AKTUELLES & HISTORISCHES:
Nürnberger-NS-Kriegsverbrecher-Prozesse
Zuletzt aktualisiert am 22.04.2023.
FRAGESTELLUNG
ZUR ROLLE DER DEUTSCHEN JUSTIZ
IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG
Der NS-Völkermord
Menschenrechtsverletzungen während des Nationalsozialismus
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
Das bekannteste Beispiel dürfte das Verfahren vor dem Militärgerichtshof von Nürnberg nach dem Zweiten Weltkrieg sein. Der NS-Völkermord steht für die systematische Tötung an den europäischen Jüdinnen und Juden sowie auch für die systematische Verfolgung und Ermordung von Angehörigen anderer gesellschaftlicher, religiöser und ethnischer Gruppen oder politisch Oppositioneller. Dieser Völkermord an Juden und anderen ethnischen Minderheiten wie den Sinti und Roma, ausgeführt von vermeintlich pflichtbewussten Dienerinnen und Dienern des „Dritten Reichs” und im stillschweigenden Mitwissen der Unbeteiligten, war einzigartig durch seine kaltblütige Planung und Durchführung.
Was den NS-Völkermord von anderen Menschenrechtsverletzungen unterscheidet, ist die Systematik und Planung der Verbrechen. Im Namen einer totalitären und rassistischen Ideologie wurden Juden, Sinti und Roma sowie andere gesellschaftliche Gruppen zunächst aus der Öffentlichkeit ausgegrenzt. Dabei wurden ihnen grundlegende Menschenrechte abgesprochen. Am Ende stand die massenweise vollzogene Ermordung in den Vernichtungs- und Konzentrationslagern. Damit wurde der NS-Völkermord zum Inbegriff von Menschenrechtsverletzungen.
Folgen
Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UN-Generalversammlung verabschiedet. Sie war maßgeblich motiviert durch die Menschenrechtsverletzungen des NS-Staates. Viele Staaten haben diese Erklärung in ihre Verfassung (z. B. auch die Bundesrepublik im Grundgesetz) aufgenommen. Art. 1 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland lautet:
„Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.”
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Seiteninhalt:
- NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
- YouTube-Videos zu Nürnberger-NS-Kriegsverbrecher-Prozesse
- Podcasts zu Nürnberger-NS-Kriegsverbrecher-Prozesse
- Online-Artikel zu Nürnberger-NS-Kriegsverbrecher-Prozesse
4.1 Statistiken zu den Nürnberger-Kriegsverbrecher-Prozessen - Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zu historischen Nürnberger-NS-Kriegsverbrecher-Prozessen sowie zu gegenwärtigen NS-Prozessen im 21.Jahrhundert
1. NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
Amtsgericht Mosbach | NS- und Rechtsextremismus-Verfahren bei der Mosbacher Justiz: |
Nach Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Beschluss vom 15.12.2022 - 6 S 1420/22 - unterliegt der Nationalsozialismus nicht der grundrechtlich geschützten Weltanschauungsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG.
Das Amtsgericht Mosbach hat jedoch seit dem 03.06.2022 eine gemäß § 158 StPO ordnungsgemäße Eingangsbestätigung mit den Benennungen der Konkreten Eingabedaten, der Konkreten Sachverhaltsbenennungen mit einer kurzen Zusammenfassung der Angaben zu Tatzeit, Tatort und angezeigter Tat, insbesondere zu beantragten NS- und Rechtsextremismus-Strafverfahren, bisher ausdrücklich und EXPLIZIT versagt und NICHT ausgestellt.
Auch für die beim Amtsgericht Mosbach beantragten Wiederaufnahmeverfahren, amtsseitigen Verfügungen und gerichtlichen Prüfungen in NS- und Rechtsextremismus-Angelegenheiten verweigert das Amtsgericht Mosbach ordnungsgemäße Eingangs- und Weiterbearbeitungsbestätigungen mit konkreten Sachverhaltsbenennungen.
Siehe dazu auch Umgang des Amtsgerichts Mosbach mit NS- und Rechtsextremismusverfahren >>>
Nach Nürnberg und Tokio: "Vergangenheitsbewältigung" in Japan und Westdeutschland 1945 bis 1968:
Vergangenheitsbewältigung in Japan und ... für Zeitgeschichte, 89, Band 89) Taschenbuch – 24. November 2004. In Nürnberg und Tokio standen nach dem Zweiten Weltkrieg die Hauptrepräsentanten des Nationalsozialismus und des japanischen Ultranationalismus vor Gericht und mußten sich wegen der von beiden Diktaturen verübten Massenverbrechen verantworten. In der Folgezeit tat sich Japan noch schwerer damit als Westdeutschland, seine Vergangenheit zu "bewältigen". Dies lag nicht allein daran, daß die Verbrechen nur teilweise vergleichbar waren und der Tennô in Tokio nicht auf die Anklagebank kam. Vielmehr konnten die Japaner nach dem apokalyptischen Schock der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki einen Opferstatus für sich reklamieren, der die japanischen Verbrechen im Weltkrieg lange Zeit verdeckte, während sich den Deutschen, trotz Bombenkrieg und Vertreibung, eine solche Ausflucht nicht eröffnete. Überdies war die Insel im fernen Osten als allein auf die USA gestütztes Bollwerk gegen den ostasiatischen Kommunismus erinnerungskulturell einem viel geringeren Außendruck ausgesetzt als die in eine internationale Wirtschafts- und Verteidigungsgemeinschaft eingebundene Bundesrepublik. Manfred Kittel untersucht ferner die Bedeutung der inneren Kräfte - der konservativen Regierung und der linken Opposition, der Medien und der Geschichtswissenschaft - im Umgang mit den Lasten der Vergangenheit: bei der Ahndung von Kriegs- und Gewaltverbrechen, bei der "Wiedergutmachung" für die Opfer und der Entwicklung der politischen Kultur in einer shintôistisch bzw. protestantisch geprägten Erinnerungslandschaft bis hin zur Studentenbewegung der 1960er Jahre.
1.1 Gerichtlich verfügte Beauftragung der forensischen Sachverständigen aus Kitzingen durch das Amtsgericht Mosbach bezüglich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anti-Nazi-Aktivitäten des Antragstellers
In der Verfügung des Amtsgerichts Mosbach unter 6F 9/22 vom 17.08.2022, teilt das Amtsgericht Mosbach die Rechtsauffassung mit, dass es nicht Aufgabe des Gerichts sei, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten, was SOWOHL entgegen der Rechtsaufassung des baden-württembergischen Justizministeriums unter JUMRIX-E-1402-41/878/4 vom 20.06.2022, dass heute und noch künftig NS-Verbrechen von der Justiz verfolgt würden, ALS AUCH entgegen der Rechtsauffassung u.a. des Urteils vom 28.06.2022 beim Landgericht Neuruppin mit der Verurteilung eines 101-jährigen KZ-Wachmannes wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3.500 Fällen steht.
Das Amtsgericht Mosbach erklärt, die vom Antragsteller initiierten Verfahren zur Aufarbeitung von NS-Unrecht und NS-Verbrechen nicht bearbeiten, sondern laut Verfügungs-Mitteilung vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 getrennt von der Akte lediglich in einem Sonderband anlegen zu wollen.
Das AG MOS äußert sich weiterhin auch in 6F 2/22 in und nach der Verhandlung vom 22.11.22 NICHT zu den beim AG MOS erhobenen konkreten Dienstaufsichtsbeschwerden und Anhörungsrügen u.a. gegen wiederholt nicht-ordnungsgemäße Bearbeitungen von konkreten Eingaben des Antragstellers zur Aufklärung und Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und von Nationalsozialistischen Verbrechen seitens des Amtsgericht Mosbach unter 6F 9/22 entgegen der geltenden Strafprozessordnung § 158 StPO. Siehe dazu auch u.a. KV-RA-Eingabe vom 22.06.22 unter 6F 2/22.
Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten.
Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel *** auf dieser Seite.
Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU DEN NAZI-VERBRECHER-PROZESSEN am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach in 2022 mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU DEN JURISTISCHEN NS-VERFAHREN ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG INKLUSIVE DER ROLLE DER DEUTSCHEN BRD-JUSTIZ, d.h. sowohl zu den seit 1945 bis heute im 21. Jahrhundert geführten NS-Prozessen als auch zu den in 2022 noch laufenden NS-Prozessen und zu den künftigen NS-Prozessen, an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME zum menschenverachtenden System der Nazi-Konzentrationslager SOWIE DEREN THEMATISIERUNGEN IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG NACH 1945 bis heute am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME zum menschenverachtenden System der Nazi-Konzentrationslager örtlich und konkret bezogen im Gau Nordbaden Mosbach vor 1945 und im heutigen Neckar-Odenwaldkreis SOWIE DEREN THEMATISIERUNGEN IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG NACH 1945 bis heute am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU sogenannten NAZI-JÄGER-AKTIVITÄTEN MIT NS-PROZESSEN, VERURTEILUNGEN VON NS-TÄTER*INNEN, auch zu NS-Prozessen im 21. Jahrhundert, d.h. auch in 2022 laufenden und noch künftigen NS-Prozessen, etc. IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG NACH 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
Der Fotograf von Mauthausen
Wie 7.000 seiner republikanischen Genossen wurde der katalanische Photograph Francisco Boix von den Nationalsozialisten ins Lager Mauthausen deportiert. Zu Beginn ist er nur daran interessiert, diesen wahrhaftigen Alptraum irgendwie zu überleben. Aber als er auf den SS-Hauptscharführer Paul Ricken trifft, einen perversen Nazi-Ästheten, der sich daran erfreut, das Grauen zu fotografieren, versteht der junge Mann, dass dies ein einzigartiges Zeugnis ist. Für den sogenannten Erkennungsdienst gelang es Boix Häftlinge, SS-Aufseher und den Lageralltag abzulichten. Allein beim Besuch Heinrich Himmlers im April 1941 entstanden 4.000 Aufnahmen. Während seiner fünfjährigen Lagerhaft konnte Boix zehntausende Photos aus dem Lager schmuggeln. Hilfe leisteten ihm Mithäftlinge und eine mutige Bewohnerin von Mauthausen, Anna Pointner, die die Bilder bis zum Kriegsende bei sich im Garten versteckte. Nach der Befreiung sagte Boix als einziger spanischer Zeuge bei den Nürnberger Prozessen aus. Seine Aufnahmen wurden zur Verurteilung der Täter sowohl bei den Dachauer Prozessen als auch in Nürnberg herangezogen.
2. Online-Artikel zu Nürnberger-NS-Kriegsverbrecher-Prozesse
Nürnberger Prozesse
Die Nürnberger Prozesse umfassen den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher (Göring et al.) vor dem Internationalen Militärgerichtshof nach dem Londoner Statut sowie zwölf weitere sogenannte Nürnberger Nachfolgeprozesse vor einem nationalen US-amerikanischen Militärtribunal nach Kontrollratsgesetz Nr. 10, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Justizpalast Nürnberg zwischen dem 20. November 1945 und dem 14. April 1949 gegen führende Repräsentanten des Deutschen Reichs zur Zeit des Nationalsozialismus durchgeführt wurden. Verbrechen an nichtalliierten Staatsbürgern oder Staatenlosen, die vor Beginn des Zweiten Weltkriegs b egangen wurden, spielten in diesen Prozessen keine nennenswerte Rolle.[1]C https://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%BCrnberger_Prozesse
Sein Ziel war eine gerechtere Welt
Erstellt: 10.04.2023, 16:23 Uhr
Benjamin Ferencz, der letzte Chefankläger der Nürnberger Prozesse, ist gestorben.
Eigentlich hätte Benjamin Ferencz längst den Friedensnobelpreis bekommen müssen, fand der Historiker und Journalist Philipp Gut. Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt habe sich Ferencz zum Ziel seines Lebens gesetzt, sagte Gut vor wenigen Jahren. „Der Jahrhundertzeuge“ ist der Titel des Buches, in dem er den Juristen vorstellt, der in den USA vielen Menschen als „Mister Nuernberg“ ein Begriff ist. In Deutschland kannten den kleinen, immer untadelig und kultiviert auftretenden Amerikaner dagegen nur wenige. Ferencz war der letzte noch lebende Chefankläger der Nürnberger Prozesse. Am 7. April ist er im Alter von 103 Jahren gestorben.
In den Konzentrationslagern Dachau, Mauthausen und Buchenwald hatte er als junger Mann Berge von Leichen gesehen und Menschen, die fast verhungert und entkräftet auf den sogenannten Todesmärschen unterwegs waren. Seine Aufgabe war es, im Dienste des Militärs nach Kriegsende 1945 Beweise für die Gräueltaten der Nationalsozialisten zu sichern. Ferencz war dafür nach seinem Kriegseinsatz erneut in Deutschland.
Erst 25 Jahre war Benjamin Ferencz damals alt. Geboren worden war er 1920 im damals noch ungarischen Siebenbürgen. Als er zehn Monate alt war, emigrierten seine Eltern in die USA. Ferencz wuchs in New York auf, seine Eltern trennten sich. Die Mutter hätte ihm niemals die Elite-Ausbildung finanzieren können, die er genoss. Für Ferencz erfüllte sich der sprichwörtliche „amerikanische Traum“: Lehrerinnen und Professoren hatten das Potenzial des intelligenten jungen Mannes erkannt und ihm den Besuch einer Begabten-Highschool und dann ein Stipendium für das angesehene City College of New York ermöglicht. Seinen Abschluss machte er an der Harvard Law School.
Der „Einsatzgruppen-Prozess“ in Nürnberg war sein erster Gerichtsfall. Der Prozess war einer von zwölf sogenannten Nürnberger Nachfolge-Prozessen. Sie erreichten nicht mehr die Aufmerksamkeit, die der Hauptkriegsverbrecherprozess im Nürnberger Saal 600 erhalten hatte. Im gleichen Saal saßen 1947 insgesamt 22 hochrangige SS-Männer auf der Anklagebank, denen der inzwischen 27-jährige Staatsanwalt Ferencz mehr als eine Million Morde vorwarf.
Die Anklage lautete auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation. Sie seien „die grausamsten Exekutoren eines Terrors gewesen, der die dunkelsten Seiten der menschlichen Geschichte schrieb“, sagte der Chefankläger. Das Gericht unter dem Vorsitz von Michael Musmanno verhängte 14-mal die Todesstrafe. Alle Angeklagten wurden verurteilt.
Ben Ferencz und seine Ermittler hatten die Beweise geliefert. Der Völkermord sei für die Täter zur Routine geworden, stellte der Ankläger fest. Ferencz war in der Geschichte der internationalen Gerichtsbarkeit der Erste, der für solche Taten den Begriff „Genozid“ verwendete, wie Philipp Gut in seinem Buch schreibt.
Zum ersten Mal mussten sich in Nürnberg auf völkerrechtlicher Grundlage die Angeklagten für unvorstellbare Verbrechen zur Verantwortung ziehen lassen. Das internationale Strafrecht weiterzuentwickeln und auf der Basis des Völkerrechts Frieden zu schaffen, ließ Ferencz seitdem nicht mehr los.
Nach den Nürnberger Prozessen blieb er zunächst in Deutschland. Der Sohn jüdischer Eltern hatte ein Jobangebot erhalten: Für jüdische Holocaust-Überlebende sollte er Wiedergutmachung und die Rückerstattung von Vermögen erreichen. Zehn Jahre brachte er mit dieser Aufgabe zu und wirkte an der Entwicklung der Entschädigungsgesetze der Bundesrepublik mit. Mit seiner Frau Gertrude und den vier Kindern in die USA zurückgekehrt, widmete er sich dort ab den 70er-Jahren dem Aufbau einer internationalen Strafgerichtsbarkeit.
https://www.fr.de/
BENJAMIN FERENCZ
: Der letzte Ankläger der Nürnberger Prozesse ist tot
AKTUALISIERT AM 09.04.2023-07:08
Als junger Mann machte er Nazi-Kriegsverbrechern den Prozess. Mit 103 ist Benjamin Ferencz gestorben. Für den Internationalen Strafgerichtshof spielte der amerikanische Jurist noch eine wichtige Rolle.
Der Chefankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen, Benjamin Ferencz, ist tot. Er starb am Freitag in einer Betreuungseinrichtung in Florida, wie amerikanische Medien am Samstag (Ortszeit) unter Berufung auf seinen Sohn Don Ferencz berichteten. Der letzte noch überlebende Ankläger der Prozesse wurde 103 Jahre alt. „Die Welt hat einen Anführer im Kampf für die Gerechtigkeit für Opfer von Genozid und damit verbundenen Verbrechen verloren“, schrieb das US-Holocaust-Museum auf Twitter.
Ferencz wurde 1920 im damals ungarischen Siebenbürgen als Sohn orthodoxer Juden geboren und wanderte als Kind mit seinen Eltern in die USA aus. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen in New York auf und studierte dank eines Stipendiums später an der Elite-Universität Harvard. Der Jurist war nicht einmal 30 Jahre alt, als er Nazi-Kriegsverbrechern in Nürnberg den Prozess machte.
Vom 20. November 1945 an mussten sich in Nürnberg führende Nationalsozialisten und damit erstmals in der Geschichte Vertreter eines Unrechtsregimes vor Gericht verantworten. Die alliierten Siegermächte stellten 21 ranghohe Kriegsverbrecher wie Adolf Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß und Reichsmarschall Hermann Göring vor ein internationales Gericht. Der Prozess endete nach fast einem Jahr mit zwölf Todesurteilen.
SS-Mitglieder angeklagt
Ferencz war Chefankläger in einem der zwölf sogenannten Nachfolgeprozesse, die von 1946 bis 1949 auf das Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher folgten. 24 führende SS-Leute klagte er unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen an. Vor den Prozessen war er als US-Soldat bei der Befreiung mehrerer Konzentrationslager dabei. Die Sühnung der deutschen Kriegsverbrechen wurde zu seinem großen Lebensthema.
Die historische Rolle des Juristen geht aber über die Bedeutung der damaligen Kriegsverbrecherprozesse hinaus. Denn Ferencz fügte nicht nur den Begriff „Genozid“ in die Gerichtspraxis ein, er gilt auch als einer der Geburtshelfer des Internationalen Strafgerichtshofs. Mit fast 90 Jahren eröffnete er 2009 symbolisch das erste Plädoyer der Anklage des Gerichts in Den Haag.
„Bens beständiges Streben nach einer friedlicheren und gerechteren Welt umspannte fast acht Jahrzehnte und hat die Art, wie wir auf die schlimmsten Verbrechen der Menschheit reagieren, für immer bestimmt“, sagte die Direktorin des US-Holocaust-Museums. „Er hat in Nürnberg Geschichte geschrieben und tat dies auch weiterhin während seines außerordentlichen Lebens.“
https://www.faz.net/
INTERVIEW
Chefankläger der Nürnberger Prozesse
"Sie bereuten nichts"
Stand: 20.11.2020 16:07 Uhr
Benjamin Ferencz ist der letzte lebende Chefankläger der Nürnberger Prozesse. Im Interview mit den tagesthemen spricht der 100-Jährige über Menschen, die zu Massenmördern wurden, über Gerechtigkeit und den heutigen Antisemitismus.
tagesthemen: In Nürnberg haben Sie 22 Angehörige der SS vor Gericht gestellt. Was war das für ein Gefühl, diesen Angeklagten gegenüberzustehen, angesichts des Grauens, das Sie bei der Befreiung von Konzentrationslagern wie Buchenwald mit eigenen Augen gesehen hatten?Benjamin Ferencz: Es war furchtbar. Ich habe auch nicht wirklich die Angeklagten gesehen. Diese waren ja noch nicht angeklagt, als ich nach Buchenwald und in die anderen Lager kam. Vielmehr sah ich immer noch die Leichen, die dort auf dem Boden gelegen hatten. Die Krematorien, die noch liefen. Die toten Körper, die aufeinandergestapelt waren wie Brennholz. Menschen, die auf allen Vieren im Dreck nach einem Stück Brot suchten. Menschen, die am Verhungern waren. Das waren die Bilder, die ich vor Augen hatte. Die einzelnen Angeklagten sah ich damals nicht. Ich hatte sie ja ausgesucht, aus 3000 Mitgliedern der SS, deren Aufgabe es gewesen war, alle Juden zu töten. Ich habe eine Weile gebraucht, um zu entscheiden, welche dieser 3000 Männer ich vor Gericht stellen würde.
Interview mit Benjamin Ferencz, Chefankläger der Nürnberger Prozesse8 Min
tagesthemen 21:45, 20.11.2020
Interview mit Benjamin Ferencz / Originalfassung / Englisch12 Min
tagesthemen 21:45 Uhr, 20.11.2020
tagesthemen: Wie haben Sie letztendlich entschieden, wen Sie anklagen würden?Ferencz: Zum einen auf der Grundlage ihres Dienstgrads. Es waren beispielsweise einige SS-Generäle darunter. Ein weiteres Auswahlkriterium war ihr Bildungsgrad. Es sollten Menschen sein, die in der Lage waren zu verstehen, was sie tun. Einige von ihnen hatten einen Doktortitel, manche sogar zwei. Letztlich habe ich 22 ausgesucht. Das war auch die Zahl der Angeklagten im Hauptkriegsverbrecherprozess des Internationalen Militärgerichts. Die Zahl war also begrenzt.Natürlich habe ich mich gefragt, wie bei 22 Angeklagten überhaupt Gerechtigkeit walten kann. Diese Menschen hatten kaltblütig über eine Million Männer, Frauen und Kinder ermordet. Ich beschloss dann, dass es nicht um perfekte Gerechtigkeit gehen kann, sondern dass es um Rechtsstaatlichkeit gehen muss. Rechtsstaatlichkeit, die alle Menschen vor solchen Gräueltaten schützt und ihr Recht auf ein Leben in Frieden und Würde gewährleistet.
Benjamin Ferencz | picture alliance / Everett Colle
Benjamin Ferencz im Nürnberger Einsatzgruppenprozess (1947/48): "Ich beschloss, dass es nicht um perfekte Gerechtigkeit gehen kann, sondern dass es um Rechtsstaatlichkeit gehen muss", sagt er heute. Bild: picture alliance / Everett Colle
tagesthemen: So wichtig diese Verfahren mit den 22 Angeklagten auch waren, hat es Sie nicht doch umgetrieben, dass andere schuldige Deutsche nach dem Krieg zu Tausenden einfach unbehelligt ein normales Leben führen konnten?Ferencz: Nein, das hat mich nicht umgetrieben. Wir sind nie davon ausgegangen, dass wir alle zur Rechenschaft würden ziehen können, die Verbrechen begangen hatten. Hätten wir das versucht, würde ich mit meinen 101 Jahren heute noch in Nürnberg sitzen. Wir mussten ein paar der Anführer aussuchen. Außerdem mussten diese ja bereits in Gefangenschaft sein, und es mussten Beweise für ihre Taten vorliegen, bevor man Anklage erheben konnte.tagesthemen: Ging es dann vielleicht auch eher darum, ein Exempel vor den Augen der Welt zu statuieren, statt jeden der gerechten Strafe zuzuführen?Ferencz: Ja, weil es gar nicht möglich gewesen wäre, alle ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Das war mir auch von Anfang an klar. Es ging mir darum, zukünftigen Generationen eine Botschaft mitzugeben, die verhindert, dass sich ein solches Morden noch einmal wiederholen würde.tagesthemen: Spielte Rache jemals eine Rolle?Ferencz: Nein. Schon in meinem Eröffnungsplädoyer habe ich klar gemacht, dass es nicht um Rache geht. Weder um Rache noch um Vergeltung. Es ging um ein Anrufen des Rechts durch die Menschlichkeit. Es ging mir darum, die gesamte Menschheit mit den Mitteln der Justiz zu schützen.tagesthemen: Welchen Eindruck hatten Sie von den Angeklagten? Kann man von der Banalität des Bösen sprechen?Ferencz: Ich glaube nicht, dass man die Worte "banal" und "böse" zusammen gebrauchen kann. Was mir wichtig erscheint, ist aber, dass keiner der Angeklagten irgendeine Reue zeigte. Sie bereuten nichts von dem, was sie getan hatten. Sie hielten ihre Taten vielmehr für Akte des Patriotismus. Hitler hatte gesagt, die Russen seien auf dem Vormarsch, also mussten sie ihr Land verteidigen. Nichts anderes hatten sie getan.So gab es keine Reue, kein Bedauern und auch keinerlei Schuldgefühl. Auch nicht angesichts der Morde an Tausenden von Kindern, die eins nach dem anderen erschossen wurden, nur weil sie Juden waren oder jüdische Eltern hatten.
Benjamin Ferencz | picture alliance/dpa
Ferencz im Jahr 2010: Immer wieder setzte er sich für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ein. Bild: picture alliance/dpa
tagesthemen: Glauben Sie, dass diese Menschen in ihrem Innersten böse waren, oder spielten auch die Umstände eine Rolle?Ferencz: Ganz im Gegenteil. Sie waren nicht im Innersten böse. Um eben genau dies auszuschließen, hatte ich Menschen ausgesucht, die sehr gebildet waren. Ihre Verbrechen hatten aber einen Grad von Unmenschlichkeit, dass man sich nicht vorstellen kann, dass Menschen überhaupt dazu fähig sind. Dass man etwa ein Baby mit dem Kopf gegen einen Baum schlägt, um es zu töten. Auch sie selbst hielten sich nicht für böse. Sie waren überzeugt, ihrem Land zu dienen. Ich habe gelernt, dass jeder Krieg dazu führen kann, dass eigentlich anständige Menschen sich in Massenmörder verwandeln.tagesthemen: Sie waren erst 27 Jahre alt, als man sie zum Chefankläger in Nürnberg ernannte. Sie hatten noch nie zuvor ein Verfahren geführt. Woraus zogen Sie Ihr Selbstvertrauen?Ferencz: Mir war die enorme Bedeutung damals gar nicht bewusst. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mit 101 Jahren noch dazu befragt werden würde. Aber ich hatte großes Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten. Ich hatte ein Stipendium für ein Jurastudium in Harvard bekommen. Ich war einer der besten Absolventen in Strafrecht. Ich war in einer Gegend aufgewachsen, in der Kriminalität an der Tagesordnung war. Ich kannte mich also mit Kriminalität und Kriminellen bestens aus.Außerdem war die Schuld der Angeklagten zweifelsfrei bewiesen. In ihren eigenen beeidigten Berichten an ihre Vorgesetzten hatten sie selbst dokumentiert, wann sie wo und warum wie viele Juden umgebracht hatten.Ich musste nicht einen einzigen Zeugen laden. Ich war mir also sehr sicher, dass es in allen Fällen zu einer Verurteilung kommen würde. Und am Ende wurden alle verurteilt. Nach nur zwei Tagen. Ich hatte alle Beweise und ich war mir meiner Sache sehr sicher. Ich hoffe, dass das auch im Verfahren deutlich wurde.
Benjamin Ferencz | picture alliance / Everett Colle
Ferencz wurde im Alter von 27 Jahren Chefankläger: Heute sagt er: "Mir war die enorme Bedeutung damals gar nicht bewusst." Bild: picture alliance / Everett Colle
tagesthemen: Der Antisemitismus in Deutschland nimmt wieder zu. Vor einem Jahr gab es den Anschlag auf die Synagoge in Halle. Was löst das in Ihnen aus?Ferencz: Nun, es zeigt mir, dass wir noch eine Wegstrecke vor uns haben. Und nicht nur was Angriffe gegen Synagogen betrifft. Während damals unsere Verfahren liefen, wurden noch Synagogen mit Hakenkreuzen beschmiert. Wie ich auch schon damals gesagt habe, geht es darum, dass wir das Recht aller Menschen auf ein Leben in Frieden und Würde anerkennen, unabhängig von ihrem Glauben oder etwa ihrer Hautfarbe.Die Juden wurden ja getötet, weil sie einen anderen Glauben hatten als ihre Mörder. Das war grausam. Aber dieses Denken gibt es immer noch. Und wir dürfen auch keine Perfektion erwarten. Es wird immer Menschen mit anderen Meinungen geben, und das ist auch ihr gutes Recht. Es ist aber auch mein gutes Recht, diese nicht zu teilen. Wenn sie kriminell werden, müssen sie bestraft werden, um andere davon abzuhalten, es ihnen gleichzutun.
Benjamin Ferencz
Benjamin Ferencz wurde im März 100 Jahre alt und ist der letzte noch lebende Chefankläger der Nürnberger Prozesse. Er wurde im Alter von 27 Jahren Chefankläger in einem der zwölf sogenannten Nachfolgeprozesse. Von 1946 bis 1949 wurden dort die Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher wie Hermann Göring und Rudolf Heß geführt. Als US-Soldat war er bei der Befreiung mehrerer Konzentrationslager dabei.
tagesthemen: Darum geht es ja auch bei einer Institution, um deren Einrichtung Sie sich sehr bemüht haben - den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Wie kann man sicherstellen, dass der Strafgerichtshof nicht nur ein Feigenblatt für die Staatengemeinschaft ist.Ferencz: Nun. Er ist viel mehr als nur ein Feigenblatt. Jedes Mal, wenn man jemanden für ein Verbrechen ins Gefängnis steckt, hat das eine abschreckende Wirkung auf andere, die vielleicht versucht sind, ähnliche Verbrechen zu begehen. Man kann die Bedeutung und Wirkung des Gerichtshofs also nicht an der geringen Anzahl der Fälle bemessen. Die Wirkung ergibt sich vielmehr aus der Botschaft, die in die Welt geschickt wird und aus der Unterstützung, die die Gerichte erhalten. Leider haben die Vereinigten Staaten unter dem nun scheidenden Präsidenten beschlossen, dem Internationalen Strafgerichtshof den Garaus zu machen.Wenn der Gerichtshof versucht, Amerikaner vor Gericht zu stellen, so wurde ihm mitgeteilt, dann würden die Pässe der Mitarbeiter des Gerichtshofs eingezogen und ihre Konten eingefroren. Das war einfach grauenhaft. Ich und andere hatten 40 Jahre gearbeitet, um diesen Gerichtshof ins Leben zu rufen. Und nun, da wir ihn haben, wollen uns die Vereinigten Staaten den Boden unter den Füßen wegziehen. Ich hoffe, dass sich dies unter der neuen Regierung wieder ändern wird.
tagesthemen: Was wäre Ihre Botschaft an zukünftige Generationen?Ferencz: Meine Botschaft an zukünftige Generationen lautet: Lasst die Waffen schweigen und verschafft dem Recht Gehör. Und für den Weg dorthin, würde ich ihnen noch drei weitere Botschaften mitgeben: Gebt niemals auf! Gebt niemals auf! Gebt niemals auf!
Das Gespräch führte Ingo Zamperoni, tagesthemen.
Das Interview wurde für die Textfassung übersetzt, redigiert und gekürzt, das Gespräch in ganzer Länge und Originalsprache ist im Video zu sehen.
Ferencz
Nürnberger Prozesse
Dieser Beitrag läuft am 20. November 2020 um 21:45 Uhr in den tagesthemen.
https://www.tagesschau.de/
Nürnberg und seine Lehre - Ein Film gegen das Vergessen
Am 20. November 1945 begann der erste Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher.
Am 20. November 1945 begann der erste Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher.
13.10.2021
Die US-Behörden hatten zuvor die Brüder Stuart und Budd Schulberg beauftragt, Foto- und Filmmaterial über Nazi-Verbrechen als Beweismittel zusammenzutragen.
Deutschland | Nürnberger Prozesse | Militärtribunal
Am 20. November 1945 begann der erste Nürnberger Prozess, bei dem die vier alliierten Siegermächte 24 Hauptkriegsverbrecher und sechs verbrecherische Organisationen des Dritten Reichs vor einem internationalen Militärgerichtshof zur Verantwortung zogen. Dem Hauptkriegsverbrecher-Prozess folgten zwölf weitere Prozesse gegen Angehörige der Eliten des NS-Staats - gegen Politiker, Diplomaten, Unternehmer und Ärzte. Über die Nürnberger Prozesse wurden mehrere Filme gedreht.
Dokumentation Nürnberg und seine Lehre
Diese Dokumentation unterscheidet sich von ihnen durch ihren sehr persönlichen Blickwinkel, denn sie erzählt die ungewöhnliche Geschichte der Brüder Stuart und Budd Schulberg, die von den US-Behörden beauftragt wurden, für den Prozess filmische Beweise von den Nazi-Gräueltaten zusammenzutragen.
Dokumentation Nürnberg und seine Lehre
Nach vier Monaten gefahrvoller Suche im verwüsteten Europa hatten sie Hunderte Stunden an Archivmaterial beisammen, das größtenteils von Nazis selbst aufgenommen und an geheimen Orten aufbewahrt worden war. Für den Filmschnitt arbeiteten die Schulbergs mit so bekannten Filmemachern wie John Ford zusammen.
Dokumentation Nürnberg und seine Lehre
Die zu mehreren Filmen gebündelten Aufnahmen wurden den Richtern auf einer großen Leinwand direkt im Verhandlungssaal vorgeführt, die wichtigsten waren "Nazi Concentration Camps" und "The Nazi Plan". Stuart und Budd Schulbergs Filme prägten die kollektive Wahrnehmung der Nazi-Verbrechen nachhaltig.
Deutschland | Nürnberger Prozesse | Robert H. Jackson
US-Chefankläger Robert Jackson
Weit weniger bekannt ist dagegen ein anderer Film, der ebenfalls damals entstand: Im Auftrag des US-amerikanischen Hauptanklägers Robert Jackson filmte Stuart Schulberg, der jüngere der beiden Brüder, den Prozess. Dieser Film über die Nürnberger Prozesse hätte 1948 unter dem Titel "Nuremberg: Its Lesson for Today" ("Nürnberg und seine Lehre") in die US-amerikanischen Kinos kommen sollen.
Dokumentation Nürnberg und seine Lehre
Doch in der Nachkriegszeit hatte die Versöhnung mit Deutschland Vorrang, der neue Feind war die Sowjetunion. So geriet der Film für fast 60 Jahre in Vergessenheit. Erst im Jahr 2003 knüpfte Stuarts Tochter Sandra Schulberg an das Werk ihres Vaters an. In jahrelanger Arbeit gelang es ihr, die Filmrollen zusammenzutragen, zu sortieren und zu restaurieren. Ihr Film erhellt bisher unbekannte Aspekte jener historischen Zäsur.
Sendezeiten:
DW Deutsch
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Der Chefankläger der Nürnberger Prozesse
Dank der Arbeit des Juristen Benjamin Ferencz wurden bei den Nürnberger Prozessen vor 75 Jahren viele Nazi-Verbrecher verurteilt. Er fand seine Beweise in Archiven und Konzentrationslagern.
Datum 24.11.2020
Ben Ferencz kämpfte sein ganzes Leben lang dafür, dass Kriegsverbrecher bestraft werden.
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DIE REDAKTION EMPFIEHLT
LEKTION Der Chefankläger der Nürnberger Prozesse
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AUDIO UND VIDEO ZUM THEMA
Der Chefankläger der Nürnberger Prozesse
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Nazis vor Gericht
Nürnberger Prozess - 1945-1946 (Keystone Archives/Heritage-Imags/picture-alliance)
Kriegsverbrecher - die Anklage
Sie waren Parteifunktionäre, Militärs, Verwaltungsbeamte, Diplomaten oder Industrielle. Alle hatten dem Hitler-Regime gedient. Am 20. November 1945 begann der Prozess gegen 21 Angeklagte vor dem Gericht der Alliierten, das eigens dafür geschaffen worden war, um die Taten des Nationalsozialismus aufzuarbeiten.
Deutschland Justizpalast in Nürnberg (picture-alliance/dpa/D. Kalker)
Nürnberger Justizpalast – der Schauplatz
Nach Ansicht der Sowjetunion sollten die Prozesse in Berlin stattfinden. Doch im Gegensatz zu den Bauten dort war der Nürnberger Justizpalast im Krieg nur wenig zerstört worden und bot viel Platz. Außerdem war hier ein Gefängnis angeschlossen. Nürnberg als Schauplatz der NSDAP-Reichsparteitage hatte darüber hinaus symbolische Bedeutung.
Deutschland Drittes Reich Tag von Potsdam Adolf Hitler und von Papen (picture-alliance/dpa)
Franz von Papen – Hitlers Wegbereiter
Als Vizekanzler wollte von Papen (M.) Hitler in einer Koalitionsregierung mit nationalkonservativen Kräften zähmen. Doch er wurde bald kaltgestellt und spielte später als Diplomat nur noch eine Nebenrolle. In Nürnberg erhielt er einen Freispruch. In einem Entnazifizierungsverfahren wurde er später als "Hauptschuldiger" eingestuft und zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt, kam aber 1949 frei.
Hermann Göring (dpa)
Hermann Göring – der "Reichsmarschall"
Er war der ranghöchste Nationalsozialist auf der Anklagebank. Göring hatte unter Hitler viele Ämter angehäuft. Entsprechend groß war seine Verantwortung. Trotzdem wollte er nichts von Konzentrationslagern gewusst haben. Göring wurde in allen Anklagepunkten für schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Am Vorabend der Vollstreckung setzte er seinem Leben durch eine Zyankalikapsel ein Ende.
Rudolf Heß (Getty Images/Central Press)
Rudolf Heß – der Stellvertreter
Er erhob kritiklose Gefolgschaft Hitlers zur Tugend und wurde von ihm zum Stellvertreter in der Parteiführung ernannt. 1941 flog er, offenbar auf eigene Faust, nach Schottland und versuchte vergeblich, die britische Regierung für einen Frieden zu gewinnen. Heß wurde in Nürnberg zu lebenslanger Haft verurteilt. 1987 nahm er sich mit 93 Jahren im alliierten Militärgefängnis in Spandau das Leben.
Porträt Hans Frank Generalgouverneur von Polen (Wikipedia/Bundesarchiv)
Hans Frank – der "Schlächter von Polen"
Als Generalgouverneur im besetzten Polen betrieb Frank die hemmungslose Ausbeutung des Landes. Er war für die Ermordung hunderttausender Polen als auch Juden verantwortlich. Der kunstsinnige Frank sagte 1939 über die Juden: "Je mehr sterben, desto besser." Angesichts des Galgens wandte sich Frank zum Katholizismus und sagte zum Todesurteil: "Ich verdiene und erwarte es."
Nürnberger Prozess - Ribbentrop in Zelle 1945
(akg-images/picture alliance)
Joachim von Ribbentrop – der Außenminister
An Ribbentrop wurde deutlich, dass auch das Auswärtige Amt - ebenso wie die Wehrmacht – nicht "sauber" war, sondern tief verstrickt in die Verbrechen des Regimes. Die Auslandsvertretungen arbeiteten zum Beispiel bei der Ermordung der Juden eng mit SS und anderen Organisationen zusammen. Ribbentrop zeigte in Nürnberg keinerlei Reue. Er wurde als erster der zum Tode Verurteilten hingerichtet.
Architekt Albert Speer & Adolf Hitler 1936 (Getty Images/Hulton Archive)
Albert Speer – Hitlers Lieblingsarchitekt
Speer (2. v. l.) war der maßgebliche Architekt des Nationalsozialismus. Hitler war begeistert von seinen Monumentalbauten. Das Tribunal interessierte dagegen Speers Rolle als Rüstungsminister. Er entging knapp der Todesstrafe, weil er wesentliche Teile seines Handelns, etwa beim Ausbau der Konzentrationslager, verschleiern konnte und weil er sich als irregeleiteter Idealist darstellte.
Gustav Krupp von Bohlen und Halbach mit Adolf Hitler (picture-alliance/dpa)
Gustav Krupp von Bohlen und Halbach – der Rüstungsmagnat
Der Diplomat (r.) war durch die Heirat mit der Krupp-Erbin Bertha zum Großindustriellen geworden. Hitler stand er anfangs distanziert gegenüber, ließ sich jedoch wegen der Rolle des Stahlkonzerns für die Rüstung bald ganz auf ihn ein. Krupp beschäftigte zeitweise rund 100.000 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge. Durch seinen schlechten Gesundheitszustand wurde das Verfahren gegen ihn aber eingestellt.
Deutschland Hitler, Mussolini und Dönitz (picture-alliance/akg-images)
Karl Dönitz – der letzte "Reichspräsident"
Als Chef der Kriegsmarine gab Dönitz (M. mit Hitler und Mussolini) geradezu selbstmörderische Durchhalteparolen an die U-Boot-Besatzungen aus. Hitler hat ihn kurz vor seinem Selbstmord noch zum "Reichspräsidenten" ernannt. Dönitz blieb nach zehnjähriger Haft bis zum Ende seines Lebens überzeugter Nationalsozialist, stellte sich aber gleichzeitig als unpolitischen Berufsoffizier dar.
Vor 75 Jahren mussten sich führende Nationalsozialisten vor dem alliierten Nürnberger Kriegsverbrechertribunal verantworten. Der Prozess offenbarte das ganze Ausmaß der NS-Schreckensherrschaft.
Datum 20.11.2020
Autorin/Autor Christoph Hasselbach
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NÜRNBERGER PROZESSE
Ben Ferencz: Der Mann, der Rechtsgeschichte schrieb
Als Jurist sicherte Ben Ferencz Beweismittel in den Konzentrationslagern und bereitete den Nürnberger Prozess vor. 1947 wurde er mit 27 zum US-Chefankläger.
Datum 21.11.2020
Autorin/Autor Heike Mund
Bis heute ist der inzwischen hundertjährige Benjamin Ferencz - genannt Ben - ein grundoptimistischer Mensch. Obwohl er als US-Soldat im Zweiten Weltkrieg und Chefermittler in Sachen Naziverbrechen Furchtbares erlebt und gesehen hat. "Es bringt ja nichts, in einem See aus Tränen zu ertrinken. Wer innerlich weint, sollte nach außen besser lachen", gibt er in einem aktuellen Buch über ihn ("Sag immer Deine Wahrheit", 2020) zum Besten.
Dank seines kriminalistischen Spürsinns hatten die Ankläger im Nürnberger Prozess, der am 20. November 1945 gegen die Hauptkriegsverbrecher, unter anderem Hermann Göring, Rudolph Heß, Baldur von Schirach, Ernst Kaltenbrunner, eröffnet wurde, ausreichend Beweismaterial und Nazidokumente in der Hand. "Ohne Ferencz hätte es diesen spektakulären Prozess vielleicht nicht gegeben", sagt Axel Fischer, Medienwissenschaftler vom Memorium Nürnberger Prozess im DW-Interview.
Nürnberger Prozess: Die Angeklagten Göring, Heß, von Ribbentrop, Dönitz, von Schirach sitzen sitzen in zwei Reihen, hinter ihnen stehen Wächter (akg-images/picture-alliance).
Hauptkriegsverbrecher auf der Anklagebank (v.l.n.r. vorn: Göring, Heß, von Ribbentrop, Dönitz, von Schirach)
Seine Zeit als Soldat in der US-Armee begann trostlos: Der belesene Harvard-Absolvent Ben Ferencz, der sein Jura-Studium einem Stipendium für Hochbegabte zu verdanken hatte, fing als Schreibkraft in Camp Davis im US-Bundesstaat North Carolina an. Zu dem Zeitpunkt konnte er weder Schreibmaschine schreiben, noch ein Gewehr abfeuern. Klo putzen, Töpfe und Böden schrubben gehörten zum Dienst dazu.
Als Jurist an die Kriegsfront
Doch im Frühjahr 1944 wurde es für den jungen Mann ernst: Seine Kampfeinheit wurde im 2. Weltkrieg nach England verlegt. Am 6. Juni 1944, dem berühmten D-Day, sprang US-Soldat Ben Ferencz mit seinen Kameraden vom Landungsboot an den Omaha Beach der nordfranzösischen Küste der Normandie. Die Invasion der Alliierten hatte begonnen - und damit das Ende der Nazi-Vorherrschaft über Europa.
Beim Vormarsch der US-Truppen durchbrach Ferencz mit seiner Einheit den Westwall der Nazis, kämpfte bei der Ardennenoffensive an vorderster Front und überquerte dann später im Frühjahr 1945 mit den siegreichen Amerikanern die Brücke von Remagen über den Rhein. Dass er den Krieg überlebt habe, sei pures Glück gewesen, sagte er später.
US-amerikanische Soldaten mit Helmen und Gewehren in der Hand durchqueren eine Trümmerlandschaft (picture-alliance).
Im Juni 1945 durchbrechen US-amerikanische Soldaten den Westwall der Nazis
Im Hauptquartier der 3. US-Armee von General Patton wurden nach Kriegsende erfahrene Leute gesucht, um Beweismittel für die Kriegsverbrechen der Nazis zu sichern. Der junge Jurist bekam endlich einen Job, der seinen Fähigkeiten gerecht wurde.
Keine Rache, sondern Gerechtigkeit
Mit dem Blick des Juristen durchkämmte Ben Ferencz die nächsten Monate mit seinem Team NS-Dienststellen, Schreibstuben der SS und die von der US-Armee befreiten Konzentrationslager nach Beweismaterial. Was er in Buchenwald, Dachau, Mauthausen und anderen Lagern vorfand, überstieg seine Vorstellungskraft von den grausamen Verbrechen und kriminellen Mordmaschinerien der Nazis. "Niemand hat gesehen, was ich gesehen habe. Ich war da, als die amerikanischen Panzer ankamen und die Leichen noch auf dem Boden lagen, aufgestapelt - um in den Krematorien verbrannt zu werden", erzählte er im DW-Interview.
Ben Ferencz als junger Soldat in einem offenen Militärjeep, auf dem Jmmer allein geschrieben steht (Benjamin Ferencz/Piper Verlag).
US-Ermittler Ferencz: Die Aufschrift auf dem Jeep ließ er aufmalen
"Wichtig war, Beweise zu sichern, die Listen der Häftlinge, die Namen der Lagerleitung und der Verantwortlichen bei der SS", so Ben Ferencz in seinen Erinnerungen. "Auf dieser Grundlage stellten wir Haftbefehle aus, um die Personen festzusetzen. Wir sicherten alle Beweismittel und fuhren direkt zum nächsten Lager."Unterwegs trafen sie auf Einheiten der Roten Armee, die kurzen Prozess mit aufgegriffenen SS-Leuten machten. In dem Moment wurde dem Juristen in Uniform klar, dass es ihm - der selbst aus einer jüdischen Familie stammte - nicht um Rache und Vergeltung, sondern um Gerechtigkeit ging.
Den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des NS-Regimes, der am 20. November 1945 begann, erlebte er nur als Zuschauer mit. Seine Rückkehr ins zivile Leben in den USA war längst geplant. "Bei Prozessbeginn waren die Reihen dicht gedrängt voll. Das Publikum saß oben auf der Empore. Aber im Verlauf des Prozesses leerten sich die Ränge. Die Deutschen zeigten kaum mehr Interesse."
Zurück in Amerika war Ben Ferencz erstmal arbeitslos, keine Kanzlei wollte ihm einen Fall anvertrauen. Ein Telegramm aus dem Pentagon beorderte ihn überraschend zu General Telford Taylor, ein ausgezeichneter Jurist und von US-Präsident Truman persönlich als Verantwortlicher für die Nürnberger Nachfolgeprozesse eingesetzt. Taylor berief Ferencz umgehend in seine Einsatzgruppe "Germany".
"Die erste Aufgabe, die ich von Taylor bekam, war, nach Berlin zu gehen und dort Beweise für die ungeheuren Nazi-Verbrechen zu sammeln", erinnert sich Ferencz in dem Dokumentarfilm "A man can make a difference" (2015) von Regisseurin Ullabritt Horn. "Die USA fanden, dass der Nürnberger Prozess gegen die 22 Top-Nazis nicht vollständig erklären konnte, wie sowas in einem zivilisierten Land wie Deutschland hatte geschehen können."
75 Jahre Nürnberger Prozesse: Historisches Foto zeigt eine Schautafel in einem Gerichtssaal, auf der eine Landkarte mit eingezeichneten Punkten zu sehen ist (picture-alliance).
Wichtiges Beweismaterial im Nürnberger Prozess (1946): Lageplan der Konzentrationslager
Hauptsitz der zentralen US-Ermittlungsstelle wurde die kriegszerstörte Hauptstadt. Groß-Berlin war inzwischen von den vier Besatzungsmächten - USA, Großbritannien, UdSSR und Frankreich - in getrennte Sektoren aufgeteilt worden. Jede Besatzungsmacht hatte ihre eigenen Strafverfolgungsmethoden.
Aber Ben Ferencz und sein 50-köpfiges Ermittler-Team bekamen freie Hand, stellten Unmengen von Dokumenten und Belastungsmaterial der umfangreichen NS-Bürokratie sicher. Vor allem die Berliner Gestapo-Zentrale erwies sich als Hort deutscher Gründlichkeit. "Wir durchsuchten systematisch alle Nazi-Archive", berichtet Ben Ferencz in der Film-Dokumentation. "Das war eine Goldgrube."
Chefankläger im "Einsatzgruppen-Prozess"
Im Frühjahr 1947 stieß ein Mitarbeiter zufällig in den Aktenschränken des Auswärtigen Amtes auf drei dicke Leitz-Ordner, beschriftet mit "Ereignismeldungen aus der UdSSR - Berichte von der Ostfront". "Es waren Berichte von SS-Spezialeinheiten, getarnt durch einen scheinbar bedeutungslosen Namen: Einsatzgruppen. Niemand wusste, was das war", erinnert sich Ferencz.
Es sind detaillierte Auflistungen eines Tötungsprogramms, mit dem die SS in Osteuropa Hunderttausende von Juden, Sinti und Roma ermordeten. Ben Ferencz erkannte schnell die Brisanz des Fundes. "Das sah ganz harmlos aus, aber innen war es mit dicken Stempeln als 'Geheime Reichssache' gekennzeichnet", erzählt der erfolgreiche Strafermittler vor der Kamera.
75 Jahre Nürnberger Prozesse: Benjamin Ferencz steht in Anwaltsrobe und Krawatte vor einem Pult (Everett Collection/picture alliance).
Mutig und scharf in der Argumentation: US-Chefankläger Ben Ferencz im Nürnberger Einsatzgruppenprozess (1947/48)
Diese Beweisstücke waren juristisches Fundament für einen der größten Mordprozesse der Geschichte: Am 15. September 1947 hielt Ben Ferencz im Saal 600 des Nürnberger Justizpalastes sein Eröffnungsplädoyer im Einsatzgruppen-Prozess. Er war mit 27 der jüngste Chefankläger der zwölf Nürnberger Nachfolgeprozesse, die nach 1946 von den Vereinigten Staaten allein weitergeführt wurden.
Angeklagt waren 24 Männer der "SS-Einsatzgruppen", stellvertretend für deren insgesamt 3000 Mitglieder. "Ich war hier mit Massenmord konfrontiert. Und ich wollte diese Mistkerle nicht davon kommen lassen", so Ferencz im Gespräch mit der DW. "Ich dachte, wie kann ich Gerechtigkeit schaffen? Einerseits habe ich 24 Angeklagte und andererseits habe ich eine Million Opfer, sagte ich mir damals. In so einer Situation wird es nie Gerechtigkeit geben."
"Wir durchsuchten alle Nazi-Archive"
Nur vier der Todesurteile des Gerichtes wurden am Ende vollstreckt. Viele der Naziverbrecher in Ost- und Westdeutschland verbüßten nur kürzere Haftstrafen, manche kamen vorzeitig frei. Der Kalte Krieg zwischen Ostblock und Westmächten warf erste Schatten auf die Entnazifizierung.
Initiative für Internationalen Strafgerichtshof
Für Ben Ferencz, der als Sohn jüdischer Eltern 1920 in den transsilvanischen Karpaten geboren wurde und in großer Armut in New York aufwuchs, waren diese Erfahrungen in Nachkriegs-Deutschland prägend. Als Bevollmächtigter der Jewish Claims Conference setzte er sich später unermüdlich für das Wiedergutmachungs-Abkommen zwischen Israel und der BRD ein, das 1952 in Luxemburg unterzeichnet wurde.
75 Jahre Nürnberger Prozesse: Historisches Foto von Ben Ferencz im Anzug, der an einem Holzschreibtisch mit mehreren Telefonen und Akten sitzt (Benjamin Ferencz/Piper Verlag).
Mit 27 Jahren wurde Ben Ferencz Chefankläger und brachte hochrangige SS-Offiziere wegen Mordes vor Gericht
Und auf seine beharrliche Initiative geht die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag im Jahr 2002 zurück, vor dem bis heute Kriegsverbrechen geahndet und sogar Staatschefs juristisch zur Rechenschaft gezogen werden. "Er ist ein Mann mit Überzeugungen, mit Prinzipien", sagt Fatou Bensouda, die heutige Chefanklägerin des ICC, anerkennend über Ben Ferencz. "Was er macht, tut er mit Leidenschaft."
2010 bekam Benjamin Ferencz für seinen lebenslangen Einsatz fürs Völkerrecht im Auswärtigen Amt das Große Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland überreicht. Aber seine wohl wichtigste Ehrung erhält der inzwischen Hundertjährige in Nürnberg, der Stätte seiner ersten juristischen Erfolge.
Seine Keynote wird als Videobotschaft aus den USA die Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag des Nürnberger Prozesses am 20. November 2020 eröffnen. Erst nach ihm spricht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Video abspielen5:12 min
Deutschland: Zeitzeugen erinnern an Nürnberger Prozess
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Memorium Nürnberger Prozesse
Gedenkstätte im Justizpalast
Am 20. November 2010 jährt sich der Beginn der Nürnberger Prozesse gegen die Kriegsverbrecher des Nazi-Regimes zum 65. Mal. Über dem historischen Saal 600 wurde dazu ein Museum eingerichtet. Eindrücke von den Aufbauarbeiten im Nürnberger Justizpalast. Video 2 Min.
https://www.br.de/mediathek/video/memorium-nuernberger-prozesse-gedenkstaette-im-justizpalast-av:5a3c418cd8070c0018f2a07e
Nazis vor Gericht: Die Nürnberger Prozesse
Vor 75 Jahren begannen die Nürnberger Prozesse. Die Machthaber der Nazi-Diktatur mussten sich darin erstmals vor Gericht verantworten. Zeitzeugen erinnern sich.
Datum 06.11.2020
Adolf Hitler und sein Propagandaminister Joseph Goebbels haben sich in den letzten Kriegstagen umgebracht - Hermann Göring, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, und etliche andere Nazi-Größen werden dagegen von den Alliierten gefangen genommen und sollen vor Gericht gestellt werden. Das haben die vier Siegermächte USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion noch während des Krieges vereinbart.
Ein Vorbild für diesen ersten internationalen Kriegsverbrecherprozess gibt es allerdings nicht, die Beteiligten betreten juristisches Neuland. Gleichzeitig berührt der Prozess auch moralische Fragen, wühlt viele im Innersten auf.
Während Niklas Frank sich damit abfinden muss, dass sein Vater, der hochrangige Nazi Hans Frank, hingerichtet werden wird, empfindet der Holocaust-Überlebende Peter Gardosch vor allem Genugtuung. In der Familie von Renate Rönn wiederum, deren politisch unbelasteter Vater als Pflichtverteidiger einspringen muss, überwiegt die Scham, dass diese Verbrechen von deutschem Boden ausgingen - und dass es nun die Alliierten sind, die die Gräuel aufarbeiten, nicht die Deutschen selbst.
Heute gelten die Nürnberger Prozesse als Meilenstein des Völkerrechts. Kein Diktator, kein Kriegsverbrecher kann sich mehr allein auf die Macht seines Amtes oder auf die Gesetze im eigenen Land berufen.
Bettina Stehkämper hat die Zeitzeugen Niklas Frank, Peter Gardosch und Renate Rönn getroffen.
Sendezeiten:
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SA 07.11.2020 – 13:45 UTC
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SO 08.11.2020 – 10:45 UTC
SO 08.11.2020 – 15:15 UTC
SO 08.11.2020 – 18:15 UTC
SO 08.11.2020 – 22:15 UTC
MO 09.11.2020 – 04:15 UTC
MI 11.11.2020 – 12:45 UTC
DO 12.11.2020 – 03:00 UTC
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Datum 06.11.2020
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NATIONALSOZIALISMUS
Safferling: "Nürnberger NS-Prozesse veränderten das Völkerrecht"
Der Nürnberger Kriegsverbrecherprozess gegen Nazi-Größen schrieb Geschichte. Der Völkerrechtler Christoph Safferling über die Bedeutung des Prozesses und die Folgen des Trumpismus, die sein Erbe belasten.
20.11.2020
Am 20. November jährt sich zum 75. Mal der Beginn des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs saßen die Alliierten zu Gericht über die Verbrechen der Nationalsozialisten. Die USA, die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich richteten dafür einen internationalen Militärgerichtshof ein. Im Nürnberger Justizpalast wurden schließlich elf Nazi-Größen als Hauptkriegsverbrecher zum Tod durch den Strang und sieben weitere wegen des Planens und Führens eines Angriffskriegs, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Drei Angeklagte kamen frei.
DW: Herr Professor Safferling, was machte den Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess zu einem historischen Ereignis?
Pressebild Professor Dr. Christoph Safferling
Der Völkerrechtler Christoph Safferling
Safferling: Nach dem Zweiten Weltkrieg war eine Situation eingetreten, in der die unsäglichen Verbrechen, die gerade von Deutschland aus begangen worden waren, nicht ungesühnt bleiben konnten. Die internationale Gemeinschaft hat sich hier zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte dazu entschieden, nach einem Krieg nicht einfach den Mantel des Schweigens und des Vergessens über die Verbrechen zu hüllen, die natürlich in jedem Krieg begangen werden, sondern dass man eine strafrechtliche Aufarbeitung in Angriff genommen hat. Das war im Völkerrecht der traditionellen Art so nicht denkbar und hat sich in Nürnberg zum ersten Mal materialisiert. Deswegen ist es ein historisches Ereignis.
Kann man sagen, dass der Nürnberger Prozess die Geburtsstunde des Völkerstrafrechts war?
Ja, es war zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit, dass tatsächlich Verbrechens-Tatbestände ausformuliert worden sind. Viele gab es ja vorher gar nicht. Es gab das Konzept der Kriegsverbrechen. Das war seit der Genfer Konvention von 1864 bekannt. Aber Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder das Verbrechen des Angriffskrieges, Verbrechen gegen den Frieden, wie das in Nürnberg noch genannt wurde, gab es vorher in dem Sinne nicht. Diese Tatbestände sind in Nürnberg geboren worden.
Erahnten die alliierten Siegermächte die Bedeutung und das Modellhafte des Prozesses für das künftige Völkerstrafrecht?
Den Eindruck muss man haben, wenn man sich die Dokumente anschaut. Und das gilt vor allem für das vielleicht bedeutendste Sprachrohr dieses ganzen Prozesses. Das war der amerikanische Chefankläger Robert A. Jackson. Er war ein Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, der sich aufgrund seiner persönlichen Beteiligung an Diskussionen im Vorfeld und wegen seiner Bekanntheit bei US-Präsident Roosevelt und seinem Amtsnachfolger Truman angeboten hat, diesen Prozess zu organisieren und durchzuführen. Bei ihm sah man ganz deutlich, dass er sich sehr bewusst war, dass es sich um einen beispielhaften Prozess handelte, um ein deutliches Zeichen auch für eine massive Veränderung des Völkerrechts. Diese historische Bedeutung dieses Prozesses war auf jeden Fall bekannt.
In Deutschland gab es den Vorwurf der Siegerjustiz. Immerhin war der Prozess auf die deutschen Verbrechen beschränkt und die vier Siegermächte hatten den Prozess organisiert. Wie bewerten Sie diese Kritik?
Aus einer sozusagen nüchternen rechtsstaatlichen Betrachtung ist das selbstverständlich ein Manko. Ganz offensichtlich wurden die Verbrechen der einen Seite verfolgt, die anderen nicht. Und Verbrechen hat es selbstverständlich auch von Seiten der Alliierten gegeben. Da muss man nicht erst an die Bombardements der Zivilbevölkerung in Dresden und andernorts erinnern.
Das bedeutet zwar, dass ein rechtsstaatliches Manko besteht, indem die anderen Verbrechen nicht auch verfolgt worden sind, aber die Ahndung der deutschen Verbrechen wird damit nicht illegitim. Ich glaube auch sagen zu können, dass man in der weiteren Entwicklungsgeschichte - nach einer langen Wartezeit, nach 1990 - gesehen hat, dass die Vereinten Nationen und die internationale Zivilgesellschaft es jetzt fordern, dass solche Verbrechen verfolgt werden. Deswegen kam es zur Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs, der deutlich zeigen soll: Egal, von welcher Seite auch Verbrechen begangen werden, sie sind strafbar und werden verfolgt.
Wie werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit heute verfolgt?
Es gibt, wie es im Übrigen auch schon nach dem Zweiten Weltkrieg war, zwei verschiedene Stufen. Die eine ist eine internationale Ebene mit dem Internationalen Strafgerichtshof als Institution. Er steht dafür, dass auf internationaler, auf völkerrechtlicher Ebene mit einem völkerrechtlichen, international besetzten Gericht Straftaten dieser Art verfolgt werden. Es gibt auf internationaler Ebene noch weitere Möglichkeiten wie Ad-hoc-Tribunale, die nur für eine einzige Situation eingesetzt werden wie zum Beispiel für Jugoslawien und für Ruanda. Auch hybride Strukturen sind möglich: dass mit einem Vertrag zwischen den Konfliktstaaten und den Vereinten Nationen ein Tribunal geschaffen wird.
Dazu gibt es die Verfolgung internationaler Straftaten auf nationaler Ebene. Beispielhaft ist, dass die Bundesrepublik Deutschland in der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts in Karlsruhe eine ganz bedeutsame und nach Möglichkeit flächendeckende Verfolgung von internationalen Straftaten an den Tag legt. Das bezieht sich insbesondere auf die sogenannten Syrien-Heimkehrer. Also deutsche Staatsbürger, die in Syrien Kriegsverbrechen begangen haben und wieder zurückkommen. Oder eben auch auf Kriegsverbrecher, die etwa als Flüchtlinge getarnt nach Deutschland gekommen sind.
Gerade Länder, die in Nürnberg die Kriegsverbrecherprozesse initiierten - wie die USA und Russland in der Nachfolge der Sowjetunion - ziehen sich zunehmend aus der UN-Gerichtsbarkeit zurück. Warum und mit welchen Folgen?
Das ist eine sehr bedauernswerte Entwicklung. Sie hat mit dem Klima auch in den internationalen Beziehungen und der internationalen Politik zu tun. Wir erleben einen stärker werdenden Isolationismus. Einen Abgesang auf den Multilateralismus. Also die Idee, dass man völkerumspannend global Dinge gemeinsam regelt und gemeinsam an etwas arbeitet. Diese Idee hat sich gerade in den letzten fünf, sechs Jahren - und leider ist das auch sehr deutlich verbunden mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump - sehr stark zurückentwickelt.
Die internationale Strafgerichtsbarkeit ist eine besondere multilaterale Entwicklung, weil sie besondere Folgen hat. In dem Sinne, dass strafrechtliche Maßnahmen ergriffen werden können. Das sind sehr harte Eingriffe in nationale Hoheiten, wenn auf internationale Gerichte verwiesen wird, die dann Strafgerichtsbarkeit ausüben. Deswegen lassen sich diese mächtigen Staaten auch ungern hineinregieren. Besonders dann, wenn eigene Staatsangehörige vom Internationalen Strafgerichtshof verfolgt werden können.
Wird sich die Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof unter der US-Präsidentschaft von Joe Biden verbessern?
Mit Biden besteht nun eine realistische Chance, dass die USA zurückkehren in die Familie der Staaten, die sich um multilaterale Lösungen internationaler Probleme bemühen. Das wird sich auf die Bedeutung der Menschenrechte und die Akzeptanz des Völkerstrafrechts positiv auswirken. US-Sanktionen gegen Mitarbeiter*innen des IStGH sind von Biden sicherlich nicht zu erwarten. Eine Mitgliedschaft am IStGH aber ebenso wenig. Respektvoller Umgang und vorsichtige Kooperation wird das Verhältnis zwischen dem IStGH und den USA prägen.
Video abspielen4:54 min
25. Jahrestag des Massakers von Srebrenica
Die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs wollten der Welt vor Augen führen, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht ungeahnt bleiben dürfen. Was ist aus dieser Botschaft geworden?
Wir sehen momentan ein deutliches Manko bei der Verfolgung von Straftaten auf internationaler Ebene. Das funktioniert nicht und ist teilweise politisch nicht gewollt. Auf der anderen Seite muss man schon sagen, dass gerade seit der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs in der internationalen Politik das Völkerstrafrecht eine durchaus relevante Rolle spielt. Man kann heute in Konfliktsituationen nicht mehr verhandeln, ohne dass das Strafrecht sozusagen mit am Verhandlungstisch sitzt. Ein Stück weit ist der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs wenigstens virtuell als Droh-Gestalt dabei. Und das ist auch gut so, dass diese Tatbestände ernst genommen werden. Dass klar ist, diese können Konsequenzen haben, sie sollen Konsequenzen haben.
Vielleicht dauert es manchmal zu lang. Aber es kann sich heute kein Diktator der Welt mehr sicher sein, dass nicht doch irgendwann mal eine internationale Strafjustiz zuschlägt. Und diese Veränderung ist letztlich der Entwicklung in den 90er Jahren bis zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs zu verdanken. Und das wiederum wäre nicht möglich gewesen ohne die Nürnberger Prozesse von 1945.
Christoph Safferling (*1971) ist Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.
Das Gespräch führte Ralf Bosen
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NATIONALSOZIALISMUS
Nürnberger Nazi-Prozess: Warnung an Kriegsverbrecher und Diktatoren
Vor 75 Jahren zog der Nürnberger Kriegsverbrecherprozess NS-Größen zur Verantwortung. Ein historisches Mammutverfahren als Antwort auf ungeheuerliche Verbrechen. Es beeinflusst das Völkerstrafrecht bis heute.
19.11.2020
Nürnberg 1945: Die zweitgrößte Stadt Bayerns liegt weitgehend in Trümmern. Nach den fast sechs Jahren des Zweiten Weltkriegs hat Deutschland am 8. Mai bedingungslos kapituliert. Nun soll Nürnberg, wo die Nationalsozialisten einst ihre pompösen Reichsparteitage zelebrierten, zum Schauplatz der Rechtsprechung werden. Es geht um Angriffskriege, Massenmorde und zwölf Jahre Diktatur. Die Siegermächte USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich richten dafür einen Internationalen Militärgerichtshof ein.
Gegen 24 Hauptkriegsverbrecher wird Anklage erhoben. Am 20. November beginnt das Verfahren gegen die engen Gefolgsleute des Diktators Adolf Hitler. Nazi-Größen, die ehemals von der Weltherrschaft träumten, finden sich auf den hölzernen Anklagebänken im Gerichtsaal 600 des Justizpalastes wieder.
Darunter Reichsmarschall und Luftwaffen-Oberbefehlshaber Hermann Göring, Hitlers zeitweiliger Stellvertreter Rudolf Heß und Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop. Ihnen werden Verschwörung gegen den Weltfrieden, Planung, Entfesselung und Durchführung eines Angriffskrieges, Verbrechen gegen das Kriegsrecht und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.
Deustchalnd | Nürnberger Prozesse | Robert H. Jackson
Der US-amerikanische Hauptanklagevertreter Robert H. Jackson war auch an der Organisation des Militärgerichtshofs beteiligt
Nazi-Organisationen wie die Schutzstaffel (SS) oder die Geheime Staatspolizei (Gestapo) sind ebenfalls angeklagt - als "verbrecherische Organisationen". Die schlimmsten Täter stehen allerdings nicht vor Gericht: Hitler, SS-Chef Heinrich Himmler und Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels hatten bei Kriegsende Selbstmord begangen.
Recht statt Rache trotz unermesslichen Leids
Dennoch: Erstmals in der Menschheitsgeschichte ziehen Staaten unterschiedlicher Regierungsformen und Verfassungen führende Vertreter eines besiegten Feindes für Verletzungen des Völkerrechts juristisch zur Rechenschaft. Ein Meilenstein des Völkerstrafrechts.
In seiner Eröffnungsrede betont der US-amerikanische Chefankläger Robert H. Jackson die historische Dimension: "Dass vier große Nationen, erfüllt von ihrem Sieg und schmerzlich gepeinigt von dem geschehenen Unrecht, nicht Rache üben, sondern ihre gefangenen Feinde freiwillig dem Richtspruch des Gesetzes übergeben, ist eines der bedeutsamsten Zugeständnisse, dass die Macht jemals der Vernunft eingeräumt hat."
Konzentrationslager | Auschwitz Birkenau
Ins Grauen deportiert: Juden aus Ungarn bei ihrer Ankunft im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau - wer nicht arbeitsfähig war, wurde kurz danach vergast
Auch mit der Definition der Anklagepunkte betreten die Alliierten Neuland. Es gab zwar das Konzept der Kriegsverbrechen der Genfer Konvention von 1864. "Aber Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder das Verbrechen des Angriffskrieges - Verbrechen gegen den Frieden, wie das in Nürnberg noch genannt wurde - gab es vorher in dem Sinne nicht. Diese Tatbestände sind in Nürnberg geboren worden", erklärt Christoph Safferling, Professor für Internationales Strafrecht und Völkerrecht der Universität Erlangen-Nürnberg, im DW-Interview.
Ein Schock für alle Prozessbeobachter
Während der Verhandlung herrscht eine beklemmende Atmosphäre. "Man war voll innerer Anspannung. Es war sehr ernst, still und bedrückend. Man hörte die Übersetzer, spürte die mit Scham geladene Atmosphäre", erinnert sich die Augenzeugin Renate Rönn. Sie begleitet ihren Vater, den Pflichtverteidiger Alfred Thoma, bei dem Prozess als dessen Sekretärin.
Anfangs habe man das ganze Ausmaß der Gräueltaten nicht erahnt, berichtet Rönn im Gespräch mit der DW. Das ändert sich mit der Beweislage. Filme über Konzentrationslager wie Auschwitz mit Bergen ausgemergelter Leichen erschüttern. "Es war ein Schock. Man konnte sich nicht vorstellen, dass solche entsetzlichen Grausamkeiten in Mitteleuropa und von einem Kulturvolk ausgeübt werden konnten."
Nürnberger Prozess - Angeklagte Hermann Göring und Rudolf Hess
Hermann Göring (M., neben Rudolf Heß) provozierte das Gericht immer wieder mit arrogantem Verhalten
Kein Angeklagter gesteht seine persönliche Schuld. Kaum jemand zeigt Reue, will von Massakern und Vernichtungslagern gewusst haben. Göring behauptet sogar, er habe niemals "einen Mord befohlen und ebenso wenig sonstige Grausamkeiten angeordnet oder geduldet", wo er "die Macht und das Wissen" gehabt hätte, sie zu verhindern.
Fast alle Angeklagten sprechen dem Gericht die Befugnis ab. Sie werfen ihm Siegerjustiz vor. Auch Teile der deutschen Bevölkerung empfinden es als ungerecht, dass das Verfahren ausschließlich in den Händen der Siegermächte liegt. Außerdem gibt es Kritik, dass Kriegsverbrechen der Alliierten unverhandelt bleiben.
Selbstmord kurz vor der Hinrichtung
Doch diese Vorbehalte machen die "Verfolgung deutscher Verbrechen nicht illegitim", urteilt Völkerrechtler Safferling. Außerdem: Wären die gerade gleichermaßen besiegten wie befreiten Deutschen aus praktischen und moralischen Gründen überhaupt selbst zur Rechtsprechung über den Nationalsozialismus in der Lage gewesen?
Augenzeugin Rönn zweifelt daran, wohlwissend, dass viele Nazis in ihren Ämtern verblieben waren. "Ich weiß nicht, wie diese Prozesse vor einem deutschen Gericht gelaufen wären. Bei diesen Nazi-Größen, die sich noch alle kannten, die auf dem Reichsparteitag aufgetreten waren und alle 'Sieg Heil' gebrüllt hatten." Es habe deshalb eine gewisse Erleichterung gegeben: "Die Siegermächte haben es uns abgenommen."
Nürnberger Prozeß, Scharfrichter Master Sergeant John C. Woods
Der US-Scharfrichter bei der Vorbereitung einer Hinrichtung
Organisatorisch übertrifft der Gerichtsprozess alles bisher juristisch Dagewesene. In 218 Verhandlungstagen hört das Gericht 240 Zeugen an, prüft mehr als 300.000 eidesstattliche Erklärungen. Das Sitzungsprotokoll umfasst 16.000 Seiten. Am 1. Oktober 1946 endet der Prozess mit der Verkündung von zwölf Todesurteilen, sieben Freiheitsstrafen und drei Freisprüchen. Zwei Verfahren waren ohne Verurteilung eingestellt worden. 16 Tage später, nur Stunden vor seiner Hinrichtung, begeht Göring mit Gift Selbstmord.
Es folgen zwölf Prozesse vor US-Militärtribunalen gegen 185 weitere ausgewählte Nazis. 24 werden zum Tode verurteilt. Der letzte Prozess endet im April 1949.
Das Erbe des Nürnberger Prozesses
Es ist Recht gesprochen worden. Aber auch Gerechtigkeit? Das würde jede Justiz grundsätzlich überfordern - insbesondere wegen der Dimension des geschehenen Unrechts. Von wegweisender Bedeutung gilt der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess aber allemal. Ohne sein Beispiel wären wohl das UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien (1993 - 2017), das UN-Völkermordtribunal für Ruanda (1994 - 2016) sowie der Internationale Strafgerichtshof ISTGH in Den Haag (ab 2002) kaum vorstellbar.
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Nürnberger Prozesse - Zeitzeugen erinnern sich
Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden derzeit auf mehreren Ebenen verfolgt. Weltweit vom ISTGH mit einem völkerrechtlichen, international besetzten Gericht. Oder von UN-Tribunalen, die nur für eine einzige Situation eingesetzt werden.
Daneben werden internationale Straftaten auch auf nationaler Ebene geahndet. Über Behörden wie die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe. Sie schaltet sich beispielsweise bei den sogenannten Syrien-Heimkehrern ein: bei deutschen Staatsbürgern, die möglicherweise an IS-Kriegsverbrechen beteiligt waren. Oder bei Personen, die gegen das Völkerstrafrecht verstoßen haben und in Deutschland Unterschlupf suchen.
Eine universelle Gerichtsbarkeit aber, die die nationale Souveränität berührt, ist für einige Länder inakzeptabel. Unter anderem China sowie ausgerechnet zwei der ehemaligen Organisatoren der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, die USA und Russland (in Nachfolge der Sowjetunion), weigern sich, mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenzuarbeiten. Ihre Blockadehaltung hat sich in den letzten Jahren verstärkt.
Niederlande Den Haag Außenansicht Internationaler Strafgerichtshof (ICC)
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag
Der Schweizer Völkerrechtler und UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, prangerte in einem DW-Interview sogar eine "weltweite Erosion der Menschenrechte" an. Dass die Vereinigten Staaten ISTGH-Mitarbeitern Strafen androhen, falls sie gegen US-Soldaten ermitteln, wertet er als katastrophales Signal.
Trumps Abgesang auf den Multilateralismus
Insbesondere, weil die USA in wirtschaftlicher, politischer und militärischer Hinsicht das einflussreichste Land der Welt seien. "Wenn ausgerechnet dieses Land nicht bereit ist, selbst zur Verantwortung gezogen zu werden für Kriegsverbrechen, für die es Beweise gibt, die nicht einmal fraglich sind, dann haben wir ein großes Problem!"
Melzers Völkerrechtskollege Christoph Safferling sieht zunehmenden Isolationismus als Ursache: "Wir erleben einen Abgesang an den Multilateralismus, also die Idee, dass man völkerumspannend global Dinge gemeinsam regelt, gemeinsam an etwas arbeitet." Diese Idee habe sich gerade in den letzten fünf, sechs Jahren zurückentwickelt, "und das ist sehr stark mit US-Präsident Donald Trump verbunden."
USA Wilmington | Rede Joe Biden und Kamala Harris nach dem Wahlsieg
Joe Biden könnte für einen respektvollen Umgang und eine vorsichtige Kooperation zwischen den USA und dem Internationalen Strafgerichtshof sorgen
Mit Joe Biden als Präsident bestehe nun eine realistische Chance, dass die USA zurückkehren in die Familie der Staaten, die sich um multilaterale Lösungen internationaler Probleme bemühen, schätzt Safferling ein. "US-Sanktionen gegen Mitarbeiter des ISTGH sind von Biden sicherlich nicht zu erwarten. Eine Mitgliedschaft am Strafgerichtshof aber ebenso wenig", prognostiziert Safferling.
Chefankläger als virtuelle Drohgestalt
Trotz der Vorbehalte einiger Staaten spielt das Völkerstrafrecht nach Meinung des Wissenschaftlers seit der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs zudem eine grundsätzlich durchaus relevante Rolle in der globalen Politik.
Pressebild Professor Dr. Christoph Safferling
Völkerrechtler Christoph Safferling
Heute könne man in Konfliktsituationen nicht mehr verhandeln, ohne dass der Chefankläger des ISTGH "zumindest virtuell als Drohgestalt" mit am Tisch sitze.
Vielleicht dauere es "manchmal ein bisschen zu lang. Aber es kann sich kein Diktator der Welt mehr sicher sein, dass nicht doch irgendwann eine internationale Strafjustiz zuschlägt", sagt Safferling. Dies sei der Entwicklung in den 90er Jahren bis zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs zu verdanken. "Das wiederum wäre nicht möglich gewesen ohne die Nürnberger Prozesse von 1945."
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NATIONALSOZIALISMUS
Nürnberger Prozesse: Die Konfrontation mit NS-Verbrechen
Vor 75 Jahren begannen die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse gegen führende Nazis. In einem Land, das vergessen wollte, setzte damit die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen ein.
20.11.2020
"Schuld ist immer etwas Persönliches", sagt der 81-jährige Niklas Frank. Es ist ein Gedanke, der das Problem Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg verdeutlicht: Wie kann das Trauma einer Nation in die einzelnen Köpfe der Bevölkerung gelangen? Wie schafft man es, die Schuld der Eltern zu seiner persönlichen Verantwortung zu machen?
Für viele Deutsche waren das damals abstrakte Fragen, die mit Schweigen bedacht und unterdrückt wurden. Für Niklas Frank aber brach das Thema unmittelbar ins eigene Leben ein. Denn sein Vater war Hans Frank, Generalgouverneur im besetzten Polen während des Zweiten Weltkriegs - und damit unmittelbar verantwortlich für vier Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Niklas Frank war bei Kriegsende sechs Jahre alt und erinnert sich noch heute daran, wie seine Familie sich weigerte, die Schuld des Vaters anzuerkennen, als er in Nürnberg vor Gericht saß. Vor 75 Jahren, am 20. November 1945, begannen die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Hans Frank wurde im darauffolgenden Oktober gehängt.
Das Tribunal galt als "Siegerjustiz"
1945 waren die meisten Deutschen noch nicht bereit, zu ihrer Schuld zu stehen. Sie waren im zu Ende gehenden Krieg auf Überleben getrimmt. Wirtschaft und Infrastruktur des Landes lagen am Boden. Millionen Vertriebene mussten untergebracht werden. Der Bevölkerung standen vier Jahre ohne eigene Regierung bevor, im Niemandsland der militärischen Besatzung.
Zweiter Weltkrieg, Amerikaner erobern Köln
Zerstörtes Köln: Viele Deutsche wollten kurz nach dem Krieg vor allem vergessen
Mitten in dieser Zeit begann der erste und wichtigste der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse - und auch der einzige, der von allen vier Alliierten gemeinsam organisiert wurde. Er dauerte elf Monate, 240 Zeugen wurden gehört, rund 300.000 Erklärungen verlesen. Die Urteile standen keineswegs vorher fest. Das Gericht verhängte gegen die angeklagten hochrangigen Nazi-Größen zwölf Todesurteile, sieben Haftstrafen und drei Freisprüche.
Trotz dieser differenzierten Urteile sahen die meisten Deutschen in dem Alliierten-Gericht damals eine Form der "Siegerjustiz". "Das war die herrschende Meinung in Deutschland. Totale Ablehnung dieser Prozesse. Die Menschen glaubten, dass sie einseitig waren", sagt Ingo Müller, Jurist und Autor des Buches "Furchtbare Juristen", das sich mit dem Erbe der Nazis in der deutschen Justiz befasst. "In den Köpfen hatten die Nazis noch Einfluss. Daran haben die Nürnberger Prozesse nichts geändert", sagt Müller.
Die USA leisteten der "Siegerjustiz"-Sicht zusätzlichen Vorschub. William Douglas, damals Richter am Obersten Gerichtshof der USA, argumentierte, die Alliierten hätten sich nachträglich Gesetze zurechtgelegt, die zu den Nazi-Verbrechen passten, und damit gegen einen wichtigen Rechtsgrundsatz verstoßen. Hinzu kam der Umstand, dass ausgerechnet Iona Nikittschenko Hauptrichter der Sowjetunion in Nürnberg wurde. Nikittschenko hatte in den 1930er Jahren einige Urteile in Joseph Stalins berüchtigten Schauprozessen gesprochen.
"Mit der Naziriecherei mal Schluss machen"
Das alles untergrub über Jahrzehnte das Vertrauen der deutschen Öffentlichkeit in die Rechtmäßigkeit der Nürnberger Prozesse. Buchautor Müller erinnert daran, dass deutsche Völkerrechtler noch jahrelang die These vertraten, die Bombardierung deutscher Städte durch die Alliierten sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewesen, das mit dem Holocaust vergleichbar und ähnlich zu bestrafen gewesen wäre - eine Meinung, die heutzutage nur noch am äußersten rechten Rand zu finden ist.
Das unausgesprochene Motto Konrad Adenauers, des ersten Bundeskanzlers der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland, war: vergeben und vergessen. Adenauer war zwar selbst nie Nazi gewesen, das hielt ihn aber nicht davon ab, ehemalige Parteigrößen auch in höheren Positionen der frühen Bundesrepublik zu akzeptieren. Besonders deutlich wurde das bei der Wahl von Hans Globke, des Bundeskanzleramtchefs von 1953 bis 1963. Dieser war ein hoher Beamter in Hitlers Innenministerium und 1935 Mitverfasser der berüchtigten Nürnberger Rassegesetze gewesen, die den Antisemitismus und Rassismus der Nationalsozialisten juristisch institutionalisierte.
Konrad Adenauer und Hans Globke
Bundeskanzler Konrad Adenauer (l.) 1963 im Gespräch mit Kanzleramtschef Hans Globke
Teilweise war die Wahl Globkes aus der Not heraus geboren, da das noch junge Land erfahrene Beamte benötigte. "Aber bei Globke", sagt Ingo Müller, "war es auch die Wahl einer Symbolfigur. Adenauer sagte damit: Guckt euch an, ihr alten Nazis, wenn ihr hier mitmacht bei der Demokratie - und nicht weitermacht mit 'Sieg Heil' und Antisemitismus - dann passiert euch auch nichts." Und tatsächlich passierte wenig: Kein einziger Richter der Nazi-Ära beispielsweise wurde jemals von einem Gericht der Bundesrepublik für die Zehntausenden ungerechtfertigten Todesurteile während der NS-Herrschaft zur Verantwortung gezogen. Einige wenige wurden lediglich während der dritten Nürnberger Prozesse, die im Jahr 1947 endeten, verurteilt.
Adenauer war sich der Stimmung im Land sehr bewusst: Im Jahr 1951 protestierten Tausende am Kriegsverbrecher-Gefängnis in Landsberg am Lech in Bayern gegen die Hinrichtung von 28 Kriegsverbrechern, die in Nürnberg verurteilt worden waren. Und bei einer Bundestagsdebatte im Oktober 1952 zum Thema ehemalige Nazis in offiziellen Positionen wurde Adenauer mit Applaus belohnt für die Aussage: "Ich meine, wir sollten jetzt mit der Naziriecherei mal Schluss machen. Denn verlassen Sie sich darauf: Wenn wir damit anfangen, weiß man nicht, wo es aufhört."
Nazis in der DDR
Die Situation im Osten Deutschlands ähnelte der im Westen, wenn auch unter gänzlich anderen Vorzeichen. Die Sowjetunion schickte anfangs Zehntausende ehemalige Nationalsozialisten ins Gefängnis oder in den Tod, während die sozialistische DDR den Antifaschismus zur Staatsdoktrin erklärte. Zu diesem Zweck führte das Ministerium für Staatsicherheit, die Stasi, ein umfangreiches Archivregister mit Nazi-Unterlagen deutscher Staatsbürger.
Sehr wenige Ostdeutsche mussten sich allerdings vor Gericht verantworten – das Register diente vor allem dem Zweck, Nazigrößen in Westdeutschland zu entblößen und damit Adenauers neue Regierung in Verlegenheit zu bringen. Die DDR wurde nicht müde, die Bundesrepublik als unmittelbaren, kapitalistisch-imperialistischen Nachfolgestaat des sogenannten Dritten Reiches darzustellen.
Die Alliierten des Zweiten Weltkrieges - die USA, Großbritannien und Frankreich auf der einen, die Sowjetunion auf der anderen Seite - hatten zu Beginn der 1950er Jahre im jeweils anderen einen neuen Feind gefunden. Das gab den USA den Anstoß, ihre "Illusionen", wie es Ingo Müller nennt, aufzugeben, was die Umerziehung der Deutschen anbelangte. "Ich glaube, dass die Alliierten irgendwann Anfang der 50er ihren Frieden gemacht haben mit Deutschland und gesagt haben: Okay, das Hakenkreuz wird nicht mehr gezeigt, und 'Sieg Heil' wird nicht mehr gerufen - die Deutschen sind jetzt ein normales Volk", sagt er der DW. "Man war froh, dass das Nazizeug so langsam rauswächst, aber das dauerte Jahrzehnte."
Bildergalerie Studentenproteste in Deutschland
Studenten stellten Ende der 60er Jahre kritische Fragen nach der Vergangenheit von Professoren
Langsamer Fortschritt
Es gibt in der deutschen Gesetzgebung das Kuriosum, dass das Leugnen des Holocaust zwar unter Strafe steht, daran aber aktiv mitgewirkt zu haben nie formal als Verbrechen anerkannt worden ist. Einzelpersonen können zwar wegen Mordes oder Beihilfe zum Mord verurteilt werden, aber nur, wenn ihnen eindeutig nachgewiesen wurde, dass sie an individuellen Tötungen beteiligt gewesen sind. Der Holocaust aber stellt eine vollkommen andere Art des Verbrechens dar: Wie ist damit umzugehen, wenn das gesamte System mörderisch war? Wie werden einzelne Rädchen in der Maschinerie bestraft, die womöglich ihre Opfer nie gesehen haben? Wie werden Lokführer, Wachleute oder Schreibtischtäter des Massenmords strafrechtlich verfolgt?
Es dauerte fast ein Jahrzehnt, nachdem die letzten Nürnberger Prozesse 1949 beendet worden waren, bis Deutschland anfing, auch vor eigenen Gerichten seine Verbrechen aufzuklären. Der erste deutsche Prozess gegen NS-Täter begann 1958 in Ulm gegen zehn Mitglieder eines Einsatzkommandos. Sie wurden wegen des Massakers an 5.502 Juden an der litauischen Grenze im Jahr 1941 angeklagt. Aber da kein Zeuge vor Gericht einen der Angeklagten eindeutig als Täter identifizieren konnte, wurden die Angeklagten nur wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord verurteilt.
Der Ulmer Fall war dennoch ein Meilenstein. Er gab den Anstoß für die Einrichtung der "Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" in Ludwigsburg, die mit der Erfassung von Nachweisen begann. Das trug dazu bei, dass sich 22 Angeklagte im berühmten Auschwitz-Prozess in Frankfurt im Jahr 1963, bei dem zahlreiche Überlebende gegen ihre Folterer aussagten, verantworten mussten.
Deutschland Auschwitz-Prozesse
Der Auschwitz-Prozess von 1963 war ein Meilenstein bei der juristischen Aufarbeitung vor deutschen Gerichten
Dennoch musste erst das 21. Jahrhundert anbrechen, bis das deutsche Justizsystem auch Menschen verurteilte, die sich wissentlich am Holocaust beteiligt haben. Das war erst möglich, nachdem 2011 in München der ehemalige ukrainische Kollaborateur John Demjanjuk verurteilt wurde, der Wachmann im Konzentrationslager Sobibor gewesen war. Das Urteil wurde jedoch nicht rechtskräftig, weil Demjanjuk starb, bevor über eine Revision entschieden war. Dieser Präzedenzfall zeigte, dass jeder, der in einem Konzentrationslager in egal welcher Funktion gearbeitet hatte, wegen Beihilfe zum Mord verurteilt werden konnte, und zog weitere Ermittlungen in Ludwigsburg nach sich. In dessen Folge wurden einige inzwischen hochbetagte Männer angeklagt. Dazu gehörten Oskar Gröning im Jahr 2015 und erst kürzlich, im Juli 2020, Bruno D. Dessen Gerichtsprozess wurde in Hamburg vor der Jugendstrafkammer verhandelt, weil er seine Zeit als Wachmann im Konzentrationslager Stutthof als 17-Jähriger angetreten hatte.
Für Ingo Müller, der die Nürnberger Prozesse als große historische Errungenschaft betrachtet, ist es das belastendste Vermächtnis der Bundesrepublik, dass die Legitimität der damals ausgesprochenen Urteile nie anerkannt wurde. Das deutsche Recht, so Müller, besagt, dass verurteilte Beamte ihre Posten und Pensionen verlieren. Das sei aber nie mit jenen passiert, die in Nürnberg verurteilt wurden. Manche erhielten Tausende D-Mark Rente und erstattete Gehälter nach ihrer Freilassung aus den Gefängnissen der Alliierten.
Die Erinnerung wachhalten
Der Historiker Efraim Zuroff, Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, findet, Deutschland habe zwar lange gebraucht, um mit seiner Schuld umzugehen, aber seither einen langen Weg zurückgelegt, sagte er in einem DW-Interview im Jahr 2015. Der in den USA geborene Israeli koordiniert die Forschung des Wiesenthal-Zentrums zu NS-Kriegsverbrechen.
Deutschland Oskar Gröning Prozess in Lüneburg
Der damals 93-jährige ehemalige SS-Mann Oskar Gröning stand 2015 vor Gericht
"Wir sind Lichtjahre entfernt von den Zeiten der 60er und 70er Jahre, was das Wissen um den Holocaust, den Umgang damit und Verständnis dafür, was für eine furchtbare Gräueltat das war, anbelangt. Hätten die Deutschen vor 40 Jahren dieselben Kriterien angelegt, wie sie es heute tun, hätte es 40 oder 60 Mal so viele Fälle gegeben."
Auch im Vergleich zu anderen Ländern, die mit der NS-Führung zusammenarbeiteten, habe Deutschland viel an Aufarbeitung geleistet, meint Zuroff: "Der Wandel in Deutschland kam spät, aber er kam. In Deutschland werden Täter zur Rechenschaft gezogen. Vergleicht man das mit Österreich - da ist nichts Entscheidendes passiert in den vergangenen 30 oder 40 Jahren. In Deutschland gibt es einen politischen Willen, NS-Täter zu verurteilen."
Auch außerhalb der Justiz wird Deutschland weiterhin die Erinnerung an die Gräueltaten von damals wachhalten - vor allem in Zeiten, in denen Antisemitismus und Rechtsextremismus in Europa erneut erstarken.
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Congress- und Tourismus-Zentrale Nürnberg
75. Jahrestag des Beginns der Nürnberger Prozesse: der Saal 600 als historischer Ort
19.11.2020 – 09:00
Nürnberg (ots)
Am 20. November 1945 begannen im Saal 600 des Justizpalastes Nürnberg die sogenannten Hauptkriegsverbrecherprozesse gegen führende Vertreter der nationalsozialistischen Diktatur. Erstmals in der Weltgeschichte standen Vertreter eines Staates für Verletzungen des Völkerrechtes vor Gericht. Vor zehn Jahren entstand am historischen Ort des Geschehens in Nürnberg ein Museum, das Memorium Nürnberger Prozesse.
Pünktlich zum Jubiläumsjahr wird der Saal 600 seit dem 1. März 2020 nicht mehr für Gerichtsverfahren des Landgerichtes Nürnberg-Fürth genutzt und ist so Museumsbesuchern dauerhaft zugänglich. Neben dem historischen Saal befasst sich eine Dauerausstellung im Dachgeschoss des Gebäudes in drei thematischen Abschnitten mit den Prozessen: der Vorgeschichte, den Beteiligten und dem Verlauf des "Hauptkriegsverbrecherprozesses", der Aufarbeitung von NS-Verbrechen in den Nachfolgeprozessen ab 1946 und der Entwicklung zum Internationalen Strafgerichtshof. Aufgrund der derzeitigen Corona-bedingten Schließung des Museums geben verschiedene Online-Angebote des Memoriums, wie ein virtueller Rundgang, Interviews mit Museumsmitarbeitern und Podcasts, interessante Einblicke in die Prozesse.
Die Nürnberger Prozesse
Vom 20. November 1945 bis 1. Oktober 1946 verhandelte der alliierte Militärgerichtshof gegen 24 Vertreter der NS-Diktatur. Zwischen 1946 und 1949 folgten zwölf weitere Verfahren u. a. gegen Ärzte, Juristen und führende Unternehmer. Der Nürnberger "Hauptkriegsverbrecherprozess" legte die Grundlage dafür, dass sich ein Völkerstrafrecht entwickelte und durchsetzte. Das abgehaltene internationale Militärtribunal und die "Nuremberg Principles" sind bis heute Vorbild für die Errichtung des heutigen Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag.
Ehemaliges Reichsparteitagsgelände und Dokumentationszentrum: Nürnbergs Verpflichtende Vergangenheit
Bereits seit 1927 veranstaltete die NSDAP ihre jährlichen Parteitreffen in Nürnberg, 1933 erklärte Hitler sie zur "Stadt der Reichsparteitage". Nach den Plänen von Albert Speer entstand ab 1933 am Dutzendteich das Reichsparteitagsgelände, das noch heute vom Größenwahn der Nationalsozialisten zeugt. Auf dem ursprünglich elf Quadratkilometer großen geplanten Gelände wurden von 1933 bis 1938 die jährlichen Parteitage abgehalten. Erhalten sind heute noch u. a. Teile von Zeppelintribüne und -feld, die Große Straße und die unvollendete Kongresshalle. Insgesamt 23 Infostelen informieren auf einem Rundweg über das Gelände über die Geschichte und Bedeutung der Propagandainszenierungen.
Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in der unvollendeten Kongresshalle, im Jahr 2001 eröffnet, thematisiert in der Dauerausstellung "Faszination und Gewalt" die Ursachen und Folgen der NS-Diktatur. Auch hier bietet derzeit ein digitales Angebot die Möglichkeit, an Video-Führungen durch die Ausstellung teilzunehmen, Zeitzeugen-Gesprächen zuzuhören und besondere Objekte der Sammlung kennen zu lernen. Ab Januar 2021 wird das Museum für drei Jahre umgebaut und erweitert. Während des Umbaus informiert eine Interims-Ausstellung die Besucher.
Weitere Informationen
Webseite zum 75. Jubiläum: https://75jahre-nuernberger-prozesse.de/
Memorium Nürnberger Prozesse - digitale Angebote:
https://museen.nuernberg.de/memorium-nuernberger-prozesse/angebote/digitales-angebot/
Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände - digitale Angebote:
https://museen.nuernberg.de/dokuzentrum/angebote/dokuzentrum-digital/
Verpflichtende Vergangenheit Nürnberg:
https://tourismus.nuernberg.de/verpflichtende-vergangenheit/
Pressekontakt:
Sarah Mörsdorf | PR und Kommunikation | Frauentorgraben 3 | 90443
Nürnberg Telefon: +49 (0) 911 2336 139 | E-Mail:
moersdorf@ctz-nuernberg.de
https://www.presseportal.de/pm/113984/4767814
NÜRNBERGER PROZESSE
So revolutionierte ein Mann das Völkerstrafrecht
Veröffentlicht am 19.11.2015
Dauer 2 Min
Robert H. Jackson war der US-Chefankläger im Hauptkriegsverbrecherprozess, in dem 1945/46 führende Nationalsozialisten verurteilt wurden. Das Mammutverfahren leitete eine neue Ära ein.
https://www.welt.de/
Nürnberger Prozesse dienten Völkerrecht
Die Nürnberger Prozesse, bei denen die Nazi-Führungsriege vor Gericht stand, hatten großen Einfluss auf das Völkerrecht. Sie beruhen auf der Londoner Charta, die von den Alliierten am 8. August 1945 unterschrieben wurde.
07.08.2015
Die Nürnberger Prozesse waren der Beginn einer neuen Ära der Gesetzgebung und internationalen Zusammenarbeit. Ihre Grundlage war ein visionärer Völkerrechtsvertrag (Londoner Charta), der die Prozessordnung für die internationalen und amerikanischen Militärgerichtshöfe festlegte, die extra für die Nürnberger Prozesse ins Leben gerufen wurden. Die Londoner Charta wurde am 8. August 1945 unterschrieben - vor genau 70 Jahren.
Am 24. November 1945, in einer Stadt, die wenige Monate zuvor als "90 Prozent tot" eingestuft wurde, betraten 22 Männer den Nürnberger Justizpalast. Sie standen vor Gericht für Verbrechen, die es so zuvor noch nie gegeben hatte.
Die Männer gehörten zu dem, was von der Nazi Führungsriege noch übrig war, und hatten die vergangenen Monate eingesperrt in einem Schloss in Luxemburg verbracht. Sie wussten nicht, was sie erwartete.
Einige von ihnen rechneten damit, sofort hingerichtet zu werden, andere empfanden es als Beleidigung, überhaupt festgenommen worden zu sein. Das Alphatier unter ihnen war Hermann Göring, der ehemalige Präsident des Reichstags, Oberbefehlshaber der Deutschen Luftwaffe und möglicher Nachfolger Adolf Hitlers.
Noch im Juli 1945 hatte Göring eine Pressekonferenz gegeben, auf der er gefragt wurde, ob er wisse, dass er auf der Liste der Kriegsverbrecher stehe. Seine Antwort: "Nein. Die Frage erstaunt mich, weil ich mir nicht vorstellen kann, warum ich da drauf stehen sollte."
Göring hatte keine Ahnung von dem enormen, komplizierten Prozess, von dem er ein Teil sein würde. Für das Gerichtsverfahren mussten Grundlagen, Anklagepunkte und Bestrafungen komplett neu aufgestellt werden. Der Aufbau ähnelte ein wenig dem des Strom-, Wasser und Abwassernetzes in Deutschland, mit dem die Alliierten von Null beginnen mussten. So etwas wie diesen Gerichtsprozess hatte es noch nie gegeben.
Hermann Göring in court. (Photo: Museen der Stadt Nürnberg)
Hermann Göring blieb während der Verhandlungen ruhig und kalt
Ein riesiger Schritt für internationale Gerichtsbarkeit
Die Nürnberger Prozesse und die Londoner Charta waren von großer, visionärer Bedeutung, sagt Lauri Mälksoo, Professor für Völkerrecht an der Universität von Tartu in Estland.
"Es gibt nichts Wichtigeres auf diesem Feld", sagte Mälksoo der DW. "Der Einfluss darauf, wie internationale Verbrechen definiert werden, war riesig - so wurde der Begriff 'Verbrechen gegen die Menschlichkeit' praktisch erfunden."
Die Londoner Charta war das Ergebnis von sechs Wochen anstrengender, chaotischer Verhandlungen, die sich nach dem Sieg der Alliierten um einen quadratischen Tisch in London abspielten. Die quadratische Form war ein Muss, damit alle vier Alliierten Mächte eine gleichgroße Delegation schicken konnten, schreiben Ann und John Tusa in ihrem Buch über die Nürnberger Prozesse von 2010, "The Nuremberg Trial".
Die Briten waren die Gastgeber und standen den Verhandlungen vor, aber es bestand kein Zweifel daran, welche der vier Mächte das Ganze wirklich vorantrieb - die USA hatten die Idee gehabt, die führenden Nazis vor Gericht zu stellen.
Die europäischen Alliierten tendierten zu direkteren Bestrafungen. Der sowjetische Premierminister Joseph Stalin schlug während einer feuchtfröhlichen Verhandlungspause auf der Teheran Konferenz 1943 angeblich vor, die 50.000 obersten Nazis zusammenzutreiben und zu erschießen.
Für die USA, speziell für den idealistischen Richter Robert H. Jackson, war der Aufbau eines Gerichts für die grausamsten Verbrecher ihrer Zeit eine historische Gelegenheit. "Es wird höchste Zeit, dass wir nach dem rechtlichen Prinzip, wonach aggressive Kriegstreiberei illegal und kriminell ist, auch handeln", schrieb Jackson in einem Bericht an US-Präsident Harry Truman während seiner Vorbereitung für die Londoner Konferenz.
Robert H. Jackson. (Photo: picture alliance/ dpa)
Robert Jackson konnte nicht alle seine Ideale durchsetzen
Zwei Rechtssysteme, ein Prozess
Aber die Wochen in London zogen ins Land und Jackson versank in einem rechtlichen Gerangel um die beste Prozessführung. Das größte Problem: in den USA und im Vereinten Königreich galt das sogenannte Common Law und in Russland und Frankreich, sowie im größten Teil Kontinentaleuropas wie zum Beispiel Deutschland, das Civil oder Continental Law.
Sollte die Anklageschrift in einer ersten Fassung von der Staatsanwaltschaft vorgetragen und die Beweise während des Prozesses eingebracht werden, so wie im Common Law? Oder sollte die komplette Anklageschrift mit allen Beweisen der Staatsanwaltschaft von einer separaten Gruppe vorbereitet werden und dann der Staatsanwaltschaft und Verteidigung zur Verfügung gestellt werden, so wie im Continental Law? Sollten die Richter das Recht haben, einzugreifen und den Prozess leiten so wie im Continental Law, oder sollten die Anwälte beider Seiten über die Vorgänge entscheiden und die Angeklagten sowie Zeugen im Kreuzverhör vernehmen so wie im Common Law?
Diese Fragen mögen klein erscheinen im Vergleich zu den Verbrechen, um die es ging, aber sie zeigen, wie tief das Misstrauen zwischen den zwei Seiten in London bereits ging - ein Misstrauen, das der Vorreiter der Paranoia im Kalten Krieg war.
Jackson, der der leitende Staatsanwalt der Nürnberger Prozesse werden sollte, und sein russisches Pendant General Iona Nikittschenko, der ein Richter bei dem Verfahren werden sollte, verwickelten sich häufig in rechtliche Missverständnisse, die in Streitigkeiten eskalierten. Beide Seiten unterstellten der jeweils anderen bösartige Absichten.
Aber, wie Mälksoo sagte, "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Man kann es schon eine Leistung nennen, dass die zwei rechtlichen Traditionen zu einer Einigung kamen, in einem Fall, bei dem Meinungsverschiedenheiten so offensichtlich waren."
Anklagebank bei den Nürnberger Prozessen. (Photo: picture alliance/ akg-images)
Die Angeklagten kamen aus der Führungsriege der Nazis
Idealbild und Wirklichkeit
Am Ende der Londoner Charta-Verhandlungen einigte man sich auf vier Anklagepunkte gegen die 22 Naziverbrecher: Verbrechen gegen den Frieden, Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Auf den ersten Blick scheinen sie alles abzudecken, aber Jackson vermisste zwei Schlüsselpunkte, die er gern für die Zukunft festgeschrieben hätte. Er wollte, dass Krieg an sich als universelles Verbrechen definiert wird und dass die Grundlagen, die in Nürnberg festgelegt wurden, später für alle Seiten gelten sollten.
Doch Jacksons Traum erfüllte sich nicht: Nürnberg blieb ein ausschließlich militärisches Tribunal, dass speziell entstanden war, um das Nazi Regime vor Gericht zu stellen.
Damals wie heute ist internationales Strafrecht nicht frei von Politik. So wie es die Prinzipien der Londoner Charta direkt in den Internationalen Gerichtshof in Den Haag geschafft haben, sind auch die Fehler dort gelandet.
"Einer der Kritikpunkte am IGH (Internationaler Gerichtshof) ist, dass er sich realistischer Weise wahrscheinlich nie mit US- oder mit russischen Kriegsverbrechen beschäftigen wird, wegen des Standes, den diese beiden Länder im UN Sicherheitsrat und in der Weltordnung innehaben", sagte Mälksoo. "Das Problem bleibt: Gilt dieses Recht auch für die großen Mächte? Praktisch gesehen nicht wirklich."
Menschlichkeit als rechtliches Prinzip
Trotz der komplizierten politischen Wirklichkeit ist die Bedeutung der Charta von 1945 nicht zu leugnen.
"Die Londoner Charta war ein großer kultureller Schritt nach vorn", sagte der deutsche Historiker Ingo Müller im DW-Gespräch. Man vergesse leicht, dass Deutschland nicht immer so bereit war, die Prinzipien, für die die Charta steht, zu akzeptieren.
"Es gab richtig Widerstand in Deutschland gegen die Nürnberger Prozesse, besonders von Juristen", so Müller. "Die deutsche Judikative erkannte die Verurteilung nicht an und als die alten Nazis freikamen, hatten sie keinerlei Vorstrafeneinträge. Also bekamen sie natürlich alle ihre Militärrente - inklusive Nachzahlungen."
Müller ist aber auch optimistisch.
"Die Lektion von Nürnberg war, dass Völkerrecht durchgesetzt werden kann", sagte er. "Natürlich ist die Schwäche des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag (IGH), dass die wirklich Mächtigen - die USA, China - ihn nicht anerkennen. Aber ich glaube, dass er unser globales Gewissen beeinflusst."
Datum 07.08.2015
Autorin/Autor Ben Knight/ cb
https://www.dw.com/de/
Die Nürnberger Prozesse
Anfang August 1945 begründeten die Alliierten einen Internationalen Militärgerichtshof zur Verurteilung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen gegen den Frieden. Der Militärgerichtshof sollte im Justizpalast Nürnberg tagen. Die Nürnberger Prozesse gelten als der wichtigste Bestandteil des alliierten Bestrafungsprogramms gegen führende Vertreter des NS-Regimes. Sie fanden vom 20. November 1945 bis 14. April 1949 statt und umfassten den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher sowie mehrere sogenannte Nürnberger Nachfolgeprozesse.
Übersicht über die Nürnberger Prozesse
Bildergalerie
Der Internationale Militärgerichtshof IMT
Der Hauptprozess
Urteil Hauptprozess
Die Nachfolgeprozesse
Bedeutung von Nürnberg
Die „Nürnberger Prinzipien“
Digitalisierte historische Dokumente
Kurz & knapp: Die Nürnberger Prozesse
Was waren die Nürnberger Prozesse?
Die Hauptverantwortlichen der NS-Verbrechen, die gefasst werden konnten, mussten sich in den Nürnberger Prozessen vor Gericht unter anderem für ihre Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten.
Warum sind die Nürnberger Prozesse so bedeutend?
Die Prozesse trugen zur Aufklärung der NS-Verbrechen bei. Erstmals wurden Politiker und Militärs persönlich bestraft und ihre individuelle Schuld untersucht. Seither ist eine Verfolgung durch das Völkerstrafrecht möglich, selbst wenn die Verbrecher ein hohes Amt innehaben oder die Gesetze eines Staates das Verbrechen zulassen. Der erste Prozess vor dem Internationalen Militärgerichtshof bereitete dem heutigen Internationalen Strafgerichtshof im niederländischen Den Haag den Weg. Er war essenziell für das moderne Völkerstrafrecht.
Wie liefen die Prozesse ab?
Neben dem bekannteren Prozess gegen die „Hauptkriegsverbrecher“ in Nürnberg gab es zwölf weitere Prozesse, die sogenannten „Nachfolgeprozesse“. Im Hauptkriegsverbrecherprozess klagten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs (USA, Großbritannien, Sowjetunion und Frankreich) 24 Personen und sechs Organisationen vor dem „International Military Tribunal" (IMT) in Nürnberg an. Er dauerte vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946. Die restlichen zwölf Nachfolgeprozesse (1946-1949) bestritten die USA in Alleinregie ohne Internationales Militärtribunal.
Wie gingen die Prozesse aus?
Insgesamt waren 209 Nationalsozialisten aus Politik, Verwaltung, Militär und Wirtschaft angeklagt, 36 davon wurden zum Tod verurteilt.
Wurden alle NS-Verbrecher verurteilt?
Nein. Einige Kriegsverbrecher wie zum Beispiel Adolf Hitler, Joseph Goebbels oder Heinrich Himmler entzogen sich bereits im Vorfeld ihrer Bestrafung durch Selbstmord. Andere tauchten unter und konnten flüchten.
Bildergalerie
Das Büro für Druckschriftenherstellung nach dem Ende des ersten Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-V00197-3 / CC-BY-SA 3.0.Das Büro für Druckschriftenherstellung nach dem Ende des ersten Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-V00197-3 / CC-BY-SA 3.0.
Das Tribunal während der Urteilsverkündung. Von links: Alexander F. Wolchkow und Iola T. Nikitschenko (UdSSR), Norman Birkett und der Vorsitzende des IMT, Geoffrey Lawrence (Großbritannien), Francis Biddle und John J. Parker (USA) sowie Henri Donnedieu de Vabres und Robert Falco (Frankreich). Foto: Museen Nürnberg / National Archives, College Park, MD, USA.Das Tribunal während der Urteilsverkündung. Von links: Alexander F. Wolchkow und Iola T. Nikitschenko (UdSSR), Norman Birkett und der Vorsitzende des IMT, Geoffrey Lawrence (Großbritannien), Francis Biddle und John J. Parker (USA) sowie Henri Donnedieu de Vabres und Robert Falco (Frankreich).
Foto: Museen Nürnberg / National Archives, College Park, MD, USA.
Robert H. Jackson, amerikanischer Hauptanklagevertreter, spricht vor Gericht in Nürnberg, 1946. Foto: Museen Nürnberg / National Archives, College Park, MD, USA.Robert H. Jackson, amerikanischer Hauptanklagevertreter, spricht vor Gericht in Nürnberg, 1946. Foto: Museen Nürnberg / National Archives, College Park, MD, USA.
Das Internationale Militärgericht gegen Kriegsverbrecher in Nürnberg. Foto: United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of National Archives and Records Administration; public domain.Das Internationale Militärgericht gegen Kriegsverbrecher in Nürnberg. Foto: United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of National Archives and Records Administration; public domain.
Die Angeklagten und ihre Anwälte beim Internationalen Militärgerichtsprozess gegen Kriegsverbrecher in Nürnberg. Foto: United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of National Archives and Records Administration; public domain.Die Angeklagten und ihre Anwälte beim Internationalen Militärgerichtsprozess gegen Kriegsverbrecher in Nürnberg. Foto: United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of National Archives and Records Administration; public domain.
Das Büro für Druckschriftenherstellung nach dem Ende des ersten Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-V00197-3 / CC-BY-SA 3.0.Das Büro für Druckschriftenherstellung nach dem Ende des ersten Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-V00197-3 / CC-BY-SA 3.0.
Das Tribunal während der Urteilsverkündung. Von links: Alexander F. Wolchkow und Iola T. Nikitschenko (UdSSR), Norman Birkett und der Vorsitzende des IMT, Geoffrey Lawrence (Großbritannien), Francis Biddle und John J. Parker (USA) sowie Henri Donnedieu de Vabres und Robert Falco (Frankreich). Foto: Museen Nürnberg / National Archives, College Park, MD, USA.Das Tribunal während der Urteilsverkündung. Von links: Alexander F. Wolchkow und Iola T. Nikitschenko (UdSSR), Norman Birkett und der Vorsitzende des IMT, Geoffrey Lawrence (Großbritannien), Francis Biddle und John J. Parker (USA) sowie Henri Donnedieu de Vabres und Robert Falco (Frankreich).
Hintergrundwissen
Warum gab es die Nürnberger Prozesse? Was waren die Verbrechen, die das NS-Regime beging? Was geschah in Auschwitz? Hintergrundinformationen zum Nationalsozialismus in Deutschland und dem Zweiten Weltkrieg finden Sie hier:
Übersicht zum Thema Nationalsozialismus
Der Internationale Militärgerichtshof IMT
Wozu gab es den IMT?
Robert H. Jackson vertrat die Vereinigten Staaten als „öffentlicher Hauptankläger“. Die Grundsätze, die ihn dabei leiteten, legte er am 21. November 1945 in seiner Einführungsrede dar:
„Die Untaten, die wir zu beurteilen und zu bestrafen suchen, waren so ausgeklügelt, so böse und von so verwüstender Wirkung, dass die menschliche Zivilisation es nicht dulden kann, sie unbeachtet zu lassen, sie würde sonst eine Wiederholung solchen Unheils nicht überleben.“ ...
„Dass vier große Nationen, erfüllt von ihrem Siege und schmerzlich gepeinigt von dem geschehenen Unrecht, nicht Rache üben, sondern ihre gefangenen Feinde freiwillig dem Richtspruch der Gesetze übergeben, ist eines der bedeutsamsten Zugeständnisse, die die Macht jemals der Vernunft eingeräumt hat.“
Großbritannien, die USA und die Sowjetunion hatten bereits in ihrer Moskauer Erklärung (auch Moskauer Deklaration genannt) vom 1. November 1943 während des Zweiten Weltkriegs bekräftigt, NS-Verbrecher zur Verantwortung ziehen zu wollen. Auf Grundlage des Londoner Abkommens vom 8. August 1945 schufen sie unter Einbeziehung Frankreichs ein Internationales Militärtribunal (IMT).
Im Londoner Abkommen stand, es solle „ein Internationaler Militärgerichtshof gebildet werden zur Aburteilung der Kriegsverbrecher“. Damit hatte zum ersten Mal in der Geschichte ein internationales Gericht die Vollmacht, führende Vertreter eines Staates persönlich für Verletzungen des Völkerrechts zur Rechenschaft zu ziehen.
zur Moskauer Deklaration (englisch)
zum Londoner Abkommen (deutsch)
zum Statut für den Internationalen Militärgerichtshof (deutsch)
Warum in Nürnberg?
Ursprünglich sollte das IMT in Berlin tagen, wo am 18. Oktober 1945 auch die Eröffnungssitzung stattfand. Anschließend wurde der Prozess aber nach Nürnberg verlegt. Die USA drängten darauf, dass der Prozess in ihrer Besatzungszone, also in Süddeutschland, stattfinden sollte. Die Wahl fiel dann auf Nürnberg und den Nürnberger Justizpalast. Der fast unzerstörte Justizpalast bot mit 80 Verhandlungssälen und 530 Büros genug Platz für das Personal und den Prozess. Keine andere deutsche Stadt biete ein solches Gebäude, begründete US-Hauptankläger Robert H. Jackson damals die Wahl des Ortes, zumal praktischerweise gleich nebenan ein ebenfalls unzerstörtes Gefängnis stand.
Luftaufnahme des Justizpalastes und des Gefängnisses, Ort der Nürnberger Prozesse. Foto: Harry S. Truman Library & Museum; public domain.
Luftaufnahme des Justizpalastes und des Gefängnisses, Ort der Nürnberger Prozesse. Foto: Harry S. Truman Library & Museum; public domain.
Hintergrundwissen: Aufbau des IMT: Richter, Stellvertreter und Hauptankläger
Hintergrund: Die Moskauer Deklaration
Der Hauptprozess
Am 20. November 1945 begann im eigens umgebauten Schwurgerichtssaal 600 des Nürnberger Justizpalastes der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des Nationalsozialismus. In dem bis 1. Oktober 1946 andauernden Verfahren waren 24 Personen angeklagt. Ganz bewusst wurden Mitglieder unterschiedlicher Teile der Führung Hitler-Deutschlands angeklagt. Führende Politiker, Beamte, Funktionäre der NSDAP und Generale mussten sich für ihre Taten verantworten.
Die schlimmsten Täter standen allerdings nicht vor Gericht: Diktator Adolf Hitler, Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels und Reichsführer SS Heinrich Himmler hatten sich durch Selbstmord der Verantwortung entzogen.
Die Anklage
im Hauptkriegsverbrecher-Prozess
Die deutsche Partei- und Staatsführung wurde nach vier hauptsächlichen Punkten aus dem Statut für das Internationale Militärtribunal (IMT) auf Grundlage von Art. 6a, b und c der IMT-Charta angeklagt:
Gemeinsamer Plan oder Verschwörung
Verbrechen gegen den Frieden
Kriegsverbrechen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Die Angeklagten
Auf der Anklagebank des Nürnberger Prozesses saßen 21 der ursprünglich 24 angeklagten Vertreter des NS-Regimes. Gegen Martin Bormann wurde in Abwesenheit verhandelt, das Verfahren gegen Gustav Krupp von Bohlen und Halbach wurde wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt, Robert Ley hatte bereits vor Prozessbeginn Selbstmord begangen.
Martin Bormann (Hitlers „Stellvertreter“, zum Tode verurteilt)
Karl Dönitz (Admiral, zu zehn Jahren Haft verurteilt)
Hans Frank (Generalgouverneur, zum Tode verurteilt)
Wilhelm Frick (Reichsminister, zum Tode verurteilt)
Hans Fritzsche (Leiter Rundfunkabteilung im Propagandaministerium, freigesprochen)
Walther Funk (Reichswirtschaftsminister, lebenslange Haft)
Hermann Göring (Reichsmarschall, zum Tode verurteilt)
Rudolf Hess (Reichsminister, lebenslange Haft)
Alfred Jodl (Generaloberst, zum Tode verurteilt)
Ernst Kaltenbrunner (Chef des Reichssicherheitshauptamts, zum Tode verurteilt)
Wilhelm Keitel (Generalfeldmarschall, zum Tode verurteilt)
Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (Wehrwirtschaftsführer, Verfahren eingestellt)
Robert Ley (Reichsorganisationsleiter der NSDAP, entzog sich dem Prozess durch Selbstmord)
Konstantin Freiherr von Neurath (Außenminister und Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, 15 Jahre Haft)
Franz von Papen (Politiker, Freispruch)
Erich Raeder (Großadmiral, lebenslange Haft)
Joachim von Ribbentrop (Außenminister, zum Tode verurteilt)
Alfred Rosenberg (Reichsminister, zum Tode verurteilt)
Fritz Sauckel (Reichsverteidigungskommissar, zum Tode verurteilt)
Hjalmar Schacht (Wirtschaftsminister, Freispruch)
Baldur von Schirach (Reichsstatthalter, 20 Jahre Haft)
Arthur Seyß-Inquart (SS-Obergruppenführer, zum Tode verurteilt)
Albert Speer (Rüstungsminister, 20 Jahre Haft)
Julius Streicher (Gruppenführer SA, zum Tode verurteilt)
Das Urteil im ersten Nürnberger Prozess
Interessierte Zeitungsleser nach der Urteilsverkündung der Nürnberger Prozesse. Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1990-032-29A / Unknown / CC-BY-SA 3.0.
Interessierte Zeitungsleser nach der Urteilsverkündung der Nürnberger Prozesse. Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1990-032-29A / Unknown / CC-BY-SA 3.0.
Die französische und die sowjetische Anklage forderten die Todesstrafe für alle Angeklagten. Der britische Ankläger forderte unterschiedliche Urteile für die Angeklagten, der amerikanische Ankläger gab keine klare Empfehlung ab.
Nach neun Monaten wurden am 30. September und am 1. Oktober 1946 die Urteile im Hauptkriegsverbrecherprozess verlesen:
Zwölf Angeklagte wurden zum Tode verurteilt, drei zu lebenslanger Haft und vier zu langjährigen Haftstrafen.
Die Todesurteile wurden am 16. Oktober 1946, zwei Wochen nach der Urteilsverkündung, in Nürnberg vollstreckt. Nur Hermann Göring entzog sich durch Selbstmord der Hinrichtung am Galgen.
Freispruch
Drei Angeklagte sprach das Gericht frei, genauer gesagt die Angeklagten (im Bild von rechts) Hans Fritzsche, Hjalmar Schacht und Franz von Papen.
Die Angeklagten (von rechts) Hans Fritzsche, Hjalmar Schacht und Franz von Papen kurz nach ihrem Freispruch vor Pressevertretern. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-V01715 / CC-BY-SA 3.0.
Die Angeklagten (von rechts) Hans Fritzsche, Hjalmar Schacht und Franz von Papen kurz nach ihrem Freispruch vor Pressevertretern. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-V01715 / CC-BY-SA 3.0.
Das NSDAP-Führerkorps, die Gestapo, der SD und die SS (mit Ausnahme der Reiter-SS) wurden vom Internationalen Militärgerichtshof zu verbrecherischen Organisationen erklärt.
Erstmals in der Geschichte war durch den Spruch von Nürnberg der Angriffskrieg zum Verbrechen erklärt worden, erstmals waren Politiker und führende Militärs persönlich dafür zur Verantwortung gezogen worden. Das heutige Völkerstrafrecht hatte seinen Ausgangspunkt im Nürnberger Prozess.
Die Nachfolgeprozesse
Telford Taylor klagte ab Oktober 1946 als Hauptankläger vor dem amerikanischen Militärgerichtshof in Nürnberg zahlreiche weitere NS-Kriegsverbrecher in den zwölf Nachfolgeprozessen an. Bildnachweis: Stadtarchiv Nürnberg, Foto: Ray D'Addario (1946). (StadtAN A 65/II Nr. RA-218-D)
Telford Taylor klagte ab Oktober 1946 als Hauptankläger vor dem amerikanischen Militärgerichtshof in Nürnberg zahlreiche weitere NS-Kriegsverbrecher in den zwölf Nachfolgeprozessen an. Bildnachweis: Stadtarchiv Nürnberg, Foto: Ray D'Addario (1946). (StadtAN A 65/II Nr. RA-218-D)
In Anschluss an den Hauptprozess fanden von 1946 bis 1949 zwölf Nürnberger Nachfolgeprozesse vor amerikanischen Militärgerichten statt. Die amerikanische Anklagebehörde zog in diesen Verfahren 184 Personen zur Verantwortung. Angeklagt waren wichtige Funktionsträger des NS-Regimes vor allem in Verwaltung, Militär, Justiz, Industrie und SS. Die rechtliche Grundlage für die Nachfolgeprozesse bildete das Gesetz Nr.10 des Alliierten Kontrollrats vom 20. Dezember 1945, das dem Statut des IMT nachgebildet war.
Die Anklage
Die zentralen Anklagepunkte lauteten, wie auch beim Hauptprozess:
Verbrechen gegen den Frieden,
Kriegsverbrechen,
Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Im Unterschied zum IMT-Prozess wurden auch Annexionen Österreichs und der Tschechoslowakei durch das Deutsche Reich als Tatbestände des Verbrechens gegen den Frieden definiert. Die Anklagebehörde leitete der amerikanische Brigadegeneral Telford Tayler, der sich bereits im IMT-Prozess bewährt hatte. Es wurden sechs Militärgerichte mit jeweils drei Richtern gebildet. Die Verteidigung der Angeklagten übernahmen rund 200 zumeist deutsche Rechtsanwälte. Übersicht über die Prozesse
In insgesamt zwölf Prozessen wurden 177 hochrangige Mediziner, Juristen, Industrielle, SS- und Polizeiführer, Militär, Beamte und Diplomaten angeklagt. Die Verfahren belegen, in welchem Ausmaß die deutsche Führungsschicht zum Machtsystem der NS-Gewaltherrschaft beigetragen hatte.
Ärzteprozess
Prozess gegen Erhard Milch
Juristen-Prozess
Prozess gegen das SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt
Flick-Prozess
IG-Farben-Prozess
Prozess gegen Süd-Ost-Generäle
Prozess gegen das SS-Rasse- und Siedlungshauptamt
Einsatzgruppenprozess
Krupp-Prozess
Wilhelmstraßenprozess
OKW-Prozess
Die Urteile
Von den 177 Angeklagten wurden 24 zum Tode verurteilt, zwanzig zu lebenslanger Haft und 98 zu teilweise langjährigen Freiheitsstrafen. 25 Angeklagte wurden freigesprochen. Durch Begnadigungen in den 1950er Jahren wurden viele der verurteilten NS-Verbrecher vorzeitig aus der Haft entlassen. Von den 24 Todesurteilen wurden 13 vollstreckt.
Bedeutung von Nürnberg
Logo Internationaler Strafgerichtshof
Die Alliierten zeigten mit den Prozessen, dass sie nicht dem deutschen Volk als Kollektiv die Schuld für die grausamen Verbrechen Nazi-Deutschlands zuschrieben, sondern einzelnen Handelnden. Außerdem wollten sie den gerade erst von einer Diktatur befreiten Deutschen anhand eines fairen Gerichtsprozesses vor Augen führen, wie Demokratie und Rechtsstaaat funktionieren.
Das Konzept der US-amerikanischen Anklagevertretung sah vor, den Prozess als „Dokumentenprozess“ zu führen. Neben der amtlichen Aktenüberlieferung spielten in dem Verfahren auch filmische Beweismittel eine große Rolle. Alle Siegermächte hatten beim militärischen Vormarsch eigene Filmteams damit beauftragt, die Zustände in den Konzentrations- und Vernichtungslagern für die juristische Aufarbeitung festzuhalten.
Der Einzelne war verantwortlich
Ein Novum in der Anklage bei den Nürnberger Prozessen war es, nicht nur einen Staat, sondern auch Einzelpersonen für den Bruch des geltenden Völkerrechts verantwortlich zu machen, so zum Beispiel im Fall von Angriffskriegen. Auch Kriegsverbrechen waren eindeutig definiert.
Noch nie zuvor hatte es ein derartiges internationales Gericht wie das Internationale Militärtribunal für die Bestrafung von Kriegsverbrechern gegeben. Ausschlaggebend war das große Ausmaß der Grausamkeiten, das durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg begangen worden war.
Gräueltaten der Nationalsozialisten aufgedeckt
Die Nürnberger Prozesse waren Bestandteil des US-amerikanischen Programms der Reeducation. Sie sollten der deutschen Bevölkerung die Augen über das Nazi-Regime und seine einzigartigen Verbrechen öffnen. Damit waren die Prozesse jedoch überfordert, wie sich angesichts der ambivalenten Wirkung in Deutschland zeigte. Dennoch fand im Nürnberger Gerichtssaal die erste große und öffentliche Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten und somit geschichtliche Aufklärungsarbeit statt.
Im Laufe der Prozesse bekam das deutsche Volk gnadenlos das ganze Ausmaß von Hitlers Wahn und dessen schreckliche Folgen gezeigt. Viele Deutsche sagten später, sie hätten erst während des Nürnberger Prozesses von den Gräueltaten an den Juden und anderen Minderheiten erfahren. Das Medieninteresse an den Prozessen war ungeheuer groß. Journalisten aus aller Welt wohnten den Gerichtsverfahren im Justizpalast in Nürnberg bei. Die Bilder der Hauptangeklagten auf der Anklagebank gingen um die Welt.
Meilenstein im Völkerrecht
Mit dem Statut für den Militärgerichtshof war ein Präzedenzfall für die Bestrafung von Kriegsverbrechen geschaffen worden. Die im Statut festgelegten Rechtsgrundsätze gelten als ein Meilenstein für die Entwicklung des Völkerstrafrechts, das Individuen für staatliches Handeln strafrechtlich verantwortlich macht.
Kritik am Prozess
Im Prozess versuchten die deutschen Verteidiger immer wieder, auch Kriegsverbrechen der Alliierten zum Thema zu machen, so zum Beispiel die Bombardierung von Städten, der Abwurf der Atombomben auf Japan oder die Ermordung von 4.000 polnischen Offizieren durch die sowjetische Armee bei Katyn.
Im Zentrum der Kritik an den Nürnberger Prozessen standen aber vor allem zwei Aspekte. Zum einen der Vorwurf der fehlenden Legitimation: Da die Entscheidung zu einem solchen Prozess ausschließlich in den Händen der alliierten Siegermächte gelegen hatte, empfanden dies viele Deutsche als ungerecht. Aus ihrer Sicht hätte die strafrechtliche Verfolgung der NS-Verbrechen in die Hände der eigenen Justiz gehört. Zum andern der Vorwurf der mangelnden Rechtmäßigkeit: Er bezog sich vor allem auf die anglo-amerikanischen Rechtstraditionen, die den Prozessen zugrunde lagen. Kritiker sprachen immer wieder von einer unfairen Benachteiligung der Angeklagten und ihrer Verteidiger.
Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu den Prozessen nahm auch die Kritik zu. Immer mehr wurde das gesamte Spektrum der alliierten Sanktionen in einen Topf geworfen und als „Siegerjustiz“ kritisiert. Man sprach nun von inszenierten „Stellvertreterprozessen“, in denen es nur vordergründig um die Schuld Einzelner gehe, hintergründig aber um den Beweis einer „Kollektivschuld“ der Deutschen. Eine Schlüsselposition bei dieser Bewertung nahmen gerade diejenigen gesellschaftlichen Eliten ein, an die sich das alliierte Programm „Umerziehung durch Recht“ richtete. Vor allem die beiden christlichen Kirchen waren daran beteiligt und agitierten gegen Entnazifizierung und Strafverfolgung. Teilweise wurde sogar zum passiven Widerstand gegen die Entnazifizierung aufgerufen.
Amnestiepolitik unter Adenauer
Wie bedeutend die Nürnberger Prozesse für die junge Bundesrepublik waren, zeigt die Tatsache, dass der frisch gewählte erste Bundeskanzler Konrad Adenauer in seiner Regierungserklärung am 20. September 1949 ankündigte, sich für eine Amnestie der in Landsberg einsitzenden Häftlinge einsetzen zu wollen. Für so manche „Verfehlung“, so Adenauer, müsse man Verständnis aufbringen. Auch die Sozialdemokraten und die FDP unterstützten ihn dabei. Offenbar wollte man damit im sich verschärfenden Kalten Krieg testen, wie ernst es den Amerikanern mit ihrem Angebot zu Partnerschaft und politischer Selbstbestimmung der Bundesdeutschen war.
In der Tat wurden im August 1950 und im Januar 1951 aufgrund des Drängens der Amnestie-Lobby zahlreiche in Nürnberg Verurteilte freigelassen, deren Strafen herabgesetzt oder Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt. Die letzten vier „Landsberger“ kamen im Mai 1958 auf freien Fuß. Vor allem in Frankreich und Großbritannien stieß diese Amnestiepolitik auf scharfe Kritik. In der Bundesrepublik kam die juristische Verfolgung der NS-Verbrechen erst mit dem sogenannten Ulmer Einsatzgruppenprozess und mit der Gründung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen 1957/58 wieder auf die öffentliche Agenda.
Die „Nürnberger Prinzipien“
Bereits 1945 wurden die „Nürnberger Prinzipien“ in der UN-Charta verankert. Zugleich beauftragte die UN-Generalversammlung die damals entstehende Völkerrechtskommission, einen Entwurf für ein Völkerstrafgesetzbuch und Vorschläge für einen Internationalen Strafgerichtshof auszuarbeiten. Am 29. Juli 1950 formulierte die Völkerrechtskommission ihre Fassung der „Nürnberger Prinzipien“, die seither als verbindliche völkerrechtliche Prinzipien gelten.
Die Nürnberger Prinzipien
Jede Person, die ein völkerrechtliches Verbrechen begeht, ist hierfür strafrechtlich verantwortlich.
Auch wenn das nationale Recht für ein völkerrechtliches Verbrechen keine Strafe androht, ist der Täter nach dem Völkerrecht strafbar.
Auch Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder sind für von ihnen begangene völkerrechtliche Verbrechen nach dem Völkerrecht verantwortlich.
Handeln auf höheren Befehl befreit nicht von völkerrechtlicher Verantwortlichkeit, sofern der Täter auch anders hätte handeln können.
Jeder, der wegen eines völkerrechtlichen Verbrechens angeklagt ist, hat Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Verfahren.
Folgende Verbrechen sind als völkerrechtliche Verbrechen strafbar:
a) Verbrechen gegen den Frieden
b) Kriegsverbrechen
c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Die Mittäterschaft zur Begehung der genannten Verbrechen stellt ebenfalls ein völkerrechtliches Verbrechen dar.
Der Weg zum internationalen Strafgerichtshof
Im selben Jahr legte die Völkerrechtskommission einen ersten Entwurf für ein internationales Strafgesetzbuch für „Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit“ vor. Zugleich sprach sich die Kommission für die Schaffung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs für diese Verbrechen aus. 1954 legte sie der Generalversammlung einen überarbeiteten Entwurf dieses Strafgesetzbuches vor, der wiederum die „Nürnberger Prinzipien“ aufnahm.
Allerdings vermochte die Generalversammlung damals weder das Strafgesetzbuch zu verabschieden noch den vorgeschlagenen Gerichtshof einzurichten. Bis in die Neunzigerjahre blieben die „Nürnberger Prinzipien“ ohne Implementierung. Selbst ein erneuter Entwurf, den die Völkerrechtskommission 1991 der Generalversammlung vorlegte, scheiterte. Erst die beiden Ad-hoc-Gerichtshöfe zu Jugoslawien und Ruanda machten den Weg frei für einen ständigen Internationalen Strafgerichtshof.
Digitalisierte historische Dokumente
Das Büro für Druckschriftenherstellung nach dem Ende des ersten Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-V00197-3 / CC-BY-SA 3.0.
Das Büro für Druckschriftenherstellung nach dem Ende des ersten Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-V00197-3 / CC-BY-SA 3.0.
Mehrere Projekte versuchen weltweit, die Dokumente der Nürnberger Prozesse zu digitalisieren und der Öffentlichkeit kostenfrei zugänglich zu machen.
Projekte von Universitäten:
Nuremberg Trials Project der Harvard Law School
The Avalon Project der Yale Law School
Daten öffentlicher Institutionen:
Nuremberg Trials - Military Legal Ressources, zur Verfügung gestellt von der Library of Congress
Dokumente des International Criminal Court zu den Nürnberger Prozessen, abrufbar unter: Other International(ised) Criminal Jurisdictions / International Military Tribunal at Nuremberg (IMT)
Einen weiteren Überblick über den Verbleib der Prozessakten bietet das Buch „Vom Recht Zur Geschichte: Akten aus NS-Prozessen als Quellen der Zeitgeschichte“.
Landeszentrale für politische Bildung
Baden-Württemberg
Lautenschlagerstraße 20
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Phone: 07 11/16 40 99-0
Fax: 07 11/16 40 99-77
E-Mail: poststelle@lpb.bwl.de
www.lpb-bw.de
https://www.lpb-bw.de/
3. YouTube-Videos zu Nürnberger-NS-Kriegsverbrecher-Prozesse
Deutsch-deutsche Geschichte
Nürnberger Prozess | Geschichte
MrWissen2go Geschichte
Im Nürnberger Prozess werden nach Ende des Zweiten Weltkriegs führende Nazis angeklagt. Dass die Anführer der Nazis vor ein Gericht gestellt werden sollen, hatten die Alliierten schon vor Kriegsende beschlossen. Normalerweise kann allerdings nur ein Staat Gerichte einsetzen, die anhand der Gesetze des Landes Entscheidungen treffen. Da die Nationalsozialisten aber für Verbrechen in mehreren Ländern verantwortlich sind, richten die Siegermächte einen internationalen Gerichtshof ein. Jedes der Länder entsendet dafür einen Richter. Beim Nürnberger Prozess werden die obersten Nazis, die noch leben wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Nicht vor Gericht stehen beim Nürnberger Prozess Hitler, Himmler und Goebbels, die vorher Selbstmord begangen hatten. Trotzdem sitzen viele wichtige Nazis beim Nürnberger Prozess auf der Anklagebank. Männer wie Rudolf Heß, Hitlers Stellvertreter, Generäle der Wehrmacht, Minister wie Albert Speer und Hetzer wie Hermann Göring und Julius Streicher. Beim Nürnberger Prozess geht es aber nicht nur darum, die führenden Nazis zu bestrafen, sondern auch darum, das deutsche Volk über die Machenschaften der Nationalsozialisten aufzuklären und umzuerziehen. Trotzdem sehen viele Deutsche den Nürnberger Prozess kritisch und sprechen von „Siegerjustiz“. Drei der Angeklagten beim Nürnberger Prozess werden freigesprochen, die übrigen Angeklagten werden zu Haftstrafen oder dem Tod durch den Strang verurteilt. Hermann Göring entgeht aber seiner Todesstrafe, indem er sich im Gefängnis das Leben nimmt. Der Nürnberger Prozess gegen die oberen Nazis bleibt aber nicht das einzige Verfahren. In Nürnberg werden noch weitere Prozesse gegen Nazis durchgeführt, bei denen viele bisher unbekannte Gräueltaten der Nazis aufgedeckt werden. Mehr zum Nürnberger Prozess erklärt dir Mirko in diesem Video.
https://www.youtube.com/watch?v=PAHLE-URyF8
16.11.2020 - Nürnberger Prozesse: "Es war, als hätte ich in die Hölle geschaut" | DER SPIEGEL
DER SPIEGEL
Benjamin Ferencz war 27, als bei den Nürnberger Prozesse die Anklage vortrug. Der Hundertjährige erinnert sich, wie er in KZs ermittelte, die SS-Einsatzgruppen vor Gericht brachte und mit einem der Massenmörder nach dem Urteil sprach.
https://www.youtube.com/watch?v=mf2W6Q-eAjQ
03.10.2021 - Der Psychologe der Nürnberger Prozesse | Terra X
Terra X
In Nürnberg stehen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Haupttäter des NS-Regimes vor dem Tribunal der Siegermächte. Unter den Angeklagten sind Hermann Göring, lange zweiter Mann im NS-Staat, der ehemalige Außenminister Joachim von Ribbentrop sowie Hans Frank, als Generalgouverneur im besetzten Polen mitschuldig am Tod von Hunderttausenden. In ihren Zellen kommt ihnen kaum einer so nahe wie der amerikanische Gerichtspsychologe Gustave Gilbert. Ausgerechnet dem jüdischen Gutachter vertrauen sie sich an. Gilbert steht vor einer Mammutaufgabe: Voraussetzung für einen ordentlichen Prozess ist sein Gutachten über die mentale Verfassung der Angeklagten. Im Lauf des Prozesses wird der Psychologe zu einer der wichtigsten Bezugspersonen für die einstigen Machthaber. Die Angeklagten sind die meiste Zeit in ihren Zellen allein, rund um die Uhr von Wachposten beobachtet. In ihrer Einsamkeit vertrauen sie sich Gilbert an. In seinem Tagebuch dokumentiert er die Gespräche akribisch. Das Dokument gibt Einblick in die Gedankenwelt der NS-Größen. Während sie sich der Öffentlichkeit gerade zu Beginn des Prozesses noch als verschworene Gemeinschaft präsentieren, machen sie gegenüber dem Psychologen keinen Hehl aus ihrer Verachtung füreinander. Was sie dagegen eint: keiner will Genaueres von den Gräueltaten des NS-Regimes gewusst haben. Und so schieben sie – mit Ausnahme Görings – die Schuld auf den „Führer“, Adolf Hitler, dem sie die Treue geschworen hatten. Am 1. Oktober 1946, nach 218 Verhandlungstagen und 236 gehörten Zeugen, ergeht das Urteil: Tod durch den Strang. Göring kommt der Hinrichtung zuvor, indem er sich mit einer Zyankali-Pille selbst das Leben nimmt. Zusammen mit acht weiteren Angeklagten werden Joachim von Ribbentrop und Hans Frank am 16. Oktober 1946 gehängt. Gustave Gilbert stirbt 1977. Sein Vermächtnis aber bleibt. Bis heute geben uns seine Tagebücher Einblick in das Denken der Angeklagten von Nürnberg.
https://www.youtube.com/watch?v=fv5Z2U_-qx8
20.11.2020 - Die Nürnberger Prozesse (1/3): Das Dritte Reich vor Gericht | SPIEGEL TV
DER SPIEGEL
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden im Nürnberger Justizpalast 22 Repräsentanten des „Dritten Reiches" zur Verantwortung gezogen für Krieg, Terror und Massenmord: darunter Hermann Göring, Karl Dönitz, Albert Speer und Rudolf Heß. Sie werden der Verschwörung angeklagt, Angriffskriege geführt, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Die vier Siegermächte beantworten das Jahrtausendverbrechen der Nazis mit einem Jahrtausendprozess. Erstmals in der Geschichte sitzt eine ganze Staatsführung auf der Anklagebank.
https://www.youtube.com/watch?v=mu3sZtjPmfE
Zweiter Teil hier: https://youtu.be/ISGN2Du5i20
Dritter Teil hier: https://youtu.be/DUOeLS2QK38
4. Online-Artikel zu Nürnberger-NS-Kriegsverbrecher-Prozesse
Abrechnung mit dem NS-Regime
Von: Frank Staudenmayer und Rainer Aul
Stand: 27.11.2020 | Archiv |Bildnachweis
Blick in den Verhandlungssaal der Nürnberger Prozesse 1945 | Bild: picture-alliance/dpa
"Dass vier große Nationen, erfüllt von ihrem Siege und schmerzlich gepeinigt von dem geschehenen Unrecht, nicht Rache üben, sondern ihre gefangenen Feinde freiwillig dem Richterspruch des Gesetzes übergeben, ist eines der bedeutsamsten Zugeständnisse, das die Macht jemals der Vernunft eingeräumt hat."
Robert H. Jackson, Chefankläger der USA, am 20. November 1945 im Saal 600 des Nürnberger Justizpalasts
Es war das erste Mal, dass führende Vertreter eines Regimes für Verbrechen gegen die Menschlichkeit persönlich haftbar gemacht wurden. Bisher mussten Staat und Volk gemeinschaftlich für die Folgen eines Krieges gerade stehen. Doch nach Ende des Zweiten Weltkrieges sollte alles anders laufen: Die drei Alliierten USA, Sowjetunion und Großbritannien einigten sich im Londoner Statut auf die Einrichtung eines völkerrechtlichen Tribunals unter Mitwirkung von Frankreich: den sogenannten Internationalen Militärgerichtshof. Damit wurden auch die Schlüsse aus den Fehlern gezogen, die nach dem Ersten Weltkrieg begangen wurden. Damals war es Deutschland selbst überlassen war, Kriegsverbrechen aufzuarbeiten – oder eben auch nicht.
Am 20. November 1945 trat der Internationale Militärgerichtshof zum ersten Mal zusammen. Der Nürnberger Justizpalast mit dem Saal Nummer 600 war während des Bombenkrieges nur leicht beschädigt worden und bot ausreichend Platz für einen umfassenden Prozess. Keine andere deutsche Stadt biete ein solches Gebäude, begründete US-Hauptankläger Robert H. Jackson damals die Wahl des Ortes, zumal praktischerweise gleich nebenan ein ebenfalls unzerstörtes Gefängnis stand. Ein knappes Jahr später, am 30. September und 1. Oktober 1946, sprach das internationale Militärtribunal die Urteile: Zwölf Nazi-Rädelsführer wurden zum Tode verurteilt, sieben bekamen langjährige Haftstrafen, drei wurden freigesprochen. Knapp drei Wochen später, am 16. Oktober 1946, wurden die Urteile vollstreckt.
Am 11. Dezember 1946 erklärten die Vereinten Nationen das bei dem Prozess in Nürnberg angewandte Recht zum Völkerrecht. Die Nürnberger Prozesse waren damit Vorläufer für ein Verfahren, das auch bei späteren internationalen Tribunalen, wie zu Ruanda oder Jugoslawien, angewandt wurden. Juristen sprechen heute von den "Nuremberg Principles". Und auch der Internationale Strafgerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag basiert auf den Nürnberger Prinzipien.
https://www.br.de/
Nürnberger ProzessZwölf Todesurteile – nur wenig Schuldbewusstsein
Samstag, 01.10.2016, 20:22
Zwölf Jahre lang hatten sie sich wie die Götter aufgespielt. Doch als die 22 Männer am 1. Oktober 1946 im Nürnberger Justizpalast das Urteil des Internationalen Militärtribunals entgegennahmen, wirkten sie jämmerlich und grau.
Reichsmarschall Hermann Göring, Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, Außenminister Joachim von Ribbentrop, Militärs und Industrielle - sie alle hatten trotz Millionen Toter im Zweiten Weltkrieg trotzig auf "nicht schuldig" plädiert. Hitler, Goebbels, Himmler und der Chef der Deutschen Arbeitsfront, Robert Ley, hatten zuvor bereits Selbstmord begangen.
Nur Albert Speer, Rüstungsminister und Chefarchitekt des Dritten Reiches, bekannte allgemeine Mitverantwortung, wollte aber von den grauenvollen Einzelheiten nichts gewusst haben - eine Schutzbehauptung. Mittlerweile ist belegt, dass er aktiv an der Vertreibung von Juden aus Berlin und an der Vernichtung von KZ-Häftlingen beteiligt war.
Drei Angeklagte freigesprochen
"Jetzt sitzen also der Krieg, der Pogrom, der Menschenraub, der Mord en gros und die Folter auf der Anklagebank", schrieb der Schriftsteller und Prozessbeobachter Erich Kästner. Zwölf Angeklagte wurden zum Tod und sieben zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Drei Angeklagte - Schacht, Papen und Fritzsche - wurden freigesprochen. Bis 1949 fanden in Nürnberg zwölf weitere Verfahren statt, darunter der Flick-, der Ärzte- oder der Wilhelmstraßen-Prozess.
US-Chefankläger Robert H. Jackson hatte zu Beginn deutlich gemacht, worum es ging: "Die Untaten, die wir zu verdammen und zu bestrafen versuchen, waren von so niederträchtiger und vernichtender Art, dass die Zivilisation sich nicht leisten kann, sie zu übersehen", betonte er mit Blick auf die zunächst angeklagten 24 Hauptkriegsverbrecher und sechs verbrecherische Organisationen des Dritten Reichs.
Bedrückende Dokumente
"Ich kann das nicht mehr aushalten...", schrieb ein amerikanischer Journalist während des Prozesses an seine Angehörigen. Was Jackson und die Anklagevertreter der anderen drei Siegermächte an Dokumenten aus Konzentrationslagern, von Massenerschießungen und Kriegsverbrechen vorlegten, trieb vielen Beobachtern die Tränen in die Augen. 218 Verhandlungstage währte der Prozess, 2.630 Beweisdokumente legten die Ankläger vor, 27 Kilometer Meter Tonband und 7.000 Schallplatten dokumentierten jedes Wort.
Schon 1941 hatten die Alliierten angekündigt, dass sie Verbrechen gegen das Völkerrecht gerichtlich verfolgen würden. In einer 1943 verabschiedeten "Erklärung über Grausamkeiten" wurde allen Deutschen, die für "Grausamkeiten, Massaker und kaltblütige Massenexekutionen" verantwortlich waren, angedroht, in jenen Ländern vor Gericht gestellt zu werden, in denen sie ihre Taten ausgeführt hatten. Unabhängig davon sollte den Hauptkriegsverbrechern gemeinsam der Prozess gemacht werden. Ausgerechnet Nürnberg, die Stadt der Reichsparteitage und der Rassengesetze, wurde schließlich als Gerichtsort ausgewählt.
Verteidiger fechten Prozess an
Dabei konstruierte der Gerichtshof vier Tatbestände: 1. Verschwörung. 2. Verbrechen gegen den Frieden, darunter die Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges und die Verletzung internationaler Gesetze. 3. Kriegsverbrechen. 4. Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Damit betraten die Siegermächte juristisches Neuland; ihr Handeln war auch in der westlichen Öffentlichkeit keineswegs unumstritten.
Die Verteidiger der Nazi-Größen versuchten, die Unrechtmäßigkeit des Prozesses zu beweisen. Sie sprachen von Siegerjustiz. Auch die Siegermächte hätten in der Vergangenheit Kriege geführt und während des Weltkriegs Verbrechen begangen, erklärte Verteidiger Hermann Jahrreiß. Angesichts der Despotie Hitlers sei der Einzelne zudem für die Ausführung von Befehlen nicht verantwortlich zu machen.
Das Ziel der Amerikaner, neues Völkerrecht zu setzen, blieb zunächst in Ansätzen stecken: Erst mit der Einrichtung eines Internationalen Gerichtshofes für die Kriegsverbrechern in Bosnien 1993 und Ruanda 1994 wurde erneut der Versuch unternommen, von Staaten gedeckte Verbrechen strafrechtlich zu verfolgen. Dass ausgerechnet die USA den 2002 errichteten Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) boykottieren, ist eine Ironie der Geschichte.
https://www.focus.de/
Nürnberger Prozesse
Der Tod durch den Strick dauerte 15 Minuten
Die Falltür war zu klein, die Fallhöhe zu gering berechnet, die Leichen boten einen blutigen Anblick. Zu welchen Pannen es bei Hinrichtungen durch den Strang kommen kann, zeigte sich nicht erst bei der Exekution von Saddam und seinen Gefolgsleuten - sondern schon 1946 in Nürnberg.
Von Ernst Piper
16.01.2007, 16.25 Uhr
Berlin - Am 1. Oktober 1946 wurde im Nürnberger Justizpalast das Urteil im Hauptkriegsverbrecherprozess verkündet. Zwölf der Angeklagten wurden zum Tod durch den Strang verurteilt, einer von ihnen, Martin Bormann, in Abwesenheit. In den folgenden Tagen ist der Gefängnisbau erfüllt vom Lärm der Hämmer und Sägen, mit deren Hilfe in der Turnhalle die drei Galgen für die Verurteilten errichtet werden. Einige der Todeskandidaten stellen Gnadengesuche, die von den Alliierten innerhalb der folgenden zwei Wochen allesamt abgelehnt werden.
Obwohl während des ganzen Prozesses vor jeder Zelle Tag und Nacht ein Posten gestanden hatte, war es Hermann Göring gelungen, eine Kapsel mit Zyankali in seine Zelle zu schmuggeln. Göring zerbeißt die Giftkapsel am Nachmittag des 15. Oktober und stirbt wenige Stunden vor dem Hinrichtungstermin. Ein letzter schaler Triumph über die alliierten Kriegsgegner, die ihn wegen der monströsen Verbrechen des Naziregimes vor Gericht gestellt und abgeurteilt hatten. Zuletzt hatte der Reichsmarschall noch den Antrag gestellt, militärisch ehrenvoll durch ein Erschießungskommando zu sterben, was aber abgelehnt wurde.
Kurz vor ein Uhr morgens, am 16. Oktober, werden die Riegel der Zellentür des früheren Außenministers Joachim von Ribbentrop zurückgeschoben. Oberst Andrus verliest sein Urteil. Anschließend werden Ribbentrop mit schwarzen Schnüren die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden, und zwei Militärpolizisten führen ihn die 13 Stufen zum Galgen hinauf. Die Polizisten stellen ihn auf die Falltür und binden seine Füße zusammen.
Er wird gefragt, ob er noch etwas sagen möchte, und Ribbentrop antwortet mit fester Stimme: "Gott schütze Deutschland, Gott sei meiner Seele gnädig! Mein letzter Wunsch ist, dass Deutschland seine Einheit wiederfindet, dass eine Verständigung zwischen Ost und West zustande kommt und Frieden in der Welt regieren möge." So spricht der Mann, der mit Molotow den Hitler-Stalin-Pakt ausgehandelt hatte, das Vorspiel zum Zweiten Weltkrieg.
Danach zieht ihm der texanische Master-Sergeant John C. Woods eine schwarze Kapuze über den Kopf und legt ihm den Strick um den Hals. Der Henker löst den Mechanismus der Falltür aus, doch obwohl Woods schon weit über 300 Exekutionen durchgeführt hat, gibt es bei der Hinrichtung Ribbentrops und anderer Nazis mehrfach Probleme. Die Falltür ist zu klein, mehrere Verurteilte schlagen mit dem Kopf auf dem Rand der Luke auf und ziehen sich schwere Verletzungen zu, so dass die bald kursierenden Fotos der Hingerichteten unerwartet blutig aussehen.
Außerdem ist die Fallhöhe zu gering berechnet worden. Das Genick der Verurteilten bricht beim Fallen nicht, so dass sie durch den Strick langsam erwürgt werden. Bei Ribbentrop dauert es 15 Minuten, bis er schließlich tot ist. So lange will man mit dem Fortgang der Prozedur nicht warten und führt währenddessen bereits Wilhelm Keitel, den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, zum zweiten Galgen. Er ruft "Alles für Deutschland", bevor die Falltür, auf der er steht, entriegelt wird.
Rosenberg stirbt schweigend
Als dritter wird der oberste Polizist des SS-Staates, Ernst Kaltenbrunner, hingerichtet. Auch er ist gefasst. Julius Streicher dagegen verliert die Nerven und schreit die ganze Zeit "Heil Hitler", Sauckel betont noch einmal seine Unschuld und Rosenberg stirbt schweigend, als einziger lehnt er auch den angebotenen geistlichen Beistand ab.
Geleitet werden die Hinrichtungen von einem Viererkomitee, das aus je einem amerikanischen, britischen, französischen und sowjetischen General besteht. Den Anklägern verweigern die Generäle die Teilnahme aus Rache dafür, dass sie bei der Urteilsverkündung keine Ehrenplätze bekommen haben. Gegen den heftigen Widerstand der Briten werden aber Pressevertreter zugelassen, je zwei aus jeder der vier Besatzungszonen. Das deutsche Volk repräsentieren symbolisch der bayerische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD) und der Nürnberger Oberstaatsanwalt Jakob Meistner. Jeder der Hingerichteten wird zweimal fotografiert, einmal bekleidet und einmal nackt.
Am Morgen des 17. Oktober fahren Lastwagen der US-Armee vor dem Krematorium des Münchner Ostfriedhofs vor. In den Särgen, die sie abladen, liegen angeblich gefallene amerikanische Soldaten, tatsächlich sind es die Hingerichteten von Nürnberg, deren Leichen verbrannt werden. Ihre Asche wird anschließend an einer geheim gehaltenen Stelle in einem Nebenfluss der Isar verstreut, so wie man viereinhalb Jahrhunderte zuvor den Ketzer Savonarola sorgfältig bis zum letzten Knöchelchen verbrannt und die Asche dem Arno anheim gegeben hatte, um jeglichen Reliquienkult zu verhindern.
Einen Angeklagten Hitler hätte die Welt nicht vertragen
Die Fotos der Hingerichteten lösten damals kontroverse Diskussionen aus. Der Nürnberger Ankläger Telford Taylor schrieb: "Sie waren in der Tat abstoßend." Der Chefankläger Robert Jackson war sogar ein grundsätzlicher Gegner der Todesstrafe. Er kam an der Spitze einer 200-köpfigen Delegation nach Nürnberg. Die Amerikaner dominierten das Verfahren von Anfang an und setzten gegen erhebliche Widerstände der Russen, aber auch der Briten ein rechtsstaatliches Verfahren durch, das zu differenzierten Urteilen kam.
Drei Angeklagte wurden sogar freigesprochen. Dem Nürnberger Verfahren kam sicherlich zugute, dass mit Hitler, Himmler und Goebbels die allergrößten Verbrecher schon tot waren. Einen Adolf Hitler, der monatelang vor einem Gericht seine Hasstiraden verbreitet hätte, hätte die Welt wohl nicht ertragen.
Man kann ein Gegner der Todesstrafe sein und muss trotzdem kein Mitleid mit den in Nürnberg hingerichteten Verbrechern haben. Sie hatten Millionen von Toten zu verantworten und standen an der Spitze eines Regimes, in dem Hinrichtungen viele Jahre lang zum Alltag gehörten, und den meisten dieser Hinrichtungen war kein fairer Prozess vorausgegangen, wie er ihnen gewährt worden war.
https://www.spiegel.de/
Bestrafung der Schuldigen
Prof. Dr. Wolfgang Benz
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Wolfgang Benz
11.04.2005 / 7 Minuten zu lesen
Am 20. November 1945 begann der Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg, dem ehemaligen Schauplatz der Reichsparteitage. Er war ein weltweites Medienereignis: Auf der Anklagebank saß die Führungselite des NS-Regimes. Zahlreiche Einzelprozesse in den vier Besatzungszonen verfolgten die weniger prominenten Verbrechen.
Einleitung
Lange vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Alliierten einig, dass die Verantwortlichen für die nationalsozialistische Herrschaft vor einem internationalen Gerichtshof im Namen der 1945 in Nachfolge des Völkerbundes entstandenen Vereinten Nationen zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Die Bestrafung der "Hauptkriegsverbrecher" war im November 1943 angekündigt worden. Das Gerichtsstatut wurde im August 1945 veröffentlicht, die Tatbestände lauteten "Verschwörung gegen den Frieden", "Verbrechen gegen den Frieden", "Kriegsverbrechen", "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Dahinter verbargen sich Morde und Misshandlungen, Deportation zur Sklavenarbeit, Verfolgung und Vernichtung von Menschenleben. Der Anklagepunkt "Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskriegs" jedoch war völlig neu in der Geschichte des Rechts, und dieser Anklagepunkt nährte bei manchen Beobachtern den Verdacht, dass das juristische Fundament des ganzen Hauptkriegsverbrecherprozesses auf schwankendem Grund erbaut sei.
Dass die Sieger über die Verlierer zu Gericht saßen, um Hitlers Angriffskrieg als Völkerrechtsbruch zu ahnden, erschien manchen auf der Verliererseite eher als Akt von "Sieger- oder Rachejustiz" denn als Exempel zur Fortentwicklung des internationalen Rechts. Über der Diskussion, ob der Internationale Gerichtshof nicht den Grundsatz "keine Strafe für eine Tat, die zur Zeit der Ausführung noch nicht unter Strafe stand" verletzte, konnte allerdings zu leicht vergessen werden, dass zur Verurteilung der Männer auf der Anklagebank die herkömmlichen deutschen Strafgesetze völlig ausreichten und dass kein einziger nur wegen des neuen Straftatbestandes "Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskriegs" verurteilt wurde. Der Internationale Gerichtshof trat am 18. Oktober 1945 in Berlin zur Eröffnungssitzung zusammen, die Verhandlungen begannen am 20. November 1945 in Nürnberg.
Die Bezeichnung "Militärtribunal" könnte zur irrigen Annahme verleiten, dem Gericht habe es an Fachkompetenz ermangelt. Aber Richter wie Ankläger waren erstklassige Juristen aus vier Nationen. Angeklagt waren 24 Personen und sechs Kollektive, die im Sinne der Anklage als "verbrecherische Organisationen" definiert waren: deutsche Reichsregierung, NSDAP, SS, Geheime Staatspolizei, SA, Generalstab und Oberkommando der Wehrmacht. Für diese Organisationen saßen die Angeklagten auch stellvertretend auf der Anklagebank. Es waren aber statt der 24 Angeklagten nur 21 Männer, die an 218 Prozesstagen bis zum Urteilsspruch am 1. Oktober 1946 im Nürnberger Gerichtssaal zur Verantwortung gezogen werden konnten. Einer, der Reichsorganisationsleiter der NSDAP und Chef der "Deutschen Arbeitsfront" Robert Ley, hatte sich durch Selbstmord dem Gericht entzogen, gegen einen anderen, den Leiter der Partei-Kanzlei Martin Bormann, wurde in Abwesenheit verhandelt, ein dritter, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, war verhandlungsunfähig.
Hauptkriegsverbrecher-Prozesse
Angeklagt war die Führungselite des NS-Regimes - soweit greifbar - im "Hauptkriegsverbrecherprozess", darunter der ehemalige "Reichsmarschall" Hermann Göring, Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, Außenminister Joachim von Ribbentrop, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, der Herausgeber des antisemitischen Hetzblatts "Der Stürmer" Julius Streicher, der Großadmiral und Hitlernachfolger Karl Dönitz, der Reichsinnenminister Wilhelm Frick, Rüstungsminister Albert Speer, Generaloberst Alfred Jodl und weniger bedeutende wie der Abteilungsleiter im Reichspropagandaministerium Hans Fritzsche, Hitlers "Steigbügelhalter" Franz von Papen, Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht. Die drei Letztgenannten wurden freigesprochen, was heftige Kritik in der Öffentlichkeit erregte.
Einige der 24 Hauptangeklagten während der Nürnberger Prozesse. In der vorderen Reihe (v.l.n.r.) Hermann Göring, Rudolf Heß, Joachim von Ribbentrop und Wilhelm Keitel, in der hinteren Reihe (v.l.n.r.) Karl Dönitz, Erich Raeder, Baldur von Schirach and Fritz Sauckel.In Lightbox öffnen
Einige der 24 Hauptangeklagten während der Nürnberger Prozesse. In der vorderen Reihe (v.l.n.r.) Hermann Göring, Rudolf Heß, Joachim von Ribbentrop und Wilhelm Keitel, in der hinteren Reihe (v.l.n.r.) Karl Dönitz, Erich Raeder, Baldur von Schirach and Fritz Sauckel.
Verhältnismäßig glimpflich davon kamen unter anderem Dönitz (10 Jahre Gefängnis), der "Reichsjugendführer" Baldur von Schirach und Hitlers Leibarchitekt und Rüstungsminister Speer (20 Jahre Gefängnis). Rudolf Heß musste seine lebenslange Haft als einziger ganz verbüßen. Alle anderen Angeklagten wurden zum Tode durch den Strang verurteilt. Das Urteil wurde im Morgengrauen des 16. Oktober 1946 vollstreckt. Hermann Göring jedoch hatte sich am Vorabend seiner Hinrichtung auf ungeklärte Weise Gift verschafft und Selbstmord begangen.
Der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess fand weltweit große Publizität. Den Deutschen war seitens der Besatzungsmächte höchste Aufmerksamkeit befohlen worden, die durch ausführliche Berichterstattung im Rundfunk und in der Presse gewährleistet werden sollte. Aber das Interesse ließ sich nicht auf Dauer erzwingen, und die Überzeugung, dass in Nürnberg ein neues Kapitel Völkerrecht geschrieben werde, war nicht allgemein verbreitet. In der französischen Zone erschien 1946 eine Aufklärungsschrift mit dem Titel "Der Nürnberger Lehrprozess", in der die Ethik des Nürnberger Tribunals verteidigt wurde. Verfasser war unter einem Pseudonym der Schriftsteller Alfred Döblin, der - aus dem Exil zurückgekehrt - bei der französischen Militärregierung Dienst tat. Er schrieb, der Nürnberger Prozess müsse als Zukunftshoffnung begriffen werden. Es gehe bei der Wiederaufrichtung des Rechts in Nürnberg um die Wiederherstellung der Menschheit: "Man baute einen juristischen Wolkenkratzer, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Das Fundament aber, auf dem er errichtet wurde, der Beton, war der solideste Stoff, der sich auf Erden finden ließ: Moral und die Vernunft."
Nürnberger Nachfolgeverfahren
Die Absicht, dem Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Nürnberg weitere Prozesse unter gemeinsamer Gerichtshoheit der Alliierten folgen zu lassen, ließ sich im beginnenden Kalten Krieg nicht mehr realisieren. In allen vier Besatzungszonen (und in den von deutscher Okkupation befreiten Nationen wie Polen, den Niederlanden, Italien) fanden deshalb in der Folgezeit einzelne Prozesse statt, bei denen nationalsozialistische Verbrechen von Militärgerichtshöfen der Besatzungsmächte untersucht und verurteilt wurden.
Blick in den Verhandlungssaal der Nürnberger Prozesse: Links sitzen Richter, vor ihnen Protokollführer, rechts die Verteidiger und hinter ihnen die Angeklagten. Am Pult mit Blick in die Kamera befindet sich der Staatsanwalt, hinter ihm Presse und Publikum.In Lightbox öffnen
Blick in den Verhandlungssaal der Nürnberger Prozesse: Links sitzen Richter, vor ihnen Protokollführer, rechts die Verteidiger und hinter ihnen die Angeklagten. Am Pult mit Blick in die Kamera befindet sich der Staatsanwalt, hinter ihm Presse und Publikum. (© AP)
Am meisten Aufsehen erregten die zwölf Verfahren, die die Amerikaner in Nürnberg unmittelbar im Anschluss an das Hauptkriegsverbrecher-Tribunal führten. Diese zwölf "Nachfolge-Prozesse" dauerten bis Mitte 1949. Sie boten einen Querschnitt durch zwölf Jahre nationalsozialistischer Politik, Diplomatie und Wirtschaft: Im Ärzteprozess ging es um "Euthanasie" und Menschenversuche, im Milch-Prozess (benannt nach dem Generalinspekteur der Luftwaffe Erhard Milch) um die Kriegsrüstung, im Flick-Prozess (nach Friedrich Flick, einem der prominentesten Großunternehmer im NS-Staat) um Zwangsarbeit und Raub ausländischen Eigentums, im Südost-Generäle-Prozess standen Geiselerschießungen auf dem Balkan zur Debatte, im Fall acht-Verfahren waren Mitarbeiter des "Rasse- und Siedlungshauptamts der SS" wegen der Ermordung von Juden und Polen angeklagt, im Wilhelmstraßenprozess standen Diplomaten und andere Funktionäre vor Gericht, im Einsatzgruppen-Prozess waren die Mordaktionen an Juden in den besetzten Ostgebieten Gegenstand der Anklage.
Es ist zwar nicht gelungen, mit diesen Verfahren der Gerechtigkeit zum dauernden Sieg zu verhelfen, und die Nürnberger Grundsätze wurden nicht neues Völkerrecht. Aber es war auch nicht das Tribunal der Rache der Sieger gegen die Besiegten. Die Verbrechen waren so einzigartig, so eindeutig gegen die Menschheit insgesamt begangen, dass über sie im Namen der Vereinten Nationen gerichtet werden musste. Deutsche wären nach Auffassung der Alliierten wie der Opfer nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft allein zu einem solchen Gericht nicht fähig gewesen, und in der Mehrheit waren sie deshalb für die Übernahme der Verfahren durch die internationale Justiz auch dankbar. Denn über Schuldspruch und Strafe hinaus bildeten die Prozesse den Beginn der Aufklärung über die nationalsozialistische Diktatur. Und dadurch haben die Nürnberger Verfahren - der Hauptkriegsverbrecherprozess vor dem Internationalen Militärtribunal (IMT) ebenso wie die zwölf Prozesse unter amerikanischer Gerichtshoheit - auch zur Entwicklung der Demokratie und zur Wiedererrichtung des Rechtsstaats in Deutschland beigetragen.
Prozesse in den einzelnen Zonen
Auf dem Gelände des KZ Dachau tagte ein amerikanisches Militärgericht. In mehreren Prozessen standen die Verbrechen der Wachmannschaften und Kommandanten einzelner Konzentrationslager zur Anklage, die Verfahren hatten die KZ Dachau, Flossenbürg, Mauthausen und Ebensee zum Gegenstand. Wie bei den großen Prozessen in Nürnberg war nie von einer Kollektivschuld die Rede. In keinem Fall wurde pauschal geurteilt. Die individuelle Schuld eines jeden Angeklagten wurde genau untersucht, Beweise wurden sorgfältig erhoben und Zeugen gehört. Nach dem Urteilsspruch bestand Gelegenheit für Gnadengesuche und nicht alle Urteile wurden anschließend bestätigt und vollstreckt.
Am 13. Mai 1946 ging in Dachau nach 37 Verhandlungstagen ein Prozess gegen das Personal des KZ Mauthausen zu Ende, bei dem alle 61 Angeklagten für schuldig befunden, 58 zum Tode, die übrigen zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt wurden. Rechtskraft erhielten die Schuldsprüche nach sorgfältiger Prüfung der Einsprüche und Gnadengesuche am 30. April 1947. In vielen Fällen waren die Strafen gemildert worden. Gegen49 Angeklagte des KZ-Personals wurden die Todesurteile bestätigt und Ende Mai 1947 vollstreckt.
In der britischen Besatzungszone führten Militärgerichte in Lüneburg Strafverfahren gegen SS-Personal von Bergen-Belsen und Auschwitz, in Hamburg stand Generalfeldmarschall Erich von Manstein vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, bei der Kriegführung nicht auf die Zivilbevölkerung geachtet zu haben (vom Vorwurf, für Massenmorde an Juden mitverantwortlich zu sein, wurde er freigesprochen). Er wurde im Dezember 1949 zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, die später auf zwölf Jahre herabgesetzt wurden, in Freiheit kam er jedoch schon im Mai 1953.
In der sowjetischen Besatzungszone standen Schergen des NS-Regimes ebenso vor Gericht wie in der französischen Zone. In Straßburg musste sich der ehemalige Gauleiter Robert Wagner vor einem französischen Gericht verantworten. In Belgien, Dänemark und Luxemburg, in der Tschechoslowakei und Jugoslawien, in Norwegen und in den Niederlanden wurden Deutsche zur Rechenschaft gezogen, die sich als Funktionäre des NS-Staats, als Besatzungsoffiziere oder als SS-Schergen schuldig gemacht hatten. In Krakau wurde im März 1947 der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß zum Tode verurteilt.
Viele hatten sich durch Selbstmord, durch Flucht nach Südamerika oder durch Untertauchen der irdischen Gerechtigkeit entzogen. Einigen wurde später der Prozess gemacht, wie Adolf Eichmann 1961 in Israel oder SS-Angehörigen in den sechs Frankfurter Auschwitz-Prozessen zwischen 1965 und 1981 und in anderen Verfahren wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen.
Quellentext
Der Sachsenhausen-Prozess
Rechtsprechungsprobleme
Die Zuständigkeit deutscher Gerichte für NS-Verbrechen regelte sich nach den Kontrollratsgesetzen Nr. 4 vom Oktober und Nr. 10 vom Dezember 1945. Danach war die Verfolgung von NS-Straftaten gegen Angehörige der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen den deutschen Gerichten generell entzogen. Zur Aburteilung von Verbrechen gegen Deutsche konnten die Besatzungsbehörden deutsche Gerichte ermächtigen. In der britischen und französischen Zone wurde diese Ermächtigung generell, in der amerikanischen fallweise erteilt. De facto waren die deutschen Gerichte damit von der Verfolgung der Mehrzahl der NS-Verbrechen bis zum Ende der Besatzungszeit ausgeschlossen. Die Ausnahme bildeten Verfahren gegen die Täter der "Reichskristallnacht", der Novemberpogrome gegen die deutschen Juden von 1938, die seit 1946 überall in Gang kamen. Die großen Prozesse vor deutschen Gerichten begannen unverhältnismäßig spät. Die Belangung von Straftätern wurde durch die Regelung erschwert, dass deutsche Gerichte Fälle, die rechtskräftig von alliierten Tribunalen erledigt waren, nicht wieder aufgreifen durften. Das war als Sicherung gegen eine nachträgliche Abmilderung der Urteile gedacht gewesen; in der Praxis der Rechtsprechung gegen NS-Gewalttäter in der Bundesrepublik hatte es aber oft die Folge, dass in der Besatzungszeit Verurteilte und dann Amnestierte als Zeugen auftraten und nicht mehr belangt werden konnten, auch wenn neues Material auftauchte, das die Zeugen viel ärger belastete als die Angeklagten.
https://www.bpb.de/
Prozess Rasse- und Siedlungshauptamt der SS
Der Prozess Rasse- und Siedlungshauptamt der SS war der achte von insgesamt zwölf Nürnberger Nachfolgeprozessen gegen Verantwortliche des Deutschen Reichs zur Zeit des Nationalsozialismus.
Während der Begriff „Nürnberger Prozess“ in erster Linie für den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher verwendet wird, sind auch die zwölf Folgeprozesse Teil der Nürnberger Prozesse, die im Nürnberger Justizpalast vor amerikanischen Militärgerichten gegen weitere 177 Personen geführt wurden. Der VIII. Prozess befasste sich mit den Verbrechen in den annektierten Gebieten und der Vertreibung ihrer Bevölkerung. Drei SS-Hauptämter, das Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA), das Stabshauptamt des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums (RKF) und die Volksdeutsche Mittelstelle (VoMi) bzw. ihre Leiter wurden in diesem Prozess angeklagt. Das RuSHA war zur Zeit des Dritten Reiches für Rassenuntersuchungen und Ehegenehmigungen der SS sowie für Einbürgerung von Volksdeutschen und die Rassenselektion von sogenannten „eindeutschungsfähigen“ Menschen mit nicht-deutscher Staatsbürgerschaft zuständig.
Dieser Prozess gehört mit dem Prozess Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS und dem Einsatzgruppen-Prozess zur Gruppe der Nürnberger Rasse-Prozesse (ethnological cases).
Wie alle zwölf Nachfolgeprozesse basierte dieser Prozess auf dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 der Alliierten, in dem der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit eigenständig definiert ist.
https://de.wikipedia.org/
4.1 Statistiken zu den Nürnberger-Kriegsverbrecher-Prozessen
Gerichtsurteile im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des Dritten Reiches vom 20. November bis zum 01. Oktober 1946
Veröffentlicht von
Bernhard Weidenbach
, 12.01.2021
Im Rahmen der 24 Hauptverfahren der Nürnberger Prozesse vom 20. November 1945 bis zum 01. Oktober 1946 gegen führende Mitglieder und Kriegsverbrecher des nationalsozialistischen Regimes kam es insgesamt zu 22 Verurteilungen. Zwölf der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt, weitere sieben zu langen oder lebenslangen Haftstrafen. Es gab nur drei Freisprüche.
Die Nürnberger Prozesse
Nach dem Zweiten Weltkrieg tagten Gerichte, bestehend aus den alliierten Siegermächten, in dem Versuch möglichst viele schuldige Nationalsozialisten zu überführen und zu bestrafen. Der Begriff "Nürnberger Prozesse" ist insofern ein wenig irreführend, da später Prozesse in ganz Deutschland stattgefunden haben. In Nürnberg jedoch fanden die prominentesten Gerichtsverfahren ob der symbolischen Bedeutung statt, denn dort waren zuvor auch die Rassegesetze beschlossen worden und hatten die Reichsparteitage der NSDAP stattgefunden.
In der DDR wurden beispielsweise im Jahr 1950 im Zuge der "Waldheimer Prozesse" ebenfalls viele Fälle von NS-Morden verhandelt. Dieser Prozess wurde entschieden und mit entsprechend intendierter Wirkung geführt, jedoch kam es hinterher kaum noch zu weiteren Verfahren gegen mutmaßliche NS-Täter. In der Bundesrepublik hingegen wurden noch für weitere Jahre mutmaßliche Täter angeklagt.
Kriegsverbrechen
Der menschenverachtenden Ideologie entsprechend wurden in der Zeit von 1933 bis 1945 zahlreiche Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, körperlicher oder geistiger Behinderungen oder politischen Einstellung planmäßig ermordet. Alleine sechs Millionen Juden wurden mit industriellen Mitteln getötet, mit dem Ziel einen vollständigen Völkermord an der jüdischen "Rasse" durchzuführen. Auch unzählige Zivilisten wurden durch die Schergen des Regimes hingerichtet.
Die nationalsozialistische Ideologie war geprägt von einem wahnhaften Rassismus.
https://de.statista.com/
5. Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zu historischen Nürnberger-NS-Kriegsverbrecher-Prozessen sowie zu gegenwärtigen NS-Prozessen im 21.Jahrhundert
Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten.
Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel 1 auf dieser Seite.
Während die vom Familiengericht-Amtsgericht Mosbach beauftragte forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, zunächst EINERSEITS ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten in einem Umfang von über 100 Seiten zum 07.04.2022 unter 6F 202/21 erstellt hat, entschließt sich dieselbe Gutachterin sodann, ANDERERSEITS eine ergänzende Stellungnahme von zwei ganzen DIN A4-Seiten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute, insbesondere zum Kontext der historisch nachgewiesenen Beteiligungen an NS-Massenmordverbrechen in Mosbach wie Judenverfolgung und Holocaust, NS-Verfolgung von Sinti und Roma, Nazi-Euthanasie unter 6F 202/21 zum 31.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach zu generieren.
Die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, ERWÄHNT LEDIGLICH MIT EINEM WORT DEN "NATIONALSOZIALISMUS" auf Seite 2, Absatz 2 und erwähnt lediglich mit einem Satz auf Seite 2, Absatz 2, dass der Antragsteller von NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach sich gegen den Nationalsozialismus wendet.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen hat hier die GERICHTLICH BEAUFTRAGTE EINDEUTIGE GELEGENHEIT gehabt, mit einer entsprechend beim Amtsgericht Mosbach beantragten Fristverlängerung SICH SACHLICH UND FACHLICH auch auf über 100 Seiten bezüglich der Nazi-Thematik bzw. der Nazi-Problematik vor einem deutschen BRD-Gericht EXPLIZIT ZU ÄUSSERN. Diese Gelegenheit für eine sachliche und fachliche gutachterliche Expertise zum Nationalsozialismus und nationalsozialistischen Verbrechen, deren Auswirkungen und Aufarbeitungen nach 1945, u.a. auch in Mosbach, besteht zukünftig weiterhin jederzeit für die forensische Sachverständige aus Kitzingen.
Siehe dazu auch:
Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU sogenannten NAZI-JÄGER-AKTIVITÄTEN MIT NS-PROZESSEN, VERURTEILUNGEN VON NS-TÄTER*INNEN, auch zu NS-Prozessen im 21. Jahrhundert, d.h. auch in 2022 laufenden und noch künftigen NS-Prozessen, etc. IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG NACH 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
EINERSEITS:
Mit den Verfügungen des Familiengerichts-Amtsgericht Mosbach vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 hat die gerichtlich beauftragte forensische Sachverständige aus Kitzingen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Chance und das gerichtliche explizite Angebot, sich sachlich und fachlich zur NS-Vergangenheitsbewältigung seit 1945 bis heute, auch zur NS-Vergangenheitsbewältigung und Nazi-Kontinuität in Mosbach und in Baden-Württemberg, AUSFÜHRLICH EXPLIZIT gutachterlich zu äußern.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 ZU DEN JURISTISCHEN NS-VERFAHREN ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG, d.h. sowohl zu den seit 1945 bis heute geführten NS-Prozessen, als auch zu den in 2022 noch laufenden NS-Prozessen und zu den künftigen NS-Prozessen.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 ZU DEN JURISTISCHEN NS-VERFAHREN ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG INKLUSIVE DER ROLLE DER DEUTSCHEN JUSTIZ, d.h. sowohl zur Rolle der deutschen Justiz bei den seit 1945 bis heute im 21. Jahrhundert geführten NS-Prozessen, als auch zur Rolle der deutschen Justiz bei den in 2022 noch laufenden NS-Prozessen und bei den künftigen NS-Prozessen.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik.
UND DIES OBWOHL das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 die forensische Sachverständige aus Kitzingen EXPLIZIT BEAUFTRAGT, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU NS-PROZESSEN am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 ZU DEN NAZI-JÄGER-AKTIVITÄTEN MIT VORBEREITUNGEN UND DURCHFÜHRUNGEN VON NS-PROZESSEN, VERURTEILUNGEN VON NS-TÄTER*INNEN, auch zu NS-Prozessen im 21. Jahrhundert, d.h. auch in 2022 laufenden und noch künftigen NS-Prozessen, etc. IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG NACH 1945.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik.
UND DIES OBWOHL das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 die forensische Sachverständige aus Kitzingen EXPLIZIT BEAUFTRAGT, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU NAZI-JÄGER-AKTIVITÄTEN MIT VORBEREITUNGEN UND DURCHFÜHRUNGEN VON NS-PROZESSEN am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten Sachverhalt der Rechtsaufassung des baden-württembergischen Justizministeriums unter JUMRIX-E-1402-41/878/4 vom 20.06.2022 einerseits, das auch noch heute und künftig NS-Verbrechen von der deutschen Justiz verfolgt würden, was aber andererseits der Rechtsauffassung des Amtsgericht Mosbach in seiner Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 diametral entgegensteht, dass es nicht Aufgabe des Gerichts sei, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren EXPILZIT BEAUFTRAGT.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den vom zu begutachtenden Antragsteller von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach seit 2022 initiierten NS- und Rechtsextremismusverfahren; zum Umgang des Amtsgerichts mit Mosbach mit diesen NS-Verfahren; zu den vom Antragsteller dementsprechend initiierten Dienstaufsichtsbeschwerden und Anhörungsrügen gegen den fallverantwortlichen Spruchkörper beim Amtsgericht Mosbach.
UND DIES OBWOHL das Amtsgericht Mosbach in seiner Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen EXPLIZIT BEAUFTRAGT, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZUR NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
UND DIES OBWOHL die Gutachterin aus Kitzingen vom Amtsgericht Mosbach am 17.08.2022 unter 6F 202/21 EXPLIZIT BEAUFTRAGT ist, eine gutachterliche Stellungnahme zum Nationalsozialismus und dessen Aufarbeitung nach 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren und eben gerade zu diesen beim Amtsgericht Mosbach seit 2022 initiierten NS-Verfahren abzugeben.
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Siehe auch: