.
Karte Kamerun Dschang ENGKarte Kamerun Dschang ENG
In particular, the exposition focuses on Zintgraff's contact with Galega I, the fon (king) of nearby Bali, who saw in Zintgraff's expedition the opportunity to expand his territorial control over the surrounding region.
Nuanced picture of colonialism?
For Stefanie Michels, the curator of the exhibition in Dusseldorf and leading researcher of the joint enterprise on the German side, this story of European and African cooperation to achieve respective gains at the expense of others reflects the historical reality of German, and indeed, European colonialism.
"There was never a strict dichotomy between colonizers and colonized. The colonial project always depended on intermediaries and networks with people in different positions and with different choices," Michels told DW.
A photo of Eugen Zintgraff at the Stadtmuseum exhibition in DusseldorfA photo of Eugen Zintgraff at the Stadtmuseum exhibition in Dusseldorf
A photo of Eugen Zintgraff at the Stadtmuseum exhibition in Dusseldorf - the colonial explorer arrived in Dschang in 1895Image: DW/J. Davies
Michels' aim for the research project is to paint a more nuanced picture of colonialism than the popular depiction of evil Europeans conquering poor Africans - she speaks of transcending the language of "perpetrator and victim" - in an attempt to combat harmful stereotypes of helpless Africans needing Europe's support.
She insists that her joint enterprise is far from whitewashing colonial crimes, but instead countering well-intentioned Europeans who wish to make amends for their past but unwittingly perpetuate colonial-era tropes.
"In Cameroon they stress that in the present and in the past they have always had their agency. This [stereotype of helpless Africans] really only applies to Europe" she said, adding that recognizing Africans' agency would help interact with people from the former colonies on a level playing field.
Heated discussion
Michels' call for an assessment of German, and by association European, colonialism without the "moral categories of perpetrator and victim" was just one controversial talking point at the research project's podium discussion on September 19.
Wilfried Neusel, a priest in the Rhineland evangelical church and vocal critic of a colonial memorial in Dusseldorf, hit back against his fellow panelist saying the colonial project was inherently exploitative and damaging for the colonized people, implying that Europeans need to do something more concrete than recognizing Africans' agency to improve future relations.
There was also a clash over whether to change street addresses named after figures involved in colonialism. This debate came after one of the panelists, Philipp Koep, a history teacher at a local comprehensive school, started a campaign with his class to rename Wissmannstrasse in the Unterbilk district of Dusseldorf, a name that honors the colonial administrator of German East Africa, Hermann von Wissmann.
'Colonial exploitation still going on'
The topic of colonialism's ongoing impact on African identity resonated with Albert Gouaffo, a specialist in German literature and cultural studies at the University of Dschang, who is leading the research project on the Cameroonian side.
Appearing to clash with his research partner Michels, Gouaffo suggested that European colonialism continues to blight the African continent today.
"We know that this colonial exploitation is still going on. The same infrastructure is still there. They have introduced only cosmetic help in the form of development aid," he told DW.
"That means, they don't come directly and take the products like earlier in the colonial era, but instead they say that we are 'cooperating', while their own henchmen are doing the same as before."
Notably, Gouaffo also had much to say about the ongoing migration crisis in Europe, which he believes is being exacerbated by European leaders who, in confusing the consequences and causes of migration, are displaying ignorance of Europe's colonial exploits.
"When someone's life is on the line, and they've got to the point where they have to cross the Mediterranean on a lifeboat, then one has to say that they've lost all hope. And when Europe reacts with barricades, which are increasingly being erected not in Europe itself but Morocco or Libya, then I think that you haven't studied history."
For Gouaffo and others involved in this joint research project on Germany's colonial connections in Cameroon, the hope is that Europe's leaders will start to engage with their continent's colonial past, for the sake of it and Africa.
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Zara oder das Streben nach Freiheit: Eine koloniale Familiengeschichte in Schwarz-Weiß

Ursula Trüper entstammt einer Dynastie von Missionaren, die im 19. Jahrhundert in "Deutsch-Südwestafrika", dem heutigen Namibia siedelten. Was sie lange nicht wusste: Ihr Vorfahr heiratete seine erste Taufschülerin, Zara. Zweihundert Jahre lang wurde die Schwarze Ahnin als Familiengeheimnis gehütet, erst durch einen Versprecher der Mutter wurde sie offenbart. Jetzt erforscht die Historikerin Trüper ihre Geschichte und enthüllt eine Familie, die Kolonialismus, Rassismus, Völkermord und Herrenmenschentum am eigenen Leib erlebte - als Täter und als Opfer. Ihr Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Diskussion der Deutschen Kolonialgeschichte, die gerade erst beginnt.



Reparations to Tanzania

PrintPublished: 23 March 2017
Colonialism Reparation supports the request for reparations of Tanzania for the atrocities committed during the Maji Maji war and calls for the former colonizers (Germany and United Kingdom) to present apologies and compensations for the colonial period.
From July 1905 to July 1907 the originary peoples of the southern part of German East Africa rebelled against the colonization acted by the German empire that repressed them brutally during the Maji Maji war killing tens of thousand of people.
On February 8, 2017 during a parliamentary question (88. Mheshimiwa Vedasto Edgar Ngombale) about the measures taken by the Government to compensate the victims of the Maji Maji war the Minister of Defence and National Service Hussein Mwinyi said that his Ministry will work to request for reparations to Germany, taking steps together with the Ministry of Foreign Affairs. The next day in an interview Minister Hussein Mwinyi has then explained to want to follow the example of the requests of the Mau Mau of Kenya and the Herero and Nama of Namibia.
Colonialism Reparation supports the request for reparations of Tanzania for the atrocities committed during the Maji Maji war and calls for the former colonizers (Germany and United Kingdom) to present apologies and compensations for the colonial period without being forced to appear before a court.
https://www.colonialismreparation.org/


Tanzania Demands Reparations for German Colonial Atrocities

By Abayomi Azikiwe
Global Research, February 17, 2017
Germany’s colonial role in Africa has been highlighted again as the Tanzania government placed the European state on notice that it will file an official complaint over the atrocities committed during the early 20th century.
This report comes in the aftermath of a similar effort by representatives of the Herero and Nama peoples of the Republic of Namibia, formerly known as South-West Africa under imperialism. Approximately 80 percent of the population of these two groups died as a result of a German extermination order issued by General Lothar von Trotha during the anti-colonial revolt of 1904-1907.
In the East African state of Tanzania, the government informed the National Assembly on February 9 that it would pursue an apology along with monetary damages for the crimes carried out in the years of 1905-1907 when an uprising occurred in the southern region of the country. Dr. Hussein Mwinyi, who serves as Minister for Defense and National Service, informed the Parliament of its intentions to work with the Ministry of Foreign Affairs to develop the proper approach to the issues involved.
The Maji Maji War (1905-1907)
Colonial authorities under the direction of Karl Peters, the founder of the German East Africa Company, imposed a draconian system of land theft, forced labor, economic exploitation and unjust taxation. Africans were forced from their traditional societies in order to make way for the European military and administrative apparatus.
Africans were mandated to leave their villages to produce wealth for export to other European nations. The levying of a tax on the people was designed to compel men to work for the colonial firms in the sectors of agricultural commodities, mining and railway construction.
Resentment quickly grew and an uprising erupted in July 1905. It was led by Kinjikitile Ngwale, also known as Bokero. The first wave of Africans attacked German garrisons as well as cotton fields from the Matumbi Hills utilizing traditional weapons and a formula composed of water, castor oil and millet.
Bokero believed that the formula spread over the bodies of the warriors would protect them from the high-powered German weaponry. The uprising was not just limited to the Matumbi and in a matter of weeks other ethnic groups including the Mbunga, Kichi, Ngoni, Ngindo and Pogoro joined in the campaign to eliminate European rule. This anti-colonial movement represented a significant development in that it transcended sectional divisions embarking upon a Pan-African approach to the national liberation struggles that would reach fruition decades later in the mid-to-late 20th century.
Germany’s Role in Africa
According to an entry published by the Black Past website: “The apex of the rebellion came at Mahenge in August 1905 where several thousand Maji Maji warriors attacked but failed to overrun a German stronghold. On October 21, 1905 the Germans retaliated with an attack on the camp of the unsuspecting Ngoni people who had recently joined the rebellion. The Germans killed hundreds of men, women, and children. This attack marked the beginning of a brutal counteroffensive that left an estimated 75,000 Maji Maji warriors dead by 1907. The Germans also adopted famine as a weapon, purposely destroying the crops of suspected Maji Maji supporters.” (blackpast.com)
Bokero, the spirit medium whose propaganda inspired the war, was captured and executed for treason on August 4, 1905. Nonetheless, the struggle continued for another two years under the renewed and expanded leadership.
Superior military weapons and reinforcements by the German government crushed the uprising by August 1907. Not satisfied with this military defeat of the Africans, the colonial authorities deliberating withheld food from the people leading to widespread deaths from starvation, thirst and disease.
German Colonialism in Africa
With the failure of German imperial ambitions at the conclusion of World War I, the role of this European nation in the rise of colonialism on the continent became obscured. Other imperialist states such as Britain, France, Portugal, Belgium, Spain, the United States and Italy would continue their economic plunder of Africa past the conclusion of the War in 1918 earning enormous wealth for the multi-national corporations and international finance capital.
However, it was in Germany under Chancellor Otto von Bismarck that the gathering known as the Berlin West Africa Conference was held from November 15, 1884 to February 26, 1885. The aim of the meeting, called for by Portugal, was to bring together the leading European colonial powers and the U.S. to divide the continent in order to facilitate greater cooperation and consequent profit-making for the imperialists.
An article by Elizabeth Heath published in Oxford Reference notes: “Rivalry between Great Britain and France led Bismarck to intervene, and in late 1884 he called a meeting of European powers in Berlin. In the subsequent meetings, Great Britain, France, Germany, Portugal, and King Leopold II (Belgium) negotiated their claims to African territory, which were then formalized and mapped. During the conference the leaders also agreed to allow free trade among the colonies and established a framework for negotiating future European claims in Africa. Neither the Berlin Conference itself nor the framework for future negotiations provided any say for the peoples of Africa over the partitioning of their homelands.”
Resulting from the imperialist consultations was the German Act of the Berlin Conference. The document sought to guide the Europeans away from conflict in order to guarantee a workable process of super-exploitation of African resources and labor.
Germany was awarded colonial territories not only in East Africa which encompassed modern-day Rwanda, Burundi and Tanzania but also Togo and Cameroon in West Africa and Namibia in the sub-continent. Additional settlements in Guinea and the area around Ondo state in Nigeria were attempted without success. Other locations within contemporary Chad, Gabon, Ghana, Kenya, Mozambique, Nigeria, the Central African Republic and the Republic of the Congo were also under the control of German imperialism during various periods between the late 19th and early 20th centuries.
The collapse of the German imperial state in the years of 1915-1918 prompted the invasion and occupation of their colonies by the military units of the so-called Allied Powers during World War I. By 1919 these territories had been wrested from German colonial domination at the aegis of the League of Nations and soon parceled over to Belgium, France, Portugal, South Africa and Britain.
Reparations Needed to Renew African Development and Unity
African Union (AU) member states are more than justified in demanding official apologies and compensation for the enormous damage done by imperialism in the 19th and 20th centuries. In fact it was the Atlantic Slave Trade beginning in the 1400s and extending into the 1800s that created the conditions for the rise of colonialism in Africa.
Even today the economic dependency of independent states is rooted in the colonial period of relations with Europe. Although African nations won formal national independence over a period of decades between the 1950s and the 1990s, with the exception of the Western Sahara still under Moroccan occupation inherited from Spain four decades ago, these post-colonial governments are limited by the develop model based upon supplying raw materials, agricultural crops and cheap labor to the industrialized countries.
Consequently, the debt owed to the capitalist financial institutions including the International Monetary Fund (IMF) and the World Bank remains an impediment to both national reconstruction and continental unification. If the African continent speaks with one voice on this question it will serve as a mechanism for acquiring the necessary resources to break with the imperialist system of resource extraction and labor brokerage.
Africa must build its own internal industries and economic system which serves the interests of the majority of workers, farmers and youth. The enormous wealth of the continent should be harnessed for the benefit of the people.
The original source of this article is Global Research
Copyright © Abayomi Azikiwe, Global Research, 2017
https://www.globalresearch.ca/


After Namibia, more demands for reparations?

POLITICS
Daniel Pelz
08/02/2017August 2, 2017
Namibia is demanding reparations from Germany for colonial-era genocide that took place more than hundred years ago. Are other former colonies going to follow suit? DW put that question to historian Jürgen Zimmerer.
DW: Are other former German colonies going to demand reparations from Germany in the future?
Jürgen Zimmerer: That is very difficult to predict, because it depends on a number of factors. Many former colonies closely monitor the negotiations between Germany and Namibia as well as the lawsuit some Herero and Nama representatives have filed against the German government in New York.
The British government has also admitted that it is following developments very closely. It will depend on the circumstances in each individual country if former colonies are going to demand reparations. Namibia is a very specific case.
Why is Namibia a specific case?
First of all because a genocide took place. Secondly it has also a lot to do with Namibia's history after the end of German colonial rule. Namibia was placed under a mandate of the League of Nations and administered by South Africa. It was therefore subjected to the Apartheid system until 1990. Decolonization took place very late.
The former liberation movement SWAPO that fought for independence has been ruling the country since then. This liberation movement is viewed as being dominated by the Ovambo people, while many Hereros and Namas feel left out. They do not feel that their government represents them as far as this issue is concerned.
That's the reason why Hereros and Namas have sued Germany in New York. They are suing for reparations, but also to be included in the negotiations. I do not see such a situation in Cameroon, Tanzania and Togo.
Did Germany commit colonial crimes in Tanzania, Togo or Cameroon that would justify reparations?
A portrait of Jürgen ZimmererA portrait of Jürgen Zimmerer
Jürgen Zimmerer is a professor at the University of HamburgImage: UHH/Dingler
Massacres did take place. The four former German colonies were brutally conquered. Today one would say: accompanied by war crimes.
Up to 300,000 people died in the Maji-Maji war in Tanzania between 1905 and 1907.
Massacres and several colonial scandals also took place in Cameroon and similarly in Togo.
The case of Manga Bell in Cameroon is particularly well-known. Manga Bell, who would later become the king of the Douala, had complained about the unjust regime of Governor Jesko von Puttkamer to authorities in Berlin. He was basically advocating for the rights of his people and was executed in August 1914 because of that.
There were misdeeds everywhere that would today be labeled as grave human rights violations. But it remains to be seen if it is possible to demand reparations because of that and if someone is going to demand them.
There was a debate about demanding reparations in Tanzania in February. What do you think of that?
I guess that people in Tanzania are waiting to see how things will develop in Namibia. The negotiations and the lawsuit in New York could set a precedent.
Former colonizers as well as the descendants of those who were colonized are watching closely.
Tanzania is an interesting example, because there were no demands for compensation for a long time. They were expressed in February, probably as a reflex reaction to what was going on in Namibia.
Namibia's government also did not demand compensations from Germany for a long time. That changed due to internal pressure after the Hereros and Namas argued successfully that compensations needed to be paid.
I assume that something similar is happening in Tanzania right now. Politicians have decided to address the topic and the question of how to deal with the colonial past is becoming part of the domestic political debate within Tanzania. It is difficult to predict if that will be successful and which politicians are going to take which side.

Is there any debate about the events that went on during colonial rule in the former colonies? Do people know what happened?
Yes, there is. People with an interest in history are certainly aware of the topic. There are also remains of buildings and other places of memory which refer to the colonial era.
But it is unlikely that everybody knows in detail what happened. It's like in Germany: Many people only have a vague idea that Germany was a colonial power. They do not know how brutal German colonialism was.
We have PhD students from Tanzania and Cameroon in our projects in Hamburg. Artists from Namibia are also soon going to join. They are happy that this topic is being dealt with and that they are getting a chance to work on it with us. They tell us that this topic is very important in their home countries, but there are not enough resources for an in-depth exploration of colonial history. That is also an effect of European colonialism: Educational institutions and the chances to explore one's history are still very unequally distributed.
Jürgen Zimmerer is a professor of African history at the University of Hamburg. He's one of Germany's leading specialists in colonial history.
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Deutsche Kolonialverbrechen an Herero
„Das beweist Kriegsverbrechen, aber nicht unbedingt Völkermord“

Kai Ambos im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 09.07.2015
Das Massaker in Srebrenica vor 20 Jahren ist weitgehend als Völkermord anerkannt. Die Tötung von 80.000 Herero und Nama durch die deutsche Kolonialmacht nicht. Welche völkerrechtlichen Schwierigkeiten es bei der Bestimmung eines Genozids gibt, erklärt der Göttinger Strafrechtsprofessor Kai Ambos.
Podcast: Studio 9
Aus der Sendung
Studio 9
Der Begriff des Völkermords ist in diesen Tagen in Bezug auf ganz unterschiedliche Orte präsent: Die Volksgruppen der Herero und Nama fordern von der Bundesregierung, die Morde Deutschlands vor mehr als 100 Jahren in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika – dem heutigen Namibia – als Völkermord anzuerkennen. Damals starben rund 80.000 Angehörige dieser Volksgruppen. Zumindest die Bundesregierung verweigert diese Anerkennung jedoch.
Anders in Bezug auf das bosnische Srebrenica. Dort wird am Samstag daran erinnert, dass vor 20 Jahren bosnisch-serbische Truppen 8.000 Muslime ermordet haben. Das ist weitgehend als Völkermord anerkannt: von der EU, der Mehrheit im UN-Sicherheitsrat – bis auf Russland –, auch im US-Repräsentantenhaus. Diese Anerkennung hat viele Folgen: strafrechtlich, historisch, politisch.
Absicht der Zerstörung einer ganzen Gruppe nachweisen
In der völkerrechtlichen Definition des Genozids sein für ihn das wesentlichste Merkmal die Absicht der Zerstörung einer ganzen Gruppe, sagte der Professor für Internationales Strafrecht an der Universität Göttingen, Kai Ambos am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur. Der Nachweis sei jedoch meist nicht ganz einfach zu erbringen.
So sei beispielsweise auch der Vernichtungsbefehl des Generalleutnants Lothar von Trotha gegenüber den Herero und Nama in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika für ihn kein Beweis für Völkermord. Dieser lautet. „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen.“
Ambos sagte dazu: „Das beweist auf jeden Fall Kriegsverbrechen, beweist auf jeden Fall auch Verbrechen gegen Menschlichkeit, also zum Beispiel Verbrechen der Verfolgung einer Gruppe aus rassistischen Gründen. Aber es beweist nicht unbedingt den Völkermord.“
https://www.deutschlandfunkkultur.de/


Maschinengewehr gegen Assegai: Die europäische Eroberung und Unterwerfung Afrikas, 1798-1914

Um 1800 war Afrika in den Augen der Europäer ein dunkler, unbekannter Erdteil, wo tödliche Krankheiten lauerten und unzivilisierte Völkerschaften hausten; ein Paradies für Sklavenhändler und wilde Tiere. Dennoch stießen europäische Wegbereiter im Verlauf der nächsten Jahrzehnte tief in den Kontinent vor und durchdrangen ihn mit Sextant, Bibel und Handelsware. Von Anfang an kamen die weißen Eindringlinge jedoch auch als Eroberer, die den Afrikanern ihre eigenen Ordnungs- und Herrschaftsvorstellungen mit Gewehr und Kanone aufzwangen. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs besetzten und eroberten sie beinahe die gesamte afrikanische Landmasse. Von Napoleons Einmarsch in Ägypten 1798 bis zu den Kolonialkriegen in Nordafrika 1914 spannte sich ein Bogen kriegerischer Gewalt, an dessen Ende das Maschinengewehr über den Assegai, den traditionellen afrikanischen Wurfspeer, triumphiert und ein ganzer Kontinent seine Unabhängigkeit verloren hatte. Dieses Buch erzählt die dramatische und blutige Geschichte der Eroberung und Unterwerfung der afrikanischen Völker, berichtet, wie sechs europäische Staaten und ein König als Privatmann fast das gesamte Land zwischen Tanger und Kapstadt unter ihre Herrschaft brachten, schildert die Truppen und Akteure beider Seiten und zeichnet die einzelnen militärischen und politischen Etappen dieser einzigartigen und brutalen Landnahme in epischer Breite nach. Zum ersten Mal wird eine Gesamtdarstellung des europäischen Angriffs auf Afrika vorgelegt, die das ganze "lange 19. Jahrhundert "(Eric Hobsbawm) umspannt, den gewalttätigen Aspekt der Aufteilung und damit die Kolonialkriege in den Vordergrund rückt und alle daran beteiligten europäischen Mächte gleichermaßen mit einbezieht. Mit einem umfangreichen Anhang, der eine Aufstellung aller Kolonialkriege sowie Berechnungen zu den Menschenverlusten dieser Konflikte enthält. Achtzehn Landkarten runden das Werk ab.


Kolonialgeschichte
Lammert spricht von Völkermord an Herero und Nama

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat die Massaker an der Bevölkerung im früheren Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, als Genozid bezeichnet. In einem Beitrag für die Wochenzeitung „Die Zeit“ schreibt er: „An den heutigen Maßstäben des Völkerrechts gemessen war die Niederschlagung des Herero-Aufstands ein Völkermord.“
08.07.2015
Bundestagspräsident Norbert Lammert: Massaker an Herero und Nama war Völkermord. (dpa / picture-alliance / Bernd von Jutrczenka)
Lammert betont in dem Beitrag, der Krieg der deutschen Truppen sei ein „Rassekrieg“ gewesen. „Nicht nur den Kampfhandlungen, sondern auch Krankheiten und dem gezielten Morden durch Verdursten- und Verhungernlassen fielen Zehntausende Herero und Nama zum Opfer, andere starben in Konzentrationslagern oder bei der Zwangsarbeit.“
Der Bundestagspräsident schreibt weiter, wer vom Genozid an den Armeniern 1915 im Osmanischen Reich spreche, müsse auch die Verbrechen des deutschen Militärs im Jahrzehnt davor in Namibia beim Namen nennen. Lammert hatte im April anlässlich der Vertreibung und Vernichtung der Armenier vor 100 Jahren im Osmanischen Reich ebenfalls von einem Völkermord gesprochen.
Zeugen des Verbrechens: Herero-Krieger in deutscher Gefangenschaft
Zeugen des Verbrechens: Herero-Krieger in deutscher Gefangenschaft (AP)
Die türkische Regierung lehnt den Begriff Völkermord“ entschieden ab. Angesichts der Debatte über die Bewertung des Massakers betont Lammert, dass „die heutige türkische Regierung nicht verantwortlich für das ist, was vor 100 Jahren geschehen ist“. So sei es zwar auch im Falle Deutschlands. „Aber wie die Türken tragen auch wir Verantwortung dafür, wie wir mit dieser Geschichte umgehen.“
Zehntausende Menschen getötet
Deutschland zählte das heutige Namibia mehr als 30 Jahre lang unter dem Namen Deutsch-Südwestafrika zu seinen Kolonien. Am 9. Juli 1915 endete die Herrschaft der Deutschen. Zu den dunkelsten Kapiteln in der Geschichte der Kolonie Deutsch-Südwestafrika gehört das Massaker an Zehntausenden Herero und Nama zwischen 1904 und 1908. Als die Herero einen Aufstand begannen und mehr als hundert Deutsche getötet wurden, ordnete General Lothar von Trotha die Vernichtung des Stammes an. Die Herero-Bevölkerung vor dem Massaker wurde auf 50.000 bis 80.000 geschätzt, es überlebten nur rund 15.000 Menschen.
Bisher bekennt sich die Bundesrepublik nicht offiziell zu einem Völkermord in Namibia. Seit einiger Zeit fordern Politiker und Aktivisten von der Bundesregierung, das Massaker als Genozid anzuerkennen. Am Montag hatte das Bündnis „Völkermord verjährt nicht!“ einen entsprechenden Appell im Bundespräsidialamt abgegeben. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat mahnte, Bundespräsident Joachim Gauck und die Bundesregierung müssten „diesen Völkermord endlich anerkennen und in aller Form Namibia und die Nachfahren der Opfer um Entschuldigung bitten.“
(hba/ach)
https://www.deutschlandfunk.de/


Das Buch der Deutschen Kolonien. Herausgeber unter Mitarbeit der früheren deutschen Gouverneure von Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun, Togo, Deutsch-Neuguinea. Vorwort von Heinrich Schnee. Gebundene Ausgabe – 1. Januar 1937





Völkermord an den Herero
„Wir haben Anspruch auf Anerkennung und auf Reparationen“

Nicht das Massaker an den Armeniern sei der erste Völkermord im 20. Jahrhundert gewesen, sagte Israel Kaunatijke vom Bündnis „Völkermord verjährt nicht!“ im DLF. Auch die Ermordung von 90.000 Herero und Nama in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika durch deutsche Truppen müsse als Genozid anerkannt werden.
Israel Kaunatjike im Gespräch Dirk-Oliver Heckmann | 28.04.2015
Der in Berlin lebende Herero Israel Kaunatjike fordert, dass die Bundesregierung die Massaker im heutigen Namibia vor mehr als 100 Jahren als Genozid anerkennt. (Deutschlandradio/Maurice Wojach)
Die Nachfahren hätten einen Anspruch auf Entschädigung und sollten in ihre Heimat zurückkehren dürfen. Kaunatijke – ein Nachfahre der Herero, der seit 1970 in Berlin lebt – wies darauf hin, dass die UNO bereits 1948 den Völkermord anerkannte. Er erwarte, dass die Bundesregierung nun ähnlich wie bei dem Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich von einem Genozid an den Herero spreche: „Das ist das, was wir auch von unserer Seite bereits gefordert haben.“
„Wir kämpfen für eine Wiedergutmachung und Anerkennung des Völkermordes“
Im Gegensatz zu den Armeniern würden sie sich von der Regierung nicht ernst genommen fühlen, kritisierte der Sprecher der Berliner Nichtregierungsorganisation im Interview mit dem Deutschlandfunk: „Wir werden einfach diskriminiert und als zweite Klasse behandelt.“
Namibia stand bis 1915 unter deutscher Kolonialherrschaft. Deutsche Soldaten hatten 1904 bei Aufständen Tausende Afrikaner getötet, darunter viele Vertreter vom Stamm der Herero. Nach der Niederschlagung des Herero-Aufstands gab Generalleutnant Lothar von Trotha am 2. Oktober 1904 einen Vernichtungsbefehl. Mindestens zwei Drittel des Herero-Volkes wurde ausgelöscht. Bis heute warten die Nachkommen auf eine offizielle Entschuldigung und eine angemessene Entschädigung.
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Ostafrika: Eine Reise durch die deutschen Kolonien Gebundene Ausgabe – 11. August 2008

Ostafrika- Die Perle der deutschen Kolonien Die paradiesische Vegetation und das überaus günstige Klima hatten deutsche Kolonialherren angelockt und im Jahre 1885 dazu veranlasst, diesen wundervollen Fleck Erde zu einer weiteren Kolonie des Deutschen Reiches zu machen. Kautschuk, Hanf, Baumwolle und Kaffee versprachen sprudelnde Gewinne. Über 5.000 Deutsche siedelten sich an und errichteten große Plantagen in traumhafter Landschaft. Nun besaß das Kaiserreich mit dem Kilimandscharo nicht nur den höchsten Berg Afrikas, sondern dieser war zeitgleich auch höchster Punkt Deutschlands. Besuchen Sie die wohl schönste ehemalige Kolonie des Deutschen Reiches und lernen Sie die vielen Schönheiten des Landes kennen.



Debatte um deutschen Genozid in Namibia
Vom Bundespräsidenten abgefertigt

Herero-Vertreter Vekuii Rukoro im Gepräch mit Stephan Karkowsky © Deutschlandradio Kultur / Stefan Ruwoldt

Vekuii Rukoro im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 07.07.2015
Deutschland soll den Mord an den Hereros durch die ehemalige Kolonialmacht in „Deutsch-Südwest-Afrika"als Genozid anerkennen. Das fordert der heutige Führer des namibischen Volksstamms. Doch von der Regierung fühlt er sich respektlos behandelt. Es werde offenbar mit zweierlei Maß gemessen.
Der aktuelle Führer der namibischen Herero, der OvaHerero Paramount Chief Vekuii Rukoro, gehört zu einer Delegation, die 100 Jahre nach dem Ende der Kolonie „Deutsch-Südwest-Afrika“, dem heutigen Namibia, für die Anerkennung des Genozids an den einheimischen Hereros kämpft. Solidarität erfährt er zwar von deutschen NGOs und einigen Parlamentariern. Doch Bundespräsident Joachim Gauck ließ den Politiker und Generalstaatsanwalt von Namibia auf der Straße abfertigen, als dieser ihm die Petition „Völkermord ist Völkermord“ übergeben wollte.
Opfer grausamer Morde und Experimente
„Unhöflich und respektlos“ habe er sich behandelt gefühlt, sagt Rukoro. Hundertausende seiner Vorfahren seien zwischen 1904 und 1908 brutal ermordet und Opfer grausamer Menschenexperimente geworden. Sein Appell, diese Taten offiziell anzuerkennen, wird von einigen Bundestagsfraktionen (Grüne, Linke) mittlerweile unterstützt. Der Grund, warum sich die deutsche Politik insgesamt aber mit dem Thema schwer tut, ist offenbar die Angst vor Entschädigungszahlungen. „Ein Menschenleben kann man nicht mit Geld aufwiegen“, sagt Rukoro dazu, „doch der Genozid muss klar benannt und eingestanden werden.“
Als besonders bitter und unverständlich empfinde er es, dass es der deutschen Regierung offenbar leichter falle, das Wort „Genozid“ zu verwenden, wenn es um die Gräueltaten an den Armenier gehe. „Der Völkermord an Schwarzen wird offenbar anders bewertet als der an Europäern.“ Doch da es sich beim Mord an den Hereros um „den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“ handele, dürfe er nicht totgeschwiegen werden.
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Deutsch-Ostafrika: Geographie und Geschichte der Kolonie Taschenbuch – 12. November 2019






Ehemaliges Deutsch-Südwestafrika
Forderung nach Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte

Von Christoph Reimann · 06.07.2015
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts töteten deutsche Truppen in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika – im heutigen Namibia – fast die gesamte Volksgruppe der Herero und die Hälfte der Nama. Angehörige der beiden Volksgruppen fordern in Berlin, dies als Völkermord anzuerkennen.
Montagvormittag in Berlin. Der Wind schiebt die letzten Gewitterwolken über den Juli-Himmel. Vor dem Schloss Bellevue eine Gruppe von Menschen. Keine Touristen, aber doch Weitgereiste –mit einem ernsten Anliegen:
„Wir sind hier, um die namibischen Volksgruppen Nama und Herero zu vertreten. Zusammen mit einer NGO wollen wir dem deutschen Bundespräsidenten eine Petition überreichen. Es geht darum anzuerkennen, was der General von Trotha an unserem Volk zu Beginn des 20. Jahrhunderts verübt hat – nämlich einen Genozid“,
sagt Vekuii Rukoro, Führer der namibischen Herero. Das Ende der Kolonie Deutsch-Südwestafrika jährt sich am 9. Juli zum 100. Mal. Nach einem Aufstand der unterdrückten Herero im Jahr 1904 kam es zum Kolonialkrieg. Bis 1908 töten die Truppen von Lothar von Trotha rund 90.000 Menschen. Sie wurden erschossen oder in die Wüste gejagt, wo sie verdursteten. Etwa 80 Prozent der Herero kamen so ums Leben – und rund 50 Pront der Nama. Als Vertreterin dieser Volksgruppe ist Ida Hoffmann nach Deutschland gereist. In bunter Nama-Tracht steht sie vor dem Schloss:
Hoffmann: „Unsere Würde hat großen Schaden genommen. Wir haben uns nicht entwickeln können. Wenn du heute den Süden Namibias besuchst, siehst du, wie unsere Leute auf der Straße hocken. Wir können nicht mal unsere Kinder zur Schule schicken – wobei das in der heutigen Zeit doch alles ist. Das Deutsche Reich hat uns arm gemacht, und die heutige deutsche Regierung muss dafür die Verantwortung übernehmen.“
Bundesregierung verweist auf Dialog mit namibischer Regierung
So sehen es auch die Bundestagsfraktionen der Opposition. Einzelne Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei, aber auch der SPD, zählen zu den Unterzeichnern der Petition. In den vergangenen Tagen haben sich Grüne und Linkspartei außerdem mit eigenen Anträgen an die Bundesregierung gewendet. Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei:
„Es geht in dem Antrag darum, dass Deutschland endlich den Völkermord, der zwischen 1904 und 1908 geschehen ist, anerkennt und sich dafür entschuldigt und mit der Regierung Namibias und mit den Nachfahren der Opfer in einen Dialogprozess einsteigt über die Frage der Wiedergutmachung.“
Das fordern auch Ida Hoffmann und Vekuii Rukoro. Die Bundesregierung aber spricht offiziell nicht von einem Genozid. Stattdessen verweist sie in einer aktuellen Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen: Seit 2014 befinde sie sich mit der namibischen Regierung in einem gemeinsamen Dialog, der, „erstmals auch die Suche nach einer gemeinsamen Haltung und einer gemeinsamen Sprache in Bezug auf den grausamen Kolonialkrieg (…) umfasst“.
Zuversicht, dass Bewegung in die Sache kommt
Das befürworten Rukoro und Hoffmann. Aber es geht ihnen nicht weit genug – zumal Bundespräsident Joachim Gauck erst im April das Armenienmassaker als Völkermord bezeichnet habe. Nun sei es endlich Zeit, auch die deutsche Geschichte im ehemaligen afrikanischen Kolonialgebiet aufzuarbeiten. Und sie sind zuversichtlich, dass jetzt tatsächlich Bewegung in die Sache kommt.
Rukoro: „Es wird schwierig für die deutsche Regierung, weiterhin den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass sich das Problem von allein erledigt. Sie muss auf die vernünftigen Stimmen ihrer Bürger hören und auf die legitimen, angemessenen und gut begründeten Forderungen der Ovaherero und Nama eingehen.“
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Deutsch-Ostafrika: Geographie und Geschichte der Kolonie Taschenbuch – 17. August 2016

Deutsch-Ostafrika - Geographie und Geschichte der Kolonie ist ein unveränderter, hochwertiger Nachdruck der Originalausgabe aus dem Jahr 1890.





Völkermord an den Herero und Nama
Das Unrecht beim Namen nennen

Nicht erst die Unterschriftenliste, die Bundespräsident Joachim Gauck von Vertretern Namibias erhalten hat, lässt keine Zweifel: Im damaligen Deutsch-Südwestafrika hat Anfang des 20. Jahrhunderts ein Völkermord stattgefunden – begangen von der Kolonialmacht, dem deutschen Kaiserreich. Rechtsnachfolger Deutschland erkennt das Unrecht bis heute nicht an.
06.07.2015
Eine Gedenktafel auf dem deutschen Friedhof am Waterberg (Namibia) für die Herero-Krieger (picture alliance/dpa/Jörg Schmitt)
Zwischen 1904 und 1908 hatten kaiserliche Truppen im damaligen Deutsch-Südwestafrika mindestens 85.000 Angehörige der aufständischen Volksgruppen Herero und Nama ermordet. Ein Völkermord, entschieden bereits 1948 die Vereinten Nationen und sind sich heute auch Historiker einig. 1915, während des Ersten Weltkriegs, ging die deutsche Kolonialherrschaft dann zu Ende. An einem 9. Juli, also bald vor 100 Jahren. Auch deshalb ist das Thema in diesen Tagen wieder so aktuell.
Eine namibische Delegation mit Vertretern der Volksstämme Herero und Nama haben die ersten Unterschriftenlisten zum Appell „Völkermord ist Völkermord!“ an Bundespräsident Joachim Gauck übergeben. Die Delegierten fordern die Anerkennung der von der deutschen „Schutztruppe“ begangenen Verbrechen im heutigen Namibia als Völkermord. Und sind damit nicht alleine.
Vor wenigen Tagen riefen der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi, und Grünen-Parteichef Cem Ödzemir die Bundesregierung zu einer offiziellen deutsche Entschuldigung auf. Gysi sagte: „Es geht nicht, dass die Bundesregierung sich bei diesem Thema immer noch wegduckt.“ Dieses Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte dürfe nicht unbearbeitet bleiben, als Rechtsnachfolger trage die Bundesrepublik hier Verantwortung, erklärte Özdemir.
Wieczorek-Zeul erinnert an Armenier-Genozid
Und auch Heidemarie Wieczorek-Zeul meldete sich wieder zu Wort. Die SPD-Politikerin entschuldigte sie sich als erste deutsche Politikerin bei einer Gedenkveranstaltung in Namibia für die Gräueltaten des deutschen Kolonialismus. Das war 2004.
Elf Jahre später gehört sie zu den Unterzeichnern der Unterschriftenaktion. Und betont: „Der Völkermord an den Armeniern wurde im Bundestag vor wenigen Wochen klar benannt und die Türkei aufgefordert, sich zu ihrer Verantwortung zu bekennen. Wir dürfen nicht nur andere auffordern, Position zu beziehen, sondern müssen das auch selber tun.“
Nicht das Massaker an den Armeniern sei der erste Völkermord im 20. Jahrhundert gewesen, sagte auch Israel Kaunatijke vom Bündnis „Völkermord verjährt nicht!“ Anfang April im DLF.
Heute „vertrauensvolle Zusammenarbeit“
Seit seiner Unabhängigkeit vom südafrikanischen Apartheidregime 1990 hat sich das dünn besiedelte, aber an Bodenschätzen reiche Namibia zu einer stabilen Demokratie entwickelt.
Die Beziehung zwischen Deutschland und Namibia sei heute durch „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ geprägt, heißt es aus dem Entwicklungsministerium, das auf die Höhe der Entwicklungshilfe und eine „Versöhnungsinitiative „verweist. Die trage mit 31 Millionen Euro zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Gebieten der Herero und Nama bei. Den Opferverbänden ist das nicht genug.
(bor/tzi)
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Islam in Afrika, Deutsche Propaganda und die Rolle des Islam in Deutschen Kolonien in Ostafrika

Studienarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Theologie - Vergleichende Religionswissenschaft, Note: 2,0, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Institut für Religionswissenschaft), Veranstaltung: Islam in Afrika, Sprache: Deutsch, Abstract: [...] „Noch nie zuvor waren die Deutschen auf die Kooperation der Afrikaner so angewiesen (…). Fast alles, was für den Krieg benötigt wurde, musste in der Kolonie hergestellt werden. Neue Soldaten mussten rekrutiert, ausgebildet und verpflegt, eine offensive militärische Infrastruktur geschaffen werden. Wollten die Deutschen diesen Krieg führen, so mussten sie erst einen anderen Krieg gewinnen, den um die Herzen und Gedanken der Afrikaner. Eingedenk der blutigen Geschichte der deutschen Kolonialherschafft war dies ein schwieriges Unterfangen. In diesem Moment tauchte die Idee vom Heiligen Krieg auf. (…) Bereits 1914 hatte der Generalstab in Berlin Pläne entworfen, den Vormarsch der mit dem Reich verbündeten Türken auf den Suezkanal durch Sabotageakte deutscher Agenten und antibritische und antifranzösische Propaganda zu unterstützen. In Afrika konnte eine solche Propaganda durchaus auf fruchtbaren Boden fallen, schließlich war es hier immer wieder zu Aufständen gegen die europäischen Kolonialherren gekommen (…).“ Ziel dieser hier vorliegenden Hausarbeit soll es sein, darzustellen, auf welche Art und Weise Propaganda seitens der deutschen Kolonialherren eingesetzt wurde und vor allen Dingen, welche Rolle der Islam in diesem Zusammenhang spielte. So soll zu Beginn dieser Hausarbeit die Beziehung zwischen den deutschen Kolonialherren und den Einheimischen vor dem Kriegsausbruch in den Kolonien untersucht werden. Besonderes Augenmerk soll hier auf die Rolle des Islam gelegt werden. Anschließend wird der Kriegsausbruch in den Kolonien thematisiert, die aufkommende Notwendigkeit der Askaris wird untersucht und der damit zusammenhängende Vormarsch des Islam in deutschen Kolonien. Im weiteren Verlauf werden die Kolonialherschafft und dessen Propaganda näher untersucht. Welche Bedeutung kann in diesem Zusammenhang dem Islam zugesprochen werden? Der Schluss dieser Hausarbeit soll einer kurzen Zusammenfassung der hier gewonnenen Ergebnisse dienen, darüber hinaus soll er aber auch Raum für einen Ausblick bereit halten.


October 12: international Day for reparations

PrintPublished: 06 October 2014
On October 12, 1492, Christopher Columbus set foot on the so called "New World", ushering in a cycle of occupation, violence, genocide and slavery: this was the beginning of colonization.
Colonization is a global phenomenon: there is hardly a country in the world that has not been colonized, a colonizer, or both, such as the United States. Colonization is one of the phenomena that has most disrupted humanity. It has left a deep and lasting impression on all continents and the consequences of this are
• demographic: there are millions of people who have been exterminated, deported, or sold into forced labour.
• political: in Africa, America, Asia, and Oceania, cities, kingdoms and empires have disappeared. Traditional communities were gradually disrupted and subjected to European domination.
• economic: the entire economic fabric of societies was brutally dismantled. Crops were looted and famines became more frequent. Dispossessed of their own wealth, those who were colonized were permanently immersed in a state of chronic poverty.
• cultural: colonization destroyed many civilizations, languages, cultures and religions. Those who were colonized often lost their roots and their identity. The social image of the non-European was degraded and this has facilitated the development of racist theories, which has fuelled violence and discrimination of all kinds.
• ecological: the introduction of technologies in the service of profit and productivity focused visions caused the ransacking of millions of hectares of forests, the wasting of natural resources, the pollution of whole regions and it has made the environment fragile and deteriorated public health. It has also helped to disrupt ecosystems and, of course, the most devastating effect of colonization from an ecological aspect is the increase of global warming.
Begun in the late fifteenth century, colonization lasted several centuries and continues to this day in modern forms (imperialism, mining, land grabbing, military interventions, etc.) .
When a wrong has been committed, it must be repaired. If you recognise that colonization has been a source of massive crimes against humanity, then reparations are legitimate. If you refuse these reparations, then you deny the criminal nature of colonial crimes.
This is why we are forcefully demanding reparations, and this demand is non-negotiable. Since the beginning of colonization, over five centuries ago, men and women have fought against it and demanded justice.
Whether it is genocide in the Americas, the transatlantic slave trade, or colonization in Africa, Asia and Oceania, figures as famous as Condorcet, Callie House, Martin Luther King Jr., Malcolm X, Frantz Fanon, Desmond Tutu, and Wole Soyinka have defended the principle of reparations.
The 2001 UN conference in Durban has strengthened the mobilization of peoples and now states and even regional organizations have involved. As of now, this issue is being debated in the African Union, Caricom, in much of the Americas, Africa, Asia, Oceania, and Europe. Some states have even begun to implement their own reparations policies.
On October 12 we are launching the International day for reparations related to colonization. Approved and supported by the Assembly of Social Movements of the World Social Forum held in Tunis in March 2013, this initiative will give more strength and visibility to actions around this topic: Our credo is Unity is strength.
One may certainly discuss the terms of reparations, but it is important that it is effectively implemented as soon as possible. From this day on, now and every year forward, we will aim to advance justice in the world. Because it is not only the past, but the present and the future potential of all things is hampered both by the weight of the past colonialism and by new forms of imperialist domination.
We invite citizens, NGOs, and governments to seize this iconic date and implement any and all action necessary to advance the cause of reparations all over the world (press releases, conferences, exhibitions, media campaigns, street actions, cultural festivals, radio broadcasts or television, political decisions, etc.).
Our parents and grandparents fought for independence and freedom, we must continue their fight to get justice.
AfricAvenir
Africa-Hamburg
Association des Jeunes Méditerranéens pour les Echanges Culturels (AJMEC)
Association pour la Taxation des Transactions financières et pour l'Action Citoyenne (ATTAC) Togo
Association Tunisienne de Sociologie (ATS)
Berlin Postkolonial
Bundeskoordination Internationalismus (BUKO)
Colonialism Reparation
Comité International des Peuples Noirs (CPN)
Comité pour l’Annulation de la Dette du Tiers Monde (CADTM) Lubumbashi
Conseil Représentatif des Associations Noires (CRAN)
Glokal
Informationsbüro Nicaragua e. V.
Mouvement International pour les Réparations (MIR)
Plataforma DESCAM
Réseau National Dette et Développement (RNDD) Niger
Slave Trade Reparations Project (STeR)
Union des Femmes pour la Dignité Humaine (UFDH)
https://www.colonialismreparation.org/
It is possible to join the Call here: http://www.colonialismreparation.org/en/what-you-can-do/join-the-call-for-the-international-day-for-reparations.html


AFRIKA
Großbritannien zahlt Kenianern Entschädigung

Großbritannien wird mehr als 5000 Kenianer entschädigen, die während der Kolonialzeit im Kampf für die Unabhängigkeit misshandelt und gefoltert wurden. Andere ehemalige Kolonien könnten nun ebenfalls Forderungen stellen.
Datum 08.06.2013
Autorin/Autor Sarah Steffen
Ein jahrelanger Rechtsstreit geht zu Ende: Die britische Regierung hat den Opfern des Mau-Mau-Aufstandes während der britischen Kolonialherrschaft Entschädigungszahlungen versprochen. Insgesamt will Großbritannien 19,9 Millionen Pfund (umgerechnet 23,4 Millionen Euro) an mehr als 5000 Kenianer auszahlen.
Der Mau-Mau-Aufstand begann in den 1950er Jahren, als Kenianer sich gegen die britische Kolonialherrschaft auflehnten. Sie hatten ihr Land zurückgefordert und Siedler angegriffen; die Kolonialmacht schlug brutal zurück. Der Aufstand führte letztlich zu Kenias Unabhängigkeit 1963. Die Opferzahlen sind unklar: Niedrig angesetzte Schätzungen gehen von mindestens 10.000 Toten aus; nach Angaben von kenianischer Regierung und kenianischen Menschenrechtsorganisationen wurden 90.000 Menschen getötet, gefoltert oder verstümmelt. Viele der Opfer hatten sich nicht am bewaffneten Aufstand beteiligt, sondern lediglich den Kämpfern geholfen.
"Die Regierung erkennt an, dass Kenianer Folter und anderen Misshandlungen durch die Kolonialverwaltung ausgesetzt waren", sagte Großbritanniens Außenminister William Hague am Donnerstag (06.06.2013) vor dem britischen Unterhaus. "Die britische Regierung bedauert es sehr, dass diese Misshandlungen geschahen und dass sie den Unabhängigkeitsprozess Kenias verlangsamt haben", sagte Hague. Er vermied aber eine direkte Entschuldigung.
Bestätigung für die Mau-Mau-Veteranen
Die Entschädigung geht an 5228 Opfer, die von einer Londoner Anwaltskanzlei vertreten werden. Den Weg ebnete eine kleine Gruppe von kenianischen Mau-Mau-Veteranen, die vor dem Obersten Gericht gegen die britische Regierung geklagt hatten. Zunächst hatte Großbritannien argumentiert, dass der kenianische Staat für solche etwaigen Zahlungen aufkommen müsse. Denn die Zuständigkeiten dafür seien im Rahmen der Unabhängigkeit 1963 an die Republik Kenia übergegangen. Im Oktober 2012 sprach das Londoner Gericht den Mau-Mau-Veteranen jedoch ein Klagerecht zu. Ihre Anwälte hatten vor Gericht vorgetragen, ihre Mandanten seien kastriert, sexuell misshandelt und gefoltert worden.
Historisches Bild mit verhafteten Kenianern (Foto: Keystone/Hulton Archive/Getty Images)
Während der Kolonialzeit griff Großbritannien hart gegen die Mau-Mau-Kämpfer durch
Der Verein der Mau-Mau-Veteranen begrüßte das Einlenken der britischen Regierung und deren Entscheidung, Entschädigungszahlungen zu leisten. "Dies ist ein Moment des Stolzes für uns und der Beginn der Aussöhnung zwischen den Mau-Mau und der britischen Regierung", sagte Gitu wa Kahengeri, Sprecher der Veteranenvereinigung. "Kein Geld der Welt reicht aus, um die Qualen, die wir durchlitten haben, abzugelten. Aber wir akzeptieren das Angebot."
Auch der Anwalt der ehemaligen Mau-Mau-Kämpfer, Paul Muite, betonte, dass es gut sei, endlich einen Kompromiss geschlossen zu haben - schon allein aufgrund des Alters seiner Mandanten. Die meisten der Opfer seien inzwischen 80 bis 90 Jahre alt. "Hätten wir das Angebot abgelehnt, hätte das bedeutet, dass der Prozess weitere fünf bis zehn Jahre gedauert hätte", sagte Muite der DW. Veteranensprecher Kahengeri betonte, die Zahlungen seien endlich die Bestätigung dafür, dass die Mau-Mau-Veteranen für die Unabhängigkeit gekämpft hätten und keine Terroristen waren. "Wir haben sehr lange darauf gewartet, dass die Briten sagen: 'Was wir in Kenia gemacht haben, war falsch.'"
Ein Präzedenzfall für andere ehemalige Kolonialmächte?
Trotz der Zahlungen und einem Ausdruck des Bedauerns seien die Kompensationen keine Blaupause für weitere Fälle, sagte der britische Außenminister Hague. "Wir glauben nicht, dass diese Entschädigung einen Präzedenzfall schafft in Bezug auf andere ehemalige Kolonialverwaltungen."
Historisches Foto eines Gefängnislagers (Foto: Evening Standard/Getty Images)
Die genauen Opferzahlen sind unklar - tausende wurden misshandelt, gefoltert und getötet
Diese Sichtweise wird nicht von allen geteilt. Mark Stephens, Menschenrechtsanwalt in Großbritannien, sieht durchaus die Möglichkeit eines Schneeballeffektes. "Wir werden sicher sehen, dass weitere Ansprüche erhoben werden", sagte Stephens der DW. Es gehöre zum Heilungsprozess, dass jemand im Namen der Regierung anerkennt, dass falsch gehandelt wurde, sagte der Anwalt. "Die finanzielle Entschädigung ist dabei nur ein Teil des Ganzen." Vor allem Frankreich könne wegen "systematischer Folter" während der Kolonialzeit in Algerien Probleme bekommen, so Stephens.
Aber auch auf Großbritannien könnten weitere Entschädigungszahlungen zukommen. Entsprechende Forderungen aus den ehemaligen Kolonien Zypern und Malaysia gibt es bereits; weitere Klagen werden erwartet. Und auch im Fall der Mau-Mau-Kämpfer sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, sagte Stephens. "Laut einigen Anwaltskanzleien hat diese Zahlung noch lange nicht alle Ansprüche erfüllt." Er verweist auf eine Kanzlei, die ebenfalls mit dem Fall betraut ist. "Deren Anwälte vertreten weitere 8000 Kenianer, die bislang in den Entschädigungszahlungen nicht berücksichtigt wurden."
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Der „gekreuzte Blick“ auf den Kolonialismus

Im Kampf um Kolonien galt Deutschland lange als der „zu spät gekommene Staat“. Während Großbritannien über Jahrhunderte sein Empire aufgebaut hatte, errichtete Deutschland erst 1884 mit Deutsch-Südwestafrika seine erste Kolonie. Die Historikerin Ulrike Lindner geht den Verflechtungen der beiden Kolonialmächte nach.
Von Birgit Morgenrath | 14.05.2012
Mit ihrem „gekreuzten Blick“ betritt die Studie Neuland – und um es gleich vorwegzusagen: Diese Verflechtungsgeschichte der deutschen und englischen Kolonien in Ost- und Südafrika ist äußerst spannend zu lesen. Die histoire croisée erlaubt eine viel komplexere und damit realitätsnahe Analyse als die bislang übliche hermetische Geschichte einzelner Kolonien und ihrer Mutterländer. Ein Beispiel: Die Sicht der Kolonialherren auf den kolonialen Konkurrenten prägte nicht nur die Selbstwahrnehmung, sondern wirkte auch auf die eigene Herrschaftspraxis zurück: Die recht lautstarke, aufstrebende deutsche Kolonialbewegung wollte vom „kolonial-tüchtigen“ England lernen. Gleichzeitig grenzte sie sich aber von ihrem Vorbild ab und prangerte die angeblich liberale Haltung der Briten gegenüber der afrikanischen Bevölkerung als zu lasch an:
„Wir sehen das in der englischen Kolonie Sierra Leone, wo die Unverschämtheit der Eingeborenen ganz ungeheuerliche Grade erreicht hat, wo europäische Damen sich nicht mehr auf den Markt getrauen, aus Furcht, von den Eingeborenen insultiert zu werden, wenn sie die Preise beanstanden. Es sind unverzeihliche Fehler gemacht worden, indem man die Zügel allzu lose am Boden schleifen ließ und aus missverstandener Humanität die berechtigten Interessen der weißen Rasse gegenüber denen der Farbigen vernachlässigte,“
schreibt der deutsche Tropenmediziner Hans Ziemann 1913, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, als die Kritik der Deutschen an den britischen Konkurrenten immer unverblümter ausfiel. Umgekehrt verurteilten die britischen Kolonialexperten die ausufernde Bürokratisierung und Brutalität der „unerfahrenen Neulinge“ aus dem Deutschen Kaiserreich – so etwa der Publizist Louis Hamilton 1910 in der Zeitschrift United Empire.
„Der Deutsche ist geschickt darin, gegenüber den Eingeborenen barsch, grausam und herrisch zu sein. Das stammt wohl zum Teil von der militärischen Disziplin zu Hause und führt dazu, dass er Untergebene tyrannisch behandelt, seien sie schwarz oder weiß. Diese Exzesse nennen sie „Tropenkoller“, ein Euphemismus, für ihre Lust, Schwarze zu schlagen. Das (deutsche) bürokratische System – mit Steuern, Vorschriften für Zensur sowie Nachtruhe und Ausgangssperre sind in den Kolonien mit aller Macht eingeführt worden. Ein größerer Gegensatz zu den wichtigsten Prinzipien kolonialer Politik wird schwerlich zu finden sein.“
Diese Kritik der Briten diente auch dazu, eigene Grausamkeiten an Einheimischen herunterzuspielen, schreibt die Buchautorin Ulrike Lindner. Bislang in der Forschung weitgehend unerwähnt geblieben ist zudem, dass sich die beiden Kolonialmächte gegenseitig kontrollierten: Während des Vernichtungsfeldzuges gegen die Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika Anfang der 1890er Jahre etwa waren zwei englische Offiziere nacheinander als offizielle Beobachter in der deutschen Kolonie. Die Briten, die die Enklave Walfischbucht und die benachbarte Kapkolonie in Südafrika beherrschten, nahmen den Genozid der deutschen „Schutztruppe“ an der indigenen Bevölkerung nur am Rande zur Kenntnis. Sie interessierten sich vielmehr für die Kommunikationsstrukturen, für Transport, Post, Eisenbahn.
„Der infrastrukturelle Ausbau der deutschen Kolonie im Süden war für Großbritannien und die Kapkolonie sowohl militärisch als auch wirtschaftlich von großem Interesse für die eigene koloniale Kriegsführung.“
Aus britischer Sicht wurde der Genozid in Deutsch-Südwestafrika, so Lindner,
" … als notwendig zur Durchsetzung der Kolonialherrschaft erachtet und die Ausschreitungen der Deutschen wurden zwar kritisiert, aber im Kontext des Krieges meist toleriert.“
Das Hauptziel teilten alle imperialen Mächte: den Machterhalt. Dies ist nur ein herausragendes Beispiel aus Hunderten, mit denen Ulrike Lindner den Kolonialismus als Beginn einer stark vernetzten, hochkommunikativen Globalisierung darstellt. Das zeigt die Autorin auf vielen weiteren Ebenen auf: Angefangen von den Begegnungen der Händler, Kolonialbeamten und Unternehmer auf den langen Schiffspassagen bis hin zu den Diners in den Klubs der kolonialen Hauptstädte. Experten, häufig Ingenieure, boten ihre Dienste in verschiedenen Kolonien an. Die Deutschen waren in Ostafrika auf die britischen Telegrafenleitungen angewiesen, die Briten bewunderten die deutschen Eisenbahnen und Häfen, etwa in Daressalam. Daheim trafen sich Kolonialpolitiker und -experten auf vielen internationalen Kongressen, beispielsweise auf dem „First Universal Races Congress“ 1911 in London, während das „Institut Colonial International“ in Brüssel all dieses Wissen sammelte und archivierte. Lindner zeichnet akribisch die Unterschiede in den kolonialen Regimen nach, die zwischen Selbstwahrnehmung und Außendarstellung, zwischen Gemeinsamkeit und Abgrenzung changierten: Das britische Königreich verstand sich als erfahrenes, anderen Kolonialmächten weit überlegenes, flexibel agierendes, weltumspannendes Empire – und wollten doch von deutscher Kriegsführung und Infrastruktur lernen. Die Deutschen wiederum sorgten sich sehr um ihr Prestige als „späte“ imperiale Macht, pflegten ein zutiefst rassistisches Herrenmenschentum und wollten doch von den englischen Rechtssystemen und Verwaltungen lernen. Lindners Werk liefert bemerkenswerte, spannende Perspektiven und überraschende Erkenntnisse über den europäischen Kolonialismus als transnationales Projekt. Die einer Habilitationsschrift geschuldeten formalen, häufig abstrakten Passagen lassen sich leicht überfliegen. Das Buch ist ein gelungenes Beispiel für den vergleichenden Ansatz in der Geschichtsforschung: Eine komplexe Verflechtungsgeschichte.
Ulrike Lindner: Koloniale Begegnungen. Deutschland und Großbritannien als Imperialmächte in Afrika 1880 – 1914.
Campus Verlag. 533 Seiten. 56 Euro
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Die Stimme der Erniedrigten

Von Anette Schneider · 02.12.2011
Nachdem die Herero im südlichen Afrika von deutschen Kolonialisten fast ausgerottet waren, wurde über sie ein „Archiv aussterbender Rassen“ erstellt. Eine Ausstellung in Osnabrück zeigt dessen Entstehungsgeschichte – und lässt erstmals die Betroffenen zu Wort kommen.
Der Farmarbeiter Kanaje spricht in den Phonographien Hans Lichteneckers. 1931 war der selbst ernannte Anthropologe mit einem Auftrag des Berliner Rassenideologen Eugen Fischer in der Tasche nach Namibia gereist. Dort, wo er vor dem Ersten Weltkrieg als Siedler gelebt hatte, wollte er nun ein „Archiv aussterbender Rassen“ aufbauen, erklärt die Afrikanistin Anette Hoffmann, die Lichteneckers Sammlung entdeckte:
„Das ist nicht besonders ungewöhnlich gewesen zu dem Zeitpunkt: Mit dem evolutionistischen Gedanken – Rassen und Entwicklung – gibt es die Idee, dass eben sogenannte Hottentotten und sogenannte Buschleute sich auf einer bestimmten Stufe der Evolution befinden und deswegen von stärkeren Rassen überrannt werden und aussterben.“
Lichtenecker trat als weißer Herrenmensch auf: In einer Polizeistation richtete er sich eine Werkstatt ein, ließ sich durch Polizisten Leute bringen, die er fließbandmäßig abfertigte. Er nahm Fingerabdrücke, fotografierte und vermaß die Menschen, machte Abdrücke ihrer Gesichter, Köpfe, Hände, Füße und Ohren, schnitt ihnen Haare ab. Und:
#"Das Besondere an der Sammlung ist, dass Leute, die abgeformt worden sind, direkt danach kommentiert haben, was mit ihnen passiert. Und das haben Sie nie! Es gibt jede Menge ähnlicher Sammlungen in Südafrika in Museen, es gibt Abformungen von Buschleuten, es gibt Knochensammlungen – das ganze Programm. Die Museen sind voll davon, auch überall in Europa. Aber dass es kommentiert wird von den Leuten, die die Prozedur selber an sich erfahren haben, das ist einfach sehr, sehr ungewöhnlich.“
Empört berichtet eine alte Frau, dass sie ihr Kopftuch ablegen musste. In ihrer Kultur kam dies einer völligen Entblößung gleich. Andere verfluchen die Weißen, die Unglück über ihr Land brachten, erzählen von Landraub, Hunger und Existenznot. Demütigungen und Erniedrigungen werden geschildert, und die Panik, die sie bekamen, als Lichtenecker ihnen Gips ins Gesicht schmierte.
„Petrus, der sagt: ‚Ich konnte nichts hören. Ich konnte nicht durch den Mund atmen und meine Ohren waren verstopft.‘ Und dann erzählt er halt, dass er schwitzt und er erzählt von Erstickungsgefühlen. Und er verdoppelt die Geschichte noch mal, indem er erzählt, wie er beinahe ertrunken ist. Also er gibt uns zwei Möglichkeiten nachzuvollziehen, wie das ist, wenn man beinahe erstickt.“
Vor vier Jahren stieß Anette Hoffmann im Phonographischen Archiv Berlin auf diese Aufnahmen. Wenig später wurden sie erstmals übersetzt, denn Lichtenecker hatten die Erzählungen nie interessiert. Als Hoffmann in Windhoek auch noch Lichteneckers eigentliche Sammlung entdeckte, entstand die Idee zur Ausstellung. Ihre Umsetzung ist beeindruckend: Hoffmann verweigert jegliche rassistische Zurschaustellung von Gipsabdrücken. Auch die Biografie Lichteneckers, der später Faschist und Rassewart wurde, spielt kaum eine Rolle.
„Davon gibt es ganz viele. Da ist nichts Besonderes dran. Das ist einfach nur einer von vielen, der bestimmte Dinge gemacht hat. Lichtenecker war ein ganz kleines Licht.“
Die Ausstellung individualisiert also nicht sein Tun, sondern entlarvt es als Resultat gesellschaftlich vorherrschenden Denkens. Dafür wird die Geschichte des Archivs eingeordnet in die kolonial-imperialistischen und faschistischen Politikvorstellungen der damaligen Zeit. Und die Materialien Lichteneckers – rassistische Merkmalsregister und Fotografien, die ihn bei seiner Arbeit zeigen – werden erstmals konfrontiert mit den nun übersetzten Berichten von Betroffenen. Kanaje, der in seinem Land für einen weißen Farmer schuften muss, redet dabei Klartext.
„Das sind die letzten Aufnahmen, die gemacht worden sind. Von Kanaje, der wirklich einen Wutanfall kriegt. Wenn Sie die Aufnahme hören – das hört sich an wie Freestyle-Rap. Ganz schnell und wütend. Also der Höhepunkt dieser Aufnahme ist, dass er im Grunde genommen sagt, er möchte den Farmer ermorden.“
Nach 80 Jahren des Vergessens gibt die Ausstellung den Erniedrigten und Aufbegehrenden ihre Stimme zurück, und ihre Würde. Und sie ermöglicht den Besuchern, was Lichteneckers rassistische Arbeit bewusst verhinderte: Sich Bilder zu machen von Menschen. Alles in Ordnung also?
Kaum. Denn während die Ausstellung längst in Kapstadt zu sehen war, in Basel und in Wien, stieß Anette Hoffmann in bundesdeutschen Museen auf Ablehnung. Bis Thorsten Heese von ihr hörte und sie an das Kulturgeschichtlichen Museum Osnabrück holte. Direkt neben dem Felix Nussbaum Haus verweist sie jetzt auf die Tradition deutschen Rassismus von den Ausrottungskriegen der Herero bis zur faschistischen Judenvernichtung. Und wenn Thomas Heese die Argumente anführt, die Politiker und Unternehmer um 1900 nutzten, um ihre wirtschaftlichen Expansionsinteressen abzusichern, ist man im Heute angekommen:
„Wenn sich da Missionsvereine treffen und dann eben in der Zeitung schreiben, warum sie sich treffen, dann ist das ein Kampf der Kulturen zwischen dem Christentum und den Mohammedanern: Man muss das Christentum in die Kolonien bringen, damit die Leute das Richtige lernen, und Europa nicht noch einmal von den Muslimen überrannt wird.“
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Deutsch-Ostafrika: Dynamiken europäischer Kulturkontakte und Erfahrungshorizonte im kolonialen Raum (Zivilisationen und Geschichte / Civilizations and History / Civilisations et Histoire 57)

Deutsch-Ostafrika blieb als eine der jüngsten und größten Kolonien des deutschen Kaiserreichs bis zu seiner Auflösung in Folge des Versailler Vertrags ein begrenzt erschlossenes und durchherrschtes Gebiet. Die europäische Präsenz konzentrierte sich auf vereinzelte Siedlungsinseln an der Küste und im Landesinneren. An diesen Orten trafen die Kolonisatoren auf indigene und zugewanderte Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher soziokultureller Prägung. Der Band erforscht die dabei induzierten Kulturkontakte, die in der Regel von asymmetrischen Machtverhältnissen, Zwang und Gewalt geprägt waren, in der zunehmend hybriden Lebenswelt des kolonialen Raums aber auch neue Erfahrungshorizonte eröffneten, die bestehende Grenzziehungen auf den Prüfstand stellten.



Herero-Vertreterin fordert Dialog mit deutscher Regierung und Entschädigung

27.09.2011
Die Herero-Vertreterin Johanna Kahatjipara hat die Bundesregierung aufgefordert, sich für den Völkermord während der deutschen Kolonialherrschaft zu entschuldigen.
Deutschland habe sich bei den Juden entschuldigt und Milliarden an Entschädigung gezahlt. Man frage sich, warum die Herero nicht ebenso behandelt werden, sagte Kahatjipara im Deutschlandradio Kultur. Sie ist Mitglied einer namibischen Delegation, der am Freitag Schädel von Opfern der deutschen Kolonialherrschaft übergeben werden, die seit mehr als 100 Jahren in der Sammlung der Berliner Charité lagern.
Laut Kahatjipara haben die bisherigen Bundesregierungen Entschädigungen mit dem Argument abgelehnt, dass der Genozid geschah, bevor Deutschland die Genfer Konventionen unterzeichnet habe. Das sei in den 1950er-Jahren geschehen, also nach dem Völkermord an den Juden. „Was ist der Unterschied, frage ich mich. Liegt es daran, dass wir schwarz sind?“, so Kahatjipara. An den Herero und Nama sei all das Schreckliche erprobt worden, das später den Juden angetan wurde.
Man wolle Dialog und Frieden, betonte die Herero-Vertreterin, deren Großmutter in einem Konzentrationslager im damaligen Deutsch-Südwestafrika inhaftiert war. Das gehe nur, wenn sich alle an einen Tisch setzten „und noch mal über diesen Schrecken sprechen und feststellen, was für ein Schaden angerichtet worden ist. Dann können wir natürlich auch über die Entschädigung sprechen“, sagte Kahatjipara.
Zum vollständigen Interview mit Johanna Kahatjipara im Radiofeuilleton
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Koloniales Erbe

Von Ursula Biermann · 10.05.2011
Vor mehr als 100 Jahren wurden aus dem ehemaligen Kolonialgebiet „Deutsch-Südwestafrika“, dem heutigen Namibia, makabre Beutestücke nach Deutschland verschleppt: Schädel, die Zeugen des Genozids sind, den Deutsche an den dort lebenden Herero und Nama begingen.
Fast 90.000 von ihnen wurden dabei getötet. Die Überlebenden wurden in Konzentrationslager gebracht, die ersten Konzentrationslager der Deutschen. Viele der Gefangenen starben dort an Folter, Hunger, Durst. Herero-Frauen mussten die abgetrennten Köpfe mit Glasscherben vom Fleisch befreien und in Kisten versandfertig packen. Heute noch lagern diese Schädel in deutschen Universitätskellern.
Der Freiburger Sozialwissenschaftler Heiko Wegmann hat sich auf die Aufarbeitung dieses kolonialen Erbes spezialisiert.
„.Also man hat Schädel gesammelt und andere menschliche Weichteile, um zu beweisen, dass die weiße Rasse in Anführungsstrichen überlegen wäre gegenüber anderen und hat da ein gewisses Rassengefühl, Nationalgefühl entwickelt, indem man sich da halt über die anderen erhebt. An diesen Sammlungen ist intensiv geforscht worden, es besteht überhaupt kein Unrechtsbewusstsein oder bestand zumindest lange Zeit nicht. Man hat das als eigenes Kulturerbe gesehen und man hat sich vielleicht distanziert von diesen Rassentheorien in dem Ausmaß, aber gerade in dem Kontext mit der Kolonialgeschichte damit hat man sich lange nicht beschäftigt.“
Erst 2008 erfuhr die Öffentlichkeit von den Schädelsammlungen, was bei den Herero und Nama in Namibia Entsetzen und Empörung auslöste.
Esther Muinjangwe, die Vorsitzende des Herero-Genozid-Komitees fordert die Schädel zurück.
„Wir wollen die Schädel jetzt nach Hause holen, denn sie gehören nicht hierher. Wir werden eine Delegation nach Deutschland schicken, die die Schädel begleitet, weil wir nicht wollen, dass sie in einer Kiste zurückgeschickt werden. In Namibia werden wir sie nach den vorgeschriebenen Ritualen behandeln. Wir wollen die Schädel behalten, damit die Seelen unsere Vorväter und -mütter in Frieden ruhen können.“
Die Regierungen in Namibia und Deutschland haben erst nach erheblicher Bedenkzeit auf die Forderung der Herero und Nama reagiert. Den Opfervölkern wurde die Rückgabe der sterblichen Überreste ihrer Vorfahren in Aussicht gestellt. Nur – welche der in den Universitäten lagernden Schädel überhaupt aus Namibia stammen, ist nicht bei allen sicher, weil die Schädelsammlungen durch Krieg und Umzüge keinem bestimmten Volk mehr zuzuordnen waren. Deshalb wurden jetzt Forschungsgelder für die Identifizierung der Schädel zur Verfügung gestellt. Eine Arbeitsgruppe an der Berliner Charité konnte bereits zwanzig von ihnen als Herero- und Namaschädel identifizieren. Diese werden demnächst feierlich zurückgegeben.
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Schnalke: Bei Herero-Schädeln liegt „Unrechtskontext“ vor

Thomas Schnalke im Gespräch mit Susanne Führer · 10.05.2011
Überreste anderer Völker sollten durchaus einen Platz in deutschen Museen haben dürfen, sagt Thomas Schnalke, Direktor des medizinhistorischen Museums der Charité. Fragwürdig würden diese Gegenstände, wenn ein Unrechtskontext nachgewiesen werden könne.
Susanne Führer: Noch lagern sie aber im medizinhistorischen Museum der Charité und dessen Direktor, Professor Thomas Schnalke ist nun bei uns im Studio. Herzlich willkommen, Herr Schnalke!
Thomas Schnalke: Hallo!
Führer: Ja, wann und wie werden denn diese 20 identifizierten Schädel zurückgegeben.
Schnalke: Bislang steht noch im Raum ein Termin Ende Mai, der ist allerdings inzwischen etwas unsicher geworden, weil es in Namibia selber noch Abstimmungsbedarf gibt zwischen den verschiedenen Vertretern der einzelnen Volksgruppen. Aber ich gehe davon aus, wenn es jetzt nicht Ende Mai wird, dass es dann zeitnah im Juni oder Anfang Juli passieren wird. Bislang haben wir mit der namibischen Regierung die Sache insoweit vorbesprochen, dass es wohl eine Art internes Ritual auch vor Ort an der Charité geben wird, und dann gibt es noch eine konkrete physische Übergabe der Schädel, die dann wohl verpackt sind und die dann zunächst einmal nach Namibia zurückgebracht werden. Und dort werden sie dann – so wäre unsere Hoffnung – an die Bevölkerungsgruppen weitergereicht, damit dort die Gebeine dann ehrenvoll bestattet werden können. Das ist allerdings tatsächlich Anliegen und Sache der Namibier selbst.
Führer: 2008 ist die Geschichte der Schädel ja öffentlich bekannt geworden und die Forderung nach Rückgabe sind gestellt worden. Warum hat – jetzt haben wir 2011 – warum hat das so lange gedauert?
Schnalke: Das ist ein Prozess, der eigentlich auch schon früher angesetzt hat, dass wir mit verschiedenen Regierungsvertretern – auch mit australischen – in Kontakt sind, um diese Schädel dereinst mal wieder zurückzugeben. Es dauert insofern länger, weil wir eine größere Sammlung anthropologischer Objekte haben, darunter sehr viele Schädel, von denen wir allerdings heute nicht mehr eins zu eins sagen können, wann sind sie von wem gefertigt worden? Und das ist eigentlich der Wunsch gerade der rückfordernden Bevölkerungsgruppen, möglichst genau bescheid zu wissen, welches Objekt sie da bekommen. Und dass es dann tatsächlich auch wirklich ein Schädel eines ehemaligen Angehörigen der eigenen Volksgruppe ist. Wir haben die Schwierigkeit, dass ursprünglich die Dokumentation, als man seinerzeit, 1904 bis 1908, gesammelt hat, nicht den Namen, nicht den familiären Background notiert hat. Damals waren ganz andere Sammlungsinteressen und Dokumentationsinteressen im Vordergrund gestanden, und wir haben dann das 20. Jahrhundert, in dem sehr viel Dokumentationsmittel – Karteikarten, Findbücher – durch Umlagerungen auch zerstört worden sind. Das heißt, wir haben tatsächlich viele Schädel, aber im Einzelfall ist es schwierig, konkret wirklich sicher nachzuweisen, um welches Objekt es sich hier handelt, um welches Individuum ...
Führer: Wie macht man das überhaupt? Wie geht das wissenschaftlich?
Schnalke: Das kann man heute auf zwei Wegen versuchen. Einmal, man nimmt sich die Objekte tatsächlich noch mal in die Hand, schaut drauf und dran, guckt: Gibt es hier Aufschriften etwa? Bei manchen steht tatsächlich Herero drauf, es steht ein Sammlername drauf. Dann ist es relativ leicht, dann muss die Anthropologin aber auch – oder ist auch noch mal gehalten, nach möglichen Krankheiten zu fahnden, zum Beispiel Skorbut, also Vitamin-C-Mangel war in der damaligen Zeit ausgeprägt. Oder man kann über den Zahnstatus auf bestimmte Essensgewohnheiten zurückschließen. Oder was sehr typisch für die Hereros war seinerzeit, dass sie sich selbst in einer Art kultischen Verstümmelung die Schneidezähne aus dem Ober- und Unterkiefer herausgebrochen haben, und das ist eine sehr typische Hererosignatur, die man natürlich am Schädel nachweisen kann. Das heißt, wir sind einmal über diesen physischen Befund gekommen, aber auch über die Aufzeichnungen.
Führer: Sagt Professor Thomas Schnalke, der Direktor des medizinhistorischen Museums der Charité im Deutschlandradio Kultur. Herr Schnalke, diese Schädel sind ja Trophäen, die in einem grausamen Kolonialkrieg erbeutet wurden. Gibt es eigentlich noch andere Stücke in Ihrer Sammlung, die eine ähnliche Geschichte haben? Sie haben vorhin angedeutet, Sie sind in Gesprächen mit der australischen Regierung.
Schnalke: Mit der australischen Regierung führen wir tatsächlich auch Gespräche. Da haben wir auch einen Sammlungsbestand von etwa – ähnlich – 20, vielleicht etwas weniger, 18 Stücken, wo wir sagen können, die stammen mit größter Wahrscheinlichkeit aus dem australischen Kulturraum, dort von verschiedenen Aborigine-Gruppen, und hier ist die Sachlage ein bisschen eine andere, weil wir nach unserem Verständnis heute dort nicht unbedingt gleich an einen Unrechtskontext denken. Dort obwalteten nicht – wie jetzt im Hererokrieg und Aufstand – Mord und Totschlag, sondern hier hat man seinerzeit anders gesammelt, und vielleicht etwas weniger aggressiv, insofern ist der Begriff des Unrechtskontextes da ein schwierigerer. Im Falle der Australier treffen eigentlich zwei Welten aufeinander: Das eine ist die Welt der Aborigines, und hier wollen die heutigen Aborigine-Vertreter quasi ihre Vorfahren ordnungsgemäß bestattet wissen, damit sie eine Ruhe finden in geweihtem Boden – das verstehen wir – und auf der anderen Seite gibt es die Forschung, die zu gewissen Zeiten ausgiebig gesammelt hat. Und hier haben wir bis heute nach wie vor das Sammeln per se als eine wissenschaftliche Praxis, die anerkannt ist.
Führer: Aber haben denn menschliche Überreste anderer Völker überhaupt einen Platz in deutschen Museen?
Schnalke: Oh ja, wenn Sie an die Naturkundemuseen denken, an das Neandertalmuseum, an diese Museen, die tatsächlich intensiv mit Gebeinen arbeiten, um die ganze Menschheitsgeschichte zu erklären, dann finden Sie natürlich dort eine ganze Reihe von menschlichen Überresten. Und die werden eigentlich auch nicht hinterfragt. Fragwürdig werden diese Gegenstände dann, wenn wir einen Unrechtskontext nachweisen können, beziehungsweise wenn es widerstreitende Wertesysteme gibt. Und da muss man auch eine Diskussion führen dürfen mit einem offenen Ausgang. Ich will nicht sagen, dass ich mich sträube gegen eine Rückgabe in jedweder Hinsicht, aber wenn es keinen eindeutigen Unrechtskontext gibt, sollten wir mit den Vertreterinnen und Vertretern heutiger Ethnien zusammensitzen, um uns zu erklären und um zu hören, was deren Begehr ist, um dann sich gegenseitig verständlich zu machen. Und dann kann es sein, dass man zurückgibt oder dass man auch hört: Ja, behaltet doch die Stücke, sie sind bei euch in guten Händen. Das kann auch passieren.
Führer: Also Sie fänden es nicht komisch, wenn jetzt im medizinhistorischen Museum von Aborigines – ich weiß nicht – Schädel, Skelette mit weiß ich nicht, welcher Absicht, ausgestellt werden? Mich erinnert das so ein bisschen so an die Zirkusvorstellungen früher mit Kleinwüchsigen Menschen oder ...
Schnalke: Im Moment sind diese Objekte noch nicht ausgestellt. Es ist sicherlich die größte Herausforderung, eine Ausstellung zu machen zur Geschichte der Anthropologie. Diese Objekte tatsächlich auszustellen, das ist noch etwas anderes, wie sie zu sammeln und zu beforschen. Sie auszustellen ist äußerst schwierig, gerade nach dem 20. Jahrhundert, das wir hinter uns haben. Dennoch, glaube ich, würde es gehen, wenn wir das auf eine würdige Weise versuchen und die Kontexte zeigen, sie auch wirklich ansprechen und offensichtlich machen. Aus welchen Gründen hat man gesammelt? Woher stammen die Stücke? Wer waren die Sammler, die Auftraggeber? Was wurde mit ihnen getan, und wie wurden sie auch öffentlich präsentiert? Das zu zeigen – heute – wäre vielleicht ein Skandal in mancher Leute Vorstellung, aber gehört mit zu unserem kulturellen Erbe, und da frage ich: Warum nicht, warum ist das nicht ein Thema, was auch in die Öffentlichkeit zurückgehört, damit man es diskutiert?
Führer: Der Direktor des medizinhistorischen Museums der Charité, Professor Thomas Schnalke, danke für Ihren Besuch im Deutschlandradio Kultur!
Schnalke: Danke auch!
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Man nannte sie „Hottentotten“

Die afrikanische Kolonialgeschichte holt Deutschland ein. Zwischen 1904 und 1908 wurden beispielsweise Herero Opfer des deutschen Vernichtungskrieges im heutigen Namibia. Historiker sprechen vom ersten Genozid des 20. Jahrhunderts.
Von Jürgen Salm | 23.10.2010
In Schädelsammlungen in Freiburg und Berlin finden sich tragische Zeugnisse, die Nachfahren fordern schon seit Jahren die Rückgabe – und erhalten mittlerweile Zustimmung aus Deutschland.
„Wir sind jetzt im Magazin und stehen vor der Sammlung, wo diese Schädelsammlung also aufbewahrt wird. Jedes Objekt ist in einem speziellen Museumskarton, wie ich jetzt hier zeigen kann, aufbewahrt. Da liegt also das Objekt unten drin“,
Dieter Speck steht in einem klimatisierten Keller der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität. Oben im Audimax hat unlängst der Deutsche Germanistentag über die Zukunft der deutschen Sprache nachgedacht. Hier unten, ein Stockwerk tiefer, lagern die Überbleibsel einer zweifelhaften Vergangenheit.
„Ja, das ist einer. Da steht eine Nummer drauf und darunter steht ‚Neger‘. Das ist die ganze Information, damit kann man nicht viel anfangen“,
Dieter Speck ist der Leiter des Freiburger Universitätsarchivs und des Universitätsmuseums, des sogenannten „Uniseums“. Die Schädelsammlung hat er vom Anatomischen Institut übernommen. Einige der insgesamt 1600 Schädel sollen von Aborigines stammen, den Ureinwohnern Australiens, andere von Herero und Nama aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Nach den Angaben auf den Beilage-Zetteln dürften mindestens 17 Schädel aus dem südlichen oder südwestlichen Afrika geliefert worden sein.
„Wo die Information, die auf diesen Zetteln steht, herkommt, wissen wir nicht, weil die ursprünglichen Unterlagen fehlen. Und genau das ist eben die Problematik. Wenn wir eben 17 Schädel haben mit Süd- und Südwestafrika, dann ist das ein erstes Indiz, aber es kann sich durchaus herausstellen, dass es so nicht stimmt.“
Die Freiburger Schädelsammlung wurde etwa um 1860 von dem Freiburger Anatom und Pathologen Alexander Ecker begründet. Zur Sammlung gehören vor allem Schädel aus Ausgrabungen der näheren Umgebung Freiburgs, aber auch aus außereuropäischen Ländern. Während des Ersten Weltkriegs wurden jedoch Teile der Sammlung durch eine englische Fliegerbombe zerstört. Dabei wurden auch die Inventarbücher vernichtet. Präzise Angaben über die Herkunftsgeschichte einzelner Schädel sind deshalb heute kaum noch möglich, jedenfalls nicht ohne weitere, aufwendige Untersuchungen.
„Mein Name ist Dawid Fredericks. Ich bin in Bethanien geboren und gehöre zur Volksgruppe der Aman. Ich bin das Oberhaupt unseres Stammes, Chief Fredericks“,
Dawid Fredericks ist ein kleiner Mann mit wettergegerbter Haut. Er spricht für die Volksgruppe der Nama. Von den deutschen Kolonialherren im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika wurden sie früher abfällig als „Hottentotten“ bezeichnet. Fredericks fordert bereits seit drei Jahren die Rückgabe von Herero- und Nama-Schädeln aus deutschen Sammlungen. Für ihn ist das auch ein persönliches Anliegen. Er ist überzeugt davon, dass auch der Kopf seines Großonkels in einer deutschen Schädelsammlung gelandet ist:
„Ich habe das von meinen Großeltern gehört. Das ist bei uns in der Familie so erzählt worden, dass der Kopf von Cornelius Fredericks abgeschlagen wurde. Cornelius Fredericks ist der ältere Bruder von meinem Großvater.“
Cornelius Fredericks war einer der Anführer des Nama-Aufstands gegen die deutschen Kolonial-Herren. Nach seiner Kapitulation im Jahr 1906 wurde er in das berüchtigte Gefangenenlager auf der Haifischinsel bei Lüderitz im Süden des heutigen Namibias gebracht. Die Mehrheit der inhaftieren Aufständischen hat das Lager nicht überlebt. Cornelius Fredericks starb dort im Februar 1907. Dokumente aus der Kolonialzeit belegen, dass von der Haifischinsel Schädel und andere Leichenteile nach Deutschland geliefert wurden. So erschien 1914 in einer Stuttgarter anatomischen Fachzeitschrift ein Aufsatz mit dem Titel: „Rassenanatomische Untersuchungen an 17 Hottentottenköpfen“. Dort heißt es:
„Die Köpfe stammen von Gefangenen aus dem Aufstande in Deutsch-Südwest-Afrika im Jahre 1904, die auf der Haifischinsel interniert und dort an Krankheiten, meist Skorbut gestorben waren.“
Vor drei Jahren, im Februar 2007, versammelten sich einige Angehörige der Nama auf der Haifischinsel. Sie enthüllten eine Gedenktafel für Cornelius Fredericks, der hier 100 Jahre zuvor gestorben war. Auch der deutsche Botschafter kam zu den Feierlichkeiten. In seiner Ansprache sagte er, Zitat: „Die Haifischinsel ist in unserem Gedächtnis eingeprägt als eines der ersten Konzentrationslager, ein Ort, an dem die Unmenschlichkeit regierte.“ Organisiert wurde die Feier vom Großneffen Cornelius Fredericks‘, von Dawid Fredericks:
„Als wir uns auf der Haifischinsel versammelt haben, war ich es, der den deutschen Botschafter eingeladen hat. Bei der Feier richtete ich an ihn die Forderung, dass die Deutschen den Schädel von Häuptling Cornelius Fredericks zurückgeben sollen, also den Schädel meines Vorfahren. So ist das an die Öffentlichkeit gekommen. Als ich darauf keine Antwort bekam, drohte ich damit, einen 1000 Kilometer langen Fußmarsch zu organisieren, von der Haifischinsel bis nach Windhoek zur Deutschen Botschaft. Das hat dazu geführt, dass zumindest die namibische Regierung unsere Forderung übernommen hat.“
Mittlerweile hat nicht nur die namibische, sondern auch die deutsche Regierung auf die Rückgabeforderung reagiert. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel erklärte während seines Namibia-Besuchs Anfang des Jahres, die Bundesregierung sei zur Rückgabe der Schädel bereit. Nun sei es Sache der namibischen Regierung, ihre Wünsche genau zu formulieren.
Zuständig in der namibischen Regierung für die Schädelfrage ist der Minister für Jugend, Sport und Kultur, Kazenambo Kazenambo. Sein Ministerium ist in einem Regierungsgebäude in der Innenstadt von Windhoek untergebracht, es liegt in der Goethestraße. Doch die enge Verbindung zwischen Deutschland und Namibia zeigt sich nicht nur in Straßennamen.
„Hier in Namibia gibt es verschiedene Opfergruppen, die sich dafür einsetzen, dass die Schädel aus Deutschland wieder zurückkommen. Das ganze Thema der menschlichen Überreste und insbesondere der Schädel ist hier eine sehr emotionale Angelegenheit, denn die heutige Generation der Namibier weiß von dem Völkermord, den die deutschen Truppen hier verübt haben. Einige namibische Ethnien, besonders Nama und Herero wurden ja fast vollständig ausgelöscht. Das ist eine sehr emotionale Angelegenheit. Und die Umstände, wie die Schädel nach Deutschland kamen, erscheinen vielen Namibiern doch ziemlich rätselhaft.“
Auch für Kazenambo Kazenambo ist das Schädel-Thema keineswegs eine Routine-Angelegenheit. Der schlaksige Mann gehört zum Volk der Herero, das zwischen 1904 und 1908 zum Opfer des deutschen Vernichtungskrieges wurde.
Historiker sprechen vom ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Kazenambos Vorfahren gehörten zu den wenigen Überlebenden, die sich über die Grenze in Sicherheit bringen konnten. Er selbst ist in Botswana geboren. Bereits als 16-Jähriger schloss er sich der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO an. Jetzt ist er Minister einer Regierung, die ihre guten Beziehungen zu Deutschland nicht infrage stellen will:
„Ich glaube nicht, dass es zwischen der deutschen und der namibischen Regierung irgendwelche Meinungsverschiedenheiten bei der Rückgabe der Schädel gibt. Nein, es gibt keinerlei Differenzen. Bisher hat die namibische Regierung die Schädelfrage auch nicht mit dem Völkermord und der Forderung nach Entschädigung verknüpft. Aber: Das Thema Völkermord und Entschädigung ist von den Vertretern der betroffenen Ethnien in die Diskussion gebracht worden. Und wir können solche Forderungen und Sorgen, die von Namibiern geäußert wurden, nicht ignorieren.“
Vor sechs Jahren hatte die damalige Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sich zu der deutschen Verantwortung für diese Kolonialverbrechen bekannt. In einer Rede in Namibia sprach sie von „Gräueltaten, die man heute als Völkermord bezeichnen“ würde. Außerdem bat sie die Nachkommen der Opfer um – so wörtlich – „im Sinne des gemeinsamen ‚Vater Unser‘ um eine Vergebung unserer Schuld“. Das war neu: Noch nie zuvor hatte sich eine deutsche Regierung für das Massaker der Kolonialtruppen an den Herero entschuldigt.
Die Hoffnung vieler Herero, die einstige Kolonialmacht würde nun auch Entschädigung zahlen, wurde jedoch bald enttäuscht. Individuelle oder andere Schadensersatzansprüche bestünden nicht, erklärte die Ministerin später. Außerdem solle die deutsche Entwicklungszusammenarbeit der gesamten Bevölkerung Namibias zugutekommen und nicht nur einzelnen Volksgruppen. Diese Position wurde auch von der namibischen Regierung ausdrücklich geteilt. Immerhin startete die Bundesregierung 2007 auf Initiative von Wieczorek-Zeul eine sogenannte „Versöhnungsinitiative“ und stellte zusätzlich zur Entwicklungszusammenarbeit 20 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Mittel sollten nach Angaben des Ministeriums vor allem in den Siedlungsgebieten jener Volksgruppen eingesetzt werden, die unter der deutschen Kolonialherrschaft in besonderer Weise gelitten haben.
Von den Vertretern der Herero wurde die Versöhnungsinitiative jedoch als unzureichend zurückgewiesen. Die Vereinbarung sei über ihre Köpfe hinweg zwischen der deutschen und der namibischen Regierung ausgehandelt worden, lautete die Kritik. Warum meidet die deutsche Regierung den direkten Dialog mit den Nachkommen der Opfer, fragt etwa Esther Muinjangue. Sie ist Dozentin für Sozialarbeit an der Universität von Namibia in Windhoek. Außerdem ist sie die Vorsitzende eines „Herero-Komitees zur Erinnerung an den Völkermord“:
„Die deutsche Regierung wartet ab. Sie hat entschieden, nicht mit uns zu reden. Sie ignoriert uns, um uns zu entmutigen. Ich glaube aber nicht, dass sie mit dieser Haltung weit kommen.“
Esther Muinjangue hofft nun, dass die Rückgabe der Schädel der Beginn eines Versöhnungsprozesses sein könnte, eine Versöhnung zwischen den Nachfahren der Opfer und den Nachfahren der Täter. Deshalb fordert sie nicht nur die Rückgabe der Schädel, sondern auch eine Aufklärung über die genaue Herkunft der Schädel und die Umstände, wie sie in deutsche Hände gerieten.
„So sehr wir uns wünschen, dass uns die Schädel so schnell wie möglich zurückgegeben werden, so sehr sind wir auch realistisch. Wir wissen, dass jeder Test zur Herkunftsbestimmung seine Zeit braucht, egal ob das nun ein DNA-Test ist oder ein anderer Test. Wir wollen ja auch nicht irgendwelche Schädel, sondern sicher sein, dass die Schädel, die wir bekommen, tatsächlich von unseren Leuten stammen. Außerdem möchten wir die Namen der Verstorbenen erfahren und wie alt sie waren, als sie gestorben sind. Es ist also nicht damit getan, die Schädel in eine Kiste zu packen und nach Namibia zu schicken.“
Esther Muinjangue will auch noch mehr über die Freiburger Sammlungsgeschichte wissen. Immerhin wurde die Sammlung 27 Jahre lang von dem Anthropologen Eugen Fischer betreut. Fischer war einer der wichtigsten Vorreiter der nationalsozialistischen Rassenideologie. 1908 hat er mehrere Monate im ehemaligen Südwestafrika geforscht.
„Was waren eigentlich die Forschungsergebnisse von Dr. Eugen Fischer? Er wollte doch nachweisen, dass wir dumm sind! Das möchten wir doch wirklich wissen, ob er beweisen konnte, dass Schwarze minderwertig sind und dumm.“
Nicht nur in Freiburg lagern Köpfe, die für rassenkundliche Untersuchungen nach Deutschland gebracht wurden, sondern auch in Berlin. So gehört zu den Beständen der Berliner Charité eine Sammlung mit über 800 Schädeln, die vor allem während des Kaiserreichs beschafft worden sind. Im Rahmen eines Forschungsprojektes will die Charité nun die eigenen Sammlungsbestände untersuchen. Der Direktor des medizinhistorischen Museums in der Charité, Thomas Schnalke:
„Die Erkenntnis war, nachdem wir sehr viele Anfragen bezüglich der Forschung bekommen haben, dass wir selbst eigentlich kaum etwas sagen können zu den Sammlungsbeständen. Insofern zielt das Forschungsvorhaben exemplarisch an zwei Sammlungskonvoluten einmal darauf, wirklich noch mal in die Tiefe zu gehen und an den Schädeln und Skelettresten möglichst nahe an die Antwort der Frage zu kommen: Woher stammen sie? Wer hat sie gesammelt seinerzeit? Wir wollen das exemplarisch machen am Bereich der Schädel aus dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia, und an einem Konvolut von Schädeln aus Australien.“
Nach den bisherigen Erkenntnissen stammen mindestens 18 Schädel von Aborigines aus Australien. Bei mindestens neun Schädeln ist davon auszugehen, dass sie von Herero stammen und während der Zeit des Völkermordes nach Deutschland geliefert wurden. Die Charité hat die Rückgabe der Schädel nach Australien bzw. nach Namibia bereits zugesagt. Im Rahmen des zweijährigen Forschungsprojektes soll nun geklärt werden, ob noch weitere Schädel zurückgegeben werden müssen. Außerdem sollen Richtlinien erarbeitet werden für die mit der anatomischen Sammlung verbundenen ethischen Fragen.
Auch in Freiburg bemüht man sich mittlerweile, genaueres über die eigene Schädelsammlung in Erfahrung zu bringen. Bereits 2004 hatte die Universität auf Initiative ihres Archivleiters Dieter Speck beschlossen, dass sie bei unrechtmäßig erworbenen Sammlungsstücken prinzipiell zu Rückgaben bereit sei, allerdings nur auf Anfrage und nach Einzelfallprüfung. Eigene Untersuchungen folgten erst später. Die Freiburger Anthropologin Ursula Wittwer-Backofen:
„Wir haben Anfang 2009 begonnen, zunächst einmal die Unterlagen zu sichten, das geht auch schon weiter zurück auf zwei Examensarbeiten, die hier an der Universität Freiburg angefertigt wurden und die sich mit der Vergangenheit und dem Erwerbskontext, vor allem aber auch mit den Forschern, die an dieser Sammlung gearbeitet haben, beschäftigen. Konkret am Material aber haben wir begonnen zu arbeiten seit Anfang letzten Jahres, hier haben wir jetzt seit einem halben Jahr eine Mitarbeiterin beschäftigt, die sich insbesondere um die australischen Schädel bemüht, parallel dazu beginnen wir aber jetzt auch gerade an Schädeln zu arbeiten, die vermutlich aus Afrika stammen.“
Einer, der die Diskussion um die Schädelsammlung seit fünf Jahren maßgeblich begleitet hat, ist der Freiburger Sozialwissenschaftler Heiko Wegmann. Er betreibt das Internet-Portal freiburg-postkolonial.de freiburg-postkolonial.de und setzt sich dafür ein, die Kolonialgeschichte stärker ins Bewusstsein zu rücken. Der Freiburger Universität wirft er vor, das Thema jahrelang verdrängt zu haben und sich auch jetzt nur widerwillig damit zu beschäftigen.
„Es lässt sich sagen, dass in dieser Schädelsammlung, aber auch insgesamt in der anthropologischen Sammlung doch eine erhebliche Brisanz liegt und sich auch viel in den Beziehungen zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Kolonien widerspiegelt. Also die Frage der Nicht-Thematisierung dieses kolonialen Erbes, die Frage der Beschaffens-Praxen, wie also damals an Schädel und menschliche Weichteile gekommen wurde und wie man aktiv danach gesucht hat, und dann natürlich hinter allem die Frage, zu welchem Zeck hat man eigentlich diese ganzen menschlichen Teile gesammelt, letztendlich um zu beweisen halt, dass die weiße Rasse höherwertig sei.“
Wegmann setzt sich dafür ein, dass diese Fragen auch von der Freiburger Universität thematisiert werden, beispielsweise in dem Museum der Universität, dem „Uniseum“. Doch dessen Leiter, Dieter Speck, winkt ab:
„Die Tatsache, dass Ecker eine Sammlung aufgebaut hat und dass er versucht hat, die Entwicklung der Menschheit nachzuführen, die Thematik ist sowohl im Uniseum angesprochen, aber halt unabhängig von Einzelobjekten, als auch auf der Homepage von der Frau Wittwer, das ist kein Geheimnis, das ist ein Teil der Universitätsgeschichte. Als solches haben wir die Frage thematisiert. Aber nicht auf der Ebene von Namibia oder diesen Kolonialkriegen, da gibt es genug Publikationen drüber.“
Die Diskussion in Berlin läuft dagegen in eine andere Richtung. Thomas Schnalke vom Museum der Charité will in zwei Jahren die Ergebnisse seines Forschungsprojekts öffentlich präsentieren, und zwar nicht nur in Form eines Abschlussberichts:
„Eine große Ausstellung, vielleicht auch eine Sonderausstellung zur Geschichte der Anthropologie wäre sicherlich eine sehr, sehr starke Herausforderung, weil wir hier in Deutschland mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts im Rücken auch ein schweres Paket zu schultern haben, aber nichtsdestotrotz wäre das eventuell auch zu gegebener Zeit ein gutes Medium, um Forschung auch mal in eine breite, interessierte Öffentlichkeit hineinzutragen.“
In Namibia haben sich die Vertreter der Herero und Nama mittlerweile auf eine gemeinsame Position verständigt: Die Schädel ihrer Vorfahren sollen künftig im nationalen Unabhängigkeitsmuseum gezeigt werden. Der monumentale Bau wird gegenwärtig im Zentrum von Windhoek errichtet. Außerdem wurde vereinbart, dass die Schädel in Freiburg und Berlin im Rahmen der überlieferten Rituale entgegengenommen werden sollen.
Esther Muinjangue:
„Der Tod ist für uns etwas sehr Wichtiges. Der Tod ist wichtig, weil unsere Vorfahren wichtig sind. Wenn wir nach Deutschland kommen, dann wollen wir mit unseren verstorbenen Ahnen sprechen, bevor wir die Schädel entgegennehmen. Wir wollen mit ihnen darüber reden, was vor 100 und noch mehr Jahren geschehen ist. Wir werden ihnen sagen, dass wir nach Deutschland gekommen sind, wo sich die Schädel unserer Vorfahren befinden, und dass wir sie wieder nach Hause bringen. Wir werden unseren Ahnen sagen: Bitte begleitet uns, seid bei uns! Es ist ein Ritual. Das möchten wir praktizieren.“
Die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD)
Die ehemalige Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), entschuldigte sich für die Taten Deutschlands in der Kolonialzeit. (AP)
Eine Herero-Frau (rechts) gibt bei der Wahl 1999 in Namibia ihre Stimme ab.
Eine Herero-Frau (rechts) gibt bei der Wahl 1999 in Namibia ihre Stimme ab. (AP)
Charité Berlin
Charité Berlin. (dradio.de/Janine Wergin)
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UN-Weltkonferenz gegen Rassismus: Europa auf der Anklagebank
Entschädigung für 400 Jahre Sklaverei und Kolonialismus gefordert

- Von Aly Ndiaye -
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2001 zum Internationalen Jahr gegen Rassismus erklärt und mit der Einberufung der dritten UN-Konferenz gegen Rassismus in die südafrikanische Hafenstadt Durban für den 31. August bis 7. September die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf den in den letzten Jahrzehnten weitgehend vergessenen afrikanischen Kontinent gelenkt. Die Weltkonferenz will praktische Schritte zur Verhütung und zur Beseitigung von Rassismus erörtern und sich dafür einsetzen, daß den Opfern von Rassismus wirksame Rechtsmittel zur Verfügung gestellt werden. Erklärtes Ziel der Konferenz ist die »Überprüfung der seit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erzielten Fortschritte im Kampf gegen Rassismus, die Prüfung von Möglichkeiten, wie die Umsetzung der bestehenden Rechte zur Bekämpfung von Rassismus besser gewährleistet werden kann, die Überprüfung der politischen, historischen und sonstigen Faktoren, die zu Intoleranz führen, sowie die Ausarbeitung konkreter Empfehlungen zur Sicherstellung von finanziellen und andere Ressourcen, die die UNO zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit benötigt«.
Vor Durban fanden vorbereitende Regionalkonferenzen in Dakar für Afrika, in Teheran für Asien, in Santiago de Chile für Lateinamerika und in Strasbourg für Europa statt. Die Positionen dieser Konferenzen sind dann zum Zwecke ihrer Harmonisierung wochenlang in Genf diskutiert worden, wo der Versuch, ein Konsenspapier zustande zu bringen, an den unterschiedlichen Standpunkten zu den Fragen des Sklavenhandels und der Kolonisation einerseits und andererseits zur Nahost-Problematik gescheitert ist. Vertreter von afrikanischen und nordamerikanischen Organisationen wollen das Thema Wiedergutmachung für die Greuel der Sklaverei und der Kolonisation auf die Tagesordnung der Durbaner Konferenz setzen. Voraussetzung dafür ist, daß Westeuropa und die USA die Sklaverei und Kolonisation als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkennen.
Boykottiert von den USA
Der andere Stein des Anstoßes liegt in der beharrlichen Intention der arabischen Staaten, Zionismus und Rassismus gleichzusetzen bzw. Israel als rassistischen Staat zu verurteilen. Die UNO-Vollversammlung hat allerdings vor zehn Jahren eine 1975 verabschiedete Resolution aufgehoben, die den Zionismus als rassistisch verurteilt hatte. Der Beschluß von 1975 diente den USA als offizielle Begründung für ihren Boykott der ersten und der zweiten UN-Rassismuskonferenz in den Jahren 1978 und 1983. Und auch an der UN-Rassismuskonferenz in Durban werden die USA nicht teilnehmen. Der Hauptgrund dafür seien die arabischen Bemühungen, Israel wegen rassistischer Behandlung der Palästinenser anzuprangern, sagte Außenamtssprecher Richard Boucher am Montag in Washington. Die USA haben sich auch gegen alle Bestrebungen ausgesprochen, in Durban Wiedergutmachung für Sklaverei und Kolonialismus einzufordern.
»Verbrechen gegen die Menschlichkeit« sind strafbar und wiedergutmachungspflichtig, Verjährung ist ausgeschlossen. Die Opfer historischer Verbrechen sind finanziell zu entschädigen. Das ist das völkerrechtliche Erbe des 20. Jahrhunderts. Auf dieser Grundlage fordern Afrikaner Reparationen für 400 Jahre Versklavung und Kolonialismus. Afrikanische Staaten fordern die Anerkennung des Sklavenhandels als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«. Sie verlangen, daß die Europäer und die USA sich offiziell entschuldigen und zu ihrer historischen, moralischen, wirtschaftlichen, politischen und juristischen Verantwortung stehen.
Die westeuropäischen Staaten und die USA wollen davon nichts wissen. Die ehemaligen Kolonialmächte wären bereit, ihre Reue für die Zeit der Sklaverei auszudrücken und die verheerenden und nachhaltigen Wirkungen der Kolonisation anzuerkennen. Wiedergutmachung aber lehnen sie ab, da sie befürchten, mit einer Welle von Anklagen konfrontiert zu werden.
Dies scheint jedoch unausweichlich zu sein, seitdem amerikanische Staranwälte den lukrativen Streitfall für sich entdeckt haben. Johnnie Cochran, der einst den Footballstar O. J. Simpson vor dem Knast bewahrte, bereitet gegenwärtig eine Klage gegen die US-Regierung vor; zudem fordern mehrere Stadtparlamente in den USA öffentliche Anhörungen zu den noch heute spürbaren Spätfolgen der Sklaverei. Die Anklage würde alle bisherigen Prozesse gegen Menschenrechtsverletzer in den Schatten stellen.
Schätzungen zufolge fielen in den dreihundert Jahren zwischen 1550 und 1850 rund fünfzig Millionen Afrikaner dem Sklavenhandel zum Opfer. Sie wurden in ihrer Heimat gekidnappt und wie Vieh über den Atlantik verfrachtet. Viele starben während der Überfahrt. Die Überlebenden schufteten auf Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen in Süd- und Nordamerika und auf den karibischen Inseln hunderte Milliarden Arbeitsstunden. Allein auf britischen Pflanzungen in der Karibik arbeiteten Sklaven Jahr für Jahr drei Milliarden Stunden ohne ein Pfund Lohn. Für den französischen Historiker Jean-Michel Deveau steht fest: »Der Sklavenhandel war das größte Verbrechen der Weltgeschichte«. Ohne die unbezahlte Arbeitskraft der Sklaven wäre die von England ausgegangene industrielle Revolution nicht möglich gewesen, meint der Trinidader Historiker Eric Williams: Nur mit dem aus dem Sklavenhandel akkumulierten Kapital habe sich der Westen zur »ersten Welt« mausern können. »No Spaceship without slaveship« - »Keine Mondlandung ohne Sklaverei«.
777 Billionen Dollar
Im Spätsommer 1999 benannte die »African World Reparations and Repatriations Truth Commission« erstmals eine konkrete Summe für den wiedergutzumachenden Schaden. Ob man die Zahl albern findet oder nicht, sie taugt auf jeden Fall als Beleg für die Ungeheuerlichkeit des Verbrechens, um das es geht. Gefordert werden 777 Billionen Dollar, das sind zirka 1,4 Trillionen Deutsche Mark, in etwa das 3 500fache der derzeitigen Schulden Schwarzafrikas. Es handelt sich »keineswegs um einen symbolischen, sondern um einen realistischen Betrag«, versichert Hamet Maulana, Sprecher der Gruppe »International & Historic African World Reparations and Repatriation Conference«. Die Summe sei das Ergebnis jahrelanger wissenschaftlicher Recherchen.
In England haben schon mal das Oberhaus und die Regierung darüber debattiert, und Zeitschriften widmen dem Thema Titelseiten. Die letzte konservative Regierung in London soll 1997 gegenüber dem Abgeordneten Bernie Grant, dem Vorsitzenden des dortigen »Africa Reparation Movement« (ARM), angedeutet haben, man sei bereit, Reparationen zu gewähren, vorausgesetzt, die Nachkommen der Sklaven könnten den anhaltenden Schaden durch die Versklavung belegen, sei er physisch, psychologisch oder ökonomisch. Was nicht schwerfallen dürfte. Doch das steht nicht mehr auf der Tagesordnung. Die Blair-Regierung behauptet nunmehr im Schulterschluß mit der Bush- Administration, daß nach angelsächsischer Rechtsauffassung vom Wort »Apology«, also »Entschuldigung«, Ansprüche auf finanzielle Entschädigung abgeleitet werden können, die sie bekanntlich strikt zurückweisen.
In Frankreich hat die Nationalversammlung auf Initiative der aus dem französischen Übersee-Departement Guyana stammenden Abgeordneten Taubira Delanon am 10. Mai 2001 die Versklavung der Afrikaner per Gesetz als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« anerkannt. Paris will sich trotzdem nicht entschuldigen und denkt auch nicht daran, Reparationen in irgendeiner Form zu leisten. Dementsprechend wird die französische Vertretung in Durban klein gehalten; weder Chirac noch Jospin oder Hubert Vedrine werden der Konferenz die Ehre erweisen. Die Pariser Diplomatie betrachtet die Antirassismus- Veranstaltung als eine »heiße Kartoffel«.
Die deutsche Schuld
Die verschiedenen Regierungen der Bundesrepublik Deutschland haben bis heute nicht einmal eine Entschuldigung für die Verbrechen der deutschen Kolonialtruppen an den Hereros in Namibia über die Lippen gebracht. Auch in den deutschen Medien bleibt die Forderung nach Wiedergutmachung für Mord und Verschleppung von Millionen Menschen auffällig unbeachtet. Die Verbrechen werden verdrängt. Geschichtsbücher allerdings erwähnen die besondere Grausamkeit des deutschen Kolonialismus. Sei es nun gegen Bauern in Kamerun, gegen die Hehe in Tanganjika (heute Tansania) beim Eisenbahnbau, im Maji-Maji-Krieg oder 1904 beim Warterberg-Massaker an den Hereros: »Niemals Pardon geben«, die Weisung des Befehlshabers im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika, Lothar von Trotha, galt überall in den deutschen Kolonien. Als vierundneunzig Jahre später Häuptling Kaima Riruako im Namen der Hinterbliebenen des Herero-Volkes vom zu Besuch weilenden deutschen Präsidenten Roman Herzog Entschuldigung und Reparationen erbat, gab es nur leere Worte. Massenerschießungen von Gefangenen, das Niedermetzeln verwundeter Herero-Kämpfer, gezieltes Verdurstenlassen von Frauen und Kindern, Enteignungen, Zwangsarbeit der Überlebenden für die Deutschen, Entwürdigung Tausender Herero-Frauen als Sexsklaven - das alles ist belegt, doch deutschen Entscheidungsträgern bis heute keine Geste, geschweige denn einen Pfennig wert. Als die Versuche der Hereros scheiterten, in Verhandlungen eine Lösung zu erreichen, klagten sie vergeblich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Dort sind nur Staaten, nicht aber Völker zugelassen.
Gewiß, der transatlantische Sklavenhandel, die millionenfache brutale Verschleppung der Menschen Schwarzafrikas ist ein historisches Verbrechen, bei dem deutsche Täter einmal nicht in vorderster Linie standen. Am nachfolgenden, nicht weniger brutalen Kolonialismus aber hatte Deutschland seinen Anteil. Erinnert sei nur an die entscheidende »Berliner Konferenz« von November 1884 bis Februar 1885, auf der die endgültige Aufteilung Afrikas planmäßig organisiert wurde. Auch dafür wird Entschädigung verlangt. Aber auch in den Niederlanden, in Portugal und Spanien - Pionieren des Sklavenhandels und des Kolonialismus - herrscht gleichgültiges Schweigen über das Thema.
Der Sklavenhandel ist der historische Hintergrund für viele aktuelle Probleme Afrikas. Der britische Rechtsanwalt Lord Anthony Gifford, Reparationsaktivist der ersten Stunde, konstatiert: »Die Unterentwicklung und Armut in den meisten Ländern Afrikas und der Karibik sind ebensowenig wie die Ghetto-Verhältnisse, unter denen viele Schwarze in den USA und andernorts leben, ein Ergebnis von Faulheit, Inkompetenz oder Korruptheit der Afrikaner bzw. ihrer Regierungen. Zum überwiegenden Teil sind sie Folge des Sklavenhandels und der Institution der Sklaverei«.
Während in ihren Herkunftsländern die Entwicklung behindert wurde, bereicherte die Arbeit der Sklaven die Länder ihrer Herrn. Blockierte Entwicklung, soziale Deprivation und Minderwertigkeitsgefühle, Ghettoisierung und Verarmung - wer kann den Schaden ermessen, den der afrikanische Kontinent durch den massiven Aderlaß gerade unter seinen jungen Menschen erlitt! Nie wurde dafür eine Entschädigung gezahlt. Im Gegenteil: Als die Sklaverei 1848 offiziell »abgeschafft« wurde, bekamen die Sklavenhalter in den britischen Kolonien 20 Millionen Pfund als Entschädigung für den Verlust ihres »Eigentums«. Der US-amerikanische Kongreßabgeordnete John Conyers, der beharrlich für die Einsetzung einer Kommission kämpft, um die Entschädigung für die Nachkommen der Sklaven zu ermöglichen, betont: »Genauso wie die weißen Amerikaner von Bildung, Lebenserfahrung und Reichtum ihrer Vorfahren profitieren, genauso leiden afrikanische Amerikaner bis heute unter der Sklaverei. Die Früchte ihrer Arbeit wurden ihnen gestohlen, ihre afrikanische Kultur, ihr Erbe, ihre Familie; Sprache und Religion wurden ihnen versagt, ihre Identität, ihr Selbstbewußtsein wurden zerstört durch Unterdrückung und Haß«.
Die Welt des wohlhabenden Nordens ohne den transatlantischen Sklavenhandel würde heute anders aussehen. Liverpool ist das berühmteste Beispiel einer Stadt, die ihren Wohlstand diesem Verbrechen verdankt. Doch auch London, Bordeaux, Marseille, Lissabon, Kopenhagen, Gent, Hamburg, Amsterdam profitierten kräftig dabei. Und Amerika.
Die vielleicht bedeutendste und zugleich bedrückendste Folge für die heutige Welt ist für Weiße oft unsichtbar: weltweite »Negrophobie«, der in nicht-schwarzen bzw. »gemischten« Gesellschaften tief verwurzelte Rassismus. »Die schwarze Haut ist anhaltend das Merkmal für Geringschätzung in der Welt von heute«, so der nigerianische Schriftsteller und Wissenschaftler Chinweizu auf einer Panafrikanischen Konferenz zu Reparationen 1993.
Zynische Einwände
Wiedergutmachungskritiker wenden ein, daß die Auswahl der Beklagten selektiv ist. Nach ihrer Meinung müßten der arabische Sklavenhandel und die Rolle afrikanischer Könige genauso kritisch betrachtet werden. Die Europäer hätten die seit Jahrtausenden existierende Sklaverei nicht erfunden. Im übrigen gäbe es in Ländern wie Mauretanien oder Sudan noch immer Sklaverei. Abgesehen davon, daß solche Abwehrargumente ins Reich der Schutzbehauptungen gehören, ist es schon ein eigentümlicher Zynismus, wenn sich Europäer über anhaltende Sklaverei - am liebsten aus dem neuen islamischen Reich des Bösen - aufregen, aber die Forderung nach Reparationen abtun.
Es war nicht die Sklaverei an sich, sondern die gewerbsmäßige Erniedrigung afrikanischer Menschen zur Ware, die transatlantischen Sklavenhandel zu dem einmaligen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« machte, für die Wiedergutmachung verlangt wird sowie für deren unmittelbare Folge, nämlich die auf Rassismus und Raub setzende Kolonialherrschaft. Menschen den Charakter einer Massenware zuzuschreiben - das war neu.
Nicht die arabische Sklaverei bestimmte die Weltökonomie. Und daß afrikanische Herrscher als Mittelsmänner in das schmutzige Geschäft verstrickt waren, ändert nichts an der Verantwortung des Westens, der mit allen Gewaltmitteln seine Handelsinteressen durchpeitschte. Der immense Verlust von Menschen - etwa zwölf Millionen erreichten Amerika, fast die gleiche Zahl kam während des mörderischen Transports zu Lande und zu Wasser um - läßt sich natürlich nicht in Geld erfassen.
Nimmt man als Grundlage jedoch Summen wie die zuletzt an die Zwangsarbeiter der Nazis gezahlten und rechnet diese auf nur 300 Jahre Arbeit hoch, erreicht man immerhin bereits ein Prozent der erwähnten »Irrsinnssumme«. Darin nicht enthalten: der Wert der kolonialen Raubgüter wie Gold, Kaffee, Millionen Kunstgegenstände, die bis heute europäische und nordamerikanische Museen und Privathaushalte schmücken, Entschädigungen für die Zerstörung örtlichen Eigentums bei der Niederschlagung unzähliger Aufstände etc. Allein die Bergbaugesellschaften in Deutsch-Südwest (heute Namibia) schafften beispielsweise zwischen 1908 und 1913 5,3 Millionen Karat Diamanten - 200 Kilogramm pro Jahr - aus dem Land. Soviel exportiert das Land heute nicht.
Nach internationalem Recht komme Entschädigung dann in Frage, wenn die Nachfahren der Opfer noch unter den Folgen des Unrechts leiden, meint der britische Anwalt und Mitglied des Oberhauses, Lord Anthony Gifford: »Wenn der Westen erst einmal erkannt hat, daß ein Großteil seines Reichtums auf ein eklatantes Verbrechen gegen die Menschheit beruht, dann ist doch klar, daß das wiedergutzumachen ist.«
Die afrikanischen Völker fordern die gestohlenen Reichtümer zurück, ihre Kunstgegenstände, aber auch Gold, Diamanten und andere Mineralien, die gerade in den letzten Jahren der Kolonialherrschaft massenhaft den Kontinent verließen. Simbabwe hat die Forderung nach Reparationen für »das internationale Verbrechen des Kolonialismus« in seiner Verfassung verankert. So könnte vielleicht Robert Mugabe endlich die 4 000 britischstämmigen Siedler loswerden, die bis heute das beste Land bestellen. Ein Aspekt, der zeigt, wie aktuell das Thema ist.
Auf jeden Fall muß ein neues Weltgefüge erreicht werden, in dem Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe einen gleichberechtigten Platz für sich und ihre kulturelle Identität finden. Ein neues Verhältnis von gegenseitigem Respekt und Gleichberechtigung kann allerdings nicht entstehen, solange es keine Wiedergutmachung für den verheerenden Schaden gibt, den Sklavenhandel und Kolonialismus angerichtet haben. Daß die 200 reichsten Menschen der Welt soviel besitzen wie über zwei Milliarden der ärmsten, macht wirklich irrsinnig.
Aus: junge welt, 31. August 2001
http://www.ag-friedensforschung.de/



2.3 Online-Artikel zu Restitutionen von Raubkunst aus Afrika


„Wir haben genug Bronzen“: Nigeria fordert von Berlin mehr als nur die Rückgabe des kolonialen Raubguts

Nach ersten Rückgaben von Benin-Bronzen aus deutschen Museen wird hier weiter über Restitutionen diskutiert. In Nigeria setzen Verantwortliche bereits auf mehr als nur eine Schau wertvoller Objekte.
09.09.2023, 09:07 Uhr
In der Diskussion um die Rückgabe der wertvollen Benin-Bronzen von Deutschland an Nigeria setzt die afrikanische Seite nicht auf die Restitution sämtlicher als koloniales Raubgut geltenden Objekte. „Bei der Restitution geht es nicht um die Rückgabe aller Stücke“, sagte der Gouverneur des nigerianischen Edo State, Godwin Obaseki, in Berlin. Die Region umfasst das einstige Königreich Benin, das heute Teil von Nigeria ist.
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Deutschland hatte Ende 2022 zunächst 20 Benin-Bronzen aus Museen in Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart und Dresden/Leipzig an das afrikanische Land zurückgegeben. Die bisherigen Abmachungen sehen weiterhin Präsentationen von Stücken auch in Deutschland vor. Mehr als 1100 der Arbeiten aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin waren bisher in rund 20 deutschen Museen zu finden. Die Objekte, die neben Bronze auch aus Elfenbein und anderen Materialien gefertigt sind, stammen größtenteils aus britischen Plünderungen im Jahr 1897.
„Wir haben genug Bronzen“
Godwin Obaseki, Gouverneur des nigerianischen Edo State
„Wir haben genug Bronzen“, sagte Obaseki mit Verweis auf rund 400 Stücke, die sich in dem westafrikanischen Land befinden. Die Restitution sei ein Prozess, mit dem vor allem auch andere Entwicklungen wie die internationale Museumszusammenarbeit vorangetrieben werden sollen.
Zu den wichtigsten Herausforderungen des Landes und seiner Region zählte Obaseki die Schaffung von Jobs. Dabei sollten kreative Künste und Technologien eine besondere Rolle spielen. In diesem Zusammenhang seien auch die Benin-Bronzen wichtig.
In Deutschland war eine neue Diskussion um Rückgaben und den Verbleib der Bronzen entflammt, nachdem bekannt geworden war, dass der damalige nigerianische Präsident Muhammadu Buhari die wertvollen Kunststücke an den Oba als Oberhaupt des Königreichs Benin übertragen hatte.
„Wir brauchen eine Beziehung des Vertrauens mit welchem Eigentümer der Objekte auch immer“, sagte Obaseki. „Die Diskussion darüber, ob die Regierung oder der Palast zuständig ist, braucht Zeit. Das wird nicht über Nacht gelöst.“ Deswegen gehe es in der Zwischenzeit darum, sich auf die Schaffung eines guten Museums, einer guten Infrastruktur und eines guten Programms zu konzentrieren. „Unser Ziel ist sehr viel umfassender als nur Benin-Bronzen auszustellen.“
Phillip Ihenacho, Mitinitiator des in Benin City geplanten Edo Museum of West African Art (EMOWAA), sieht Entwicklungspotenzial für Kunst- und Kulturtourismus. In dem mit deutscher Hilfe entstehenden Museum sollen auch die Benin-Bronzen unterkommen. „Es wird nicht nur ein Platz für die Benin-Bronzen, sondern für kulturelle Entwicklung“, sagte Ihenacho. Benin-City solle „ein Epizentrum für Kunst und Kultur“ werden. Um das Museum solle ein Bereich geschaffen werden, der zeitgenössischen Kreativen genauso Entwicklungsmöglichkeiten biete wie Besucherinnen und Besuchern.
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Die Benin-Bronzen hätten die Debatte ins Rollen gebracht, sagte Ihenacho. „Nun geht es vor allem um Chancen für junge Kreative, um Erziehung.“ Die Gefahr sei, ein Museum zu gestalten, das sich nicht darauf konzentriere, was Menschen auf lange Sicht interessiere. Geplant sei „kein Abenteuer für einen Anlass, sondern eine lebende Institution“. (dpa)
https://www.tagesspiegel.de/

Restitution
Nigeria kommt Deutschland bei Benin-Bronzen weiter entgegen

In der Debatte um die Rückgabe der wertvollen Benin-Bronzen hat Nigeria signalisiert, nicht alle Objekte zurückerhalten zu wollen. Darum gehe es bei der Restitution nicht, sagte der Gouverneur des nigerianischen Edo State, Godwin Obaseki, in Berlin.
09.09.2023
Archivbild von 2021: Benin-Bronzen im Rautenstrauch-Joest-Museum (picture alliance / dpa / Marius Becker)
Vielmehr sei die Restitution ein Prozess, mit dem auch die internationale Zusammenarbeit zwischen Museen vorangetrieben werden solle. Deutschland hatte Ende 2022 zunächst 20 Benin-Bronzen aus Museen in Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart und Dresden/Leipzig an das afrikanische Land zurückgegeben. Die Objekte stammen größtenteils aus britischen Plünderungen im früheren Königreich Benin Ende des 19. Jahrhunderts.
Diese Nachricht wurde am 09.09.2023 im Programm Deutschlandfunk Kultur gesendet.
https://www.deutschlandfunk.de/

Nigerianischer Gouverneur: Obaseki: Keine Rückgabe aller Benin-Bronzen

9. September 2023, 10:06 UhrQuelle: dpa Berlin/Brandenburg
Hinweis
Nigerianischer Gouverneur: Godwin Obaseki, Gouverneur des nigerianischen Bundesstaates Edo, bei einem Interview.
In der Diskussion um die Rückgabe der wertvollen Benin-Bronzen von Deutschland an Nigeria setzt die afrikanische Seite nicht auf die Restitution sämtlicher als koloniales Raubgut geltenden Objekte. «Bei der Restitution geht es nicht um die Rückgabe aller Stücke», sagte der Gouverneur des nigerianischen Edo State, Godwin Obaseki, in Berlin. Die Region umfasst das einstige Königreich Benin, das heute Teil von Nigeria ist.
Deutschland hatte Ende 2022 zunächst 20 Benin-Bronzen aus Museen in Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart und Dresden/Leipzig an das afrikanische Land zurückgegeben. Die bisherigen Abmachungen sehen weiterhin Präsentationen von Stücken auch in Deutschland vor. Mehr als 1100 der Arbeiten aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin waren bisher in rund 20 deutschen Museen zu finden. Die Objekte, die neben Bronze auch aus Elfenbein und anderen Materialien gefertigt sind, stammen größtenteils aus britischen Plünderungen im Jahr 1897.
«Wir haben genug Bronzen», sagte Obaseki mit Verweis auf rund 400 Stücke, die sich in dem westafrikanischen Land befinden. Die Restitution sei ein Prozess, mit dem vor allem auch andere Entwicklungen wie die internationale Museumszusammenarbeit vorangetrieben werden sollen.
Zu den wichtigsten Herausforderungen des Landes und seiner Region zählte Obaseki die Schaffung von Jobs. Dabei sollten kreative Künste und Technologien eine besondere Rolle spielen. In diesem Zusammenhang seien auch die Benin-Bronzen wichtig.
In Deutschland war eine neue Diskussion um Rückgaben und den Verbleib der Bronzen entflammt, nachdem bekannt geworden war, dass der damalige nigerianische Präsident Muhammadu Buhari die wertvollen Kunststücke an den Oba als Oberhaupt des Königreichs Benin übertragen hatte.
«Wir brauchen eine Beziehung des Vertrauens mit welchem Eigentümer der Objekte auch immer», sagte Obaseki. «Die Diskussion darüber, ob die Regierung oder der Palast zuständig ist, braucht Zeit. Das wird nicht über Nacht gelöst.» Deswegen gehe es in der Zwischenzeit darum, sich auf die Schaffung eines guten Museums, einer guten Infrastruktur und eines guten Programms zu konzentrieren. «Unser Ziel ist sehr viel umfassender als nur Benin-Bronzen auszustellen.»
Phillip Ihenacho, Mitinitiator des in Benin City geplanten Edo Museum of West African Art (EMOWAA), sieht Entwicklungspotenzial für Kunst- und Kulturtourismus. In dem mit deutscher Hilfe entstehenden Museum sollen auch die Benin-Bronzen unterkommen. «Es wird nicht nur ein Platz für die Benin-Bronzen, sondern für kulturelle Entwicklung», sagte Ihenacho. Benin-City solle «ein Epizentrum für Kunst und Kultur» werden. Um das Museum solle ein Bereich geschaffen werden, der zeitgenössischen Kreativen genauso Entwicklungsmöglichkeiten biete wie Besucherinnen und Besuchern.
Die Benin-Bronzen hätten die Debatte ins Rollen gebracht, sagte Ihenacho. «Nun geht es vor allem um Chancen für junge Kreative, um Erziehung.» Die Gefahr sei, ein Museum zu gestalten, das sich nicht darauf konzentriere, was Menschen auf lange Sicht interessiere. Geplant sei «kein Abenteuer für einen Anlass, sondern eine lebende Institution».
© dpa-infocom, dpa:230909-99-130368/2
https://www.zeit.de/


BUNDESTAG: Aktuelle Stunde
Aussprache zur Restitution der Benin-Bronzen

Symbolbild mit drei Bronzen aus der Sammlung des Museum für Kunst und Gewerbe
Deutschland hat damit begonnen, Raubkunst-Bronzen aus dem Land Benin, die auf unterschiedliche Museen verteilt sind, zurückzugeben. (picture alliance / Daniel Bockwoldt/dpa | Daniel Bockwoldt)
Liveübertragung: Freitag, 12. Mai, 15.05 Uhr
Die Abgeordneten des Bundestages befassen sich am Freitag, 12. Mai 2023, mit den Konsequenzen aus der Rückgabe der Benin-Bronzen. Das Plenum debattiert in einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der AfD-Fraktion über das Thema „Scheitern bei der Restitution der Benin-Bronzen“. Für die Aussprache ist eine Stunde vorgesehen. (eis/10.05.2023)
https://www.bundestag.de/


„Fiasko“ – Zurückgegebene Benin-Bronzen in Privatbesitz gegeben statt ausgestellt

08.05.2023, Stand: 10:44 Uhr | Lesedauer: 3 Minuten

Abba Isa Tijani (l-r), Generaldirektor der nigerianischen Museums-Kommission, zeigt Claudia Roth und Annalena Baerbock eine der Benin-Bronzen
Quelle: pa/dpa/Annette Riedl
Per Staatsakt war das Raubgut jüngst an Nigeria zurückgegeben worden, eigentlich sollte es in einem von Deutschland mit Millionenbeträgen geförderten Museum ausgestellt werden. Jetzt sind die Benin-Bronzen offenbar in Privatbesitz übergegangen. Hintergrund soll ein persönlicher Streit sein.
Die an Nigeria zurückgegebenen Benin-Bronzen kommen in Privatbesitz. Der scheidende nigerianische Staatpräsident Mohammedu Buhari hat das Eigentumsrecht an den Artefakten aus dem historischen Königreich Benin an den Oba Ewuare II., das aktuelle Oberhaupt der Königsfamilie, übertragen, berichtet die Schweizer Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Der entsprechende Erlass wurde bereits am 23. März dieses Jahres veröffentlicht.
Durch die Verfügung kommt der Oba in den Besitz aller Kunstwerke, die 1897 bei einer Strafexpedition von britischen Truppen im Königspalast von Benin geplündert wurden, „unter Ausschluss jeder anderen Person und Institution“, wie eine nigerianische Zeitung den Text zitiert. Bereits vor Monaten hatten Beobachter, auch bei WELT, gewarnt, es häuften sich Indizien dafür, dass es das geplante Museum nicht geben wird, in dem die Kunstwerke ausgestellt werden sollten.
Damit ende die deutsche Politik der Übereignung sämtlicher Benin-Bronzen aus deutschen Museen an den nigerianischen Staat „in einem Fiasko“, wie Hauser-Schäublin schreibt.
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Welche Zukunft die Benin-Bronzen in Nigeria haben
Im vergangenen Dezember hatten Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth die symbolische Übergabe der Kunstwerke bei einem Staatsakt in der nigerianischen Hauptstadt Abuja vollzogen. Dabei lud die deutsche Außenministerin ihre nigerianischen Partner ein, die Bronzen in dem geplanten Edo Museum of West African Art (EMOWAA) in Benin City auszustellen, dessen Bau vom deutschen Staat mit mehreren Millionen Euro unterstützt wird. Auf der Homepage des Museums hieß es noch vor Kurzem, es werde „Heim der umfangreichsten Sammlung von Benin-Bronzen der Welt“ sein. Inzwischen stehe der Satz nicht mehr dort.
Im Hintergrund der Eigentumsübertragung steht laut nigerianischen Medien ein persönlicher Konflikt zwischen dem Oba und dem Gouverneur der Region Benin, Godwin Obaseki, einem der entschiedensten Förderer des Museumsprojekts. Obasekis Großvater hatte den Briten nach der Zerstörung von Benin-City im Jahr 1897 und der Absetzung des damaligen Obas als Interims-Regent gedient. Royalistische Anhänger von Ewuare II. werfen dem Gouverneur nun die Fortsetzung der Kollaboration mit den Gegnern des Königshauses vor.
Bei den Benin-Bronzen handelt es sich um mehr als fünftausend zum großen Teil aus Messing gefertigte Reliefs und Skulpturen, die zwischen dem 13. und dem 18. Jahrhundert im Königreich Benin auf dem Gebiet des heutigen Staates Nigeria entstanden sind. Ab dem 15. Jahrhundert wurden für ihre Herstellung hauptsächlich Armreifen, sogenannte Manillen, aus Kupfer verwendet, die von portugiesischen Händlern als Zahlungsmittel für Sklaven sowie für Elfenbein und andere Güter eingesetzt wurden.
Mehr als tausend Benin-Bronzen befinden sich seit mehr als hundert Jahren in den Sammlungen deutscher Museen. Am 1. Juli 2022 unterzeichnete Deutschland und Nigeria ein Abkommen über die Rückgabe der Bronzen, in dessen Rahmen etwa zwei Drittel der Kunstwerke an den nigerianischen Staat zurückgehen sollen. Ein Drittel soll als befristete Dauerleihgabe in den deutschen Museen bleiben.
https://www.welt.de/


Raubkunst-Rückgabe endet in „Fiasko“
Benin-Bronzen landen in Nigeria nicht im Museum, sondern in Privatbesitznin-Bronzen landen in Nigeria nicht im Museum, sondern in Privatbesitz

„Historischer Moment: Deutschland gibt erste Benin-Bronzen an Nigeria zurück
Copyright KameraOne © 2022, ALL RIGHTS RESERVED „Historischer Moment": Deutschland gibt erste Benin-Bronzen an Nigeria zurück
Montag, 08.05.2023, 07:32
Das Wichtigste
Mit einem feierlichen Staatsakt hat Außenministerin Annalena Baerbock die Benin-Bronzen an Nigeria zurückgegeben.
Die Kunstwerke sollten in einem von Deutschland mitfinanzierten Museum ausgestellt werden.
Nun befinden sie sich offenbar in Privatbesitz.
Im Dezember vergangenen Jahres wurden kostbare Benin-Bronzen per Staatsakt von Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth in der nigerianischen Hauptstadt Abuja feierlich übergeben. Dort sollte die Raubkunst in einem Museum ausgestellt werden, hieß es. Auf der Homepage des Museums, dessen Bau die Bundesregierung mit mehreren Millionen Euro unterstützt, wird angekündigt, es werde „die weltweit größte Sammlung von Benin-Bronzen beherbergen“.
Scheidender Präsident Mohammedu Buhari überträgt Eigentumsrecht auf Oba Ewuare II
Doch nun scheinen die Kunstwerke nicht ins Museum, sondern in Privatbesitz übergegangen zu sein. Der scheidende Präsident Nigerias, Mohammedu Buhari, hat das Eigentumsrecht an den Kunstwerken an das derzeitige Oberhaupt der königlichen Familie, Oba Ewuare II, übertragen. Damit hat der Oba Anspruch auf alle Kunstwerke, die 1897 bei einer britischen Strafexpedition im Königspalast von Benin geplündert wurden - „unter Ausschluss jeder anderen Person und Institution“, wie eine nigerianische Zeitung schreibt.
Übergabe der Benin-Bronzen endet in einem „Fiasko“
Mit der Eigentumsübertragung an den Oba endet die deutsche Politik, sämtliche Benin-Bronzen aus deutschen Museen an den nigerianischen Staat zu übergeben, „in einem Fiasko“, kommentiert die Schweizer Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin in der „ Frankfurter Allgemeinen Zeitung “.
Bei den Benin-Bronzen handelt es sich um mehr als 5000 Reliefs und Skulpturen aus Messing, die zwischen dem 13. und 18. Jahrhundert im Königreich Benin im heutigen Nigeria entstanden sind. Sie wurden ab dem 15. Jahrhundert vor allem aus kupfernen Armreifen, so genannten Manillen, hergestellt, die von portugiesischen Händlern als Zahlungsmittel unter anderem für Sklaven und Elfenbein verwendet wurden.
https://www.focus.de/

ABSCHIED VON DEN BENIN-BRONZEN
Nicht einmal der Grundstein für das Museum ist gelegt

Veröffentlicht am 15.12.2022
Von Matthias Busse
Kölns Bürgermeisterin Henriette Reker übergibt am 15. Dezember Abba Isa Tijani einen bronzenen Schlüssel aus dem Königreich Benin
Quelle: dpa/Oliver Berg
Nach jahrelangen Bekenntnissen zur Rückgabe der Benin-Bronzen verlassen jetzt die ersten Werke für immer deutsche Völkerkundemuseen – und reisen nach Nigeria. Aber wird dort alles gut? Die Zukunft der bewunderten Artefakte scheint völlig ungewiss.
Das Packen hat begonnen. In fünf deutschen Museen von Berlin, Sachsen, Hamburg, Köln und Stuttgart stehen maßgeschneiderte Transportboxen bereit. In ihnen werden noch vor Weihnachten etwa 20 der Jahrhunderte alten Metallgüsse aus dem ehemaligen Königreich Benin in das heutige Nigeria zurückkehren. Genauere Informationen über diese erste Fracht sollen noch nicht in die Öffentlichkeit gelangen, obwohl der Reisetermin von Außenministerin Annalena Baerbock in die Hauptstadt Abuja feststeht und auch, welche der Museumsobjekte im Regierungsflugzeug mitreisen werden.
Nigerias oberster Museumschef, Abba Tijani, hat einen Querschnitt durch fünf Jahrhunderte höfischer Kunstgießerei in verschiedenen Objektgruppen wie Skulpturen, Königsgedenkköpfe, Reliefs mit historischen Abbildungen, Schmuck, Ritual- und Gebrauchsgegenstände ausgewählt, aber auch eine winzige geschnitzte Elfenbeinmaske. Kurz vor Abreise wird Tijani die noch ausstehenden Unterschriften bei den Museumsträgern einholen – den einzelnen Ländern und der Stadt Köln. Nur die bundesweite Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu Berlin (SPK) übertrug ihr Eigentum an 514 Benin-Artefakten bereits zuvor juristisch an Nigeria – die größte Einzel-Restitution außereuropäischer Sammlungsstücke weltweit.
Streit zwischen dem Königshaus und dem Gouverneur
Der damit verbundene beachtliche materielle Wert und die in vielerlei Hinsicht enorme Bedeutung der als „Benin-Bronzen“ zu internationaler Bekanntheit gelangten Antiquitäten führen offensichtlich zu Bedenken um deren Sicherheit. Alle Eingeweihten schweigen jedenfalls über die genauen Rückgabeumstände. Hinter vorgehaltener Hand wird von einigen Museumsverantwortlichen davon gesprochen, dass diese erste kleine Übergabe auch ein Test sein wird. Schließlich drohen nicht nur im Norden Nigerias Anschläge der islamistischen Boko Haram. Entführungen machen landesweit das Reisen gefährlich. Blutige Konflikte zwischen Hirten-Nomaden und Farmern erreichen sogar den bisher als relativ sicher geltenden Bundestaat Edo – dort, wo der Ursprung der Benin-Bronzen ist. Hinzu kommen überzogene Vorstellungen vom Finanzmotor einer künftigen Dauerausstellung für die Region, die jüngst bereits zum Streit zwischen Königshaus und Gouverneur über die Zuständigkeit führten, und die auch Begehrlichkeiten der ehemals von den Benin-Königen unterdrückten Nachbarvölker wecken könnten.
Zwar spielen politische Vertreter den finanziellen Aspekt der Rückgabe herunter. In der Kulturausschusssitzung des Bundestages vom Oktober äußerte Claudia Roths Amtsleiter Andreas Görgen: „Wir glauben nicht, dass es einen Markt für diese Objekte gibt.“ Dagegen stehen Auktionszuschläge in zweistelliger Millionenhöhe für äußerst selten angebotene Gedenkköpfe. Realistischer als die Berliner Kulturstaatsbehörde bezifferte der Hamburger Senat den Wert seiner 179 Benin-Objekte mit 58,7 Millionen Euro.
Allein schon der Rücktransport der Bronzen nach Nigeria könne gefährlich werden, warnte der Erzbischof von Abuja, Ignatius Kaigama. Anlässlich seiner Besichtigung der Benin-Bronzen-Ausstellung im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum im Oktober 2021 zitierte ihn Domradio: „Ich möchte nicht, dass diese wertvollen Artefakte verloren gehen. Die Gefahr besteht, wenn die Rückgabe übereilt geschieht.“ Dennoch erscheint das aktuelle Vorgehen nun überstürzt. Sicherlich möchte die deutsche Ampelregierung endlich Erfolge vorweisen. Denn die Restitution lässt sich medienwirksam als die im Koalitionsvertrag vereinbarte Aufarbeitung des kolonialen Erbes Deutschlands darstellen. Dagegen könnten die immer ungeduldiger auftretende Regierung Nigerias und der einflussreiche Hof von Benin für negative Schlagzeilen über deutsche Zögerlichkeit sorgen, wenn es nicht bald konkrete Ergebnisse gibt.
Wo werden die Schätze aufbewahrt?
Ein entscheidender Schritt vor der Übergabe wurde jedoch übersprungen: Für die heimkehrenden Schätze einen Ausstellungsort zu schaffen. Stehen sollte der eigentlich schon seit dem Frühjahr in Benin City, dem früheren Kerngebiet des Königreiches – der heutigen Hauptstadt vom Edo-State. Obwohl das eigentlich in der Verantwortung Nigerias liegt, sicherte der damalige Außenminister Heiko Maas im Sommer 2021 Finanzhilfe zu, als ihm eine nigerianische Regierungsdelegation und der britisch-tansanische Stararchitekt Sir David Adjaye die Fassadenentwürfe für ein Edo Museum of West African Art (EMOWAA) präsentierten. Dessen erster Teil sollte ein Pavillon sein, in dem das wiedererlangte kulturelle Erbe der Bevölkerung gezeigt wird.
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BENIN-BRONZEN
Wünsche aus Berlin werden jetzt nicht mehr erfüllt
Erst jetzt beziffert das Auswärtige Amt auf Nachfrage die Höhe der Bauzuschüsse mit 4,9 Millionen Euro bis ins Jahr 2024 und nochmals 1,9 Millionen Euro für Planungsaufgaben. Aber immernoch ist nicht einmal der Grundstein gelegt. Bei Anfragen zum Vorhaben verweist das Londoner Büro Adjaye an den Auftraggeber – den Legacy Restitution Fonds (LRT). Diese nigerianische Stiftung sammelt in privater Partnerschaft Geld für den Bau, äußert sich aber ebenfalls nicht. Auf ihrer Website kündigte der LRT den ersten Spatenstich bereits für Mitte 2022 an, sodass der anvisierte Bauabschluss bereits im nächsten Jahr als wenig realistisch erscheint.
Da Deutschland bedingungslos zurückgibt, muss sich die nigerianische Seite bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nciht beeilen. Kritik daran weist der für Kultur zuständige Prinz Aghatise Erediauwa zurück: „Wir werden keine Probleme damit haben. Wir haben Kapazitäten in den Lagern, Kuratoren, Klimatisierung und alles, was es dazu braucht, ein Museum aufzubauen“, äußerte er 2021 gegenüber dem britisch-nigerianischen Sender Arise News. Auch deutsche Museumsdirektoren betonen immer wieder, dass nach der Eigentumsübertragung die Verantwortung in der Hand Nigerias läge. Selbst zum anstehenden Rücktransport hält sich Nigeria anscheinend bedeckt. „Was mit den Objekten passiert, wird Herr Tijani uns noch sagen“, hofft etwa Lars-Christian Koch, der Direktor des Ethnologischen Museums der SPK zu Berlin. Die Möglichkeit, dass die nigerianische Museumsbehörde seinerseits die Rückgaben auch an den Palast überträgt, wird von deutscher Seite akzeptiert. Bereits 2019 herrschte innerhalb der von der heutigen Hamburger Museumsdirektorin, Barbara Plankensteiner, gegründeten internationalen Benin Dialog Gruppe Konsens darüber, „ein neues Königliches Museum zu errichten“ und zu unterstützen.
Sklaverei in Benin
Was bei dieser Rückgabe erstaunt, ist die einseitige moralische Argumentation. In ihrer Rede zur Unterzeichnung der Absichtserklärung betonte Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Wir erkennen die Morde und Plünderungen an, wir erkennen den Rassismus und die Sklaverei an, wir erkennen die Ungerechtigkeit und das Trauma an, die bis heute sichtbare Narben hinterlassen haben.“ Jedoch profitierten keineswegs nur Europäer von der Sklaverei. Vielmehr griffen sie auf bereits existierende Handelsstrukturen Westafrikas zurück.
Benins Herrscher verkauften schon immer Gefangene an arabische Staaten. Ihr Geschäft wurde seit dem 16. Jahrhundert durch den Bedarf der transatlantischen Kolonien angekurbelt. Daher eignen sich die Benin-Bronzen so schlecht für eine moralische Wiedergutmachung einer umstrittenen Geschichte. Denn die Briten setzten mit dem Überfall auf Benin City und der Plünderung des Palastes 1897 auch ihr bereits zuvor erlassenes Verbot der Sklaverei durch und beendeten die Menschenopfer während höfischer Zeremonien.
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BENIN-BRONZEN NACH NIGERIA
„Ich kann die Rückkehr der Bronzen nicht feiern, wenn ich Angst um mein Leben habe“
Die Direktorin der Restitution Study Group, Deadria Farmer-Paellmann, vertritt die Interessen von Sklavennachfahren in den USA. Sie wies Ende August in einem Rundbrief an verschiedene deutsche Museumsdirektoren und Politiker auf diesen Ursprung vieler Bronzen hin: Dass Afrikaner aus eroberten Nachbargebieten gegen europäische Kupfer- und Messingreife eingetauscht worden sind, weil dieses Material zum massenhaften Gießen der heute hochgeschätzten höfischen Ritualgegenstände benötigt worden ist. Also wären demnach die Nachkommen der damals Verschleppten ebenfalls moralische Miteigentümer und hätten ein Anrecht auf den Verbleib der Zeugen ihrer Geschichte in ihren Museen in Amerika und Europa. Ihre Interessen wären demnach nicht geringer zu bewerten als die der Erben der schwarzen Sklavenhändler.
Eine Antwort auf ihren Brief hat Frau Farmer-Paellmann von niemandem bekommen. Die Pressestelle des Auswärtigen Amtes begründet auf Nachfrage: „Öffentliche Briefe beantwortet die Bundesregierung grundsätzlich nicht.“ In der Rede von Ministerin Annalena Baerbock anlässlich der Absichtserklärung klang das aber noch ganz anders: „Wir stellen uns unserer Geschichte des Kolonialismus.“
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BEUTEKUNST
Benin-Bronzen: Rückgabe ab 2022

Nach Bund und Ländern stimmen nun die Kommunen der Restitution an Nigeria zu. Fraglich bleibt, ob Benin-Bronzen im Humboldt-Forum ausgestellt werden können.

Datum 07.10.2021
Autorin/Autor Annabelle Steffes-Halmer
Auch das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln besitzt insgesamt 94 Benin-Bronzen
Es kommt erneut leichte Bewegung in die Diskussion rund um die Rückgabe der in deutschen Sammlungen befindlichen Benin-Bronzen: Alle staatlichen Stellen in Deutschland haben nun die "substantielle Rückgabe" der wertvollen Kulturgüter an Nigeria beschlossen, wie die Kulturministerinnen und -senatoren der Länder mitteilten. Kulturstaatsministerin Monika Grütters  bekräftigte, eine abgestimmte Haltung auf deutscher Seite sei wichtig, "um zu der von uns angestrebten Verständigung mit der nigerianischen Seite zu gelangen". Die Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering, will die Gespräche in Nigeria bereits in der kommenden Woche wieder aufnehmen.
Der nun bestätigte Beschluss ist eine reine Formalie. Bereits Ende April legten Staatsministerin Monika Grütters, die zuständigen Museumsleiterinnen und -leitern in Deutschland und ihre nigerianischen Partnerinnen und Partnern bei einem Spitzengespräch einen konkreten Fahrplan vor: Schon im kommenden Jahr sollen erste Kunstschätze an Nigeria, in dessen Südwesten das einstige Königreich Benin lag, zurückgegeben werden. Hermann Parzinger, der Direktor der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Deutschlands größter Kultureinrichtung, wird die Rückgabegespräche mit den zuständigen Stellen in Nigeria führen.
1897 raubten britische Kolonialtruppen 3500 bis 4000 Bronzen aus dem Königspalast in Benin City und steckten die Stadt in Brand. Rund 1100 Bronzen gelangten als Ankäufe nach Deutschland, allein 440 nach Berlin, das sich damit die zweitgrößte Sammlung weltweit sicherte. Ihr Besitz ist legal, aber nicht legitim, denn an den Stücken klebt nachweislich Blut.
Wandel in der Museumswelt
Nanette Snoep, Leiterin des Rautenstrauch-Joest Museums in Köln, vor einem Regal
Nanette Snoep, Leiterin des Rautenstrauch-Joest Museums in Köln
"Über Jahre gab es so viele Stimme gegen die Restitution, und jetzt gibt es eine wirkliche Veränderung; es findet ein wirklicher Wandel statt, auch innerhalb der Museumswelt", sagt Nanette Snoep vom Rautenstrach-Joest-Museum im Köln. "Museen und Politiker sind sich bewusst geworden, dass es wirklich notwendig ist, Museen zu dekolonisieren. Und Dekolonisierung bedeutet auch Restitution."
Snoep hat an dem Spitzentreffen mit Monika Grütters im April teilgenommen. Anfang des Jahres hat sie zudem die Ausstellung "Resist! Die Kunst des Widerstands" in Köln kuratiert. Erstmalig sollten darin die Kolonialisierten - jene, die unter Unterdrückung litten oder leiden - eine Stimme erhalten. In ihrer Karriere hat sich die gebürtige Niederländerin intensiv mit Kunst aus kolonialem Kontext beschäftigt und plädiert schon lange dafür, Rückgaben in die Wege zu leiten. "Ich war positiv überrascht, dass wir uns einstimmig für Restitution und die dafür notwendigen Schritte ausgesprochen haben", so Snoep weiter.
Veröffentlichung der Bestandslisten
Geplant ist unter anderem auch eine digitale Aufstellung aller Benin-Bronzen, die sich im Besitz deutscher Museen befinden. Das ist ein Durchbruch: Denn damit Restitution erfolgen kann, müssen die Rückgabe-Ersuche per Verbalnote übermittelt werden - inklusive Angaben, welche Objekte zurückverlangt werden und warum. Da aber nur ein Bruchteil der Bestände jemals ausgestellt wird und wurde, war es für die fordernden Länder bislang eher ein Ratespiel.
Benin-Bronzen in einer Ausstellung am Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg
Benin-Bronze in einer Ausstellung am Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg
Ob und wie viele Objekte zuerst zurückgegeben werden, steht derzeit noch nicht fest, es seien aber konkrete Objekte in Verhandlung, sagte Monika Grütters im April. "Es geht tatsächlich auch um eine juristische Eigentumsübertragung" und um eine "substanzielle Rückgabe", so die Staatsministerin weiter.
Konkrete Handlungsschritte sollen unter anderem in Gesprächen mit der 2010 gegründeten Benin Dialogue Group, in der deutsche Museumsverantwortliche mit Vertretern Nigerias zusammenarbeiten, erörtert werden. "Restitution ist das Recht auf die eigene Geschichte. Und deshalb sind afrikanische Stimmen in dieser Debatte so entscheidend", sagt Nanette Snoep. Die Museumsdirektorin hält es durchaus für möglich, dass sich die nigerianischen Partner dafür aussprechen, dass einige der Exponate in deutschen Museen bleiben. Doch welche und wie sie dort präsentiert würden, darüber werde allein die nigerianischen Seite entscheiden.
"Wir sind glücklich über diese Entwicklung", so Yusuf Tuggar, Nigerias Botschafter in Berlin. "Zum ersten Mal seit 124 Jahren wird eine Generation junger Nigerianer in der Lage sein, solche Meisterwerke physisch zu sehen und sich von ihnen inspirieren zu lassen." Deutschland sei dabei, das Richtige zu tun, so der Botschafter weiter. Die Verhandlungen stünden exemplarisch dafür, was im Bereich der Kulturdiplomatie durch die Zusammenarbeit zwischen Nigeria und Deutschland erreicht werden könne.
Afrikanische Intellektuelle haben den Kampf angestoßen
Die Kunstwerke haben einen hohen emotionalen Wert und sind zu einem Symbol für koloniale Erniedrigung geworden. Mehr noch, für manche sind sie ein Beweis für das Fortbestehen kolonialer Strukturen, daher sei es so wichtig, nicht zu vergessen, dass der Kampf für die Restitution durch afrikanische Intellektuelle bereits in den 1970er-Jahren angestoßen und jetzt gewonnen worden sei, sagt Nanette Snoep vom Rautenstrauch-Joest-Museum. "Viele Menschen sind sich der Mechanismen des Neokolonialismus und des strukturellen und institutionellen Rassismus nicht bewusst." Ähnlich wie bei der "Black-Lives-Matter"-Bewegung ginge es auch bei der Debatte um die Rückgabe von gestohlenen Kunstwerken allen voran um Identität und "ownership".
Bronze-Leopard in einer Vitrine im Museum für Völkerkunde in Leipzig
Bronze-Leopard im Museum für Völkerkunde in Leipzig
So sollen die ersten Kunstwerke zurückgegeben werden, noch bevor das für 2024 geplante neue Museum in Benin City fertig gestellt ist. Zwischenzeitlich sollen die Bronzen - zu denen neben Skulpturen und Reliefs aus Bronze auch Artefakte aus Messing und aus Elfenbein gehören - in extra errichteten Depots untergebracht werden. Schon jetzt steht fest, dass sich auch Stücke aus Berlin darunter befinden werden, die ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung des neuen Berliner Humboldt Forums sein sollten.
Dort hat man sich schon darauf eingerichtet, womöglich ohne die Originale auszustellen: "Wir müssen schauen, ob es Sinn macht, Lücken zu lassen und Erklärtexte dazuzustellen. Oder ob wir Gipsabgüsse von den Objekten ausstellen, von denen wir welche haben", erklärt Jonathan Fine, Leiter der Ethnologischen Sammlung am Humboldt Forum. Mit Klaus Lederer, Berlins Kultursenator, meldete sich auch eine Stimme aus der lokalen Berliner Politik: "Eine Präsentation von Benin-Bronzen, etwa im Humboldt Forum, kann ich mir nur vorstellen, wenn zuvor die umfassende rechtliche Restitution der Bronzen erfolgt ist", so Lederer. "Für Leihgaben, die es ermöglichen könnten, diese Meisterwerke auch in Berlin erleben zu können, müssten wir außerordentlich dankbar sein."
Es bleibt noch viel zu verhandeln. Und es bleibt abzuwarten, wann und wie den Ankündigungen Taten folgen. Deutschlands größte Kultureinrichtung, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hat sich derweil auch zu umfassende Reformen ihrer Strukturen entschlossen: "Die Autonomie der zur SPK gehörenden Museen, Bibliotheken, Archive und  Forschungseinrichtungen soll deutlich gestärkt werden", hieß es in einer Mitteilung. Die 1957 gegründete Stiftung, die häufig als nicht mehr zeitgemäß kritisiert wird, soll künftig von einem Kollegialorgan mit einem hauptamtlichen Präsidenten geleitet werden, dessen Mitglieder auf Zeit bestellt werden.
Dieser Artikel erschien erstmalig im Juni 2021 und wurde am 7. Oktober 2021 aktualisiert.
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3. YouTube-Videos zur Wiedergutmachung und Entschädigung von deutschen Kolonialverbrechen

22.09.2021 - Völkermord-Hinterbliebene in Namibia warten weiterhin auf Entschädigungszahlungen aus Deutschland

DW Deutsch
Vor mehr als 110 Jahren ermordeten deutsche Soldaten in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, fast 100.000 einheimische Angehörige der Herero und Naama. Nach mehr als fünf Jahren Verhandlungen unterschrieben Namibias und Deutschlands Regierung dann endlich eine Vereinbarung.: Deutschland will die Tötungen als Völkermord anerkennen, sich entschuldigen, und in den nächsten 30 Jahren Entwicklungsprojekte mit 1,1 Milliarden Euro unterstützen. Trotzdem gibt es in den Herero-Gebieten neben Hoffnung auch Sorgen, ob das Geld wirklich dort ankommt.
https://www.youtube.com/watch?v=sqy8n7mi-cA


05.06.2021 - Namibia: Einige Herero- und Nama-Verbände sind gegen Einigung mit Deutschland | DW Nachrichten

DW Deutsch

Nach mehr als fünf Jahren Verhandlungen haben Namibias und Deutschlands Regierungen eine Vereinbarung über die Verbrechen der Deutschen in Kolonialzeiten unterschrieben. Deutschland will den Völkermord an den Herero und Nama anerkennen, sich entschuldigen – und Entwicklungsprojekte für 1,1 Milliarden Euro in den nächsten 30 Jahren unterstützen. Eigentlich sollten die Außenminister diese Woche in Namibia die Vereinbarung unterzeichnen – aber dazu kam es noch nicht. Denn nicht alle sind damit einverstanden.
https://www.youtube.com/watch?v=gcW6q461imA


Kritik an Versöhnungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia | AFP

AFP Deutschland

Deutschland erkennt die Kolonialverbrechen an den Volksgruppen der Herero und Nama im heutigen Namibia Anfang des 20. Jahrhunderts offiziell als Völkermord an. Das Versöhnungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia ist allerdings umstritten.
https://www.youtube.com/watch?v=Imp2yqVEgS8


28.05.2021 - DEUTSCHLAND ERKENNT VÖLKERMORD AN: Namibia soll für Kolonialverbrechen Entschädigung erhalten

WELT Nachrichtensender

Nach langen Verhandlungen mit Namibia will sich Deutschland mit seiner früheren Kolonie aussöhnen. Es geht um ein Schuldeingeständnis für lange zurückliegende Gräueltaten, eine Bitte um Vergebung - und einen Milliardenbetrag. Nicht alle sind zufrieden.
Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia erkennt die Bundesregierung die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama als Völkermord an. Die Nachkommen will Deutschland offiziell um Vergebung bitten und in den kommenden 30 Jahren mit 1,1 Milliarden Euro unterstützen. Darauf haben sich nach fast sechs Jahren Verhandlungen beide Regierungen verständigt.
Außenminister Heiko Maas sagte am Freitag in Berlin: «Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen.» Von dort gab es zunächst keine offizielle Reaktion. Präsident Hage Geingob befindet sich nach einem Positivtest auf das Corona-Virus derzeit in Isolation.
https://www.youtube.com/watch?v=dN26S-adg5c


21.07.2017 - Herero verlangen Entschädigung von Deutschland

AFP Deutschland 
Fast alle Vorfahren von Veronika Kamaakoho Mujazu wurden von Deutschen in Namibia zu Beginn des 20. Jahrhunderts getötet. Zwar gibt es Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia, doch um Entschädigungen geht es dabei nicht. Viele Herero erwarten sich ohnehin nichts von den Gesprächen.
https://www.youtube.com/watch?v=s_pjIVd6Syc


29.05.2021 - Kolonialverbrechen in Namibia: Noch ein weiter Weg zur Versöhnung

faz 
Deutschland erkennt die Kolonialverbrechen an den Volksgruppen der Herero und Nama im heutigen Namibia Anfang des 20. Jahrhunderts offiziell als Völkermord an. Das Versöhnungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia ist allerdings umstritten.   © AFP, DPA
https://www.youtube.com/watch?v=g1ww2WuUglw


29.08.2018 - Kolonialverbrechen: Herero-Delegation in Berlin

euronews (deutsch) 
Eine  Delegation der Herero und Nama ist in Berlin, Nachfahren des ersten Genozids des 20. Jahrhunderts, begangen von deutschen Kolonialtruppen. Anlass ist die Übergabe von Gebeinen: 19 Schädel, Knochen und Hautreste sollen nach Windhuk zurückkehren.
https://www.youtube.com/watch?v=xwbb1sbd8b8


15.10.2016 - Völkermord in Namibia: Herero und Nama fordern Reparationen von deutscher Regierung

B.Z.

Die Partei "Die Linke" hatte Verteter der Herero und Nama in den Bundestag eingeladen.
In Berlin wurde am Freitag an ein dunkles Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte erinnert: den Völkermord an den Herero und Nama Anfang des 20. Jahrhunderts im heutigen Namibia. Die Partei "Die Linke" hatte Vertreter der Herero und Nama in den Bundestag eingeladen. Der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat setzte sich für eine Entschädigung der Völker ein.
https://www.youtube.com/watch?v=TQ-DYZzlNrc







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