Nationalsozialismus in Mosbach - Baden
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AKTUELLES:
Sekundäre Viktimisierungen
und Demütigungen
von Gewaltopfern durch benachteiligende
institutionelle Verhaltens- und Verfahrensweisen

- Infragestellung der Glaubwürdigkeit von Gewaltopfern
- Strukturelle institutionelle Geschlechterdiskriminierung
von Männern und Vätern

 Zuletzt AKTUALISIERT am 19.05.2023 ! 

Das nationalsozialistisch-stereotype Geschlechterrollenverständnis
Das nationalsozialistische Geschlechterrollenverständnis spricht sich dafür aus, dass die stereotypen Geschlechter-Rollenzuschreibungen EINERSEITS das Geschlechterrollenbild "Frau = Hausfrau und Mutter" und ANDERERSEITS das Geschlechterrollenbild "Mann = ausgeschlossen von Fürsorge-, Betreuungs-, Erziehungs- und Hausarbeit," sein sollten.
Siehe dazu auch:



Seiteninhalt:

  1. Sekundäre Viktimisierung von Gewaltopfern durch institutionelle benachteiligende Verhaltens- und Verfahrensweisen

    1.1 Online-Artikel zu Diskriminierungen und Benachteiligungen von Opfern deutscher Polizeigewalt

  2. Online-Artikel zu Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegen Väterdiskriminierungen in der BRD 

  3. Online-Artikel zu Väterdiskriminierung in der Familienrechtspraxis der BRD

  4. Online-Artikel zum Müttermonopol

  5. Diskriminierungen und Benachteiligungen von Männern als Opfer von häuslicher Gewalt und Partnerschaftsgewalt


 


Inhalt dieser Kategorie:


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Das nationalsozialistisch-stereotype Geschlechterrollenverständnis
Das nationalsozialistische Geschlechterrollenverständnis spricht sich dafür aus, dass die stereotypen Geschlechter-Rollenzuschreibungen EINERSEITS das Geschlechterrollenbild "Frau = Hausfrau und Mutter" und ANDERERSEITS das Geschlechterrollenbild "Mann = ausgeschlossen von Fürsorge-, Betreuungs-, Erziehungs- und Hausarbeit," sein sollten.
Siehe auch:


 



1. Sekundäre Viktimisierung von Gewaltopfern durch institutionelle benachteiligende Verhaltens- und Verfahrensweisen

1.1 Online-Artikel zu Diskriminierungen und Benachteiligungen von Opfern deutscher Polizeigewalt


Studie zu Polizeigewalt: Unterschiedliche Faktoren spielen eine Rolle

Stand: 16.05.2023 17:35 Uhr
Gewaltausübung im Amt gehört bei der Polizei zum Alltag, denn in vielen Fällen müssen Einsatzkräfte Recht und Ordnung gegen Widerstand durchsetzen. Aber wie oft wäre der Einsatz von Gewalt dabei nicht nötig gewesen? Damit beschäftigt sich eine Studie, die am Dienstag vorgestellt wurde.
Für die wissenschaftliche Untersuchung an der Universität Frankfurt sind 3.300 Betroffene, 60 Polizistinnen und Polizisten, Mitarbeitende aus der Justiz und Opfer-Organisationen befragt worden. Beteiligt an dieser Studie war auch die Forscherin Hannah Espín Grau, die im NDR Info Interview über den Studienansatz, die Durchführung der Untersuchung und die Ergebnisse gesprochen hat.
Was war Ihre wichtigste Ausgangsfrage, Frau Espín Grau?
Hannah Espín Grau: Was wir im Hellfeld bislang gesehen haben in den amtlichen Statistiken, ist, dass es Fälle polizeilicher Gewaltanwendung gibt, die den Strafverfolgungsbehörden zur Kenntnis gelangen, dass aber die allermeisten dieser Verfahren eingestellt werden, nämlich über 90 Prozent. Und nur zwei Prozent landen überhaupt vor Gerichten und werden dort behandelt. Für uns war die Frage: Was sind das für Fälle, die zur Anklage gebracht werden? Warum sind das nur so wenige im Vergleich zu anderen Delikten, wo die Anklagequote im Schnitt bei 22 Prozent liegt? Was ist mit den Fällen, die eingestellt werden, und mit den Fällen und den Betroffenen, die sich dagegen entscheiden, ihre Erfahrung, ihr Erlebnis zur Anzeige zu bringen? Und was sind das für Personen? In welchen Situationen waren sie betroffen?
Sie haben also mit denjenigen gesprochen und Interviews geführt, die Anzeige erstattet haben, von denen also überhaupt bekannt geworden ist, dass es einen Fall von polizeilicher Gewalt gab?
Espín Grau: Wir haben nach Betroffenen gesucht und sie befragt, die selber sagen, die Gewalt, die sie durch die Polizei erfahren haben, war übermäßig. Also dass eine Grenze überschritten wurde, die nicht mehr akzeptabel war.
Polizisten der Bundespolizei nehmen während einer Übung einen Fußballfan fest. © dpa Foto: Philipp Schulze
Studie zu Polizeigewalt: Deutliche Kritik der Gewerkschaften
Die Gewerkschaften verweisen bei Beschwerden gegen die Hamburger Polizei auf die zuständige Beschwerdestelle.
Und warum waren die Betroffenen übermäßiger polizeilicher Gewalt ausgesetzt?
Espín Grau: Ganz unterschiedliche Faktoren spielen da eine Rolle. Das lässt sich nicht auf eine Betroffenengruppe reduzierten. Das lässt sich auch nicht auf einen Faktor reduzieren, sondern das sind dynamische Interaktionsgeschehen, die sich von Situation zu Situation unterscheiden. Aber wir sehen ein paar Linien, die zu einer Eskalation in einem polizeilichen Einsatz führen können. Ein wichtiger Faktor ist die Kommunikation. Die hat eine wichtige Bedeutung für die Deeskalation eines polizeilichen Einsatzes.
Polizisten der Bundespolizei nehmen während einer Übung einen Fußballfan fest. © dpa Foto: Philipp Schulze
Insbesondere im Umfeld von Großveranstaltungen kommt es nach Schilderung von Betroffenen häufig zu Fällen von Polizeigewalt.
Die Kommunikation ist aber nur ein Faktor. Wir sehen auch bei den Beamten und Beamtinnen, aber auch auf Seiten der Betroffenen Faktoren, die das Eskalationsgeschehen beeinflussen. Da sprechen wir auf der einen Seite von einzelnen Beamten und Beamtinnen, die bewusst die Eskalation suchen, die selbst problematische Einstellungen haben. Es gibt aber auch viele situative Faktoren. Es gibt zum Beispiel eine Sorge vor einem Kontrollverlust. Wenn die da ist, dann versucht die Polizei tendenziell ihre Dominanz in der Situation mit Gewalt durchzusetzen und ihre Autorität zu behaupten. Auch Faktoren wie Stress, Frustration, Zeitdruck, Arbeitsbelastung können dazu führen, dass eine Gewaltanwendung eine Grenze überschreitet, die sie eigentlich nicht überschreiten dürfte.
Die Betroffenen haben aber auch selbst ihr eigenes Verhalten reflektiert in unserer Befragung. Teilweise geben sie an, sie hätten nach den Rechtsgründen für die Maßnahme gefragt, und das wäre der Eskalationsfaktor gewesen. Teilweise geben sie auch an, sie hätten provoziert oder zum Beispiel nach der Dienstnummer gefragt. Und all das stellt in dem Moment aus ihrer Perspektive den Eskalationsfaktor dar, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Was ist das Problem in der Polizeiarbeit in puncto Gewalt?
Espín Grau: Ich glaube, wir haben es mit ganz umfassenden und strukturellen Problemlagen zu tun, die einerseits die Situation betreffen, andererseits aber vor allem auch die Aufarbeitung von solchen Fällen. Wir sehen, dass in der strafjustiziellen Aufarbeitung einerseits das Problem besteht, dass Betroffene sich oft gar nicht trauen, ihre Erfahrung zur Anzeige zu bringen. Der wichtigste Grund für die Betroffenen ist, dass sie Angst vor Repressionen haben und davon ausgehen, dass ihre Anzeige zu nichts führen wird. Und da geben ihnen ja sozusagen die Zahlen auf dem Hellfeld auch recht. Da ist schon ein großes Bewusstsein vorhanden, dass die allermeisten Ermittlungsverfahren eingestellt werden.
Was tut die Polizei, um von sich aus solchen Fällen von ungerechtfertigter Gewaltanwendung vorzubeugen?
Espín Grau: Ich denke schon, dass es mittlerweile ein Problembewusstsein in der Polizei gibt, zumindest an bestimmten Stellen. Das Thema wird natürlich in der polizeilichen Ausbildung behandelt. Eine andere Frage ist aber, was in der Praxis passiert. Das ist auch etwas, was uns die Polizeibeamten und -beamtinnen in den Interviews geschildert haben: Dass man sich natürlich in der Ausbildung damit beschäftigt, was die Grenzen der Verhältnismäßigkeit sind, wie man juristisch auf eine Maßnahme gucken kann. Was dann aber in der Praxis passiert und was ihnen vorgelebt wird von Vorgesetzten, von Älteren, ist dann eine andere Realität. Über die Jahre findet auch ein Anpassungsprozess statt. Es gibt nicht nur das Wissen aus den Büchern, sondern auch das Erfahrungswissen, was ihr eigenes Wissen ist, aber auch das Wissen, was ihnen kolportiert wird von Erzählungen von Einsätzen von Kollegen und Kolleginnen.
Welche Situationen sind das, in denen Polizeigewalt vor allen Dingen offensichtlich ungerechtfertigt angewendet wird?
Espín Grau: Die Betroffenen haben uns vor allem Fälle geschildert, die bei Demonstrationen oder im Kontext von Fußballspielen passiert sind. Es kann aber einfach überall vorkommen. Uns wurden sehr diverse Einsatzsituationen auch außerhalb von solchen Großveranstaltungen geschildert. Ein besonderes Eskalationspotenzial haben dabei zum Beispiel Kontrollsituationen, wenn Personengruppen umstellt oder eingekesselt werden, Fest- und Ingewahrsamnahmen, aber auch zum Beispiel Abschiebe-Situationen, weil es da für die Betroffenen natürlich um eine sehr existenzielle Situation geht.
Das Interview führte Sabine Rein, NDR Info.
Der Göttinger Rechtswissenschaftler Gunnar Duttge. © Gunnar Duttge Foto: Christoph Mischke
Blutiger Polizeieinsatz: Welche Mittel sind legitim?
Ein Polizist steht wegen eines blutigen Einsatzes in Göttingen vor Gericht. Strafrechtler Gunnar Duttge ordnet den Fall ein. >>>
Ein Polizist steht vor Gericht. © NDR Foto: Alexandra Prelle
Prozessauftakt: Polizist räumt Schläge gegen Betrunkenen ein
Der Polizist muss sich vor dem Amtsgericht Göttingen verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Körperverletzung im Amt vor. >>>
Sechs Mitarbeitende der Polizei und der Hochbahnwache fixieren einen Menschen am Boden. © NDR Foto: Schirin R.
Polizeigewalt in Niedersachsen: Mehr Verfahren, kaum Anklagen
Laut Justizministerium steigt die Zahl der Strafverfahren. Die Gewerkschaft der Polizei sieht das Problem beim Bürger. >>>
. © Screenshot 1 Min
Hinweise auf aggressives Auftreten von Polizisten aus MV
Der Einsatz von Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern am 1. Mai in Berlin soll genauer untersucht werden. >>>

Dieses Thema im Programm:
NDR Info | Interview | 16.05.2023 | 15:05 Uhr
https://www.ndr.de/


Studie zu Polizeigewalt: Opfer haben in Strafverfahren kaum eine Chance

Unabhängige Studie zu Polizeigewalt Aktuelle Stunde 16.05.2023 18:36 Min. UT Verfügbar bis 23.05.2023 WDR >>>
Von Christina Zühlke
Stand: 16.05.2023, 19:45 Uhr
Fälle von Polizeigewalt werden in Deutschland nur selten wirklich untersucht. Betroffene trauen sich kaum Anzeige zu erstatten und Staatsanwälte bringen Polizisten selten vor Gericht. Das zeigt eine unabhängige Studie der Universität Frankfurt.
Von Christina Zühlke
Auch Sven Wille hat an der Studie zu Polizeigewalt teilgenommen. An einem Kreisverkehr in der Nähe des Kölner Doms wurde er von Polizisten zu Boden geworfen, geschlagen und getreten. Dabei wollte er eigentlich beim Christopher Street Day 2016 für Freiheit und Gleichberechtigung demonstrieren. "Die Gewalt hinterlässt auf jeden Fall tiefe Spuren", sagt Wille. Er habe kein Vertrauen mehr in die Polizei, auch nicht in den Rechtsstaat.
Sven Wille mit Blutergüssen im GesichtSven Wille mit Blutergüssen im Gesicht
Was Sven Wille erlebte, nennt Studienleiter Tobias Singelnstein einen "typischen Fall". Nicht die Polizisten, die Wille verprügelten, landeten vor Gericht, sondern er. Wegen angeblichen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Vier Jahre und vier Verfahren dauerte es, bis vor Gericht geklärt war, dass Sven Wille Unrecht geschehen war. Für ihn eine qualvolle Zeit.
Über 3.300 Betroffene befragt
Tobias Singelnstein hat für die Polizeistudie der Universität Frankfurt - gemeinsam mit drei Kolleginnen - fünf Jahre lang geforscht. Über 3.300 Betroffene von mutmaßlicher Polizeigewalt wurden befragt, ebenso wie Mitarbeitende aus Polizei und Justiz.
Eines der Ergebnisse der Studie: Betroffene von Polizeigewalt haben kaum eine Chance im deutschen Justizsystem. "Und für die Betroffenen", ergänzt Singelnstein im WDR-Interview, "stellt sich das häufig sogar als eine Art zweiter Opferwerdung dar, wenn sie feststellen müssen, dass ihnen überall mit Misstrauen begegnet wird und nicht anerkannt wird, was ihnen widerfahren ist".
Polizei- Hundertschaft Kriminologe zu Polizeigewalt: "Kein Problembewusstsein bei den Beamten" | mehr
Kriminologe: "Wenig Problembewusstsein" >>>
Gleichzeitig, so Kriminologe Singelnstein, sei er überrascht, wie wenig Problembewusstsein Polizei und Justiz hätten. Beispielsweise dafür, dass wer in Deutschland Polizeigewalt anzeigen wolle, nur zur Polizei gehen könne.
Im Kapitel "Ausblicke" der fast 500 Seiten langen Studie steht deshalb die Forderung nach einer unabhängigen Kontroll- und Beschwerdestelle für die Polizei. Auch für Personen, die wegen ihres Aussehens immer wieder von der Polizei kontrolliert werden.
Polizeikontrollen als "demütigende Erfahrung"
Diese Menschen, "die als fremd gelesen werden", sagt Tobias Singelnstein, erlebten Polizeikontrollen "als sehr demütigende Erfahrung, weil sie eben in der Öffentlichkeit etikettiert werden, als die, die gefährlich sind". Das erzeuge ein starkes Gefühl des Ausgeschlossen-Werdens.
Sebastian Fiedler, ehemaliger Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter (BDK), der aktuell für die SPD im Bundestag sitzt, kritisierte die Studie dem WDR gegenüber als nicht repräsentativ. Viele der Kritikpunkte, wie etwa die Forderung nach Quittungen im Anschluss an Polizeikontrollen, würden teilweise schon umgesetzt.
Alexander Poitz von der Gewerkschaft der Polizei sagte dem WDR, die Polizei könnte Probleme selbst aufklären, es brauche keine unabhängige Stelle dafür: "Wenn ein Bürger Bauchschmerzen mit einem Sachverhalt hat, dann möge er die Struktur nutzen, die vorhanden sind.“ Die Polizei-Gewerkschaften und auch die Personalräte könnten Sachverhalte aufklären und stünden als Ansprechpartner zur Verfügung.
Betroffene ernst nehmen und auffangen
Sven WilleVier Jahre dauerte der Prozess von Sven Wille.
Sven Wille hätte sich damals nicht der Polizei anvertrauen wollen. Er, der als queerer Teilnehmer der Christopher-Street-Day-Demo von Polizisten geschlagen wurde, bekam nach den für ihn schwierigen Erfahrungen vor Gericht 15.000 Euro Schmerzensgeld vom Land Nordrhein-Westfalen. Trotzdem sagt er, leide er bis heute unter den Folgen. Eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle hätte ihm damals geholfen, glaubt er.
"Ich hätte dann jemanden gehabt, der mir zuhört, mich auffängt, mich ernst nimmt und auch rechtlich berät."

Sven Wille, Opfer von Polizeigewalt
Über dieses Thema berichten wir am 16.5.23 auch im WDR Hörfunk und Fernsehen.
Polizisten der Bundespolizei nehmen während einer Übung einen Fußballfan fest Studie zu Polizeigewalt WDR Studios NRW 16.05.2023 02:27 Min. Verfügbar bis 23.05.2023 WDR Online >>>
https://www1.wdr.de/

Gewalt bei Einsätzen
Die Definitionsmacht der Polizei

Stand: 16.05.2023 07:02 Uhr
Welche Form von Gewalt darf die Polizei anwenden? Ein Forschungsteam hat 3300 Betroffene dazu befragt und Interviews mit Einsatzkräften geführt. Die Antworten fallen unterschiedlich aus.
Belinda Grasnik
Von Belinda Grasnick
Was darf die Polizei? Die Frage kam auch in Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder auf - etwa bei Einsätzen bei Demonstrationen und Fußballderbys, aber auch bei Personenkontrollen. Einzelne Videos von Polizeieinsätzen wurden bei Twitter und Instagram mit dem Hashtag #Polizeigewalt verbreitet - so etwa bei der Kontrolle gegen einen 15-Jährigen in Hamburg im August 2020, der wegen einer Fahrt mit dem E-Roller auf dem Gehweg von mehreren Polizisten überwältigt wurde. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) teilte damals mit, sie könne in dem Video keine Polizeigewalt erkennen.
Player: videoHauptkommissar Oliver von Dobrowolski, Initiative "better police", über legitime und illegitime Gewalt bei der Polizei
Sendungsbild | ARD-aktuell6 Min
Hauptkommissar Oliver von Dobrowolski, Initiative "better police", über legitime und illegitime Gewalt bei der Polizei, tagesthemen, 16.05.2023 22:15 Uhr >>>
Die Bewertungen von Gewaltanwendungen im Polizeieinsatz gehen oft weit auseinander. Genau in diesem Spannungsfeld befinden sich die Ergebnisse des Forschungsprojekts "Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen" (KviAPol), die morgen in dem Buch "Gewalt im Amt. Übermäßige polizeiliche Gewaltanwendung und ihre Aufarbeitung" ausführlich präsentiert werden. Die Forschenden Laila Abdul-Rahman, Hannah Espin Grau, Luise Klaus und Tobias Singelnstein haben dafür mehr als 3300 Betroffene befragt und mehr als 60 qualitative Interviews mit Vertretern von Polizei, Rechtswesen und Opferberatungsstellen geführt. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ. KviAPol ist ein unabhängiges Forschungsprojekt und unterscheidet sich damit von der Studie zum Alltag von Polizistinnen und Polizisten, die unter Bundesinnenminister Horst Seehofer in Auftrag gegeben wurde.
Polizisten der Bundespolizei nehmen während einer Übung einen Fußballfan fest
16.05.2023 Nordrhein-Westfalen Studie zu Polizeigewalt: Opfer haben in Strafverfahren kaum eine Chance. Fälle von Polizeigewalt werden in Deutschland nur selten wirklich untersucht. mehr
>>>
2790 Ermittlungsverfahren gegen Einsatzkräfte
Ob polizeiliche Gewalt als übermäßig bewertet wird, kann von Person zu Person sehr unterschiedlich ausfallen. Das Forschungsteam weist in der Zusammenfassung ihrer Ergebnisse darauf hin, dass es sich in der Studie auf Handlungen bezieht, "die aus Perspektive der sie bewertenden Personen die Grenzen des Akzeptablen überschritten haben". Das bedeute nicht zwangsläufig, dass die Gewalt auch als rechtswidrig eingestuft werde. Im Jahr 2021 gab es 2790 Ermittlungsverfahren gegen Polizeikräfte wegen rechtswidriger Gewaltausübung. In mehr als 90 Prozent der Verdachtsfälle werden die Strafverfahren eingestellt - in nur zwei Prozent der Fälle wird laut Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Hinzu komme den Forschenden zufolge, dass ein Großteil der Betroffenen etwa wegen schlechter Erfolgsaussichten oder Sorge vor Repressionen die Fälle gar nicht erst zur Anzeige brächten. Nur 14 Prozent der Befragten in der Studie hätten angegeben, dass in ihrem Fall ein Strafverfahren stattgefunden habe. Die meisten Betroffenen von übermäßigen Gewaltanwendungen sind der Studie zufolge bei Demonstrationen und politischen Aktionen mit der Polizei in Kontakt gekommen (55 Prozent), danach folgten Fußballspiele und andere Großveranstaltungen (25 Prozent). Am häufigsten waren Männer von den übermäßigen Gewaltanwendungen betroffen (72 Prozent).
Polizisten
Player: audioStudie zu Rassismus bei der Polizei: Innenministerin Faeser kündigt Konsequenzen an
INTERVIEW 04.04.2023 Rassismus bei der Polizei. "Es braucht noch viel mehr Forschung" >>>
Schwierige Bedingungen und problematische Einstellungen bei der Polizei gehören nicht unbedingt zusammen, so ein Kriminologe. mehr
Schwere Verletzungen und psychische Folgen
Den Angaben der Befragten zufolge wendeten vor allem männliche Polizisten im Alter bis 30 Jahre Gewalt an. Häufig waren offenbar mehrere Einsatzkräfte anwesend, die aber nicht alle Gewalt anwendeten. In 26 Prozent der Fälle ging die Gewalt demnach nur von einem Beamten aus. Häufig gab es Schläge oder Stöße, bei Großveranstaltungen spielten auch Reizgas und Wasserwerfer eine Rolle. Schwere Verletzungen wie Knochenbrüche oder Verletzungen an Gelenken und Sinnesorganen trugen 19 Prozent der Befragten davon. Die Betroffenen berichteten auch von schweren psychischen Folgen.
Rücken von zwei Polizisten Player: audioPolizeistudie: Faeser kündigt Konsequenzen an 04.04.2023
Studie zum Arbeitsalltag Wie tickt die Polizei? Die nach Rassismusvorwürfen veranlasste Untersuchung des Polizeialltags liefert erste Zwischenergebnisse. mehr >>>
Unsicherheit bei der Rechtmäßigkeit"
Situationen polizeilicher Gewaltanwendung können als komplexe, häufig unübersichtliche und spannungsgeladene Interaktionsgeschehen beschrieben werden, die durch ein Zusammenwirken wechselseitiger (Re-)Aktionen sowie äußerer Gegebenheiten bedingt sind", schreiben die Forschenden in der Zusammenfassung ihrer Ergebnisse. Die befragten Betroffenen hätten zu 25 Prozent das polizeiliche Einschreiten als Grund für die Eskalation angegeben. 19 Prozent hätten aber auch beschrieben, dass das Nichtbefolgen von Anweisungen zur Eskalation geführt habe.
Player: videoStudie mit 3300 Betroffenen zum Umgang mit Polizeigewalt Sendungsbild | ARD-aktuell3 Min Studie mit 3300 Betroffenen zum Umgang mit Polizeigewalt Christina Zühlke, WDR, tagesthemen, 16.05.2023 22:15 Uhr >>>
In eskalierenden Situationen kann eine Gewaltanwendung aus polizeilicher Sicht notwendig sein. "Das Recht konzipiert polizeiliche Gewalt als Ausnahmebefugnis, die nur in sehr engen Grenzen erlaubt ist", so die Forschenden. In den Interviews hätten Polizeikräfte immer wieder betont, das Recht sei handlungsleitend für sie. Es habe sich aber gezeigt, "dass Gewaltanwendungen zum polizeilichen Berufsalltag gehören und entsprechend normalisiert werden", so die Forschenden. Es gebe Unsicherheit und verschiedene Vorstellungen davon, was rechtmäßig sei.Die Schwelle dafür, was als übermäßig beschrieben werde, liege bei Polizistinnen und Polizisten vergleichsweise hoch, stellen die Forschenden fest. Für die Betroffenen sei es dagegen nicht nur darum gegangen, ob die Gewaltanwendung rechtmäßig sei, sondern auch um ihre Legitimität - ob das polizeiliche Handeln also als fair und gerecht wahrgenommen wurde.
Polizisten bei einer Demo gegen Rassismus. 19.07.2021 Streit um Studie. Wer schaut auf Rassismus bei der Polizei? Polizeigewalt und Racial Profiling war ein großes Thema. Doch es gibt noch keine Untersuchungsergebnisse. mehr >>>
"Dominanz herstellen""
Der Polizei kommt in der Gesellschaft eine besondere Definitionsmacht zu, die als funktionale Dominanz beschrieben werden kann", erklären die Forschenden. Es sei gerade die Aufgabe der Polizei, Situationen verbindlich zu klären und bestimmte Normen, Interessen und Deutungsweisen durchzusetzen. Polizeiliche Gewaltausübung sei eine Praxis, um diese Dominanz in bestimmten Situationen herzustellen. Aber auch bei der nachträglichen Betrachtung habe die Polizei eine besondere Definitionsmacht. "Für Betroffene übermäßiger polizeilicher Gewaltanwendungen zum Beispiel entsteht so eine Situation, in der sie ohne Mechanismen, die der polizeilichen Dominanz entgegenwirken, in der Praxis kaum zu ihrem Recht kommen können", so die Forschenden.
Über dieses Thema berichtete NDR Info am 16. Mai 2023 um 08:55 Uhr.
https://www.tagesschau.de/


Studie der Universität Frankfurt
:Polizeigewalt: Was die Aufarbeitung erschwert

Datum:
16.05.2023 08:30 Uhr
Es passiert auf Demos, bei Fußballspielen und anderen Großveranstaltungen. Nicht selten erfahren besonders junge Männer Polizeigewalt. Diese Faktoren erschweren die Aufarbeitung.
Übermäßige polizeiliche Gewalt wird nur selten aufgearbeitet. Zu diesem Ergebnis kommt eine an diesem Dienstag vorgestellte Studie der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Das Forschungsteam befragte mehr als 3.300 Betroffene und interviewte zudem unter anderem Polizeikräfte, Richter sowie Opferberatungsstellen.
Zwar habe die Polizei aufgrund ihrer Aufgaben ein Gewaltmonopol - doch auch die Beamten dürften Gewalt "nur ausnahmsweise einsetzen", sagt Studienautor Tobias Singelnstein.
Auf der anderen Seite sehen wir, dass es innerhalb der Polizei eine gewisse Normalisierung der Gewalt gibt, weil es für die Beamten zu ihrem beruflichen Alltag gehört.
Tobias Singelnstein, Kriminologieprofessor
Gewalt durch Polizeibeamte: Junge Männer am häufigsten betroffen
Die Befragten berichteten vor allem hinsichtlich Großveranstaltungen wie Demonstrationen und Fußballspielen von übermäßiger Polizeigewalt. Konfliktsituationen oder Personenkontrollen wurden ebenfalls oft genannt.
Am häufigsten gaben junge Männer an, polizeiliche Gewalt erfahren zu haben. 19 Prozent der Betroffenen berichteten demnach von schweren physischen Verletzungen. Psychische Belastungen spielten aber auch eine Rolle. Wut und Angst vor der Polizei, das Meiden bestimmter Situationen oder Orte sowie der Verlust des Vertrauens wurden hier genannt.
Gewalt ist Teil der Polizeiaufgabe, sagte Kriminologe Martin Rettenberger in einem Interview (Archiv):
"Für ein systematisches Übertreten dieses Gewaltauftrags haben wir derzeit keine Anhaltspunkte“, sagt Prof. Martin Rettenberger, Direktor der Kriminologischen Zentralstelle.
Bei der Anwendung übermäßiger polizeilicher Gewalt spielen laut Studie sowohl "individuelle wie auch situative und organisationale Faktoren" eine Rolle. Mängel in der Kommunikation, Stress, Überforderung, aber auch diskriminierendes Verhalten von Beamtinnen und Beamten können demnach übermäßige Polizeigewalt begünstigen.
Wenige Anzeigen gegen Polizeigewalt, noch weniger Strafverfahren
Zu Verurteilungen wegen rechtswidriger polizeilicher Gewalt kommt es nur selten. Das sind laut Studie die Gründe:
Die Befragten hatten eine niedrige Anzeigebereitschaft
Nur 14 Prozent der befragten Betroffenen gab demnach an, dass in ihrem Fall ein Strafverfahren stattgefunden habe
Strafverfahren zu Verdachtsfällen werden außerdem zu mehr als 90 Prozent von den Staatsanwaltschaften eingestellt
Nur in etwa zwei Prozent der Fälle wird Anklage erhoben
Ein Großteil der Verdachtsfälle rechtswidriger polizeilicher Gewaltanwendungen verbleibt dadurch im Dunkelfeld.
Studienautor und Kriminologieprofessor Tobias Singelnstein
Aber auch strukturelle Besonderheiten wirken sich laut Studie auf die Verfahren aus. Hier einige Beispiele:
Für Polizeikräfte kann es herausfordernd sein, Kollegen zu belasten
Für die zuständigen Staatsanwälte erweise sich angesichts der alltäglichen engen Zusammenarbeit mit der Polizei eine unvoreingenommene Herangehensweise an solche Verfahren als schwierig
oft schwierige Beweislage: Häufig steht die Aussage der Betroffenen denen der einsatzbeteiligten Beamten gegenüber und es fehlt an weiteren Beweismitteln
Wann darf die Polizei schießen? Der Tod eines 16-Jährigen in Dortmund im vergangenen Sommer hat die Debatte über Polizeigewalt neu entfacht
Studie: Lücken bei Erfassung von Polizeigewalt
"In den auf eine polizeiliche Gewaltanwendung folgenden Auseinandersetzungen um die Bewertung der Gewalt in Gesellschaft und Justiz erweist sich die polizeiliche Deutungsweise angesichts dieser Umstände als besonders durchsetzungsfähig", fasst das Forschungsteam seine Ergebnisse zusammen. Diese dokumentiere so die besondere Definitionsmacht der Polizei.
Tobias Singelnstein zum Fall Floyd und über Polizeigewalt in Deutschland;
Seit dem Fall Floyd ist eine Debatte um Polizeigewalt entbrannt, nun sind auch in Deutschland Videos von umstrittenen Einsätzen aufgetaucht.
Studienautor Tobias Singelnstein bemängelt die Lücken bei der Erfassung von Polizei-Gewalt in Deutschland. In anderen Ländern werde transparent statistisch erfasst, wie häufig und in welcher Form die Polizei Gewalt ausübe oder wie häufig Menschen im Kontext von Polizeieinsätzen zu Tode kamen, sagte der Kriminologieprofessor. "So eine Datenbasis, so eine statistische Erfassung wäre schon mal ein erster wichtiger Schritt."
Quelle: AFP, dpa
https://www.zdf.de/


Studie zu Polizeigewalt : Weshalb Fälle ungeklärt bleiben

Noch immer gibt es kaum Zahlen zur Polizeigewalt. Ein Team um den Kriminologen Singelnstein forschte dazu seit 2018 und legt nun einen Bericht vor.
16.0 5. 2023, 09:08 Uhr
Ein Teilnehmer einer Kundgebung des Bündnis Köln gegen Rechts gegen Polizeigewalt trägt ein Plakat mit der Aufschrift "Wer/was kontrolliert die Polizei"
Ein Teilnehmer einer Kundgebung in Köln gegen Polizeigewalt trägt ein Plakat mit der Aufschrift „Wer/was kontrolliert die Polizei“Foto: Henning Kaiser/dpa
BERLIN taz | Es bleibt ein Feld, das von erhitzten Debatten bestimmt wird – und von wenig Empirie: Gewalt von Polizist:innen. Nun legte ein unabhängiges For­sche­r:in­nen­team um den Frankfurter Kriminologen Tobias Singelnstein dazu umfassende Zahlen vor: Demnach herrscht weiterhin ein großes Dunkelfeld bei Polizeigewalt. Und die strafrechtlichen Konsequenzen bleiben minimal.
Bereits seit 2018 untersucht das Team um Singelnstein in einem Forschungsprojekt „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“. Zweimal wurden dazu bereits Zwischenberichte vorgelegt. Nun folgen die finalen Befunde in einem 500 Seiten starken Buch: „Gewalt im Amt“.
Basis ist eine Onlinebefragung von mehr als 3.300 Personen, die angaben, Polizeigewalt erfahren zu haben. Dazu kamen 60 qualitative Interviews mit Polizist:innen, Richter:innen, Staatsanwält:innen, Rechts­an­wäl­t:in­nen und Opferberatungsstellen. Die Studie definiert Polizeigewalt als Handlungen, „die aus der Perspektive der sie bewertenden Personen die Grenzen des Akzeptablen überschritten“ – was nicht zwingend rechtswidrige Gewalt bedeuten muss.
Die meisten Betroffenen – 55 Prozent – berichteten, Polizeigewalt bei Demonstrationen erlebt zu haben, ein Viertel bei Fußballspielen. Die anderen Fälle fanden etwa bei Personen- oder Verkehrskontrollen statt. Am häufigsten wurden nach eigener Auskunft junge Männer Opfer von Polizeigewalt – im Schnitt 25,9 Jahre alt. Laut Studie unterliegen dabei marginalisierte Gruppen wie „rassifizierte Personen“ oder Wohnungslose einem „besonderen Diskriminierungsrisiko“.
Unterschiedliche Maßstäbe für Polizeigewalt
19 Prozent der Betroffenen berichteten von schweren Verletzungen wie Knochenbrüchen. Bei den psychischen Folgen wurden „Wut und Angst vor der Polizei“ benannt oder das Meiden bestimmter Orte, nachdem es zu der Polizeigewalt gekommen war.
Zur Ursache der Gewalt erklärte ein knappes Fünftel der Betroffenen, dass das Nichtbefolgen von Anweisungen zur Eskalation geführt habe – was teils auch bloß das Nachfragen nach einem Dienstausweis oder nach der Rechtsgrundlage der Maßnahme bedeutet habe. Insgesamt beklagten viele Betroffene, für sie seien die Polizeimaßnahmen nicht transparent und nachvollziehbar gewesen, bevor es zur Gewalt kam.
Befragte Po­li­zis­t:in­nen erklärten ihre Gewaltanwendung dagegen vielfach damit, einen Kontrollverlust vermeiden zu wollen. Auch Zeitdruck oder mangelndes Personal, woraus Überforderung folge, seien Gründe gewesen.
Die Studie spricht von verschiedenen normativen Maßstäben, die an Polizeigewalt angelegt werden. Für die Betroffenen seien neben der Rechtsmäßigkeit die Legitimität der Gewalt zentral. Nur ein Fünftel der Befragten kritisierte den ursprünglichen Polizeieinsatz an sich. Für die Polizei dagegen zählten bei der Gewaltanwendung, die ihnen in bestimmten Situationen als „unmittelbarer Zwang“ erlaubt ist, die Effizienz ihrer Maßnahmen.
Der Großteil der Fälle von Polizeigewalt bleibt derweil offenbar öffentlich unbekannt. So gab es laut Statistischem Bundesamt 2021 insgesamt 2.790 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte wegen rechtswidriger Gewaltanwendung. Nur in 80 Fällen erfolgten dabei auch Anklagen wegen Körperverletzung im Amt – in zwei Prozent der Fälle also. Zum Vergleich: Durchschnittlich wird bei 22 Prozent aller Ermittlungsverfahren Anklage erhoben. 27 der 80 angeklagten Körperverletzungen im Amt endeten mit Verurteilungen, 25 mit Freisprüchen – beim Rest wurden die Verfahren eingestellt, mit oder ohne Geldstrafe.
Die Studie gibt auch für die geringe strafrechtliche Aufklärung Gründe an. So könnten vielfach übergriffige Po­li­zis­t:in­nen nicht identifiziert werden. Auch würden Po­li­zis­t:in­nen sehr selten ihre Kol­le­g:in­nen beschuldigen und zugleich vor Gericht als besonders glaubwürdig gelten. Zudem herrsche, wegen der alltäglichen Kooperation, zwischen Justiz und Polizei ein „institutionelles Näheverhältnis“, das einen unvoreingenommenen Blick erschwere.
Große Definitionsmacht der Polizei
Auch von den befragten Betroffenen in der Studie erklärten nur 14 Prozent, dass in ihrem Fall ein Strafverfahren stattgefunden habe. Nur knapp jede zehnte betroffene Person stellte von sich aus eine Anzeige. Die anderen verwiesen auf mangelnde Erfolgsaussichten einer solchen Anzeige, fehlende Beweismittel oder die Sorge vor einer Gegenanzeige. Auf Polizeiseite wiederum konstatiert die Studie hohe Hürden, dass Polizeibeamte Gewalt von Kol­le­g:in­nen zu einer Anzeige bringen. Die For­sche­r:in­nen gehen deshalb von einem „erheblichen Dunkelfeld“ aus.
Die Studie zeigt, dass die Polizei nach den Gewaltvorfällen eine privilegierte Definitionsmacht hat. Dadurch, dass der Polizei allgemein eine hohe Glaubwürdigkeit attestiert werde, bestimme sie über Pressemeldungen nach den Vorfällen über deren öffentliche Deutung. Polizeigewalt werde damit, so die Studie, „strukturell einer Infragestellung entzogen“ – und Betroffene der Gewalt kämen damit kaum zu ihrem Recht.
https://taz.de/


Studie zu Polizeigewalt
: Aus Mangel an Beweisen eingestellt

16. Mai 2023, 7:01 Uhr Lesezeit: 3 min
Studie zu Polizeigewalt: Polizisten der Bundespolizei nehmen während einer Übung einen Fußballfan fest. Manchmal geraten solche Festnahmen außer Kontrolle.
Polizisten der Bundespolizei nehmen während einer Übung einen Fußballfan fest. Manchmal geraten solche Festnahmen außer Kontrolle. (Foto: Philipp Schulze/dpa)
Zu Polizeiübergriffen in Deutschland gibt es bislang nicht viel Forschung. Eine neue Studie beleuchtet nun, warum Polizisten überhaupt unrechtmäßige Gewalt anwenden - und warum so wenige Fälle vor Gericht landen....
Von Christoph Koopmann
8. August 2022, Dortmund: Ein 16 Jahre alter Geflüchteter läuft mit einem Messer in der Hand auf Polizisten zu. Ein Beamter schießt. Der Jugendliche stirbt. 20. April 2023, Berlin: Ein Aktivist der "Letzten Generation" blockiert eine Straße. Ein Polizist droht, er werde "Schmerzen beim Kauen und beim Schlucken" haben, wenn er nicht sofort aufstehe. Dann zerren der Beamte und ein Kollege den Mann von der Straße, wenden einen sogenannten Schmerzgriff an. Regelmäßig gibt es Debatten über mutmaßlich überharte und unrechtmäßige Polizeigewalt.
https://www.sueddeutsche.de


Studie zu Polizeigewalt
: Viele erstatten gar nicht erst Anzeige

Wer sich gegen Polizeigewalt wehren will, hat laut einer Studie juristisch kaum Chancen. Das sei nicht nur für Betroffene ein Problem, sondern auch für die Polizei.
Von Nina Monecke
16. Mai 2023, 6:59 Uhr
Studie zu Polizeigewalt: Der Großteil der Verdachtsfälle rechtswidriger polizeilicher Gewalt bleibt laut der Studie im Dunkelfeld: Nur 14 Prozent der Befragten berichten, dass in ihrem Fall ein Strafverfahren stattgefunden habe.
Der Großteil der Verdachtsfälle rechtswidriger polizeilicher Gewalt bleibt laut der Studie im Dunkelfeld: Nur 14 Prozent der Befragten berichten, dass in ihrem Fall ein Strafverfahren stattgefunden habe. © Alexander Hoepfner für ZEIT ONLINE; Foto: Omer Messinger/​Getty Images
Selbst einige aus ihrem engsten Umfeld hätten nicht ihr, sondern der Polizei geglaubt, sagt Sarah N. rückblickend. Irgendwas müsse sie doch gemacht haben. Doch die junge Frau war am 8. Juli 2017 kurz nach Mitternacht nur auf dem Heimweg. Mit den Protesten gegen den G20-Gipfel, der gerade in ihrer Stadt Hamburg stattfand, hatte sie nichts zu tun. Als sie und ihr Freund eine Absperrung passierten, sei sie von Polizisten ohne eine Erklärung vom Rad gerissen worden. An den Händen habe man sie zurück zu einer Kreuzung geschleift und dabei auf sie eingetreten. So erzählte es Sarah N. ZEIT ONLINE....
https://www.zeit.de/


2. Online-Artikel zu Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegen Väterdiskriminierung in der BRD

Liste von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Görgülü ./. Deutschland, Urteil vom 26. Mai 2004, Nr. 74969/01[18]
In einem Sorgerechtsverfahren sind auch die langfristigen Auswirkungen zu berücksichtigen, die eine dauerhafte Trennung von seinem leiblichen Vater für ein Kind haben könnten. Soweit es um die Versagung des Umgangs mit dem Kind geht, hält der EGMR fest, dass nur außergewöhnliche Umstände die Auflösung der Familienbande des Kindes rechtfertigen können, da deren Aufrechterhaltung dem Wohl des Kindes dient. Weder der erste noch der zweite Gesichtspunkt wurde von den deutschen Gerichten beachtet, weshalb Art. 8 EMRK verletzt wurde.
Zaunegger ./. Deutschland, Urteil vom 3. Dezember 2009, Nr. 22028/04[19]
Der generelle Ausschluss einer gerichtlichen Prüfung des alleinigen Sorgerechts der Mutter, wie er sich aus § 1626a Absatz 2, § 1672 Absatz 1 BGB ergibt, ist im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck, den Schutz der Interessen des unehelichen Kindes, nicht verhältnismäßig und stellt aus Sicht des Vaters eine Verletzung des Diskriminierungsverbots nach Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 8 EMRK dar.
Anayo ./. Deutschland, Urteil vom 21. Dezember 2010, Nr. 20578/07[20]
Im vorliegenden Fall wurde dem biologischen Vater von den deutschen Gerichten der Umgang mit seinen Kindern verweigert, da dieser – obwohl er sich darum bemüht hat – nach der Geburt nie Kontakt zu seinen Kindern hatte und deshalb keine sozial-familiäre Beziehung im Sinne von § 1685 Abs. 2 BGB zwischen ihm und den Kindern bestand. Jedoch kann auch der Wunsch, eine familiäre Beziehung aufzubauen, in den Geltungsbereich von Artikel 8 EMRK fallen, wenn die Tatsache, dass noch kein Familienleben besteht, nicht dem Beschwerdeführer zuzuschreiben ist. Daher hätten hier die Belange des biologischen Vaters in die Abwägung eingestellt werden müssen. Da die Gerichte es unterlassen haben, zu prüfen, ob der Kontakt zwischen den Kindern und dem biologischen Vater unter den besonderen Umständen des Falls im Interesse der Kinder läge, ist Artikel 8 EMRK verletzt.
https://de.wikipedia.org/wiki/


LEDIGE VÄTER DISKRIMINIERT
Europäischer Gerichtshof rügt Deutschland

Ein lediger Deutscher hat vor dem Europäischen Gerichtshof das gemeinsame Sorgerecht für seine Tochter erstritten. Die Richter rügten die in der deutschen Gesetzgebung angelegte Diskriminierung – ein unverheirateter Vater kann das gemeinsame Sorgerecht nur mit Zustimmung der Kindsmutter erhalten. Ein Urteil mit Signalwirkung für die deutsche Familienpolitik.
03.12.2009 - 12:13 Uhr
HB STRAßBURG. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat einem deutschen Single-Vater im Kampf um sein Mitspracherecht bei der Sorge um seine Tochter den Rücken gestärkt. Der Vater sei von deutschen Gerichten, die gegen ein gemeinsames Sorgerecht entschieden hätten, anders behandelt worden als die Mutter und als ein verheirateter Vater, hieß es in der Urteilsbegründung am Donnerstag in Straßburg. Dies werteten die Straßburger Richter als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und das Recht auf Achtung des Familienlebens der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Der 45-Jährige aus dem Kölner Raum hatte für die Mitsprache bei der Sorge für seine 14-jährige Tochter geklagt. Nach geltender Rechtslage können in Deutschland nicht verheiratete Väter nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht erhalten. Bei ehelich geborenen Kindern gilt hingegen in der Regel ein gemeinsames Sorgerecht. Bei dieser Entscheidung ging es nicht um das Recht, das Kind zu sehen, das auch für nichteheliche Väter anerkannt ist.
Nach dem Urteil muss der Gesetzgeber nach Einschätzung des Anwalts des Klägers unverzüglich handeln und eine Neuregelung schaffen. „Der Gesetzgeber muss die gerichtliche Möglichkeit schaffen, das Kindeswohl zu prüfen, wenn ein unverheirateter Vater ein gemeinsames Sorgerecht anstrebt“, sagte der Anwalt Georg Rixe. Das Urteil des Gerichtshofes für Menschenrechte „gibt unehelichen Vätern die Möglichkeit, mehr Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen und stärkt auch das Recht der Kinder auf beide Eltern.“ Eine Stellungnahme des Bundesjustizministeriums wurde am Nachmittag erwartet.
Die bayerische Justizministerin Beate Merk hat unterdessen vor einer Sorgerechtsreform zulasten der Kinder gewarnt. Nach dem Urteil müsse das Sorgerecht lediger Väter gestärkt werden, aber „ohne dass dies auf Kosten der Kinder geht“, sagte die stellvertretende CSU-Vorsitzende am Donnerstag in München. Das Kindeswohl müsse uneingeschränkt an erster Stelle stehen. Der Kontakt zwischen Vater und Kind sei schon durch das Umgangsrecht gewährleistet. „Ich halte daher nichts von einer generellen Regelung, wonach ledige Väter grundsätzlich ein gemeinsames Sorgerecht erhalten sollen“, sagte Merk.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wacht über die Einhaltung der Menschenrechte in den Ländern des Europarates. Diese letzte Instanz für Beschwerden einzelner Bürger oder eines Mitgliedstaates gegen einen anderen wurde 1959 gegründet. Maßstab der Rechtsprechung sind die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 und ihre Zusatzprotokolle. Darin sind unveräußerliche Grundrechte wie das Recht auf Leben, Meinungs- und Religionsfreiheit sowie faire Prozesse vorgeschrieben.
Die per Mehrheitsbeschluss gefällten Urteile des Gerichtshofs sind theoretisch für alle Parteien bindend. Weil das Gericht jedoch keine Exekutivbefugnisse hat, kann es nicht bestimmen, ob und wie ein Staat seine Beschlüsse umsetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat klar gestellt, dass Straßburger Urteile für deutsche Gerichte nicht zwingend sind, jedoch berücksichtigt werden müssen. Die Richter werden von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats auf Vorschlag der Regierungen für sechs Jahre gewählt. Sie sind nicht weisungsgebunden.
https://www.handelsblatt.com/


Urteil
EGMR stärkt psychisch kranke Väter

Umgangsrecht darf nicht pauschal beschränkt werden – dies stellt nach Ansicht der Richter eine Diskriminierung dar.
Veröffentlicht: 19.02.2020, 16:56 Uhr

Straßburg. Auch psychisch kranke und getrennt lebende Väter haben ein Recht auf regelmäßigen Kontakt mit ihren Kindern. Für sich genommen ist die Krankheit kein Grund, sie anders als andere Väter zu behandeln, wie jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied.
Im Streitfall stellten die Straßburger Richter fest, dass ein psychisch kranker Vater in Rumänien diskriminiert und in seinem Recht auf Familienleben verletzt wurde.
Der Mann war 2018 geschieden worden. Er und auch seine Ex-Frau hatten zuvor psychische Probleme, zuletzt war aber nur noch er als psychisch krank registriert. Gerichte entschieden, dass die damals vierjährige Tochter bei der Mutter leben soll. Der Vater erhielt nur ein Umgangsrecht von zweimal zwei Stunden pro Woche und im Beisein der Mutter.
Klage in Rumänien blieb erfolglos
Damit war er nicht einverstanden. Von seiner Ex-Frau habe er sich völlig entfremdet, und auch zeitlich reiche das Zusammensein mit seiner Tochter nicht aus. Eine entsprechende Klage in Rumänien blieb allerdings ohne Erfolg.
Der EGMR gab nun dagegen der Verfassungsbeschwerde statt. Er sei wegen seiner psychischen Erkrankung diskriminiert worden, obwohl es hierfür keinerlei Gründe gab. So hätten die rumänischen Gerichte nicht festgestellt, dass der Vater sich nicht um seine Tochter kümmern würde oder dass sie bei ihm sogar gefährdet wäre.
Jüngere Berichte der behandelnden psychiatrischen Klinik seien positiv, ein Sachverständigengutachten hätten die Gerichte nicht eingeholt, rügten die Straßburger Richter.
Recht auf Privat- und Familienleben verletzt
So oder so hätte es auch andere Möglichkeiten gegeben, als ein Zusammensein von Vater und Kind nur im Beisein der Mutter. Den Gerichten sei das angespannte Verhältnis zwischen den Eltern bekannt gewesen. Die Frage, welche Lösung am besten für das Kind sei, hätten sie sich nicht gestellt.
Auch das Recht auf Privat- und Familienleben sei daher verletzt, urteilte der EGMR. Er sprach dem Vater ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zu. (mwo)
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Az.: 3891/19
https://www.aerztezeitung.de/


Väter- und Männerdiskrimierungen sind mit den Europäischen Menschenrechte nicht vereinbar

30.12.2020
3 Minuten Lesezeit
Das Bundesverfassungsgericht hatte in dem Urteil BvR 1481/04 festgestellt, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg gegen Art. 6 GG des Rechtsstaatsprinzips verstößt.
Dabei hat das Bundesverfassungsgericht auch festgestellt, dass das Oberlandesgericht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei seiner Entscheidungsfindung nicht hinreichend berücksichtigt hat, obwohl es dazu verpflichtet war. Die angegriffene Entscheidung ließ nicht erkennen, dass sich das Oberlandesgericht überhaupt damit auseinandergesetzt hat, dass das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Umgangsrecht grundsätzlich unter dem Schutz des Art. 6 GG gestellt ist.
Nach der Auffassung des BVerfG ist dieser verfassungsrechtliche Schutz vor dem Hintergrund seiner Ausführungen zur komplementären Garantie in Art. 8 EMRK zu sehen.
Auffallend ist, dass das Oberlandesgericht sich nicht in einer nachvollziehbaren Form mit den Grundrechten auseinandergesetzt hat. Art. 6 GG besagt klar und deutlich: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ Dieses Grundrecht hätte das Oberlandesgericht in seinem Urteil berücksichtigen müssen.
Der Kindesvater hat keinen Umgang mit seinem Sohn. Hierbei ist von zentraler Bedeutung, dass der vom EUGH festgestellte Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen Art. 8 EMRK aus der Perspektive des Konventionsrechtes andauert, weil der Beschwerdeführer benachteiligt ist.
Nach Ansicht des EUGH bedeutet dies, dass dem Kindesvater der Umgang mit seinem Kind ermöglicht werden muss.
An diesem Fall ist zu sehen, wie eine Diskriminierung der Rechte der Väter gerichtlich vom EUGH aufgedeckt werden und das deutsche Gericht die Männer- und Väterdiskriminierung nicht berücksichtigt hat.
In einem weiteren Fall von Männer- und Väterdiskriminierung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erneut einem deutschen Single-Vater im Kampf um sein Mitspracherecht bei der Sorge um seine Tochter den Rücken gestärkt.
In der Urteilsbegründung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hieß es: „Der Kindesvater sei von deutschen Gerichten, die gegen ein gemeinsames Sorgerecht entschieden haben, anders behandelt worden als die Kindesmutter“. Dies werteten die EUGH Richter als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und das Recht auf Achtung des Familienlebens der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Das Urteil des Gerichtshofes für Menschenrechte stärkt auch das Recht der Kinder in der vaterlosen Gesellschaft auf beide Elternteile. Aus Art. 6 GG resultiert ein Recht der Kinder von beiden Elternteilen betreut und erzogen zu werden, was durch die UN-Kinderrechtekonvention und durch Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert werden soll.
Väter- und Männerdiskriminierung hebelt diese Grund- Menschenrechte aus. Das Unrecht im Namen des Rechts zu sprechen ist eine Ungerechtigkeit für alle Beteiligten. Daher muss die Ursache zum Wohle der Kinder bekämpft werden.
Diese Aufgabe gehört zu unserem obersten Ziel als Konfliktverteidiger. Verteidigung im Gerichtsverfahren ist ein Kampf für die Rechte eines entrechteten Kindesvaters. Dieses Recht wiederherzustellen und im Widerstreit gegen die Organe des Staates, die dem Auftrag nach zum Wohl des Kindes zu genügen haben richtigzustellen, ist unsere größte Herausforderung.
Im Strafverfahren und Sorgerechtsverfahren bringt der Staat gegen persönliche Freiheit und Vermögen der einzelnen Kindesväter seine Machtmittel mit einer Wucht zum Einsatz wie in keinem anderen Bereich des gesellschaftlichen Lebens.
Stellt sich am Ende eines Gerichtsprozesses nämlich heraus, dass der Vorwurf unbegründet war, ist die berufliche und persönliche Existenz meist bereits vernichtet. Es ist daher nicht nur die Aufgabe, sondern die Pflicht des Konfliktverteidigers zum Wohle seines Mandanten und zur Verwirklichung seiner Rechte einzutreten.
Genau hier setzt die Arbeit des Frankfurter Antidiskriminierungsanwalts und Strafverteidigers Dr. Dr. Iranbomy ein, wenn es um Ihr Recht geht!
Unser Erfolg ist, Ihr Erfolg!
Ihr Kinderrechtsanwalt
Dr. Dr. Iranbomy
Anti-Frauen Diskriminierungsanwalt & Anti-Männer Diskriminierungsanwalt
www.iranbomy.com
https://www.anwalt.de/


3. Dezember 2009 - EGMR stärkt Sorgerecht lediger Väter

Stand: 03.12.2019, 00:00 Uhr
Mama, Papa, Kind - längst gehört dazu kein Trauschein mehr. Und wenn sich die Eltern trennen? Wer darf sich dann um den Nachwuchs kümmern? Verheiratete Paare haben automatisch das gemeinsame Sorgerecht - Ledige aber nur, wenn sie es beantragen.
Das Problem: Lange Zeit sind ledige Väter im Nachteil. Denn die 1998 in Kraft getretene Reform des Kindschaftsrechts räumt ledigen Väter zwar erstmals die Möglichkeit ein, durch eine Sorgerechtserklärung in Besitz des gemeinsamen Sorgerechts zu kommen - allerdings nur mit Zustimmung der Mutter.
Ein Kind zwischen den Eltern25. September 1997: Reform des Kindschaftsrechts | mehr
Aussichtslose Klagen
Das bedeutet: Gegen den Willen der Mutter kann damals der Vater kein Mit-Sorgerecht erhalten. Nur wenn sich die Eltern einig sind und dies ausdrücklich erklären, können beide das gemeinsame Sorgerecht bekommen. Ist die Mutter nicht einverstanden, sind Sorgerechtsklagen des Vaters aussichtslos.
Das erfährt auch ein lediger Vater aus der Umgebung Kölns: Er klagt sich acht Jahre lang durch alle Instanzen und verliert immer wieder, auch 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht.
Diskriminierung lediger Väter
Daraufhin wendet sich der Mann an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg - mit einer Beschwerde gegen die Diskriminierung unverheirateter Väter. Am 2. Dezember 2009 fällt das Urteil: Ledige Männer werden in der Bundesrepublik benachteiligt. Sie müssen sich das Sorgerecht vor Gericht erstreiten dürfen.
Damit spielt der EGMR den Ball zurück an die deutschen Gerichte und den Gesetzgeber. Das Bundesverfassungsgericht wertet daraufhin die kritisierte Regelung als "unverhältnismäßigen Eingriff in die Elternrechte des Vaters".
WDR 2 Der StichtagEuropäisches Urteil zum Sorgerecht lediger Väter (am 03.12.2009)WDR 2 Stichtag 03.12.2019 04:16 Min. Verfügbar bis 30.11.2029 WDR 2
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Reform des Sorgerechts
Im Juli 2010 tritt eine Übergangslösung in Kraft: Das Familiengericht kann nun auch ohne Zustimmung der Mutter dem Antrag des Vaters auf gemeinsames Sorgerecht stattgeben - wenn davon auszugehen ist, dass dies dem Wohl des Kindes am besten dient.
2013 wird das Sorgerecht reformiert. Seither gilt: Ein lediger Vater kann auch dann, wenn die Mutter das nicht will, das Sorgerecht bekommen - um für seine Kinder da zu sein.
Alleiniges Sorgerecht möglich
Er muss jedoch nicht mehr nachweisen, dass das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl zugute kommt. Die Richter sprechen den Eltern nun das gemeinsame Sorgerecht zu, falls dies dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Außerdem erhält der Vater durch die Reform die Möglichkeit, das alleinige Sorgerecht ohne Zustimmung der Mutter zu erhalten, falls dies "dem Wohl des Kindes am besten entspricht".
https://www1.wdr.de/


Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte urteilt gegen Deutschland

Zusammenstellung von Urteilen des EGMR  ./. Deutschland von Jochen Wagner¹
Ergebnisse ab 2000 – inclusive zwei Klageabweisungen
2018-01-17
1. Elsholz
ARCHE EGMR-Urteile gegen Deutschland kid - eke - pas Heiderose Manthey_03a13.07.2000 Egbert Elsholz Hamburg; unverheirateter Vater durch Mutter Kinder entfremdet und ohne Gutachten Umgang abgelehnt; 35,000,- DM + 12500,- DM Auslagen erstattet, RA Peter Koeppel, München
13/07/00 – Fall E. gegen DEUTSCHLAND (Beschwerde Nr. 25735/94)
2. Hoffmann
ARCHE EGMR-Urteile gegen Deutschland kid - eke - pas Heiderose Manthey_0111.10.2001 Friedhelm Hoffmann: Kontakt zu nichtehelicher Tochter verhindert durch entfremdende Mutter PAS: Art. 6,8+14 beklagt; Urteil auf Art.6 und 8mit14, Art. 8 allein nicht verletzt; 25.000,-DM +2500,-DM Auslagen
11/10/01 – Rechtssache H. gegen DEUTSCHLAND (Individualbeschwerde Nr. 34045/96)
3. Kutzner
ARCHE EGMR-Urteile gegen Deutschland kid - eke - pas Heiderose Manthey_03b26.02.2002 Fall Ingo Kutzner und Annette Kutzner gegen DEUTSCHLAND
(Beschwerde Nr. 46544/99), sind von H. Brückner aus Osnabrück und Herrn V. Laubert von
dem Verein Aktion Rechte für Kinder e.V. vertreten worden: 1997 Aufhebung des
elterlichen Sorgerechts wegen fehlender „notwendiger geistiger Befähigung“ der
Eltern, ihre Kinder (Töchter Geb. ´91+´93) großzuziehen.
http://www.coe.int/t/d/menschenrechtsgerichtshof/dokumente_auf_deutsch/volltext/urteile/2
0020226_K.asp ; http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-139165; Art. 8 EMRK wurde verletzt:
15.000,- für immateriellen Schaden, 8000,- für Anwaltskosten
4. Niederböster
27.02.2003 Heinrich Niederböster RA Rixe; Umgang als nichtehelicher Vater
diskriminiert aber nicht beklagt/anerkannt, überlanges Verfahren anerkannt, kein
Schmerzensgeld http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139220
5. Nekvedavicius
19.06.2003 Christian Nekvedavicius, is a German and Lithuanian national, born in 1946,
Münster .
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-23277
6. Sahin
08.07.2003 Asim Sahin uneheliches Kind- Kontakt von Mutter 1990 blockiert;
„65. Welcher Ermessensspielraum den zuständigen nationalen Behörden dabei einzuräumen ist, hängt von der Art der streitigen Fragen und der Bedeutung der betroffenen Interessen ab. So hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Behörden bei der Regelung des Sorgerechts einen großen Ermessensspielraum haben. Einer genaueren Kontrolle bedarf es jedoch bei weitergehenden Beschränkungen, wie beispielsweise bei Einschränkungen des Umgangsrechts der Eltern durch diese Behörden, sowie bei gesetzlichen Maßnahmen, die den wirksamen Schutz des Rechts von Eltern und Kindern auf Achtung ihres Familienlebens gewährleisten sollen. Solche weitergehenden Beschränkungen bergen die Gefahr, dass die
Familienbeziehungen zwischen einem kleinen Kind und einem oder beiden Elternteilen endgültig abgeschnitten werden (siehe Elsholz ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 25735/94, Nr. 49, ECHR 2000-VIII, sowie Kutzner, a.a.O., Nr. 67).“ Art 8mit14 verletzt, da Kind weder vom Gericht angehört wurde noch von der Sachverständigen zu seiner Beziehung zum Vater befragt wurde, Ersatz 24500,- http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139232
7. Sommerfeld
08.07.2003 Manfred Sommerfeld RÄ S. Hierstetter, München (Art. 6,8,14) als
nichtehelicher Vater kein Umgang; 22500,- Entschädigung; wegen Verletzung 8 +8mit14)
Diskriminierung http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139238
8. Görgülü
26.02.2004 Kazim Görgülü RÄ Ms A. Zeycan, Bochum. After admissibility he was also
represented by Mr P. Koeppel, a lawyer practising in Munich; der gesamte Fall ist in
Wikipedia nachzulesen http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-114933
EGMR NJW 2004, 3401 (Haase/Deutschland)
9. Haase
08.04.2004 Haase gegen Deutschland eine Erleuterung zu dem Fall Hase ist in der
Fachzeitschrift Jugendamt erschienen. (JAmt 2004, Seite 551), Beschwerde Nr.: J1057/02
www.menschenrechte.ac.at/docs/04_2/04_2_09: Sorgerechtsentzug für vier eheliche und
drei unehelicheKinder, Ausschluss des Umgangsrechts mit den leiblichen Eltern- Urteil
BVerfG: Verletzung von Artikel 6 Abs. 2Satz 1 GG in Verbindung mit Abs. 3- Urteil EuGH:
Verletzung von Artikel 8
10. Wimmer
24.02.2005 Josef Wimmer RA Rixe Kontakt zu Kindern verloren, weil Frau es so
wollte; überlanges Verfahren, weil BverfG von ´94- ´98 nicht handelte
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139256
11. Süß
13.10.2005 Süß http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-138746
habe zu Recht keinen Kontakt zum Kind, daher keine Verletzung von Art. 8 und auch keine
anderen Verletzungen – d.h. NIX anerkannt bekommen.
12. Sürmeli
Urteil v. 8.6.2006 – Beschwerde Nr. 75529/01 : Sürmeli/Deutschland, Mr O. Wegner, a lawyer
practising in Lübeck, überlanges Verfahren, deshalb Art. 6 und Art. 13 verletzt; 10.000,- immaterieller
Schadenersatz, 4700,- Kostenerstattung;
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-75689
13. Wildgruber
16.10.2006 E. Wildgruber. aus Harmstorf, Rixe; darf nicht im Namen seiner Kinder rügen
weil er kein Sorgerecht hat. Wollte mehr Zeit mit seinen Kindern (Gutachten wurde nicht erstellt); Jugendamt hat die Kinder nicht angehört – kein Verfahrenspfleger eingesetzt; „Die Gerichte befanden, dass bei der bereits bestehenden Umgangsregelung keine Gefahr der Entfremdung zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern bestehe. Im Hinblick auf die außergewöhnlich großen Spannungen zwischen dem Beschwerdeführer und Frau W.-L. würde eine Ausweitung des Umgangsrechts ihre Söhne jedoch verunsichern und sie an ihrem Lebensmittelpunkt bei der Kindesmutter destabilisieren.
Stabilität sei jedoch für das Wohl der Kinder erforderlich, nicht zuletzt weil der Beschwerdeführer J.-M. und P. einmal entführt habe und mit ihnen über mehrere Monate durch die Lande gezogen sei.“; „In diesem Zusammenhang hält der Gerichtshof es für besonders bedeutsam, dass das Verfahren vor den nationalen Gerichten nicht den völligen Ausschluss des Umgangsrechts des Beschwerdeführers betraf. Es ging lediglich um den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausweitung seines bestehenden Rechts auf Umgang mit seinen Kindern, das bereits recht weit gefasst war, weil es nicht nur Kontakte an jedem zweiten Wochenende sondern insbesondere auch Umgang während der Hälfte der Schulferien umfasste. Von daher haben die Entscheidungen das Recht eines Vaters auf Achtung seines Familienlebens mit seinen Kindern nicht grundlegend erschüttert, sondern betrafen lediglich Aspekte seines bereits bestehenden persönlichen Umgangs mit seinen Söhnen. Da insbesondere das Amtsgericht den Vorteil des unmittelbaren Kontakts zu den Kindern und ihren Eltern gehabt hatte, erscheint es nicht unangemessen, wenn die Gerichte sich auf eigene Sachkunde stützen, anstatt auch einen psychologischen Sachverständigen und / oder einen Verfahrenspfleger beizuziehen, um das Kindeswohl im Hinblick auf weiteren Umgang mit dem Vater zu prüfen.“. „Der Gerichtshof stellt daher fest, dass insgesamt davon ausgegangen werden kann, dass die nationalen Gerichte unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache ihre Entscheidungen auf einer hinreichenden Beweisgrundlage getroffen haben. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen und des Ermessensspielraums des beklagten Staates ist der Gerichtshof deshalb überzeugt, dass die Verfahrensweise der deutschen Gerichte unter den Umständen angemessen war und genügend Material erbracht hat, um zu einer begründeten Entscheidung in der Frage des Umgangs in dem betreffenden Fall zu gelangen.“
http://www.coe.int/t/d/menschenrechtsgerichtshof/dokumente_auf_deutsch/volltext/entscheidungen/20061016-EW.asp
14. Skugor
10.05.2007 Alexander Skugor RÄ R. Giebenrath Offenburg; Weigerung, der Kindsmutter
das Sorgerecht zu entziehen – zeitlich begrenzter Ausschluss des Umgangsrechts – gerechter
Interessenausgleich – Kindeswohl – Art. 6 Abs. 1 EMRK – überlange Verfahrensdauer
anerkannt. http://www.bmjv.de/SharedDocs/EGMR/DE/20070510_76680-01.html?
nn=2363088; http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139429 1000,-
immateriell, 1000,- von 7000,- für Auslagen.
15. Glesmann
10.01.2008 Glesmann, Berlin RA Herrn T. Kochanowski, Berlin: Kind wg. Scheidungsstreit
„vorübergehend“ ins Pflegeheim bis Gutachten erstellt sei – 2 J. kein Kontakt zum Kind,
weil Unterbringungsort geheim gehalten wurde. Art. 6,8,9 nicht verletzt
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-84329
16. Luck
15.05.2008 Luck RA Rixe biolog. Vater ohne Sorgerecht will Umgang behalten, die
Mutter und der rechtliche Vater unterbinden dies ab dem 2. Lj. mit Erfolg
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139513 überlanges Verfahren
blieb nur übrig, sei kein Opfer mehr von Diskriminierung
17. Abduvalieva
6.11.08 Abduvalieva 54215/08 Mr I.-J. Tegebauer, a lawyer practising in Trier, Das 1996
geb. Kind lebte gerichtl. festgelegt bei der Mutter. Nach einem 3wö. Urlaub beim Vater
wollte es nicht zur Mutter. Das Jugendamt nahm das Kind deshalb in Obhut. Art. 6 EMRK
wird beklagt. Der Gerichtshof sieht Art. 6 als verletzt an, billigt aber KEIN Geld für
immateriellen Schaden zu und auch nicht für die Kosten der Verfassungsbeschwerde. Nur
2000,- Euro Kosten vor dem EGMR werden erstattet.
http://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-139530%22]}
18. Adam
04.12.2008 Mr Eberhard Adam, Mrs Hiltrud Adam and Mr Henri Adam vertreten von
anfangs RA C. Rummel, später RA I. Alberti, Munich and Delbrück
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139522 Überlanges Verfahren
19. Zaunegger
13.12.2009 Zaunegger Art. 8mit14 verletzt; 7000,- Kostenerstattung
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139529 (Diskriminierung nach
Geschlecht, wenn Vater kein Sorgerecht bekommen kann) RA Rixe, zuvor F. Wieland,
Bonn
LTO vom 3.8.2010 ,
20. Wildgruber
21.01.2010 Erwin Wildgruber – http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?
i=001-139502 (RA Rixe) Rüge wg. überlangem Verfahren (7J.) und dadurch aus
„Kontinuitätsgründen Verbleib der Kinder bei der Mutter“
21. Afflerbach
24.06.2010 Reinhard Afflerbach RA Rixe FamRZ 2010, 1721 nichteheliches Kind ab 2.
Lj. weggezogen, von Mutter sex. Mißbrauch vorgeworfen, Mutter lehnt Verfahrenspfleger
und 2. Gutacher ab; Umgangsausschluss für 4 Jahre! weil gegen den Willen der Mutter
Umgang sei schädlich; Entzug des Gutachten-Teilnahme-Bestimmungsrechts gegen Mutter
und Übertragung auf Jugendamt; dieses blockiert Vorführung beim Gutachter; schließlich
doch Gutachten: PAS; Gutachter lehnt Kontakte ab, da sie das Kind erst recht verunsichern
würden. 7000,- Schadenersatz, 3400,- Kostenerstattung , Art. 6, Art. 13 verletzt
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139475
22. Döring
08.07.2010 Döring – http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139472
(Rüge wegen Dauer des Verfahrens) RA Rixe
23. Rumpf
2.9.10 Rüdiger Rumpf, Ingelheim, *1951, Leiter eines Personenschutzunternehmens, Mr S.
Schill, a lawyer practising in Wetzlar. Verletzung Art. 6 + 13; überlanges
Verwaltungsverfahren zur Ablehnung von Waffenkonzessionen; 10.000,- für immateriellen
Schaden, 4000,- für (Anwalts-) Kosten;
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-100307
http://www.bmjv.de/SharedDocs/EGMR/DE/20100902_46344-06.html
(Zusammenfassung zu diesem Verf. s. am Anfang des Kapitels EGMR-Urteile)
24. Anayo
21.12.2010 Anayo (EGMR-Urteil in FamRZ 2011, 269) (von Rainer Schmid,
Rechtsanwalt in Nagold vertreten– der auch im Fall Mollath befaßt gewesen ist)
biologischer Vater bekommt Kontakt zu seinen Zwillingen verweigert (die von der Mutter
in anderer Ehe aufgezogen werden) weil er nicht der rechtliche Vater ist.
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139454
Art. 8 EMRK verletzt; 5000,- Entschädigung für immateriellen „Schaden“ sowie 4031,-
Euro für Antwaltskosten.
Folgeentscheidungen hierzu sind weiter unten zu finden: Link: insbes. BGH vom 5.10.16
hebt OLG-KA-Beschluß auf, der weiterhin den Kontakt verweigert-> Neuverhandlung.
25. Heidemann
17.5.2011 Jürgen Heidemann/Deutschland 9732/10; RÄ S. Beyer aus Köln; 7 Jahre gemeinsames Leben mit Frau und Sohn; nach Auszug (wohl) kein Kontakt mehr. Gutachter lehnt Kontakte strikt ab (dass die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes weiterhin gefährdet sei. Jeglicher Umgang und jede Art der Vorbereitung von Umgangskontakten zwischen dem Kind und seinem Vater würden diese positive Entwicklung aufgrund der unmittelbar drohenden Gefahr einer Retraumatisierung aufs Spiel setzen. Es sei notwendig, dem Kind eine Erholungsphase von mindestens drei Jahren einzuräumen, damit es sich weiter stabilisieren und seine positive Entwicklung fortsetzen könne. ) aber es liege kein PAS vor! Kontaktstop von 3 Jahren verhängt! und GH bestätigt den Ausschluß, (verweist auf: „Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die Gründe für die Aussetzung von Umgangsrechten in der Regel nicht als dauerhaft angesehen werden können und grundsätzlich in regelmäßigen Abständen von längstens einem Jahr überprüft werden sollten“) der gerecht wg. Gutacheraussage gerechtfertigt ist; KEINE Verletzung festgestellt!
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-109120.
26. Tsikakis
10.02.2011 Tsikakis FamRZ 2011, 1125 (RA aus Griechenland) überlange
Verfahrensdauer (http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139443
27. Kuppinger
21.04.2011 Bernd Kuppinger FamRZ 2011, 1283 RA Rixe
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-139439
28. Schneider
15.09.2011 Michael Schneider (Heidelberg, Fulda) vom BF schwangere Frau zieht nach
England zum Ehemann und verhindert Kontakt zum Kind (ohne Vaterschaftsanerkennung
ihrerseits); weil nicht rechtlicher Vater, drum kein Umgang! Art. 8 verletzt; 5000,- Euro
immateriell, 10,000,- für Auslagen; RA Rixe FamRZ 2011, 1715 (5. Sektion, Urteil v. 15.9.2011 –
Beschwerde Nr. 17080/07 http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-106171,
29. Döring
21.02.2012 Peter Döring aus Berlin http://
hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-113092 (anfängliches parität.
Wechselmodell v. Mutter durch Wegzug 650km eigenmächtig beendet, Kinderschutzbund
Schifferstadt involviert; Umgangsprozess war nicht zu langsam, Sorgerechtsprozess sehr
wohl 8.7.10), -vermutl. weil sich das BVerfG 2 Jahre Zeit ließ, bevor es ohne Begründung
die Klage ablehnte. u.a. §1626a)
30. Enke
09.10.2012 Jens Enke FamRZ 2013, 431 RÄ B. Barbe-Becker, Bremerhaven; nach
Trennung ´98 Wechselmodell ¾ für 2 Jahre. Mutter beantragt alleinige Sorge und bekommt
sie (wegen Spannung zwi. den Eltern). Antrag auf Aufhebung der Alleinsorge mißlingt.
Beklagt wird Verletzung von Art. 8 und 8mit14. Beides wird abgelehnt vom EuGHMR
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-116557
31. BB + FB
19.2.13 o. 14.3.13(?) BB + FB (türkischer Herkunft, Österreicher Ehepaar) gegen
Deutschland: RÄ S. Thomas in Duisburg: Raub und Verschleppung der zwei Kinder durchs
Jugendamt für 497 Tage (weil die Kinder in der Schule -vermutlich wegen hohem
Leistungsdruck seitens der Eltern) angegeben hatten, geschlagen zu werden: Entschädigung
immateriell für jeden Elternteil 25.000,- Euro + ca. 2100,- Auslagen. Art. 8 beklagt und
verletzt. http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-121280
32. I.S.
5.6.14 Fr. I.S. RA Rixe: neben Ehe mit 2 Kindern außerehelich Zwillinge gezeugt: Ehemann
fordert Abtreibung oder Weggabe; „Jugendamt“ habe halboffene Adoption mit
Kontakterhalt zu den Kindern versprochen – aber nicht eingehalten; Klägerin hat
Adoptionseinwilligungserklärung angefochten. Mit der Unterzeichnung der
Einwilligungserklärung habe sie nur auf ihre Rechte als gesetzlicher Elternteil verzichtet,
nicht jedoch auf ihre Rechte als leibliche Mutter. Art. 8 EMRK und 8+14 beklagt aber in
allen Punkten unterlegen.
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-146785
33. Kuppinger
15.01.15 Bernd Kuppinger: RA Rixe kein effektives Rechtsmittel um angeordneten Umgang
durchzusetzen gegen gerichtliche Blockade; Art8 und Art.8mit13 15.000,- +6500,-Auslagen;
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-152975
LTO vom 16.1.2015
34. Buchleither
28.4.16 Mr Lucian Buchleither RA Rixe; Aktenzeichen 20106/13 kurz nach Geb. (2003) der
Tochter Trennung, Sorgerecht bei der Mutter weil nicht verheiratet. Art. 8 nicht verletzt
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-162219
35. Moog
6.10.16 Hr. Claus Moog (Eingabe vom 30.4.08 und 24.12.09), two applications (nos.
23280/08 and 2334/10), RÄ Ms Eva Danuta Kieromin, a lawyer practising in Hamburg,
Mr Claus Moog, was born in 1972 and lives in Cologne.; Art. 8 verletzt wegen 3 Jahren
Kontaktausschluß zum Sohn, dafür 10.000,- Schmerzensgeld und 6700,- Anwaltskosten.
Ignoriert wurden die vorgetragenen Schmerzen des Vaters und sein Arbeitsplatzverlust mit
Einkommenseinbußen.
Am 6. Oktober 2016 entschied der EGMR in der Sache Moog ./. Deutschland (23280/08 und
2334/10), dass ein mehrjähriger Umgangsausschluss nicht gerechtfertigt war, zumal nicht
alle notwendigen Maßnahmen unternommen wurden, den Kontakt zwischen Vater und Sohn
wieder anzubahnen.
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-166950
http://www.archeviva.com/arche-viva/offener-bereich/gonzalez-dr-iur-jorge-guerra/
Seit 1999 hatte die Mutter fast durchgängig den Kontakt zwischen Vater und Sohn
verweigert. Auch Geldstrafen konnten sie davon nicht abhalten, obwohl mehrfach vom
Gericht und Sachverständigen betont wurde, dass der Kontakt zwischen Vater und Sohn
wichtig für das Kind ist. Aufgrund der Weigerung der Mutter reduzierten die Gerichte nach
und nach den Umgang zwischen Vater und Sohn, bis sie diesen schließlich, aufgrund der
auch gerichtlich festgestellten negativen Beeinflussung des Kindes durch die Mutter,
ausschlossen. Dies stellte so aber einen Verstoß gegen die Menschenrechte dar, stellte der
EGMR nun fest und sprach dem Vater eine Entschädigung in Höhe von 10.000 EUR zu. Der
Fall erinnert an den Fall Kuppinger ./. Deutschland (62198/11), worauf der EGMR auch
hinwies.
3) Der dritte Aspekt, der vom EGMR überprüft wurde, bezieht sich auf eine mögliche
Verletzung von Art. 8 EMRK. Der Gerichtshof stellt grundsätzlich fest, dass der Herr Moog
während des ganzen Verfahrens seinen Sohn mehr als vier Jahre nicht gesehen hat (92), und
zwar selbst dann nicht, wenn Beschlüsse vorgelegen hätten, mit denen solche Kontakte
angeordnet worden seien (91). Für den Gerichtshof impliziert Art. 8 EMRK nicht nur eine
staatliche Pflicht der Nichteinmischung des Staates in das Familienleben seiner Bürger,
sondern auch eine positive Pflicht zur Sicherstellung dieses Familienlebens. Diese Pflicht
werde eindeutig verletzt, wenn es dazu komme, dass der Antragsteller seinen Sohn mehr als
vier Jahre nicht sehen könne, da dies auch objektiv beträchtliche Auswirkungen auf sein
Familienleben habe (92). Insofern stellt der Gerichtshof auch hier eine Verletzung von Art. 8
EMRK durch die fehlende Umsetzung des Umgangs fest.
36. Mitzinger
Verfahren „Mitzinger vs. BRD“ , EGMR Az. 29762/10 vom 9.2.2017 , Rechtsverstöße bzw. Menschenrechtsverletzungen und ebenso Kinderrechtsverletzungen durch das OLG
München und durch das BVerfG (1 BvR 2021/09) , LTO vom 9.2.2017 , (Der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Deutschland erneut wegen einer
Diskriminierung von nichtehelichen Kindern im Erbrecht verurteilt. Die Straßburger Richter
gaben am Donnerstag einer Frau Recht, der Ansprüche am Erbe ihres Vaters verwehrt
worden waren (Urt. v. 09.02.2017, Az. 29762/10).
In Deutschland haben nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren worden sind und deren Vater vor dem 29. Mai 2009 gestorben ist, keine
Rechte am Erbe des Verstorbenen. Die Klägerin wurde 1940 als nichteheliches Kind geboren. Sie lebte zunächst in der DDR, später in Bayern. Ihr
Vater, der seine Tochter anerkannt hatte, starb im Januar 2009, also kurz vor dem Stichtag. Die beiden waren regelmäßig in Kontakt. Nach seinem Tod
verwehrten die Gerichte der Frau wegen der geltenden Rechtslage eine Stellung als Erbin.
Bis 1970 galten ein nichteheliches Kind und sein Vater als nicht verwandt. Auch nach einer Gesetzesänderung blieb es für Kinder, die vor dem 1. Juli
1949 geboren wurden, bei einer Benachteiligung im Erbrecht. Nach einer früheren Verurteilung durch den EGMR im Jahr 2009 hob Deutschland
diese Stichtagsregelung teilweise auf – für Fälle, in denen der Vater nach dem 29. Mai 2009 gestorben war.
¹Pseudonym – siehe auch Blaumilch und Wagner
http://www.archeviva.com/


EGMR zum Umgangsrecht leiblicher Väter
Deutsche Gerichte zu lasch, Gesetze lückenhaft

16.01.2015
Der EGMR stärkt erneut das Recht leiblicher Väter, ihre Kinder auch gegen den Willen der Mutter regelmäßig zu sehen. Im deutschen Familienrecht fehle es an Möglichkeiten, überlange Verfahren zu beschleunigen. Wird das Urteil rechtskräftig, muss der Gesetzgeber nachbessern.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem am Donnerstag verkündeten Urteil die Rechte leiblicher Väter im Umgang mit ihren Kindern gestärkt. Der deutsche Gesetzgeber und die Justiz müssten effektivere Rechtsmittel und schnellere Verfahren bereithalten bzw. umsetzen, damit Väter ihr Umgangsrecht ausreichend durchsetzen können. Die Richter rügten die deutschen Gerichte als zu lasch und die Gesetze als lückenhaft (Urt. v. 15.01.2015, Beschwerdenummer 62198/11).
Dem Verfahren gegen Deutschland lag die Klage eines Vaters zugrunde. Die Mutter seines im Jahr 2003 geborenen nichtehelichen Sohnes hatte jahrelang ein Treffen zwischen ihm und dem Kind verhindert. Bereits kurz nach der Geburt hatten sich die Eltern zerstritten.
Im Mai 2005 klagte der Vater, es folgte ein Zug durch die Instanzen. Er erstritt zwar mehrfach Erfolge, wonach ihm zuletzt 2010 sehr begrenzte Besuchszeiten zugesprochen wurden. Dennoch verhinderte die Mutter insgesamt sechs Termine. Nach mehreren Anträgen an das Gericht, ein Strafgeld von mindestens 3.000 Euro gegen die Mutter zu verhängen, wurde diese schließlich nach über zehn Monaten zu einer Zahlung von lediglich 300 Euro verpflichtet, die sie im Juni 2011 bezahlte. Auch das weitere Verfahren lief schleppend und wurde immer wieder in die Länge gezogen. Der Vater hatte keine Chance, seinen Sohn in dieser Zeit aufwachsen zu sehen.
Der EGMR stellte in seinem Urteil von Donnerstag einstimmig eine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und eine Verletzung von Artikel 13, dem Recht auf wirksame Beschwerde, in Verbindung mit Artikel 8 EMRK fest. Sie sprachen dem Vater des heute zwölfjährigen Kindes nach Art. 41 EMRK 15.000 Euro Entschädigung zu.
Kein Mittel gegen überlange Verfahrensdauer
Das Verfahren habe viel zu lange gedauert, außerdem habe der 52 Jahre alte Mann aus Heidelberg keine rechtliche Möglichkeit gehabt, es zu beschleunigen, hieß es in dem Urteil von Donnerstag in Straßburg.
Das deutsche Gesetz gegen überlange Verfahren von 2011 sieht lediglich nachträgliche Entschädigungen vor, was jedoch nicht ausreichend sei. Es fehle in Deutschland ein Rechtsmittel, mit dem man sich wirksam gegen überlange Verfahren beim Familiengericht wehren könne, weshalb die Richter Art. 13 i.V.m. 8 EMRK verletzt sehen.
Schnelle Verfahren und leichter durchsetzbare Rechtsansprüche seien gerade im Umgang mit Kindern besonders wichtig, denn in solchen Verfahren ginge es nicht nur um den Anspruch als solchen, sondern darum, die Entwicklung des Kindes mitzuerleben. Wenn Kind und Vater sich am Ende entfremdet hätten, könne das dem Kindeswohl schaden.
Geringes Strafgeld zwingt Mutter nicht zum Nachgeben
Außerdem hätten die deutschen Gerichte keine zügigen und wirksamen Maßnahmen ergriffen, um dem Vater Umgang mit seinem Sohn zu ermöglichen. Insbesondere sei die gerichtliche Umgangsregelung vom September 2010 nicht resolut genug durchgesetzt worden. Auch hier hätte der Vater keine Möglichkeit gehabt, den ihm zugestandenen Anspruch tatsächlich zu realisieren, was zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führe.
Aus Sicht des Gerichtshofs sind 300 Euro Strafgeld bei Verstoß gegen richterliche Anordnungen bei Besuchsregelungen viel zu wenig, um die Mutter zum Nachgeben zu zwingen. Theoretisch hätten bis zu 25.000 Euro für jeden Fall der Missachtung richterlicher Anordnungen verhängt werden können.
Gesetzgeber muss Untätigkeitsbeschwerde ermöglichen
Allerdings kann gegen die Entscheidung des EGMR Berufung eingelegt werden. Diese kann der EGMR annehmen, aber auch zurückweisen. Sollte die Entscheidung rechtskräftig werden, könnte das Konsequenzen für den deutsche Gesetzgeber haben. Der Gerichtshof vermisst im nationalen Recht eine sogenannte Untätigkeitsbeschwerde, mit der ein Kläger sich an die nächste Instanz wenden kann, wenn ein Verfahren zu lange dauert. Bisher hatte der Gesetzgeber auf einen solchen Rechtsbehelf bewusst verzichtet, nun müsste er ihn zumindest im Familienrecht einführen.
Der EGMR hatte sich bereits zuvor mit dem Sorgerechtsstreit auseinandersetzen müssen. In einem früheren Urteil hatte er einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK, das Recht auf ein faires Verfahren, gerügt. Das Verfahren bei der Frankfurter Justiz zwischen den Jahren 2005 und 2010 habe zu lange gedauert (Urt. v. 21.04.2011, Beschwerdenummer 41599/09). Daher beschäftigte sich der Gerichtshof in seinem jetzigen Urteil nur noch mit den Vorkommnissen nach dieser Zeit.
Das Umgangsrecht leiblicher Väter ist in den vergangenen Jahren bereits mehrfach gestärkt worden. So trat im Jahr 2013 ein Gesetz in Kraft, wonach Väter den Umgang mit ihren Kindern gegen den Willen der Mutter bereits dann erzwingen können, wenn sie ein ernsthaftes Interesse an dem Nachwuchs zeigen und der Umgang dem Kindeswohl dient.
Hintergrund dieses Gesetzes waren ebenfalls zwei Entscheidungen des EGMR (Urt. v. 21.12.2010, Az. 20578/07 - Anayo ./. BRD und Urt. v. 15.09.2011, Az. 17080/07 - Schneider ./. BRD).  Die Richter hatten damals entschieden, dass die Frage, ob der jeweilige biologische Vater ein Umgangs- und Auskunftsrecht beanspruchen kann, einen wichtigen Teil seiner Identität und folglich sein "Privatleben" im Sinne von Art. 8 EMRK darstelle.
ahe/LTO-Redaktion
https://www.lto.de/


Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Wie deutsche Väter einfach entsorgt werden

Urteile - Gericht weist Klagen leiblicher Väter ab

dpa / Julian Stratenschulte/IllustrationDie Klagen leiblicher Väter sind vor dem Menschenrechts-Gericht in Straßburg gescheitert.
Mittwoch, 09.09.2015, 16:59
Wer ein Kind zeugt, darf sich deshalb noch lange nicht Vater nennen. Das urteilte am Donnerstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Absurd? Nein. Der Richterspruch deckt sich mit deutschem Recht.
Man kann den Aufschrei der Empörung fast noch hören: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am Donnerstag entschieden: Wer biologischer Väter eines Kindes ist, hat weder einen zwingenden Anspruch darauf, dass seine Vaterschaft auch juristisch anerkannt wird, noch darf er für sein leibliches Kind wie ein Vater sorgen (Beschwerdenummer 45071/09 und 23338/09).
Der EGMR zerstörte damit die Hoffnung zweier deutscher Männer, die sich im Kampf um ihre Kinder bis nach Straßburg durchgeklagt hatten.
Wen interessiert schon ein Gentest?
Der erste von ihnen, Denis Ahrens, kommt aus Berlin. Aus einer Affäre mit einer liierten Frau war 2005 ein kleines Mädchen hervorgegangen. Ahrens war sicher, dass das Kind seine Tochter war und setzte alles daran, das auch zu beweisen. Das Problem: Der Lebensgefährte der Kindsmutter hatte die Vaterschaft für die Kleine sofort anerkannt. Die beiden lebten zusammen, kümmerten sich gemeinsam um Mädchen. Zwischenzeitlich hatte ein Vaterschaftstest zwar ergeben, dass Ahrens tatsächlich der leibliche Vater war. Und obwohl er sich in Deutschland durch alle Instanzen klagte: Er wurde als solcher nicht anerkannt. Das Argument: Das Kind habe dank der Anerkennung durch den Lebensgefährten der Mutter bereits einen juristischen Vater und lebe in einem intakten Familienverbund. Von wem das Mädchen biologisch abstamme, sei daher irrelevant.
Diese Rechtsauffassung bestätigten die Straßburger Richter nun. Tenor: Wenn die Mutter eines Kindes mit einem anderen Mann zusammen lebt, der rechtlich als Vater gilt, hat der Erzeuger nicht das Recht, diese Vaterschaft in Frage zu stellen. Die deutsche Regelung verletze weder das Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens noch verstoße sie gegen das Diskriminierungsverbot.
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Hauptsache, die Familie ist intakt
Auch ein zweite Beschwerdeführer, Heiko Kautzor aus Willich, scheiterte. Seine Ex-Frau hatte im März 2005 ein Mädchen geboren. Kautzor war sicher, dass das Kind noch von ihm sei. Seine geschiedene Frau, die inzwischen einen neuen Partner hatte, verneinte dies jedoch. Der Neue ließ sich als Vater anerkennen, das Paar heiratete. Kautzor klagte, versuchte, per Gericht einen Vaterschaftstest zu erzwingen. Doch auch er scheiterte. Da zwischen dem offiziellen Vater und dem Kind eine „sozial-familiäre Beziehung“ bestehe, gebe es kein Anrecht eines anderen Mannes, einen solchen Gentest zu erzwingen.
Auch diese Aussage ließ der EGMR unbeanstandet stehen. Die Mitgliedstaaten der Menschenrechtskonvention – darunter auch Deutschland – hätten in solchen Fällen einen weiten Beurteilungsspielraum. Der Gesetzgeber habe sich entschieden, „einem bestehenden Familienverband zwischen dem betroffenen Kind und seinem rechtlichen Vater, der sich regelmäßig um das Kind kümmert, Vorrang einzuräumen gegenüber der Beziehung zwischen dem (angeblichen) leiblichen Vater und seinem Kind“.
Die Konventionsstaaten seien zwar verpflichtet, den Umgang des leiblichen Vaters mit dem Kind zu ermöglichen, wenn dies im Interesse des Kindeswohl liege, ergänzte das Gericht unter Verweis auf eine frühere Entscheidung. „Daraus folgt aber nicht notwendigerweise eine Verpflichtung (...), biologischen Vätern die Möglichkeit einzuräumen, den Status des rechtlichen Vaters anzufechten.“
https://www.focus.de/
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Wenn das Gesetz den falschen zum Vater macht
Dienstag, 10.09.2013, 11:19
Kinder brauchen Vater und Mutter. Dass stellt auch der Gesetzgeber nicht in Frage. Während jedoch die juristische Weisheit „mater semper certa est“ („die Mutter ist immer sicher“) ohne Wenn und Aber gilt, kommt es bei der Frage, wer sich „Vater“ nennen darf, regelmäßig zu Konflikten. „Vor allem die biologischen Erzeuger eines Kindes tun sich oft schwer, wenn sie ihren Status anerkannt wissen wollen“, erläutert Andrea Peyerl, Fachanwältin für Familienrecht in Kronberg und Frankfurt/M. Der Grund. Wen das Gesetz als Vater betrachtet, ist weitgehend unabhängig von der Tatsache, wer das Kind tatsächlich gezeugt hat.
Das schwere Los der Bio-Väter
Das deutsche Recht kennt drei Möglichkeiten, die einen Mann zum Vater machen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) führt aus: „Vater eines Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft [...] gerichtlich festgestellt ist.“ Das bedeutet: „Sobald ein Mann eine Vaterschaft anerkennt, übernimmt er stets die rechtliche Rolle des Vaters – und zwar unabhängig davon, ob das Kind tatsächlich sein eigenes ist“, sagt Peyerl. Kommen mehrere Erzeuger in Betracht, gilt der Mann als Vater, der zuerst ein entsprechendes Anerkenntnis abgibt – selbst wenn sich das im Nachhinein als Fehler erweist.
Die Folgen sind weitreichend. „Auch wenn zum Zeitpunkt der Geburt ein anderer Mann als Vater gilt, zum Beispiel, weil die Mutter verheiratet ist: Eine Anerkennung durch den tatsächlichen Vater ist solange ausgeschlossen, wie das Kind mit seinem rechtlichen Vater in einer intakten Familie zusammenlebt“, erläutert Ingeborg Rakete-Dombek, Fachanwältin für Familienrecht in Berlin. Der Ehemann der Mutter oder deren Lebensgefährte, wenn er das Kind anerkannt hat, bleibt also – rein juristisch – so lange der Vater, bis seine Scheinvaterschaft erfolgreich angefochten wurde.“
Eine solche Anfechtung hat in der Praxis allerdings nur in den seltensten Fällen Erfolg. Das Anfechtungsrecht des biologischen Vaters ist, anders als das von Mutter, Kind oder rechtlichem Vater, nur schwer durchzusetzen. Rakete-Dombek: „Das Gesetz stellt den Schutz des Kindes, in einer sozial-familiären Beziehung mit seinem rechtlichen Vater aufzuwachsen in den Vordergrund, so dass das Recht des biologischen Vaters, als solcher anerkannt zu werden, zurückstehen muss.“ Ein Anfechtungsrecht ist in diesen Fällen also ausgeschlossen.
Ernüchterndes Fazit
Nach geltendem Recht kann jeder Mann, der das möchte, erst einmal die Möglichkeit, eine Vaterschaft zu übernehmen, auch wenn ihm und der Mutter bekannt ist, dass das Kind nicht von ihm stammt. In letzter Konsequenz lassen sich damit im Extremfall die Rechte des wahren Vaters weitgehend aushebeln.
Einzige Ausnahme: Scheitert die Beziehung der Mutter mit dem rechtlichen Vater bricht damit auch die vom Gesetz geschützte heile Familie auseinander. „In diesem Fall hat der biologischen Vaters das Recht, seinen Status auch juristisch mit allen Folgen durchzusetzen“, so Rakete-Dombek. „Ob das dem Kindswohl in jedem Einzelfall zuträglich ist, spielt dann keine Rolle mehr.“
mit dpa
https://www.focus.de/



3. Online-Artikel zu Väterdiskriminierung in der Familienrechtspraxis der BRD


Stadt Nürnberg gewinnt "Gender Award" - das steckt hinter der deutschlandweiten Auszeichnung

Die Stadt Nürnberg hat den deutschlandweiten "Gender Award – Kommune mit Zukunft 2023" gewonnen. Wir verraten euch, was die Auszeichnung genau bedeutet.
NÜRNBERG 02.02.2023
Nürnberg gewinnt "Gender Award" 2023
Deutschlandweite Auszeichnung: Jury erklärt Entscheidung
Preisverleihung am 6. Februar 2023 - "tolle Anerkennung"
Mit dem "Gender Award" würdige die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen "erfolgreiche und beispielhafte Gleichstellungsarbeit" vor Ort in den Kommunen. Das teilt die Stadt Nürnberg in einer Pressemitteilung mit. Die Auszeichnung werde am Montag, 6. Februar 2023, im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin überreicht. Insgesamt 15 Kommunen hätten sich um den Preis beworben.
Nürnberg erhält "Gender Award": Jury beeindruckt - "Gleichstellung ganzheitlich gedacht"
Gesucht für den "Gender Award" seien Kommunen gewesen, die "besonders kreative Lösungen vor Ort umsetzen, um Ungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern aufzuspüren und dauerhaft zu beseitigen", heißt es. In dieser Hinsicht habe Nürnberg mit einer guten Vernetzung des Themas innerhalb der Stadtverwaltung und -gesellschaft punkten können.
"Neben der Förderung von Frauen werden auch Männer als Akteure und Adressaten von Gleichstellung angesprochen, zum Beispiel durch die jährlich stattfindenden Männerwochen und einem Programm für Väter und Kinder. Seit 2016 gibt es bei der Stadt Nürnberg einen Ansprechpartner für Männer, der dazu beiträgt, dass Gleichstellung ganzheitlich gedacht wird", so die Jury in ihrer Begründung.
Zudem hebe die Jury die Verknüpfung von Gleichstellung und Antidiskriminierung bei der Stadt Nürnberg hervor. So sei die Gleichstellungsstelle zusammen mit dem Menschenrechtsbüro in einer Stabsstelle direkt beim Oberbürgermeister angesiedelt. In dieser Stabsstelle sei zudem eine eigene LSBTIQ-Koordinierungsstelle verankert. Die Jury sei "außerdem davon beeindruckt, dass im Stadtrat alle Ratsvorlagen einem Diversity-Check unterzogen werden".
"Frauenanteil signifikant erhöht": Oberbürgermeister äußert sich zu "Gender"-Sieg
Oberbürgermeister Marcus König (CSU) begrüße die Anerkennung der Gleichstellungsarbeit der Stadt Nürnberg und damit auch die Würdigung der Arbeit der Stadtverwaltung: "Mit dem aktuell laufenden vierten Gleichstellungsaktionsplan und dem ersten Aktionsplan Queeres Nürnberg hat der Stadtrat konkrete Maßnahmen verabschiedet für ein geschlechtergerechtes Nürnberg. Ich freue mich, dass unsere langjährige gleichstellungspolitische Arbeit und die Vorreiterrolle des Ansprechpartners für Männer auf Bundesebene gewürdigt werden."
Zudem betont er: "Dem Stadtrat, der gesamten Stadtspitze und mir persönlich liegt viel daran, Gleichstellung voranzutreiben. Bei der Besetzung der berufsmäßigen Stadtratsmitglieder haben wir den Frauenanteil signifikant erhöht, um auch hier ein Zeichen für Frauen in Führung zu setzen." Auch Hedwig Schouten, Frauenbeauftragte und Leiterin der Gleichstellungsstelle, freue sich über die Auszeichnung: "Bereits vor 36 Jahren nahm die erste Frauenbeauftragte bei der Stadt ihre Arbeit auf. Seitdem wurde die kommunale Gleichstellungsarbeit verstetigt und inhaltlich ausgebaut."
"Dieser Preis ist eine tolle Anerkennung dafür, dass wir in Nürnberg gemeinsam Geschlechtergerechtigkeit erreichen wollen", so Schouten. An der Preisverleihung am Montag, 6. Februar 2023, im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend würden die Frauenbeauftragte und der Ansprechpartner für Männer, Matthias Becker, für die Stadt Nürnberg teilnehmen.
https://www.infranken.de/


Nachrichten aus dem Rathaus

Nr. 73 / 31.01.2023
Nürnberg mit „Gender Award – Kommune mit Zukunft 2023“ ausgezeichnet
Für ihre vorbildliche Gleichstellungsarbeit erhält die Stadt Nürnberg den „Gender Award – Kommune mit Zukunft 2023“. Nürnberg wird in der Kategorie Großstadt mit dem ersten Preis ausgezeichnet, die Städte Köln und Mannheim teilen sich den zweiten Platz. Mit dem „Gender Award“ würdigt die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen erfolgreiche und beispielhafte Gleichstellungsarbeit vor Ort in den Kommunen. Die Auszeichnung wird am Montag, 6. Februar 2023, im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin überreicht.
Oberbürgermeister Marcus König begrüßt die Anerkennung der Gleichstellungsarbeit der Stadt Nürnberg und damit auch die Würdigung der Arbeit der Stadtverwaltung: „Mit dem aktuell laufenden vierten Gleichstellungsaktionsplan und dem ersten Aktionsplan Queeres Nürnberg hat der Stadtrat konkrete Maßnahmen verabschiedet für ein geschlechtergerechtes Nürnberg. Ich freue mich, dass unsere langjährige gleichstellungspolitische Arbeit und die Vorreiterrolle des Ansprechpartners für Männer auf Bundesebene gewürdigt werden. Dem Stadtrat, der gesamten Stadtspitze und mir persönlich liegt viel daran, Gleichstellung voranzutreiben. Bei der Besetzung der berufsmäßigen Stadtratsmitglieder haben wir den Frauenanteil signifikant erhöht, um auch hier ein Zeichen für Frauen in Führung zu setzen.“
Gesucht für den „Gender Award“ waren Kommunen, die besonders kreative Lösungen vor Ort umsetzen, um Ungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern aufzuspüren und dauerhaft zu beseitigen. In dieser Hinsicht konnte Nürnberg mit einer guten Vernetzung des Themas innerhalb der Stadtverwaltung und -gesellschaft punkten: „Neben der Förderung von Frauen werden auch Männer als Akteure und Adressaten von Gleichstellung angesprochen zum Beispiel durch die jährlich stattfindenden Männerwochen und einem Programm für Väter und Kinder. Seit 2016 gibt es bei der Stadt Nürnberg einen Ansprechpartner für Männer, der dazu beiträgt, dass Gleichstellung ganzheitlich gedacht wird“, so die Jury in ihrer Begründung. Zudem hebt die Jury die Verknüpfung von Gleichstellung und Antidiskriminierung bei der Stadt Nürnberg hervor. So ist die Gleichstellungsstelle zusammen mit dem Menschenrechtsbüro in einer Stabsstelle direkt beim Oberbürgermeister angesiedelt. In dieser Stabsstelle ist zudem eine eigene LSBTIQ-Koordinierungsstelle verankert. Die Jury ist „außerdem davon beeindruckt, dass im Stadtrat alle Ratsvorlagen einem Diversity-Check unterzogen werden“.
Auch Hedwig Schouten, Frauenbeauftragte und Leiterin der Gleichstellungsstelle, freut sich über die Auszeichnung: „Bereits vor 36 Jahren nahm die erste Frauenbeauftragte bei der Stadt ihre Arbeit auf. Seitdem wurde die kommunale Gleichstellungsarbeit verstetigt und inhaltlich ausgebaut. Dieser Preis ist eine tolle Anerkennung dafür, dass wir in Nürnberg gemeinsam Geschlechtergerechtigkeit erreichen wollen.“ An der Preisverleihung am Montag, 6. Februar, im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend werden die Frauenbeauftragte Hedwig Schouten und der Ansprechpartner für Männer Matthias Becker für die Stadt Nürnberg teilnehmen.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen hat den Preis zum vierten Mal ausgelobt. Insgesamt 15 Kommunen hatten sich um den Preis beworben. Die Schirmherrschaft für den „Gender Award“ hat in diesem Jahr Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, übernommen.   maj
Gender Award 2023 >>>
https://www.nuernberg.de/


Gleichstellungsstelle der Stadt Nürnberg
3. Nürnberger Väterwoche vom 07.05 - 17.05.2021

Väter

Dieses Jahr eine Väterwoche digital.
Am Fr, 07. Mai von 18.00-20.00 Uhr startet die Väterwoche mit einem Vortrag von Prof. Dr. Andreas Eickhorst zum Thema: Väterbilder und Vater sein heute.
Etwas online zusammen erleben, was nicht mit Arbeit oder Homeoffice oder Schule bzw. Homeschooling zu tun hat.
In der Väterwoche gibt es dann Angebote für Väter mit Kindern von Pekip-Kurs über Vater-Kind-Turnen bis hin zum Ausprobieren von spanenden Experimenten und dem Gestalten eines eigenen Podcasts.
Für Väter selbst gibt es die Möglichkeit sich über das Vaterwerden und das Vatersein auszutauschen.
Programmübersicht Väterwoche (PDF, 140 KB) >>>
Father and his daughter playing
2. Nürnberger Väterwoche 2019
Gerade für Väter ist die Zeit oft knapp und eingeschränkt, um mehr davon mit ihren Kindern zu verbringen oder sich Zeit für sich und seine Fragen zu nehmen. Die Arbeit, der Alltag mit den vielen unterschiedlichen Terminen müssen erstmal geregelt und erledigt werden. Dann fehlt es oft an den richtigen Angeboten zur richtigen Zeit oder an der eigenen Energie oder auch dem Mut mal etwas allein mit seinen Kindern zu unternehmen.
Flyer-Väterwoche-2019 (PDF, 329 KB) >>>
Father and son
1. Nürnberger Väterwoche 2017
Vom 15. bis 22. November 2017 fand die erste Nürnberger Väterwoche statt. In dieser Woche boten Nürnberger Einrichtungen vielfältige Veranstaltungen und Kurse für Väter mit ihren Kindern zum ausprobieren und kennenlernen an oder stellen ihre Einrichtung und ihre Angebote vor.
Darüber hinaus gab es Informations- und Diskussionsveranstaltungen zum Thema „Vater sein heute“.
Flyer-Väterwoche-2017 (PDF, 278 KB) >>>

Gleichstellungsstelle der Stadt Nürnberg
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Gleichstellungsstelle der Stadt Nürnberg
Männer in Nürnberg

Männer

Männerwochen 2022
Im Rahmen des jährlich stattfindenden Weltmännertags am 03.11. und des Internationalen Männertags am 19.11 veranstaltet das Netzwerk Jungen und Männer Nürnberg zum dritten Mal die Nürnberger Männerwochen und bietet ein Programm für Männer* von Männern* mit mannigfaltigen Themen an.
Zur Information und zum Austausch, zur Sensibilisierung und Enttabuisierung. Es gibt zwei Kampagnen gegen Sexismus und Gewalt und für eine vielfältige Männlichkeit und wir haben verschiedene Veranstaltungen zum Thema Männergesundheit und zum Männerleben und Männerrollen zusammengestellt.
Hier geht es zum Programm:
Programm Männerwochen Nürnberg 2022 (PDF, 498 KB) >>>
Gleichstellungsstelle der Stadt Nürnberg
https://www.nuernberg.de/internet/frauenbeauftragte/neu.html


Trennungsdrama
Wie Männer diskriminiert werden

Geht es um Geschlechterdiskriminierung, gelten Männer meist als die Täter. Doch vor allem Väter können auch zu Opfern werden. Sie müssen Unterhalt zahlen, werden aber als Elternteil oft nicht ernst genug genommen.
Von Anne Seith
04.09.2017, 12.34 Uhr
Matthias Becker kennt das schon: Er nennt einer neuen Bekanntschaft seinen Beruf, und das Gegenüber schmunzelt. Männerbeauftragter der Stadt Nürnberg, soll das vielleicht ein Witz sein?
Becker, grauer Pferdeschwanz, silberner Ring im rechten Ohr, hat sich daran gewöhnt. Genau wie an den großen Schriftzug im Flur, an dem jeder vorbeimuss, der zu ihm will. "Frauenbeauftragte" steht da nur, weil seine Stelle bei der Nürnberger Frauenbeauftragten angesiedelt ist.
Im Vorzimmer seines Büros hat dann auch noch eine Kollegin ein Poster an die Wand gehängt, die Zeichnung eines kleinen Mannes, der an einem Bügelbrett steht - auf einer Leiter. "Der Mann wächst mit der Aufgabe", heißt es daneben.
Was würde passieren, wenn Becker seinerseits eine Karikatur mit einer Frau am Bügelbrett über den Schreibtisch hängen würde? Es wäre ein kleiner Skandal.
Für solche Gedankenspiele hat Becker allerdings selten Zeit. Denn seitdem er im Mai 2016 seinen Job angetreten hat, rennen die Männer ihm die Bürotür ein.
"Viele sagen: Endlich hört mir mal jemand zu." Becker ist in seiner Position ein Unikat im Land. Männer gelten gemeinhin beim Thema Geschlechterdiskriminierung als Täter, nicht als Opfer. Warum eigentlich?
Beispiel häusliche Gewalt: 18 Prozent der polizeilich erfassten Opfer waren einer Auswertung von 2015 zufolge Männer. "Aber wo schicke ich die hin, wenn sie nicht mehr nach Hause können und kein Geld haben?", fragt Becker. Für Frauen gebe es in dieser Situation wenigstens Zuflucht in einem Frauenhaus. Männer muss Becker dann schon mal in die Obdachlosenunterkunft vermitteln.
Die weitaus meisten von Beckers Besuchern kommen aber aus einem anderen Grund: wegen ihrer Kinder. Sie sind nicht mehr mit der Mutter zusammen oder waren es nie und müssen feststellen, dass sie als Väter zum Teil von Justiz und Behörden als Elternteil zweiter Klasse behandelt werden. Sosehr sich die Politik in den vergangenen Jahren auch bemüht hat, Männer zu mehr Teilhabe am Familienleben zu bewegen und Frauen damit mehr Teilhabe am Berufsleben zu ermöglichen: Wenn Familien zerbrechen und Eltern sich trennen, ist der moderne Vater oft nicht mehr gefragt.
Wenn ein getrennter Mann mehr sein will als nur Wochenend- und Spaßpapa, hat er gegen den Willen der Mutter oft kaum eine Chance dazu. Schätzungen des Familiengerichtstages zufolge ist in etwa 95 Prozent der strittigen Fälle der Lebensmittelpunkt eines Kindes bei der Mutter zu verorten.
Auch das geltende Unterhaltsrecht geht noch vom Modell Familienernährer aus. Ob ein Vater nur alle zwei Wochen zu Besuch kommt oder die Kinder mehrere Tage die Woche zu sich nimmt, spielt für seine finanziellen Verpflichtungen der Mutter gegenüber oft keine Rolle.
In den Berliner Ministerien sagen Fachreferenten längst, "das passt nicht mehr in die Zeit". Getan hat sich allerdings in den vergangenen Jahren so gut wie nichts.
Statistisch wird nach einer Trennung nach wie vor nur der Elternteil erfasst, bei dem die Kinder leben - er gilt pauschal als "alleinerziehend". Zu 89 Prozent besteht diese Gruppe aus Müttern, die finanziell oft unter verheerenden Bedingungen leben.
Was aber ist mit den Vätern dieser Kinder? Über sie weiß man oft nur, dass erschreckend viele keinen oder zu wenig Unterhalt für ihre Kinder bezahlen. Aber wie jene dastehen, die sich sehr wohl um ihre Kinder kümmern, ist weitgehend unbekannt. Was bedeutet die Trennung für sie finanziell? Wie viel Anteil haben sie an der Kindererziehung? Aussagekräftige Statistiken und Untersuchungen dazu gab es lange keine.
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Männerverbände beklagen deshalb nicht ganz zu Unrecht die "Mütterlastigkeit" der Politik und deren "ständiges Väter-Bashing", auch wenn der Ton zuweilen fragwürdig ist.
Erst Mitte Juli dieses Jahres veröffentlichte die neue Familienministerin Katarina Barley (SPD) eine vielsagende Umfrage unter getrennten Eltern. Vor allem Väter wünschen sich demnach mehr Kontakt zu ihren Kindern - und fordern bessere rechtliche und finanzielle Unterstützung, wenn eine Familie auseinanderbricht. Aus gutem Grund.
Ein teurer Abend
Mitte Juli ging es wieder einmal um den Donnerstagabend. Der Realschullehrer Florian Schneider* und seine Ex-Frau saßen sich in einem Familiengericht gegenüber, dabei außerdem: drei Anwälte, eine Richterin, ein Vertreter des Jugendamts und eine "Verfahrensbeiständin". Sie sollte die Kinder der Schneiders vertreten, die acht und elf Jahre alt sind.
Acht Leute, die eine Antwort suchten auf die Frage, wo die Töchter die Zeit von 19.15 Uhr am Donnerstagabend bis zum Schulbeginn am Freitagmorgen verbringen sollen. Wieder einmal ging man unverrichteter Dinge auseinander.
Dabei ist es nicht gerade Quality Time, um die es da geht. Wie die meisten Kinder in diesem Alter müssen die Töchter der Schneiders gegen 20 Uhr mit Geduld ins Bett komplimentiert werden. Am Morgen nach dem Aufstehen bleibt nicht einmal eine volle Stunde, bis die Kinder aus dem Haus müssen. Trotzdem wollen weder Vater noch Mutter auf diesen einen Abend pro Woche verzichten.
Die Familie lebt deshalb nach einem komplizierten Stundenplan. Die Töchter sind nach einem Beschluss des Amtsgerichts von 2015 von "Mittwoch nach Schulende bis Donnerstag, 19.15 Uhr" beim Vater, sowie alle 14 Tage zusätzlich von Freitag nach Schulende bis Montagmorgen.
I n der Praxis bedeutet das alle zwei Wochen ein wildes Hin und Her: Mittwoch nach der Schule gehen die Mädchen zum Vater, wo sie eigentlich bis Montagmorgen bleiben. Am Donnerstagabend allerdings müssen sie zur Mutter hinübergehen, die nur einen Fußmarsch entfernt wohnt, um dort zu schlafen.
Erst kürzlich erklärten die beiden Schwestern einer Gutachterin, der Donnerstagnachmittag im Hause des Vaters müsse deshalb oft "abrupt abgebrochen" werden. Es gebe Hetze beim Essen, oder aber ein Film müsse plötzlich unterbrochen werden.
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Foto: Elsa Klever/DER SPIEGEL
Die zuständige Richterin aber lehnte es bisher ab, die Kinder eine Nacht mehr beim Vater schlafen zu lassen. Denn der komplexe Kompromiss hat einen juristischen Grund: Mit der Donnerstagnacht hat die Mutter, wenn man die Ferien noch berücksichtigt, einen Betreuungsanteil von 56 Prozent, so hat es die Juristin einmal ausgerechnet. Damit liegt der "Schwerpunkt der Kinderbetreuung" offiziell bei Schneiders Ex-Frau.
Eine hälftige Betreuung, im Juristendeutsch "Wechselmodell" genannt, kann ein Gericht in hoch zerstrittenen Familien in der Regel nicht anordnen, so hat es auch der Bundesgerichtshof in diesem Februar entschieden. Zu groß sei bei einer solchen Erziehung der Kooperationsbedarf zwischen den Eltern, finden auch viele andere Juristen.
Tatsächlich fällt es schwer, sich vorzustellen, wie Eltern sich über ein vergessenes Mathebuch austauschen, wenn sie nur über Anwälte kommunizieren oder sich ständig streiten. Andererseits ist fraglich, ob bei Familien wie den Schneiders aktuell weniger Abstimmungsbedarf besteht.
Lehrer Schneider will die geltende Regelung deshalb nicht hinnehmen. Er fühlt sich zum "Elternteil zweiter Klasse degradiert". Seine Idealwelt sind Länder wie Belgien oder Frankreich. Dort ist das Wechselmodell ausdrücklich im Gesetz verankert, in Belgien sind Richter sogar verpflichtet, eine paritätische Betreuung "vorrangig" zu prüfen, wenn ein Elternteil das fordert.
Es gibt viele psychologische Studien, die nach Ansicht von Befürwortern belegen sollen, dass eine solche Aufteilung für Kinder und Eltern gleichermaßen förderlich ist. Nach Ansicht von Kritikern allerdings kranken diese Untersuchungen in der Regel daran, dass nicht klar ist, weshalb es den betroffenen Familien besser ging: ob es am Wechselmodell lag - oder an der Tatsache, dass zwischen den Eltern weniger gestritten wurde. Auch französische Psychologen warnten bereits, dass Kinder Schaden nehmen, wenn ein Wechselmodell erzwungen werde, obwohl die Eltern nur zanken.
Wahrscheinlich muss schlicht im Einzelfall entschieden werden, was wirklich zum Wohle des Kindes ist. Das Problem allerdings: In Deutschland ist die Frage, wer wie viel erzieht, oft mehr als nur eine des Prinzips. Wenn etwa die Schneiders so stur um den Donnerstagabend streiten, geht es auch um sehr viel Geld.
Denn dem deutschen Unterhaltsrecht liegt das Prinzip zugrunde, dass einer die Kinder erzieht und der andere für sie zahlen muss. Aus dieser Logik heraus entstand 1962 die sogenannte Düsseldorfer Tabelle, die in ihrer Grundstruktur bis heute gilt. Sie weist den Lebensbedarf eines Kindes aus, gestaffelt nach Alter und nach dem Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils.
In der Regel muss also im Streitfall nur einer seine finanziellen Verhältnisse offenlegen, schon das bringt viele Väter auf die Palme.
Besonders ungerecht aber ist: Wie viel Betreuung dieser Elternteil übernimmt, wird in der Unterhaltstabelle nicht berücksichtigt. So mancher Vater zahlt deshalb den vollen Satz, obwohl er genau wie die Mutter ein Kinderzimmer vorhält und eine zweite Garnitur an Kleidung - und einen guten Teil der Betreuung übernimmt.
"Nur in verhältnismäßig wenigen Fällen weichen die Richter von den Vorgaben der Düsseldorfer Tabelle ab", sagt Heinrich Schürmann vom Deutschen Familiengerichtstag, einem bundesweiten Juristenverein zur Weiterentwicklung des Familienrechts. "Wir machen mit einem solchen System viel kaputt", findet der Jurist. "Rein finanziell betrachtet, bietet es für Väter einen Anreiz, so wenig Kontakt wie möglich zu den Kindern zu haben."
Umgekehrt wird es vielen Vätern schwer gemacht, auch unter der Woche auf ihre Kinder aufzupassen, wenn sie das wollen. Denn bei der Festsetzung des Unterhalts gilt in der Regel die sogenannte volle Erwerbsobliegenheit.
Heißt: Der Unterhaltssatz orientiert sich an einer Vollzeitstelle.
Fragt man Fachpolitiker der Grünen, der SPD oder der Union, sagen alle, dass das Unterhaltsrecht reformbedürftig sei. Konkrete politische Vorschläge allerdings gibt es bislang keine. Im Wahlkampf spielen andere Themen eine Rolle.
Lehrer Schneider weiß deshalb nicht, was ihn finanziell erwartet. Seine Ex-Frau fordert rückwirkend für die vergangenen Jahre Unterhalt für die Kinder. Im schlimmsten Fall geht es um Tausende Euro, fürchtet er. Laut Düsseldorfer Tabelle nämlich käme er bei seinem Einkommen wahrscheinlich schnell auf einen Betrag von mehr als 800 Euro pro Monat. Allerdings gibt es einen Beschluss des Bundesgerichtshofs, wonach bei einem Umgang "weit über das übliche Maß hinaus" die Unterhaltspflicht verringert werden kann.
Das Absurde ist: Bei einer gleichwertigen Betreuung der Kinder durch die Eltern sieht die Rechnung plötzlich ganz anders aus. Dann nämlich gilt, grob gesagt, dass die Ausgaben für die Kinder entsprechend den Einkommen auf die Eltern verteilt werden. So hat es ebenfalls der Bundesgerichtshof entschieden.
Schneider müsste dann womöglich gar nichts oder nur sehr wenig Geld an seine Ex-Frau überweisen. "Ich will mich nicht vor dem Unterhalt drücken", sagt er, "aber ich finde, wenn jemand sein Kind zu 30, 40 oder 50 Prozent mitbetreut, sollte das beim Unterhalt proportional berücksichtigt werden." Der Lehrer hat deshalb selbst ein Betreuungs- und Unterhaltsmodell entworfen, mit dem er nun bei Politikern und im Internet kräftig Lobby macht.
Die Realität in den Gerichtssälen
Jürgen Rudolph kommt gerade aus den USA zurück. Er hat dort einige Wochen an einem kalifornischen Familiengericht hospitiert. "An die archaische Welt in Deutschland muss ich mich erst wieder gewöhnen", sagt der Rechtsanwalt.
Rudolph ist in Juristenkreisen ziemlich berühmt - oder berüchtigt, je nach Perspektive. Er war fast 30 Jahre lang Richter am Familiengericht in Cochem an der Mosel.
Aus Entsetzen über die hitzigen Gefechte, die sich Eltern in seinem Gerichtssaal lieferten, entwickelte er in den Neunzigerjahren gemeinsam mit Sachverständigen, Jugendamtsmitarbeitern und anderen Juristen die "Cochemer Praxis".
Sie basiert auf der simplen Idee, dass Eltern bei Umgangs- und Unterhaltsstreitigkeiten über Mediationsverfahren möglichst eine friedliche Lösung finden sollen. Sachverständige und auch die zuständigen Anwälte sollten bei einem Elternkonflikt von Anfang an zusammen an einer Deeskalationsstrategie arbeiten.
Trotz oft langwieriger Verfahren brachte Rudolph so auch teils schwer zerstrittene Familien wieder ins Gespräch. "Sie glauben gar nicht, wie viel eine klare Ansage hilft, dass bei diesem Streit keiner als Verlierer den Gerichtssaal verlassen wird."
Elemente des Cochemer Modells wurden später in das Familienverfahrensgesetz übernommen. "Spurenelemente", wie Rudolph findet.
Er ist mittlerweile 74 und wieder als Anwalt tätig. Im Rahmen eines Forschungsprojekts hat er in den vergangenen Jahren an die 90 Familiengerichte in Deutschland besucht. Sein Fazit ist ernüchternd.
Die Richter: "oft ohne Grundlagenkenntnis darüber, welche psychologischen Mechanismen nach einer Trennung zum Tragen kommen".
Viele Jugendamtsmitarbeiter: "erschreckend desinteressiert".
"Die deutsche Rechtsprechung hinterlässt viele zertrümmerte Familien", sagt Rudolph. "Die Strukturen sind einfach so, dass ein Elternteil viel zu leicht aus dem Leben seiner Kinder herausgekegelt werden kann. Und meistens sind das die Väter, einfach weil es dem veralteten deutschen Rollenverständnis entspricht, dass ein Kind zur Mutter gehört."
In Gerichtssälen herrscht deshalb oft Kriegsstimmung, das merkt man schnell bei einem Blick in entsprechende Akten. So viel Streit zu schüren wie möglich ist zuweilen sogar eine zielführende Taktik. Denn wenn die Kommunikation nur noch über den Anwalt läuft, ist das für etliche Richter Grund genug, einem Elternteil das Sorgerecht zu entziehen. Selbst wenn der Kontakt zum Kind noch gut ist.
Der Kampf ums Sorgerecht
Wie viele andere Väter von Kleinkindern muss auch Peter Stein* am Wochenende oft ziemlich früh aufstehen, allerdings nicht, um seinem kleinen Sohn die Flasche warm zu machen. Stein muss sich auf den Weg von Berlin nach Freiburg machen, wo sein Kind mit der Mutter wohnt. "Es fühlt sich an wie eine Strafe", sagt der schmale Ingenieur über die große Entfernung.
Dabei hatte er sich immer Kinder gewünscht. "Aber die Mutter und ich, wir kannten uns noch viel zu wenig, als sie schwanger wurde." Sie seien beide völlig überfordert gewesen, sagt er. Die Situation eskalierte, der Kontakt brach im sechsten Monat der Schwangerschaft ab.
Über die Geburt wurde Stein vom Jugendamt informiert. Ein Mitarbeiter teilte trocken mit, er sei beauftragt worden, "die Vaterschaft festzustellen und den Unterhaltsanspruch geltend zu machen". Kein Glückwunsch, kein freundliches Wort. Kein Versuch, ihn mit dem Kind zusammenzubringen.
Wenig später hielt Stein seinen Sohn zum ersten Mal in den Armen, bei der Kindsmutter. Danach sah er das Baby alle zwei Wochen für einige Stunden. Mehr wollte sie nicht, und Stein wollte nicht drängeln. Einmal bot er an, die Hälfte der Betreuung zu übernehmen, weil sie sich überfordert fühlte. Sie habe entsetzt reagiert, sagt Stein. "Sie rief: Ich lasse mir doch mein Kind nicht wegnehmen."
Genauso habe es sich von Anfang an angefühlt: als ob es ihr Kind wäre und er nur der Bittsteller.
Mehrere Versuche beim Jugendamt und bei Sozialdiensten, ein Gespräch zu dritt zu organisieren, scheiterten. "Da hieß es nur, man könne sie nicht dazu zwingen", sagt Stein. Er hat den Glauben an den Rechtsstaat ein Stück weit verloren. Denn der zwingt ihn, vor Gericht zu ziehen, wenn er sich mehr um seinen Sohn kümmern will.
Anders als in anderen europäischen Ländern haben in Deutschland nur verheiratete Väter automatisch die "elterliche Sorge" für ihr Kind. Bei unverheirateten Paaren muss die Mutter dem Vater diese Rechte und Pflichten erst ausdrücklich übertragen. Erst dann darf er offiziell mitreden, etwa wenn es um den Namen des Kindes geht, den Wohnort, die Religion oder die Schule.
Weigert eine Mutter sich, das Sorgerecht zu teilen, können Väter seit 2013 einen entsprechenden Antrag beim Familiengericht stellen. Die Neuregelung sollte die Situation von Vätern wie Stein eigentlich verbessern, doch es war ein vergiftetes Geschenk. "Ein solcher Antrag ist ein perfekter Startschuss für eine jahrelange Auseinandersetzung vor Gericht", sagt die Juraprofessorin Hildegund Sünderhauf-Kravets von der Evangelischen Hochschule in Nürnberg.
Sie hält diese Sorgerechtsbestimmung schlicht für verfassungswidrig, "das verstößt gegen das Gleichheitsprinzip". Allerdings entspricht sie dem urdeutschen Familienbild, dass ein Kind in allererster Linie zur Mutter gehöre.
Auch Steins Sohn lebt bis heute bei seiner Mutter, Stein sieht ihn nur noch alle vier bis sechs Wochen. Vier Monate nach der Geburt hatte die Mutter sich und das Kind am Wohnsitz der Großeltern angemeldet - in einer Kleinstadt am anderen Ende Deutschlands. Wenige Monate später zogen Mutter und Kind nach Freiburg. Ihre genaue Adresse kennt Stein nicht.
Wenn er seinen Sohn am Wochenende besucht, finden die Übergaben in einem Café oder auf der Straße statt. Für gewöhnlich hat er ihn dann drei Stunden am Samstag und drei Stunden am Sonntag.
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Kürzlich allerdings hatte das Kind Fieber. "Als er mir auf der Schulter eingeschlafen ist, habe ich ihn natürlich zurückgebracht, der musste schlicht ins Bett", sagt Stein. "Da bin ich dann im Endeffekt die 1600 Kilometer hin und zurück für eine Stunde Besuch gefahren."
Die Situation bringt den 42-Jährigen emotional an seine Grenzen. Aber auch finanziell.
An seinen Unterhaltspflichten nämlich ändern die hohen Reisekosten nichts. Der Ingenieur hatte anfangs noch die Hoffnung, er könne die vielen Fahrten und Übernachtungen wenigstens bei der Steuer geltend machen. Doch das geht nur, wenn jemand aus beruflichen Gründen vom Familienwohnsitz aus in eine andere Stadt pendeln muss. Dann ist sogar eine Zweitwohnung steuerlich absetzbar.
Eltern, die ihre Kinder besuchen, bleiben meist allein auf den Kosten sitzen.
Stein kann sich die Reiserei eigentlich nur deshalb leisten, weil er irgendwann auf die Website "Mein Papa kommt" gestoßen ist, die private Übernachtungsplätze für Väter und Mütter wie ihn vermittelt. 1000 freiwillige Gastgeber in ganz Deutschland hat das Netzwerk in seiner Kartei, und rund 800 Männer und 150 Frauen, die es nutzen. Viele könnten sich regelmäßige Besuche bei ihren Kindern sonst wohl kaum leisten. "Die meisten stehen unter erheblichem finanziellen Druck", sagt Annette Habert, die gemeinsam mit einem Partner die Website und das dahinterstehende gemeinnützige Unternehmen Flechtwerk 2+1 gegründet hat.
Habert ist eigentlich Religionslehrerin, auf die Idee für "Mein Papa kommt" brachte sie ein achtjähriger Junge. Er erzählte von den Besuchen seines Vaters und dass der nachts im Auto schlafen müsse. Ob sie da nicht etwas tun könne.
Ähnlich herzzerreißende Geschichten hat Habert seit damals viele gehört.
Ein Vater, der das Netzwerk irgendwann kontaktierte, sei früher mit seinem Baby zum Spielen in den Waschsalon gegangen, wenn das Wetter schlecht war. Ein anderer habe im Auto einen Vorhang zwischen Vorder- und Rücksitz gespannt: zum Kasperletheaterspielen.
Habert und ihre Kollegen versuchen deshalb seit einigen Jahren, neben den Übernachtungsmöglichkeiten auch "Kinderzimmer auf Zeit" zu organisieren: Kitas oder Familienzentren, die ihre Räumlichkeiten am Wochenende für die Pendeleltern und ihre Kinder öffnen.
Es ist symptomatisch, dass das Unternehmen trotz zahlreicher Anträge bislang wenige öffentliche Zuschüsse bekommt. "Diese Eltern haben nicht ganz zu Unrecht das Gefühl, dass ihr Bemühen um ihre Kinder gar nicht gesehen wird", sagt Habert.
Die Familienpolitik
"Da draußen gibt es eine Wut, die unglaublich ist", sagt Gerd Riedmeier. Der Bayer mit dem grauen Haarschopf und dem rollenden R verdient sein Geld eigentlich als Stadtführer und Mediator, einen großen Teil seiner Zeit widmet er allerdings seiner Tätigkeit als Sprecher der "Interessengemeinschaft Jungen, Männer und Väter". Es ist einer von mehreren Männerverbänden, die sich in den vergangenen Jahren gegründet haben und die Fachpolitikern zufolge mittlerweile zum Teil ebenso "brachial" beanspruchen, für das Kindswohl zu sprechen, wie so mancher Frauenverein.
Riedmeier selbst beteuert, diese "Geschlechterpolarisierung" wolle er "gar nicht mehr sehen". Gleichzeitig gehört zu den zentralen Forderungen der Vereinigung ein "standardisierter" Vaterschaftstest noch im Kreißsaal, um "prophylaktisch" auch "einem möglichen Betrug bezüglich der Barunterhaltsleistungen für das Kind" entgegenzuwirken. Es dürfte diese bizarre Mischung sein, die eine Familienpolitikerin genervt den Kopf schütteln lässt, wenn sie auf die Forderungen der Männerlobby angesprochen wird.
In wenigstens einem Punkt allerdings haben Riedmeier und seine Mitstreiter recht: Wenn Eltern sich trennen, spielen Männer wie die Kindsväter Schneider und Stein bisher eher eine Nebenrolle für die Politik. Stattdessen rückt der Elternteil in den Fokus, bei dem die Kinder wohnen. Und das ist meist die Mutter.
Rund 1,6 Millionen Alleinerziehende gibt es den Statistiken zufolge in Deutschland, und ihre Situation ist oft prekär. Kein Wunder, denn wenn eine Familie auseinanderbricht, bedeutet das für viele Eltern auch ökonomisch eine Katastrophe. Von einem Tag auf den anderen müssen zwei Haushalte finanziert werden.
Hinzu kommt, dass für viele wichtige Steuervorteile wegfallen: Über das Ehegattensplitting können verheiratete Paare im Jahr mehrere Tausend Euro sparen. Geld, das nach einer Scheidung bitterlich fehlt.
Das trifft vor allem viele Mütter hart, die in Deutschland finanziell noch oft in hohem Maße von ihrem Mann abhängig sind (SPIEGEL 3/2017). Rund 43 Prozent der Alleinerziehenden gelten als armutsgefährdet. Zur traurigen Wahrheit gehört außerdem, dass laut Familienministerium rund 75 Prozent der Alleinerziehenden keinen oder keinen ausreichenden Unterhalt vom anderen Elternteil für die Kinder bekommen.
Lange konzentrierte sich die Politik darauf, diese dramatische Realität wenigstens etwas zu verbessern. Alleinerziehende können mittlerweile zumindest einen Entlastungsbeitrag von mindestens 1900 Euro bei der Steuer geltend machen. Die damalige Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sorgte zudem dafür, dass der Unterhaltsvorschuss für Kinder massiv ausgeweitet wurde.
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Kindsvater Schneider hat sich einmal ausgerechnet, was es für einen Lehrer wie ihn bedeutet, als alleinerziehend zu gelten: Dann stünden ihm als Beamter nämlich Familienzuschläge von rund 350 Euro zu. Auch eine lohnenswerte Riester-Rente könnte er wohl abschließen. Denn der Staat zahlt für jedes Kind einen ordentlichen Zuschuss - bei Schneiders wären es 485 Euro im Jahr. Dieser Zuschuss lässt sich aber nicht teilen, und er fließt nur an den Elternteil, der das Kindergeld bekommt. Und das Kindergeld fließt in den Haushalt, in dem die Kinder gemeldet sind. Im Fall der Schneiders in den der Kindsmutter.
"Wir müssen komplett umdenken", fordert der Nürnberger Männervertreter Becker. "Eine moderne Gleichstellungs- und Familienpolitik muss auch die Männer mit ins Boot holen."
Dafür müssen dringend Strukturen her, in denen einem Kind nach der Trennung der Eltern möglichst sowohl Vater als auch Mutter erhalten bleibt; die Debatte dabei auf das Wechselmodell zu beschränken wäre zu eng gedacht - schließlich dürfte diese Betreuungsform schon aus praktischen Gründen nur für einen begrenzten Teil getrennter Eltern infrage kommen.
Es geht vielmehr darum, dass Jugendämter, Sozialeinrichtungen und Richter auch in der Praxis beide Elternteile als Bezugspersonen für das Kind gleichermaßen ernst nehmen und ein Streit zwischen getrennten Eltern schnellstmöglich deeskaliert und nicht noch befeuert wird.
Dafür muss zuallererst das Unterhaltsrecht grundlegend reformiert werden. Das Prinzip "Einer zahlt, einer betreut" ist schon lange nicht mehr zeitgemäß und führt dazu, dass die Beantwortung der Frage, wer wie viel zahlt, im Streitfall maßgeblich davon abhängt, an welchen Richter die Eltern geraten.
Auch ein anderes Eingeständnis ist überfällig: Soviel auch noch getan werden muss, um Frauen beruflich und damit auch finanziell die gleichen Chancen zu ermöglichen wie Männern - es gibt auch Bereiche, in denen es Männer aufgrund ihres Geschlechts schwer haben.
Im Bundesfamilienministerium scheint sich diese Einsicht langsam durchzusetzen. Mitte Juli lud das Haus Interessenvertreter und Fachleute zu einem "Zukunftsgespräch: Gemeinsam getrennt erziehen" ein. Erstmals wurde eine vom Allensbacher Institut durchgeführte Studie präsentiert, die die Lebensrealitäten getrennter Familien untersuchte. 35 Prozent der befragten Väter wünschen sich mehr Kontakt zu ihren Kindern. Und rund die Hälfte aller Befragten wünscht sich eine gleichberechtigte Betreuung der Kinder.
Es muss dringend diskutiert werden, wie dieser Wunsch Realität werden kann. Ministerin Barley verspricht, dabei "Jungen, Männer und Väter auch in den Blick" zu nehmen (siehe Interview Seite 64). Väterlobbyisten wie Riedmeier sind begeistert von solchen Aussagen. "Da wurde ein ganz neuer Ton im Diskurs angeschlagen", sagt er.
Die Frage ist nur, was davon übrig bleibt, wenn Barley nach der Bundestagswahl nicht ins Familienministerium zurückkehrt.
https://www.spiegel.de/spiegel/


4. Online-Artikel zum Müttermonopol


„So offensichtlich diskriminierend“: Schild auf Rewe-Parkplatz entflammt Debatte im Netz

tzVerbraucher
Erstellt: 22.02.2023, 10:48 Uhr
Von: Momir Takac
Ein Mutter-Kind-Parkplatz soll das Einkaufen eigentlich erleichtern. Ausgerechnet eine Frau stört sich an der Formulierung des Schilds.
München - Supermärkte und Discounter sind stets bemüht, das Einkaufen angenehmer und attraktiver zu machen. Manchmal unfreiwillig, wie Edeka durch eine Schilder-Panne, doch meistens mit Serviceangeboten, wie etwa der Möglichkeit, an der Kasse Geld abzuheben.
Bei nahezu allen Supermärkten wurden inzwischen auch besondere Parkplätze errichtet, die an Familien gerichtet sind. Sie sind breiter, sodass Kinder leichter ein- und aussteigen können, und befinden sich nahe dem Eingang. Doch bei Rewe scheinen sie nicht von allen Mitgliedern einer Familie genutzt werden zu dürfen.
Rewe-Schild auf Parkplatz: Väter geben Frau recht und wittern Diskriminierung
Darüber regt sich eine Frau in den sozialen Medien auf. Bei Twitter teilte sie ein Foto, worauf ein Parkplatz-Schild zu sehen ist. Darauf steht: „Nur für Mutter mit Kind“. Genau das ist es, was der Userin so übel aufstößt. „Sagt mal Rewe, schämt ihr euch eigentlich nicht für solche Schilder? Wieso darf man dort als VATER mit Kind nicht parken?“, fragt sie den Supermarkt. Einen Aufschrei gab es auch wegen einer witzig gedachten Rewe-Werbung in Bayern.
Dies sei „so offensichtlich diskriminierend, dass mir die Worte fehlen“, schrieb sie weiter. Erstaunliche Worte, schließlich hat sie als Frau durch den Parkplatz einen Vorteil. Daraufhin entbrannte eine Diskussion, an der sich vor allem Männer beteiligten. „Frauen bevorzugender Sexismus ist auf breiter Ebene akzeptierte Norm bei uns in Deutschland. Väter, die Verantwortung übernehmen, sind nun mal nicht immer erwünscht. Als Papa bist du ein Mann, der wie jeder andere Mann in beliebigen Situationen öffentlich diskriminiert werden darf“, schreibt einer.
Parkplatz-Schild bei Rewe löst Debatte aus: „Demnächst gibt‘s Parkplätze für Veganer, oder was?“
Ein anderer habe sich diese Frage auch schon gestellt, und ihm sei es eigentlich egal, „aber in den woken Zeiten mit Regenbogen-Flagge an jedem Rewe ist das natürlich Diskriminierung“, schreibt ein Vater, der sich in Elternzeit befindet. Andere Nutzer pfeifen auf die strenge Trennung. „Wäre mir sowas von Latte, was das Schild sagt. Demnächst gibt‘s Parkplätze für Veganer, oder was?“, fragt ein Nutzer.
„Mir ist‘s egal, ob da ‚Mutter‘, ‚Vater‘ oder ‚Eltern‘ drauf steht. Ich bin alleinerziehender Vater mit zwei kleinen Kindern und stelle mich auf den Platz. Ich mache dieses Gendergaga nicht mit“, so ein kompromissloser User. Ein anderer Mann beteiligt sich mit Humor an der Debatte. „Ich meine, so einen Parkplatz schonmal genutzt zu haben. Ich bin gefahren und meine Mutter war auf dem Beifahrersitz“, schreibt er. Eigentlich steht der Handelsriese, der sich noch nicht zu dem Tweet äußerte, für Diversität ein. Nach dem Verbot der FIFA für Spieler, bei der WM in Katar die „One-Love“-Armbinde tragen zu dürfen, beendete Rewe die Zusammenarbeit mit dem DFB. (mt)
https://www.tz.de/


Urteil zu Sorgerecht
: Eine juristische Kinderhymne aus Karlsruhe

4. August 2010, 11:47 UhrLesezeit: 3 min
Das Bundesverfassungsgericht entwickelt das Sorgerecht in fulminanter Weise: Noch vor dreißig Jahren war ein nichteheliches Kind in Deutschland rechtlich mit seinem Vater nicht einmal verwandt. Nun sagen die Richter: Jedes Kind hat ein Recht auf Mama und Papa, auch das nichteheliche Kind.
Das Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Sorgerecht lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Jedes Kind hat ein Recht auf Mama und Papa, auch das nichteheliche Kind. Unverheiratete Väter, die nach deutschem Recht bisher nur Zahlväter waren, müssen daher mehr Rechte erhalten. Bisher war es so, dass der Vater von jeglicher Sorge für das Kind ausgeschlossen war, wenn die Mutter nicht einverstanden war. Künftig aber kann der Vater gerichtlich klären lassen, ob es nicht aus Gründen des Kindeswohls geboten ist, ihm zusammen mit der Mutter oder gar ihm allein das Sorgerecht zu übertragen.
Damit gelangt eine fulminante Rechtsentwicklung zu einem vorläufigen Abschluss: Noch vor dreißig Jahren war es so, dass ein nichteheliches Kind in Deutschland rechtlich mit seinem Vater nicht einmal verwandt war. Das Recht hat sich, angeschoben vom Bundesverfassungsgericht, den geänderten Familienwelten angepasst. Das höchste Gericht hat mit seinen Entscheidungen die Strophen zu einer juristischen Kinderhymne geschrieben.
In der "Kinderhymne", die Bert Brecht 1950 als Gegenstück zur bundesdeutschen Nationalhymne gedichtet hat, kommen die Kinder gar nicht vor. Aber sie hat einen so schönen Text, dass sich viele Bürgerinitiativen im Jahr 1990 (vergeblich) dafür eingesetzt haben, sie zur Hymne des wiedervereinigten Deutschland zu machen: "Anmut sparet nicht noch Mühe, Leidenschaft nicht noch Verstand. Dass ein gutes Deutschland blühe, wie ein andres gutes Land."
Das Bundesverfassungsgericht hat das 2008 mit einem wegweisenden Urteil beherzigt: Es hat mit Mühe, mit Leidenschaft und mit Verstand nicht gespart - und aus einem Urteil zum Artikel 6 Grundgesetz, also zum Elterngrundrecht, eine juristische Hymne auf die Kinder gemacht. Das Urteil ist sozusagen das erste Kinderlied der Welt mit Aktenzeichen, und seitdem schreibt Karlsruhe von Zeit zu Zeit eine neue Strophe hinzu.
Der Streit der politischen Parteien darüber, ob Kinder ein eigenes Grundrecht brauchen, ist entschieden: Sie brauchen es nicht nur, sie haben es schon. Kinder haben ein Grundrecht "auf Pflege und Erziehung". So sagt es das Bundesverfassungsgericht. Der Wortlaut dieses Elterngrundrechts nach Artikel 6 Grundgesetz ist zwar noch immer der gleiche wie vorher. Kinder als Träger von Rechten kommen dort überhaupt nicht vor, sie sind im Verfassungstext nach wie vor nur Gegenstand elterlicher Verantwortung. Das höchste deutsche Gericht hat aber dem Elterngrundrecht ein ungeschriebenes Kindergrundrecht an die Seite gestellt.
Das ist beim Sorgerecht für nichteheliche Kinder zu bedenken und zu beachten. Kinder, eheliche und nichteheliche Kinder, haben Rechte - auch gegenüber ihren Eltern, auch dann, wenn sie nicht verheiratet sind. Kinder haben ein Recht auf Mama und Papa. Auch das folgt aus dem Kindergrundrecht: Das höchste Gericht gibt den Interessen und Bedürfnissen der Kinder, also dem Kindeswohl, sogar Vorrang vor den Interessen der Eltern - und daraus muss nun, beim Sorgerecht für nichteheliche Kinder, endlich die Konsequenz gezogen werden. Noch einmal: Kinder haben ein Recht auf Mama und Papa, und zwar nicht nur die ehelichen Kinder, sondern auch die nichtehelichen. Der Gesetzgeber muss den Eltern klarmachen, dass ihr Kind ein Recht darauf hat, dass sie gegebenenfalls ihre Streitigkeiten zurückstellen und dass sie sich gemeinsam um das Kind kümmern.
Bisher ist es in Deutschland so, dass der nichteheliche Vater nur dann das Sorgerecht ausüben darf, wenn die Mutter einverstanden ist - und auch dann nur zusammen mit der Mutter. Das muss nun geändert werden, auch auf Druck des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Nun ist es zwar nicht gerade die Regel, dass die Zahlväter sich danach drängen, sich intensiv um die Kinder zu kümmern: Viele nichteheliche Väter, es ist wohl insgesamt noch die Mehrheit (bei den jüngeren Jahrgängen hat es sich sehr gebessert), macht schon bei der Zahlung des Unterhalts Sperenzchen. Es gibt aber eine liebende Minderheit von nichtehelichen Vätern, die nicht nur pünktlich zahlen, sondern sich auch um ihr Kind kümmern wollen - derzeit aber absolut kein Recht dazu haben, wenn die Mutter nicht will.
Hier kommt nun das geplante neue, vom Bundesverfassungsgericht geforderte und von der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger angekündigte Recht: An die Stelle des bisherigen Müttermonopols soll nun richtigerweise die gemeinsame Sorge von Mutter und Vater als gesetzlicher Regelfall treten. Über die Details wird man noch intensiv nachdenken müssen; das Urteil aus Karlsruhe gibt hier gute Hinweise. Kinder sind jedenfalls kein Faustpfand in der Hand von Mutter und Vater - das wird die Maxime für das neue Sorgerecht sein müssen.
https://www.sueddeutsche.de/


Mehr Recht auf Vater für die unehelichen Kinder

04. August 2010  Thomas Pany
Das Bundesverfassungsgericht schafft beim Sorgerecht das Müttermonopol ab
Liest man die gestern veröffentlichte wortreiche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Sorgerecht des Vaters eines unehelichen Kindes, so gerät man leicht ins Staunen über die vom alltäglichen Gebrauch der Sprache sich abhebende Klasse juristischer Abhandlungen, die sich einem Problem von erstaunlich vielen Seiten in immer wieder neuen Anläufen nähert, so präzise wie möglich, um dann die einzeln herausgearbeitenden Aspekte der Fragestellung mit feingliedrigen Differenzierungen gegeneinander abzuwägen. Umso verblüffter reibt man sich die Augen, wenn mittendrin in den von soviel Vernunft geführten Ausführungen eine Annahme steht, die völlig realitätsfern ist und der Willkür Platz schafft.
Es geht um die bisher gültige Rechtssprechung in Sorgerechtsfällen von unehelichen Kindern. Der Gesetzgeber ging nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts bislang von der Annahme aus, dass „die Zustimmungsverweigerung (zur gemeinsamen Sorge mit dem Vater, Einf. d. A.) von Müttern in aller Regel auf einem sich nachteilig auf das Kind auswirkenden elterlichen Konflikt basiert und von Gründen getragen ist, die nicht Eigeninteressen der Mutter verfolgen, sondern der Wahrung des Kindeswohls dienen“.
Das sieht in Wirklichkeit oft anders aus. Dass das Kindeswohl nicht immer an erster Stelle steht, wenn Mütter den Vätern der unehelichen Kindern den Weg zum Kind versperren und alle Entscheidungsmacht über so wichtige Angelegenheiten wie Wohnort, Schulwahl, ärztliche Betreuung etc. einzig für sich reklamieren, um das zu erfahren, genügt ein Blick in Erfahrungsberichte, Foren und manchmal in den Freundeskreis, wo soeben eine Trennung vollzogen wird und das Sorgerecht für die Kinder zwar rechtlich geklärt, aber umstritten ist und das Wohl der Kinder nicht an erster Stelle steht.
Auch das Bundesverfassungsgericht beruft sich bei seiner aktuellen Entscheidung in wichtigen Teilen auf Empirie1:
Das Bundesministerium der Justiz geht in seiner Stellungnahme davon aus, dass nach dem derzeitigen Stand der Untersuchungen der Hauptantrieb der Mütter, einem gemeinsamen Sorgerecht mit dem Vater nicht zuzustimmen, wohl in einer größeren Zahl von Fällen nicht primär in schwerwiegenden Kindeswohlerwägungen liege.
Auszug aus der BverfG-Entscheidung
Erstaunlich, dass es so lange gedauert hat, bis die Wirklichkeit von der deutschen Rechtssprechung wahrgenommen wurde. Mit der Abschaffung der bislang gültigen rechtlichen Übermacht der Mutter (§_1626a BGB (2): Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.) folgt das Bundesverfassungsgericht darüberhinaus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom vergangenen Dezember (siehe Besseres Sorgerecht für ledige Väter). In Straßburg hatte man Diskriminierung der Väter beim Sorgerecht leidiger Kinder ausgemacht und insbesondere auf den Skandal hingewiesen, dass es Väter gar nicht bis einer Verhandlung vor Gericht schafften, weil die vom BGB ausgewiesene Vorzugsstellung der Mutter zu mächtig war.
Zwar drängt das Bundesverfassungsgericht – wie schon zuvor der Europäische Gerichtshof – auf eine Neuregelung des Gesetzgebers, aber das kann dauern. Selbst wenn sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gestern damit beeilte, zu erklären, dass bereits an einer Neuregelung gearbeitet werde, dass schon mehrere Vorschläge dafür auf dem Tisch lägen - so ist letzteres ein Hinweis darauf, wie schwierig die Materie zu gestalten ist - was unter anderem auch an den Besonderheiten der Vaterschaft liegt, welche die bisherige Rechtssprechung mit der mütterlichen Sonderstellung kompensieren wollte:
Aus den Kommentaren der Justizministerin zu dem Urteil höre ich etwas heraus, das mir Sorge macht. Es klingt, als wolle sie das Sorgerecht nach der Anerkennung der Vaterschaft automatisch an beide Elternteile geben. Das darf nicht passieren. Das würde auch Väter treffen und zwingen, die gar kein Interesse haben, oder kurze Bekanntschaften, bei denen das Kind ein Zufallsprodukt oder Ausrutscher war.
Familienrechtsexperte Horst Luthin im SZ-Interview
Zunächst müssen die Familiengerichte die Entscheidung über das Sorgerecht im Streitfall treffen. Sie können wahrscheinlich mit einer Flut an Verfahren rechnen. Laut Bundesverfassungsgerichtsurteil soll das Familiengericht bis zum Inkrafttreten der Neuregelung „den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder ein Teil davon gemeinsam übertragen, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht“. (Thomas Pany)
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DEUTSCHLAND
VORWURF: ZWANGSGERMANISIERUNG

Polens Angst vorm deutschen Jugendamt
Veröffentlicht am 19.12.2018 | Lesedauer: 7 Minuten
Von Kaja Klapsa
„Deutsche nehmen Polen Kinder weg“, titelte schon vor Jahren eine Wochenzeitung, garniert mit einem Auschwitz-Foto: Viele Polen glauben, Jugendämter in Deutschland entzögen ihnen Kinder in großem Stil. Was sagen deutsche Behörden zu den Vorwürfen?
Dicht gedrängt, den Blick gesenkt, warten fünf Frauen auf den Beginn einer Pressekonferenz in Berlin. Eine weint leise, zwei andere halten Fotos von kleinen Kindern in die Kamera. Zwischen ihnen sitzt der 48-jährige Pole Wojciech Pomorski. Er hat als Gründer des Polnischen Verbands „Eltern gegen Diskriminierung der Kinder in Deutschland“ die Konferenz organisiert.
„Ich habe mich auf den Boden gelegt, ich habe mich gewehrt, wie ich nur konnte, aber sie haben mir die Kinder mit Gewalt entrissen“, klagt eine der Frauen auf Polnisch. „Meine beiden Töchter leben jetzt bei einem lesbischen Paar“, erzählt eine andere mit brüchiger Stimme. Die Szene ist in einem Fernsehbeitrag zu sehen, den das staatliche polnische Fernsehen TVP im Internet hochgeladen hat. Der Sender hatte ein Reporterteam zu der Pressekonferenz im Sommer vergangenen Jahres in die Hauptstadt geschickt. Gegenstand der Anklage: das deutsche Jugendamt.
„Jugendamt“ wird nicht ins Polnische übersetzt, weil so gut wie jeder Pole weiß, was es bedeutet. Die Behörde steht im Nachbarland seit Jahren massiv unter Beschuss. Regelmäßig erscheinen Berichte über die angebliche Diskriminierung polnischer Eltern und eine unbegründete Entziehung ihrer Kinder in Deutschland.
Die sozialen Netzwerke und Internetforen quellen über vom Vorwurf einer „Zwangsgermanisierung“, insbesondere im Fall der Scheidung von deutsch-polnischen Ehepaaren. Das Jugendamt zwinge das polnische Elternteil, mit dem Kind Deutsch zu sprechen, oder verbiete gar komplett den Kontakt, so die Gerüchte. Häufig wird dabei die Zahl von 20.000 polnischstämmigen Kindern genannt, die angeblich jährlich vom Jugendamt in Deutschland entzogen würden.
„Deutsche nehmen Polen Kinder weg“, titelte im Jahr 2016 etwa die rechte Wochenzeitung „Gazeta Polska“. Daneben: ein großes Schwarz-Weiß-Foto inhaftierter Kinder im Konzentrationslager Auschwitz. Vergleiche mit den Nationalsozialisten tauchen in der Debatte immer wieder auf. Auch der Organisator der Pressekonferenz, Pomorski, nennt das Jugendamt oft nur eine „Post-Nazi Organisation“, die die Polen in Deutschland wie „Untermenschen“ behandele.
Er selbst habe die Diskriminierung erlebt, als ihm vor 15 Jahren zwei Jahre vor der Scheidung von seiner deutschen Frau verboten worden sei, seine Töchter zu sehen und mit ihnen Polnisch zu sprechen, berichtet er. Seitdem ist er der Dauergast vieler polnischer Medien.
Die Gründung seines Vereins, der seinen Angaben zufolge um die 300 Mitglieder zählt, wurde 2007 finanziell von der rechtspopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt, die nach einer achtjährigen Pause seit 2015 wieder regiert. Regelmäßig schickt Pomorski Berichte seines oder anderer Schicksale an PiS-Abgeordnete nach Warschau und Brüssel.
Die EU-Abgeordnete Beata Gosiewska trug erst vor wenigen Wochen die persönlichen Erfahrungen Pomorskis mit dem deutschen Jugendamt im Europäischen Parlament vor. Anlass war eine Debatte mit dem Titel: „Die Rolle des Jugendamtes bei grenzüberschreitenden familiären Auseinandersetzungen“. Angeregt wurde diese durch einen Petitionsausschuss. Seit 2006 trafen dort 258 Beschwerden aus Deutschland ein und wurden EU-Justizkommissarin Vĕra Jourová übergeben. PiS-Abgeordnete Gosiewska sagte in ihrem Statement: „Wann werden die keiner zentralen Kontrolle unterliegenden Jugendämter abgeschafft, deren ruhmlose Geschichte auf den Zweiten Weltkrieg zurückzuführen ist?“
Gegenspielerin in der Diskussion ist die Abgeordnete Julia Pitera von der größten Oppositionspartei in Polen, der liberalen Bürgerplattform (PO). „Die Debatte ist ein populistisches Propagandainstrument, das zeigen soll, wie sehr die polnische Regierung sich für ihre Staatsbürger im Ausland einsetzt“, sagt Pitera WELT. „Dieses Spiel mit Emotionen ist politisch und gesellschaftlich sehr gefährlich.“
Was ist dran an den Vorwürfen?
Sie weist darauf hin, dass drei Viertel der 258 Petitionen von deutschen Staatsbürgern eingereicht worden seien und nur 24 Prozent von ausländischen. Von Letzteren seien 16 Betroffene vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gezogen; alle Klagen seien für unzulässig erklärt worden.
Während das Thema in Polen die Gemüter erhitzt und nun auch Brüssel erreicht, hat in Deutschland kaum jemand davon gehört. Was ist dran an den schweren Vorwürfen? Vergangenes Jahr nahm das Jugendamt insgesamt 61.400 Kinder in Obhut, davon kamen 37.800 aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil ausländisch ist. Wie viele Polen darunter waren, wird nicht erhoben. Die größte Ausländergruppe in Deutschland machten 2017 mit knapp 1,5 Millionen Menschen Türken aus, gefolgt von 866.00 Polen und 698.000 Syrern.
Fragt man im polnischen Sozialrat in Berlin nach einer Einschätzung, schüttelt die Mitarbeiterin Sylwia Wisniewska nur mit dem Kopf. Seit 1990 berät sie polnische Familien in Not. „Natürlich gibt es auch Beamte mit Vorurteilen, und es läuft nicht immer alles fair“, sagt sie. „Aber ich erinnere mich in fast 30 Jahren an keinen einzigen Fall, bei dem ein Kind tatsächlich grundlos der Familie entzogen wurde.“
Viele Frauen, die zu ihr kämen, hätten Berichte in den Medien gesehen und seitdem panische Angst vor der Behörde – ohne jemals mit Beamten in Kontakt gewesen zu sein. „Auch bei extremer häuslicher Gewalt trauen sich viele Polinnen nicht, sich an das Jugendamt zu wenden“, sagt sie. Sie versuche dann, aufzuklären und zu beruhigen; häufig ohne Erfolg.
Dem Bundesfamilienministerium in Berlin ist die Berichterstattung über Klagen von polnischer Seite bekannt. „Mehrere Überprüfungen haben ergeben, dass keine strukturellen Defizite beziehungsweise systemimmanente Diskriminierungen im Zusammenspiel von Jugendämtern und Familiengerichten in Deutschland bestehen“, so ein Sprecher. Das Ministerium stehe „in gutem Kontakt“ mit den Gesprächspartnern in der polnischen Regierung. Aus der Senatsverwaltung für Familie in Berlin heißt es, die Vorwürfe würden „jeglicher Grundlage entbehren“. Maßgeblich für das Handeln des Jugendamts seien immer das Wohl des Kindes und das geltende Recht.
Auch die zuständige Senatsverwaltung in Hamburg betont, es lägen keine Beschwerden von Eltern mit polnischer Staatsangehörigkeit vor. Es sei kein Anstieg der Inobhutnahmen polnischer Kinder zu verzeichnen. Beim bayerischen Landesjugendamt ist im vergangenen Monat der polnische Konsul zu Besuch gewesen, und es sei nicht ersichtlich gewesen, „dass Kritik an der Vorgehensweise der bayerischen Behörden geäußert wurde“, so der Leiter Hans Reinfelder.
„Jugendamt kann nur so gut arbeiten, wie es personell und materiell aufgestellt ist“
Der Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe e. V., Rainer Becker, spricht in der Bundespressekonferenz über die neue Studie zu den Arbeitsrealitäten in den Allgemeinen Sozialen Diensten der Jugendämter.
Quelle: WELT
Der stellvertretende Jugendamtsleiter in Köln, Klaus-Peter Völlmecke, hat in den vergangenen Jahren vergleichbare Vorwürfe aus der Türkei gehört. „Ich habe den Eindruck, dass es sich auch im Fall der Polen um ein innenpolitisches Instrument handelt, um Stimmung gegen Deutschland zu machen“, sagt Völlmecke. Er betont zudem, dass entgegen vieler Annahmen letztendlich nicht das Jugendamt über eine dauerhafte Herausnahme eines Kindes aus der Familie entscheide, sondern das Familiengericht. Dieses werde in der Regel 48 Stunden nach einer kurzfristigen Krisenintervention des Jugendamtes eingeschaltet.
Woher dann diese feste Überzeugung scheinbar vieler Auslandspolen? Rainer Balloff, Familienrechtspsychologe und Leiter des Instituts Gericht und Familie, registriert seit Jahren eine große Skepsis gegenüber Jugendämtern insbesondere bei Familien aus Osteuropa und der Türkei. „Es gibt in diesen Ländern die Traditionslinie, dass sich der Staat aus der Familie zurückhält. Jeder Eingriff wird als massive Grenzüberschreitung gewertet.“
Häufig spielten auch kulturelle Unterschiede eine Rolle, zum Beispiel eine Bevorzugung und Betonung der Mutter oder die Toleranz von Gewalt bei der Erziehung. Dass es Fälle von tatsächlicher Diskriminierung gibt, schließt Balloff nicht aus. „Menschen mit fremdenfeindlichen Ansichten gibt es überall, mit Sicherheit auch in Jugendämtern.“
„Keine Sprache, die ich verwende“
Das polnische Justizministerium gibt sich mit Kritik am Jugendamt gegenüber WELT zurückhaltend. „Es gibt manchmal unzulässige und dramatische Vorfälle, aber es ist nicht meine Intention, der Behörde eines anderen Landes Vorwürfe zu machen“, sagt der stellvertretende Justizminister Michal Wojcik. Die in den Medien und Internetforen kursierenden 20.000 Fälle seien „ein Fake“, betont er. Ungefähr 100 Fälle polnischer Staatsbürger erhalte das Ministerium jährlich aus Deutschland. „Hinter jedem dieser Fälle könnte sich ein dramatisches Schicksal verbergen, und ich werde alles tun, um meinen Landsmännern im Ausland zu helfen.“
Ein besonders wichtiges Anliegen sei es der polnischen Regierung, bei einer Inobhutnahme durch das Jugendamt die polnische Identität zu wahren. „Wenn ein Kind den Eltern entzogen wird, sollte es bei Familienangehörigen oder einer polnischen Pflegefamilie unterkommen“, fordert Wojcik. Wie er als stellvertretender Justizminister mit dem immer wieder auftauchenden Nazi-Vergleich umgehe? „Das ist keine Sprache, die ich verwende.“
Für Bartosz Wielinski, Auslandschef der liberalen polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“, steht die Causa Jugendamt stellvertretend für die Politik der Regierungspartei gegenüber Deutschland. „Wie bei den Reparationsforderungen für den Zweiten Weltkrieg überschüttet die PiS die öffentliche Meinung mit antideutschen Ressentiments und Unwahrheiten“, sagt er. „Gleichzeitig wissen sie, dass sie für die angebliche Germanisierung keine Beweise vorlegen können.“
Die Stimmungsmache gegen Deutschland nutze der Partei bei innenpolitischer Schwäche. Denn in Krisenmomenten, so der Journalist, sei es immer noch am einfachsten, die Aufmerksamkeit der Menschen auf eine deutsche Bedrohung zu lenken.
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GERICHTSVERFAHREN UND STREITSCHLICHTUNG
Schutz bei überlangen Verfahren

Der Schutz vor überlangen Gerichtsverfahren wurde ausgebaut. Jeder Bürger hat nunmehr das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz in angemessener Zeit. Das neue Gesetz zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren sieht eine Entschädigung bei unangemessen langen Prozessen vor.
Die Neuregelung zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren ist am 3. Dezember 2011 in Kraft getreten (vgl. BGBl. I Nr. 60 vom 2. Dezember 2011, S. 2302). Zum 1. Januar 2012 sind erste Änderungen des Gesetzes in Kraft getreten (vgl. Art. 1 Nr. 5, 6 des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes, BGBl. I Nr. 64 vom 13. Dezember 2011, S. 2554). Die Änderungen betreffen die örtliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte, die sich künftig danach richtet, in welchem Bezirk das als überlang gerügte Verfahren stattgefunden hat, den Kreis der Entschädigungsberechtigten im Strafverfahren (keine Einbeziehung von Privatklägern) und die Befugnis von Gerichtspräsidenten und ihren Vertretern zur Mitwirkung in Entschädigungsverfahren (Streichung der Ausschlussklausel).
Das Gesetz sieht folgendes Verfahren vor: In einem ersten Schritt müssen die Betroffenen das Gericht, das nach ihrer Ansicht zu langsam arbeitet, mit einer Rüge auf die Verzögerung hinweisen. Auf diese Weise erhalten die Richter stets die Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen. Die Verzögerungsrüge hilft daher, überlange Verfahren von vornherein zu vermeiden. Wer keine Rüge erhoben hat, kann auch keine Entschädigung verlangen. Das bedeutet: Man kann einem Verfahren nicht einfach seinen langen Lauf lassen und später Entschädigung geltend machen.
Wenn sich das Verfahren trotz der Rüge weiter verzögert, kann in einem zweiten Schritt eine Entschädigungsklage erhoben werden. In diesem Entschädigungsverfahren bekommen die betroffenen Bürger für die sog. immateriellen Nachteile aufgrund des überlangen Verfahrens, wie z. B. seelische und körperliche Belastungen, in der Regel 1.200 Euro für jedes Jahr, soweit eine Wiedergutmachung auf andere Weise nicht ausreichend ist. Neben dem Ausgleich für die immateriellen Nachteile ist zusätzlich eine angemessene Entschädigung für materielle Nachteile vorgesehen, etwa bei Insolvenz eines Unternehmens infolge des überlangen Gerichtsverfahrens.
Die Geldentschädigung für materielle Nachteile hängt nach der neuen Regelung nicht davon ab, ob es eine Wiedergutmachung auf andere Weise gibt. Hier kommt es aber darauf an, ob das Entschädigungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass ein solcher Nachteil tatsächlich auf der Überlänge des Gerichtsverfahrens beruht. Nur soweit das der Fall ist, kann eine angemessene Geldentschädigung für den materiellen Nachteil verlangt werden. Diese angemessene Entschädigung umfasst bei materiellen Nachteilen den Ausgleich für Vermögenseinbußen. Ein entgangener Gewinn kann dagegen nicht eingeklagt werden.
Der neue Entschädigungsanspruch ist verschuldensunabhängig. Es kommt also nicht darauf an, ob den Richtern, den Gerichts- oder Landesjustizverwaltungen ein Vorwurf zu machen ist. Neben der neuen Entschädigung sind zusätzlich – wie bisher schon – Amtshaftungsansprüche denkbar, wenn die Verzögerung auf einer schuldhaften Amtspflichtverletzung beruht. Dann kann umfassend Schadensersatz verlangt werden, etwa auch der Ersatz von entgangenem Gewinn.
Der Schutz vor überlangen Verfahren wird positive Effekte für die Justiz insgesamt bringen. Wo viele berechtigte Klagen wegen der Verfahrensdauer erfolgen, werden die Verantwortlichen über Verbesserung bei Ausstattung, Geschäftsverteilung und Organisation nachdenken müssen. Das neue Gesetz stärkt somit nicht nur den Rechtsschutz vor deutschen Gerichten, sondern auch die deutschen Gerichte selbst.
Deutschland steht im internationalen Vergleich gut dar
Bei der durchschnittlichen Prozessdauer steht Deutschland im internationalen Vergleich zwar gut dar, doch kommt es auch hierzulande immer wieder zu überlangen Gerichtsverfahren. Solche überlangen Prozesse sind eine starke persönliche und finanzielle Belastung der betroffenen Parteien. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat seit vielen Jahren das Fehlen eines besonderen Rechtsschutzes bei unangemessen langen Verfahren in Deutschland beanstandet. Die erste Verurteilung Deutschlands erfolgte im Jahr 2006. Da in der Folgezeit trotz anhaltender Diskussionen zu dem Thema und zahlreicher weiterer Verurteilungen keine Regelung erfolgte, hat der EGMR im September 2010 ein sogenanntes „Piloturteil“ gegen Deutschland erlassen. Darin wird der fehlende Rechtsschutz bei überlangen Verfahren als strukturelles Defizit bemängelt und eine Frist bis Dezember 2011 zur Be-hebung dieses Defizits gesetzt. Vor diesem Hintergrund hatte das Bundesministerium der Justiz einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Betroffenen nunmehr die Möglichkeit gibt, sich gegen eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer zu wehren.
Das neue Gesetz enthält eine Übergangsregelung. Danach sind Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten schon anhängig waren, in die Geltung der Regelung einbezogen. Sind solche Verfahren in diesem Zeitpunkt schon verzögert, muss die Verzögerungsrüge unverzüglich erhoben werden. Abgeschlossene Verfahren sind nur unter engen Voraussetzungen in die Geltung des neuen Gesetzes einbezogen, nämlich dann, wenn deren Verzögerung bereits Gegenstand einer Beschwerde beim EGMR ist oder noch werden kann, weil die sechsmonatige Frist zur Einlegung einer Beschwerde beim EGMR noch nicht abgelaufen ist.
Zahlen und Fakten zur Dauer der gerichtlichen Verfahren in den
unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten (Zahlenmaterial Erhebung 2013)1
Zivilgerichte
Bei den Zivilgerichten dauern Verfahren in der Eingangsinstanz (bundes)durchschnittlich zwar nur 4,8 Monate (Amtsgerichte) bzw. 8,7 Monate (Landgerichte). Die durchschnittliche Verfahrensdauer in den Ländern zeigt aber deutliche Abweichungen sowohl nach oben als auch nach unten. Bei den Amtsgerichten liegt die Spannweite zwischen 4,0 und 6,1 Monaten, bei den Landgerichten zwischen 6,9 und 12,5 Monaten. 14,9 % der Prozesse vor den Landgerichten dauern im Übrigen mehr als 12 Monate und 7,0% mehr als 24 Monate.
Verwaltungsgerichte
Erstinstanzliche Verfahren vor den Verwaltungsgerichten dauern im Bundesdurchschnitt 8,7 Monate. Diesem Bundesdurchschnitt stehen in den Ländern deutlich andere Zahlen gegenüber. Die kürzeste durchschnittliche Verfahrensdauer pro Land beträgt 5,2 Monate, die längste durchschnittliche Verfahrensdauer in einem Land 21,5 Monate. 5,7 % der Verfahren dauern im Übrigen mehr als 24 Monate1,9 % mehr als 36 Monate. Ähnliche Unterschiede zeigen sich bei der Verfahrensdauer vor den Oberverwaltungsgerichten als Eingangsinstanz. Hier beträgt die Durchschnittsdauer in Bezug auf das ganze Bundesgebiet 16,2 Monate. Der kürzeste Länderwert liegt demgegenüber bei 5,8 Monaten, der längste bei 32,0 Monaten. 14,1 % der erstinstanzlichen Verfahren vor den Oberverwaltungsgerichten dauern länger als 24 Monate, 9,1 % mehr als 36 Monate.
Finanzgerichte
Die Finanzgerichte brauchen durchschnittlich 15,9 Monate für ein erstinstanzliches Verfahren. Im Bundesland mit der kürzesten Dauer reichen dabei durchschnittlich 9,1 Monate, während die Bürgerinnen und Bürger im Bundesland mit der längsten Dauer mit durchschnittlich 22,2 Monaten rechnen müssen. 14,0 % der Verfahren dauern länger als 24 Monate, über 10,5 % länger als 36 Monate.
1) Quelle: Statistisches Bundesamt
https://www.bmj.de/
Gesetzgebungsverfahren
Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren


5. Diskriminierungen und Benachteiligungen von Männern als Opfer von häuslicher Gewalt und Partnerschaftsgewalt

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Siehe auch: