Nationalsozialismus in Mosbach - Baden
: Rechtsextremismus und Neofaschismus : Anti-Semitismus : Anti-Ziganismus : Homophobie : Rassismus : Diskriminierung 

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HISTORISCHES:
Deutsche Kolonialgeschichte
und Kolonialpolitik
als Vorbereitung
nationalsozialistisch-rassistischer
Diskriminierung und Verfolgung

Zuletzt AKTUALISIERT am 24.07.2024 !!!

FRAGESTELLUNGEN ZUR
Kontinuitätsthese,
nach der es eine Kontinuität
von den kolonialen Verbrechen
des Deutschen Reiches in Südwestafrika
zum Holocaust gibt


Zimmerer ist seit 2010 Professor für die Geschichte Afrikas an der Universität Hamburg und leitet seit 2014 die Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe. Er ist einer der führenden Vertreter der sogenannten Kontinuitätsthese, nach der es eine Kontinuität von den kolonialen Verbrechen des Deutschen Reiches in Südwestafrika zum Holocaust gegeben habe. QUELLE: Live übertragen am 28.10.2021 - Historiker Jürgen Zimmerer über deutschen Völkermord & Kolonialismus - Jung & Naiv: Folge 538
https://www.youtube.com/watch?v=rshNxf6nGGY

Kontinuitätstheorie (Geschichtswissenschaft)
Kontinuitätstheorie (von lateinisch continuare „fortfahren, zusammenhängend weiterführen“) bezeichnet in der Geschichtswissenschaft ein System von Vorstellungen, Behauptungen oder Erzählungen (Narrativen) bezüglich der Kontinuität eines bestimmten Gegenstands oder Sachverhalts über einen gegebenen Zeitraum, so vor allem von kulturellen, sprachlichen oder ethnischen Erscheinungen. Kontinuitätstheorien ordnen Phänomene verschiedener Zeiten in einen Gesamtzusammenhang ein.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kontinuit%C3%A4tstheorie_(Geschichtswissenschaft)


ERINNERUNGSKULTUR
Shoa und Kolonialverbrechen: wie geht gemeinsames Gedenken?

05.10.2022 Wie kann es gelingen, die vielen Verbrechen der Kolonialzeit ernst zu nehmen? Kann man dazu aus der Aufarbeitung des Holocaust lernen? Experten mahnen zum Blick für das Leid der anderen.

Es ist ein zähes Tauziehen. Seit 2015 ringen Deutschland und Namibia um eine Aufarbeitung des Völkermords, den das Deutsche Reich als Kolonialmacht Anfang des 20. Jahrhunderts an Herero und Nama im damaligen Südwestafrika begangen hat. Zehntausende starben, wurden erschossen oder verdursteten qualvoll in der Wüste. In Namibias Hauptstadt Windhoek erinnert vor dem Unabhängigkeitsmuseum ein Denkmal an die Gräuel (siehe Titelbild).
Beispielhafter Dialog?
118 Jahre danach steht die Entschuldigung immer noch aus. Die deutsche Seite hat ein Programm für finanzielle Leistungen und weiteres Engagement in Namibia vorgelegt, doch viele Menschen in Namibia fühlen sich dabei nicht angesprochen und ihr Land unter Druck gesetzt.
Aber trotz aller Schwächen und massiver Kritik – der begonnene Dialog zwischen Deutschen und Namibiern gilt vielen Experten als beispielhaft. Weltweit gebe es kein ähnliches Bemühen um Aufarbeitung kolonialer Verbrechen, betonten mehrere Expertinnen und Experten bei einer Tagung der Frankfurt University of Applied Sciences, des Goethe Instituts und der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main Ende September. Der Titel der Veranstaltung "Beyond" (Darüber hinaus) stand für eine geweitete Perspektive.
"Eigene Erfahrungswelt"
Den Impuls zu diesem Blick "Darüber hinaus" gab der deutsch-israelische Pädagoge Meron Mendel. Der Professor für Soziale Arbeit und Direktor der Anne Frank Bildungsstätte wollte mit der Konferenz angesichts wiederholter Kontroversen über Antisemitismus und Rassismus über künftige Erinnerungskultur und -kulturen nachdenken. Mendel schildert beim Nachdenken über historische Prägung auch eigene familiäre Erfahrungen. Er selbst sei Enkelkind von Holocaustüberlebenden, die Eltern seiner Frau seien als Flüchtlinge aus Pakistan nach Deutschland gekommen. Schon bei ihnen beiden kämen zwei Erfahrungswelten zusammen, "und ich kann das bei bestem Willen nicht als Gegensatz begreifen", sagt er der Deutschen Welle.

Auschwitz, das Menschheitsverbrechen hier – die vielen Verbrechen diverser Länder während der Kolonialzeit dort. In den Reden der Tagung dominierte die Betonung der Einzigartigkeit des millionenfachen nationalsozialistischen Judenmords. "Präzedenzlos" nannte der Antisemitismusforscher Steffen Klävers den Holocaust.
Beethoven und Hitler
Für ihn, sagte der in den USA lehrende Omer Bartov, einer der weltweit wichtigsten Historiker beim Thema Völkermord, sei und bleibe die Shoa ein "einzigartiges" Verbrechen. Für die Menschen in Deutschland gehöre sie zentral zur Erinnerungskultur, auch für Zuwanderer: "man kann nicht Beethoven haben wollen und Hitler verleugnen."
Und Bartov zitierte den Titel eines in diesem Jahr veröffentlichten Buchs der deutschen Autorin Charlotte Wiedemann: "Den Schmerz der anderen begreifen". Dieser Aspekt wurde in auffallend vielen der Redebeiträge thematisiert. Nie tauchte er im Titel einer Diskussion oder eines Vortrags auf oder stand im Mittelpunkt - aber immer wieder wurde er erwähnt: Empathie, emotionale Beteiligung. "Ohne die Anerkennung des Leids des anderen wird es keine politische Befriedung geben", sagte Doron Kiesel, wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden mit Blick auf den heutigen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern.
Dass auch dieser Ruf nach Empathie nicht zur Forderung werden darf, zeigte eine Szene bei einer der Frage-und-Antwort-Runden. Da rief ein Referent dazu auf, junge Leute in der Erziehung zu ermuntern, innerlich ein Stück "in den Schuhen der Vorfahren zu gehen" und damit deren Schicksal, Schuld oder Verantwortung nachzuspüren. Das sei, bemerkte energisch ein jüdischer Zuhörer, schwierig jenen zu sagen, die ihre Vorfahren in der Shoa verloren hätten. Wer solle sich vorstellen, in diesen Schuhen zu gehen?
Empathie in der Holocaust-Erziehung
Dennoch: Dieser Appell zur Wahrnehmung des Leids kurbelte die Debatte an. "Wie kann man den Blick so erweitern, dass das Leid des anderen wahrgenommen wird, ohne das eigene zu vergessen?", fragte Kiesel. Und die in Cambridge lehrende Anthropologin Esra Özyürek rief dazu auf, Empathie als Grundlage heutiger Holocaust-Erziehung auch im migrantischen Milieu zu sehen, deren eigene Situation aber nicht auszublenden. Es gehe - da zitierte sie in deutscher Sprache den deutschen Philosophen Edmund Husserl - um einen "Platzwechsel".
Dabei gab es auch kritische Gedanken zur Holocaust-Erinnerungskultur, zu ihrer "Nationalisierung" in Israel oder auch ihrer Globalisierung. Mirjam Zadoff vom NS-Dokumentationszentrum München verwies darauf, dass die mahnende Erinnerung an den Holocaust und die Beteiligung am "Nie wieder" nicht unbedingt mit dem kritischen Blick auf eigene historische Verantwortung und eigene koloniale Verbrechen einhergehe.
So hätten die USA heute mehr als 40 Holocaust-Museen – aber erst spät ein erstes Museum zur Sklaverei bekommen, sagte Zadoff. Und Japan schaue Jahr für Jahr feierlich-gedenkend auf den Holocaust – es blende aber eigene Verbrechen aus seiner Kolonialzeit komplett und entschieden aus.
Versöhnung mit Namibia?
Wie umgehen mit Verbrechen der Kolonialzeit, mit historischer Verantwortung für Gräueltaten und Ausbeutung? Auch deshalb war zum Ende der Tagung der Blick auf die schwierige Aufarbeitung des deutschen Völkermordes an den Herero und Nama in den Jahren 1904 bis 1908 spannend. Ruprecht Polenz (76), von 1994 bis 2013 für die CDU im Bundestag und seit 2015 Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Dialog mit Namibia, und Naita Hishoono vom Namibia Institute for Democracy tauschten sich da in kräftiger Kontroverse aus.
Das Werben von Polenz, die Politik in Namibia möge die zwischen den Regierungen erreichte Verständigung übernehmen, wies Hishoono zurück: Ihrem Land werde diese Forderung "wie eine Pistole vor die Brust gesetzt". So lasse sich "keine gemeinsame Erinnerungskultur schaffen, geschweige denn Versöhnung erreichen", sagte sie. Heutige, zutiefst ungerechte Wirtschaftsstrukturen, mit denen sich Europa von Afrika abschotte, blieben ausgeblendet.
Polenz hielt dagegen, es gehe um einen "Anfang für weitere Entwicklungen". Er hoffe, dass es noch in diesem Jahr zu einer Verständigung zwischen Deutschland und Namibia komme. Wie Hishoono und Polenz da miteinander redeten, das beeindruckte viele Zuhörer – weil beide das Leid, die Verbrechen und deren Aufarbeitung ernstnahmen.
05.10.2022
https://www.dw.com/


Deutscher Kolonialismus im Nationalsozialismus

Mi., 28. Juni 2023
18:00 Uhr - 19:30 Uhr
Humboldt Forum, Berlin (DE)

Credits: Eine Connectorin erklärt die Hintergründe einer Schulwandkarte aus der Zeit des Nationalsozialismus im Raum "Krieg" der BERLIN GLOBAL Ausstellung (c) Stiftung Stadtmuseum Berlin, Foto: Anne Preussel
In der Ausstellung BERLIN GLOBAL hängt im Raum Krieg eine Schulwandkarte mit dem Titel „Deutschlands Kolonien“. Sie stammt aus der Zeit des Nationalsozialismus. Die nationalsozialistische Führung fordert hier die Rückerlangung der ehemals deutschen Kolonialgebiete. Mit Josephine Apraku, Afrikawissenschaftler*in und Referent*in für rassismuskritische Bildungsarbeit, schauen wir auf das, was diese Karte verrät: Welches Bild von Afrika wurde jungen weißen Deutschen dieser Zeit vermittelt? Was erfahren wir über Deutschen Kolonialismus im Nationalsozialismus? Dabei gibt Apraku Einblicke, wie und wo Kolonialismus in Berlin erinnert wird und zieht Verbindungen zur Gegenwart.
Format: Die Diskursreihe „Ein Objekt, viele Fragen“ nimmt gezielt ein einzelnes Objekt der  Ausstellung BERLIN GLOBAL in den Blick. Das Gespräch mit eine:r:m Expert:in erschließt spannende Aspekte, die in der Ausstellung selbst vielleicht nicht oder nicht ausführlich behandelt werden. Dabei kann es um die Herstellungstechnik oder die symbolische Bedeutung gehen, um Vorbesitzer*innen oder die Objektbiografie, um das im Objekt gespeicherte Wissen oder seine besondere Ausstrahlung. Das Gespräch findet unmittelbar in der jeweiligen Ausstellung statt und gibt Raum für Ihre Fragen und Beobachtungen.
https://eventfrog.de/


Seiteninhalt:

  1. Anträge auf NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen beim Amtsgericht Mosbach

    1.1 Beim Amtsgericht Mosbach beantragte Wiederaufnahmeverfahren vom 06.08.2022 zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe

    1.2 Gerichtlich verfügte Beauftragung der forensischen Sachverständigen aus Kitzingen durch das Amtsgericht Mosbach bezüglich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anti-Nazi-Aktivitäten des Antragstellers

  2. Online-Artikel zu deutschen Völkerschauen und Völkermorden an afrikanischen Menschen in der Wegbereitung der Nationalsozialistischen Diskriminierung und Verfolgung sowie zur Raubkunst aus Afrika

    2.1 Online-Artikel zu Völkerschauen: Menschen in Zoos als Wegbereitung nationalsozialistisch-rassistischer Diskriminierungsschemata

    2.2 Online-Artikel zu Deutscher Völkermord in den afrikanischen Kolonien als Wegbereitung nationalsozialistisch-rassistisch orientierter Massen- und Völkermorde

    2.3 Online-Artikel zu Raubkunst aus den afrikanischen Kolonien

  3. YouTube- Videos zu deutschen Kolonialverbrechen und deutschen Völkermorden in Afrika

    3.1 YouTube-Videos zur Deutschen Völkerschauen - Menschen in Zoos

    3.2 YouTube- Videos zu deutschen Kolonialverbrechen und deutschen Völkermorden in Afrika

4. Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zu Deutschen Kolonialverbrechen als Wegbereitung nationalsozialistisch-rassistisch orientierter Diskriminierung und Verfolgung, als Wegbereitung nationalsozialistisch-rassistisch orientierter Massen- und Völkermorde


1. Anträge auf NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen beim Amtsgericht Mosbach

Amtsgericht Mosbach: Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Amtsgericht_Mosbach#/media/Datei:Mosbach-kloster-amtsgericht1.jpg

Amtsgericht Mosbach
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
Telefon:
06261 - 87 0
(Zentrale)
Telefax:
06261 - 87 460
(Zentrale Faxnummer)

NS- und Rechtsextremismus-Verfahren bei der Mosbacher Justiz:
AKTUELLE NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach u.a. seit 03.06.2022 >>>

Historische NS-Verfahren der Mosbacher Justiz >>>

Zuständigkeit des Amtsgerichts Mosbach in NS- und Rechtsextremismus-Verfahren >>>

Frühere außergerichtliche NS-Aufarbeitungen 2005 bis 2011 >>>

Frühere gerichtliche NS-Aufarbeitungen 2004 bis 2010 >>>

Nach Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Beschluss vom 15.12.2022 - 6 S 1420/22 - unterliegt der Nationalsozialismus nicht der grundrechtlich geschützten Weltanschauungsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG.

Das Amtsgericht Mosbach hat jedoch seit dem 03.06.2022 eine gemäß § 158 StPO ordnungsgemäße Eingangsbestätigung mit den Benennungen der Konkreten Eingabedaten, der Konkreten Sachverhaltsbenennungen mit einer kurzen Zusammenfassung der Angaben zu Tatzeit, Tatort und angezeigter Tat, insbesondere zu beantragten NS- und Rechtsextremismus-Strafverfahren, bisher ausdrücklich und EXPLIZIT versagt und NICHT ausgestellt.

Auch für die beim Amtsgericht Mosbach beantragten Wiederaufnahmeverfahren, amtsseitigen Verfügungen und gerichtlichen Prüfungen in NS- und Rechtsextremismus-Angelegenheiten verweigert das Amtsgericht Mosbach ordnungsgemäße Eingangs- und Weiterbearbeitungsbestätigungen mit konkreten Sachverhaltsbenennungen.

Siehe dazu auch Umgang des Amtsgerichts Mosbach mit NS- und Rechtsextremismusverfahren >>>

Wir Herrenmenschen: Unser rassistisches Erbe: Eine Reise in die deutsche Kolonialgeschichte - Mit zahlreichen Abbildungen Gebundene Ausgabe – 4. März 2019

Wie uns das Denken der Kolonialzeit noch immer prägt – eine packende Geschichtsreportage zur aktuellen Debatte Die deutschen Kolonien - dieses Kapitel unserer Geschichte ist beunruhigend aktuell, wie Bartholomäus Grill zeigt. Und das nicht nur im Bewusstsein der Afrikaner selbst (etwa der Nachfahren der Herero, die heute Entschädigung für Gräueltaten der Deutschen fordern). Sondern auch in unseren eigenen Köpfen. Der SPIEGEL-Reporter, einer der besten deutschen Afrikakenner, hat in den letzten drei Jahrzehnten an allen Schauplätze des ehemaligen Kolonialreichs recherchiert, er hat mit den letzten Augenzeugen gesprochen, den Nachkommen von Tätern wie Opfern. Grill verfolgt akribisch die Spuren der deutschen Fremdherrschaft in Afrika, China und der Südsee und beschreibt unser rassistische Erbe: Das Herrenmenschentum prägt nach wie vor unser Denken, die Klischees von den „bedrohlichen Afrikanern“ oder „hilflosen Entwicklungsländern“ wirken fort, gerade in Zeiten verstärkter Flucht und Migration. Eine packende historische Reportage – und zugleich ein Debattenbuch von höchster Aktualität.


1.2 Beim Amtsgericht Mosbach beantragte Wiederaufnahmeverfahren vom 06.08.2022 zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe

 

6F 9/22 beim AG/FG Mosbach
OFFIZIELLE ANTRÄGE AN DAS AMTSGERICHT-FAMILIENGERICHT MOSBACH :
ZUR AUFARBEITUNG VON NATIONALSOZIALISTISCHEM UNRECHT UND
NATIONALSOZIALISTISCHEN VERBRECHEN
Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für
die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft:
Hier Martha Ndumbe

Siehe dazu auch:

Siehe dazu auch:

Prozessbeobachtung: ENTSCHÄDIGUNG VON NS-VERFOLGTEN UND NS-OPFERN beim Amtsgericht Mosbach
Antrag vom 06.08.2022 Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe
220806_uhl_ag_mos_ja_afro_wiedergutmachung.pdf (167.56KB)
Prozessbeobachtung: ENTSCHÄDIGUNG VON NS-VERFOLGTEN UND NS-OPFERN beim Amtsgericht Mosbach
Antrag vom 06.08.2022 Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe
220806_uhl_ag_mos_ja_afro_wiedergutmachung.pdf (167.56KB)

 

Treu bis in den Tod. Von Deutsch-Ostafrika nach Sachsenhausen. Eine Lebensgeschichte

Der Sudanese Mahjub bin Adam Mohamed ließ sich 1914 als Söldner (Askari) der Kolonialtruppe in Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, anwerben. Ende 1929 kam er als Kolonialmigrant nach Deutschland. Er arbeitete als Kellner im Kempinski, beteiligte sich als Kiswahili-Lehrer am Orientalischen Seminar an den Bestrebungen, die deutschen Kolonien zurückzugewinnen, und spielte in den dreißiger Jahren kleinere Rollen in mehr als 20 Spielfilmen. Mahjub war ein von sich und seiner Ausstrahlung überzeugter Lebenskünstler, der sich nicht scheute, die im Deutschen Reich mit dem Mythos vom »treuen Askari« verbundenen Emotionen für sich auszunutzen. Trotz der Bedrohung durch das nationalsozialistische Regime blieb er im Land und legte sich sogar mit den Behörden an. 1941 wurde der Unbequeme zum Schweigen gebracht, indem man ihn ohne Prozess in das Konzentrationslager Sachsenhausen einwies, wo er drei Jahre später starb. Die Afrikanistin Marianne Bechhaus-Gerst erzählt die außergewöhnliche Familien- und Lebensgeschichte dieser afrikanisch-deutschen Persönlichkeit. Entstanden ist ein eindrucksvolles Porträt, welches exemplarisch zeigt, wie Afrikaner im NS-Rassestaat zu überleben versuchten, ohne ihre Würde preiszugeben.


1.2 Gerichtlich verfügte Beauftragung der forensischen Sachverständigen aus Kitzingen durch das Amtsgericht Mosbach bezüglich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anti-Nazi-Aktivitäten des Antragstellers

 

 Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten. 

Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel 4 auf dieser Seite.


Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seiner Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME zu NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.

Siehe dazu auch:



2. Online-Artikel zu deutschen Völkerschauen und Völkermorden an afrikanischen Menschen in der Wegbereitung der Nationalsozialistischen Diskriminierung und Verfolgung sowie zur Raubkunst aus Afrika

 


2.1 Online-Artikel zu Völkerschauen: Menschen in Zoos als Wegbereitung nationalsozialistisch-rassistischer Diskriminierungsschemata

 

 

GESCHICHTE
Völkerschauen: Rassismus als Spektakel

 

Noch bis ins 20. Jahrhundert präsentierten sogenannte Völkerschauen Menschen als exotische Objekte. Zwei Ausstellungen beleuchten die grausame Kolonialgeschichte.
Datum 08.01.2022
Autorin/Autor Sven Töniges
Ein "Senegalesisches Dorf" 1905 auf der Weltausstellung in Lüttich
Irgendwo hinten im weitläufigen Park des Brüsseler Vororts Tervuren waren sie untergebracht - eingepfercht wie in einem Streichelzoo: 267 Frauen und Männer aus der damals belgischen Kolonie Kongo. Auf Geheiß von König Leopold II. nach Belgien gebracht, drapiert unter den Strohdach-Hütten eines Fake-"Kongo-Dorfes", um vom europäischen Publikum bestaunt zu werden. Bei der Weltausstellung 1897 kamen bis zu 40.000 Besucher am Tag, um sie voller Sensationsgier anzugaffen. Zur Bilanz der Schau gehörten aber auch sieben tote Kongolesen.
Um ihrer zu gedenken, hat das Königliche Museum für Zentralafrika Tervuren, das auf dem Gelände der damaligen Völkerschau entstand, die Sonderausstellung "Human Zoos - Die Ära der Kolonial-Ausstellungen" initiiert ( zu sehen noch bis zum 5. März 2022).
Überlegenheitsanspruch der Kolonialmächte
Belgien wurde erst relativ spät zu einer großen Kolonialmacht. Auf der Berliner Afrika-Konferenz von 1884 und 1885, wo 14 europäische Nationen den Kontinent unter sich aufteilten, bekam der belgische König den Kongo als Privatkolonie zugesprochen - eine Fläche, die 80 Mal so groß war wie sein Heimatland.
Leopold II. König von Belgien (1865 - 1909)
Leopold II. verleibte sich den Kongo als Privatkolonie ein
Sein damaliges Afrika-Museum und die eingangs erwähnte Völkerschau machte den Besuchern schon am Eingang den vermeintlichen Überlegenheitsanspruch des Europäers klar: "Belgien bringt dem Kongo die Zivilisation" stand dort auf dem Messingschild unter einem goldenen Bildnis Leopolds mit zwei dankbaren schwarzen Kindern. Die Wirklichkeit sah anders aus: Rücksichtlos wurden die Rohstoffe des Kongos ausgebeutet, die Menschen als Arbeitskräfte missbraucht - oder eben als exotisches Naturwunder bestaunt.
Großer Andrang bei Völkerschauen
Video abspielen1:38 min
"Völkerschauen" / Theodor Michael
Der Andrang auf den Menschenzoo sei enorm gewesen, so der Historiker und Anthropologe Maarten Couttenier, einer der drei Kuratoren der Brüsseler Schau, gegenüber der DW: "Sie präsentierten Menschen aus dem Kongo buchstäblich als Höhlenmenschen, die immer in Bast-Röckchen tanzen und primitive Begierden haben. Sie wurden nicht als Intellektuelle oder Künstler oder einfach als normale Menschen gezeigt."
Das sei allerdings kein regionales Phänomen gewesen, ergänzt Couttenier. "Wir zeigen, dass Menschen aller Völker ausgestellt wurden: Europäer, Afrikaner, Amerikaner. Und man hat sie überall gezeigt, in Europa, Amerika, Japan auch in Afrika." Der Mechanismus dabei sei stets der Gleiche gewesen: "Man konnte "das Andere" sehen und sich überlegen fühlen."
Pseudowissenschaft der Rassetypen
In der Blütezeit des europäischen Kolonialismus zogen diese als "Menschenzoos" bezeichneten Ausstellungen mit Afrikanern, "Rothäuten", "Feuerländern" oder skandinavischen Samen durch die Lande - als eine Art Wanderzirkus zur Volksbelustigung.
Eine Grafik von 1903 zeigt Hölzels Rassentypen des Menschen
Das rassistische Weltbild hinter den Menschenzoos - als Wissenschaft getarnt
Gleichzeitig standen sind unter den "wissenschaftlichen" Vorzeichen einer kruden Anthropologie, wie Hölzels Schaubild der "Rassetypen" von 1903 zeigt: Rassistische Überlegenheitsfantasien degradierten außereuropäische Menschen auf eine Stufe mit Affen; die Kolonialmächte waren von der eigenen "zivilisierten Überlegenheit" überzeugt.
In Deutschland entdeckte der Hamburger Tierhändler und Zoo-Gründer Carl Hagenbeck sogenannte "Völkerschauen" als Geschäftsmodell. Und der Jahrmarkt-Schausteller Friedrich Wilhelm Siebold präsentierte noch 1931 auf dem Münchner Oktoberfest die Ausstellung "Kanaken der Südsee".
"Zurückgeschaut"- postkoloniale Ausstellung in Berlin
Die erste sogenannte "Colonial-Ausstellung" in Deutschland fand 1896 im Rahmen einer Gewerbeschau in Berlin statt: Im Park des Stadtbezirks Treptow baute man ein Dorf, das von der Lokalpresse einen für Schwarze erniedrigenden Namen erhielt.
Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt vier Frauen, deren Hals langestreckt ist
"Giraffenhals"-Frauen in Siebolds "Völkerschau" (1925)
Mehr als 106 Afrikaner waren in den damaligen deutschen Kolonien unter falschen Versprechungen angeworben worden, um sich dann über sieben Monate als vermeintliche Dorfbewohner in exotischen Kostümen dem staunenden Publikum präsentieren zu müssen. Zugleich wurden sie wiederholt öffentlich demütigenden medizinischen oder "rassekundlichen" Untersuchungen unterzogen.
Eine aktualisierte und im Oktober 2021 neu eröffnete Dauerausstellung im Museum Treptow beleuchtet dieses dunkle Kapitel und zeichnet, sofern bekannt, die Biografien der zu Objekten reduzierten Menschen nach. Sie zeigt auch, wie die Kolonialherren plötzlich auf Widerstand stießen. Denn viele der Ausgestellten seien aus der ihnen zugewiesenen Rolle ausgeschert - etwa Kwelle Ndumbe aus Kamerun: Er kaufte sich ein Opernglas und starrte seinerseits das Publikum an. Nicht umsonst heißt die Ausstellung "Looking back / zurückgeschaut".
Der kolonialistische Blick heute
Das den "Menschenzoos" zugrunde liegende Konzept des rassistischen Blicks existiert bis heute, glaubt Maarten Couttenier. Er habe Kollegen mit dunklerer Hautfarbe, die wirklich jeden Tag - zumal bei der Wohnungs- oder Jobsuche - damit konfrontiert seien.
Besucher bei der Eröffnung der Ausstellung zurückgeschaut. Looking back schauen auf die Fotos von Schwarzen
Die Dauerausstellung "zurückgeschaut/looking back" in Berlin arbeitet die Geschichte der ersten Deutschen Kolonialausstellung von 1896 auf
"Es ist immer derselbe Mechanismus: Eine Andersartigkeit definieren, um sagen zu können: 'Ich bin besser als du'. Das ist nicht angeboren. Kleine Kinder sind keine Rassisten. Wir erziehen unsere Kinder dazu, Menschen als anders und minderwertig zu betrachten."
https://www.dw.com/


Blinder Fleck der Erinnerungskultur: So wird die Geschichte kolonialer Völkerschauen aufgearbeitet

 

Zoos profitierten vom Kolonialismus. Einige von ihnen, unter anderem in Berlin, stellen sich nun ihrem Erbe. Was bedeutet Dekolonialisierung in ihrem Fall?
Von Michael Bienert
10.08.2020, 08:24 Uhr
Seiltänzer, Schwertschlucker, Schlangenbeschwörer, Elefantenbändiger, Musiker und Tänzerinnen begeisterten 1926 das Berliner Publikum einer großen Indienschau im Berliner Zoo. Weniger amüsiert über war der „Verein der Inder in Zentral-Europa“. Es werde der Anschein erweckt, „das ganze indische Volk befinde sich auf dem Niveau von Tieren“, protestierten die Inder in einem Brief an die Reichskanzlei. Würden Deutsche so in Indien ausgestellt, wäre die Regierung dagegen vorgegangen. Die britische Kolonialmacht aber unternehme nichts gegen die Indienschau, weil „solche Schaustellungen gerade im Interesse des britischen Imperialismus liegen“.
Die Ära der Völkerschauen im Berliner Zoo endete 1952 mit der Präsentation einer Gruppe von Lappländern. Eine abgeschlossene Geschichte? Im Leipziger Stadtrat wird darüber gestritten, ob eine Straße und eine Grundschule weiterhin den Namen des Zoogründers Ernst Pinkert tragen dürfen. Denn mit Völkerschauen, die er selbst inszenierte, hielt Pinkert seinen Zoo ab 1878 finanziell über Wasser. Noch heute veranstaltet der Leipziger Zoo Dinners mit afrikanischen Klängen und Tänzen.
Ernst Pinkert bezog seine menschlichen Exponate vor allem vom Hamburger Tierhändler und Schausteller Carl Hagenbeck. Dessen Denkmal im Tierpark Hagenbeck stellt einen freundlichen Herren dar, der einem Löwen die Mähne krault. Mit der Herabwürdigung anderer Menschen hat das erst mal nichts zu tun, es gibt schlimmere Kolonialdenkmäler in Hamburg.
Dennoch hat die Fotografin Johanna Brinckman im Juni unter dem Hashtag #notmyhero auf Instagram eine Kampagne gestartet, um das Hagenbeck-Denkmal zu stürzen. Inzwischen findet auch ihre Forderung nach einem Denkmal für Opfer der Völkerschauen immer mehr Unterstützer.
Ein Fernsehbericht über zwei Jugendliche, die eine aktive Auseinandersetzung des Tierparks mit dieser Vergangenheit fordern, schaffte sogar den Sprung in die ARD-Tagesthemen.
Bei Hagenbecks Tierpark wurde auf Kritik zunächst trotzig reagiert
Hagenbecks Erben reagierten zunächst trotzig nach dem Motto: „Der Tierpark ist stolz auf seinen Gründer und das bleibt auch so.“ Dann wurde eine Pressekonferenz mit Experten versprochen und wieder abgesagt. Inzwischen erklärt Geschäftsführer Dirk Albrecht auf Nachfrage: „Der Tierpark wird sich aktiv an der Aktualisierung der schon bestehenden Informationen zu diesem Thema beteiligen und ist bereits im Gespräch mit der Kulturbehörde zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes.“
In der Hafenstadt Hamburg ist die Kolonialvergangenheit sichtbarer als in Berlin, daher hat die Kulturbehörde bereits 2014 eine Forschungsstelle „Postkoloniales Erbe“ an der Universität eingerichtet. Ihr streitbarer Leiter Jürgen Zimmerer lässt keine Gelegenheit aus, eine Ende der „kolonialen Amnesie“ zu fordern. Er ist auch ein scharfer Kritiker des Berliner Humboldt Forums, dessen Planern er vorwirft, die Perspektive der Kolonisierten zu wenig zu berücksichtigen.
Carl Hagenbeck schreibt in seinen Erinnerungen, seine erste Völkerschau im Jahr 1874 sei die Idee eines befreundeten Malers gewesen. Der riet ihm, eine Herde Rentiere von einer Lappländerfamilie begleiten zu lassen, um das malerische Bild einer nordischen Landschaft mit „unverfälschten Naturmenschen“ zu vervollständigen. Der Andrang war so enorm, dass diese Schau einige Wochen später auch in die Berliner Hasenheide und in den Leipziger Zoo weiterzog.
Koloniales Erbe. Die umstrittene Statue von Carl Hagenbeck. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Koloniales Erbe. Die umstrittene Statue von Carl Hagenbeck. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa © picture alliance/dpa
Der Berliner Zoodirektor Heinrich Bodinus zögerte, sein Gelände für solche Darbietungen zu öffnen. Doch zu Hagenbecks Fans gehörte auch der renommierte Berliner Pathologe und Anthropologe Rudolf Virchow. Er verbürgte sich bei der dänischen Regierung für die gute Behandlung einer Gruppe Inuits, die Hagenbeck 1877 von Grönland aus bis nach Paris verschickte. Auf dem Rückweg machten sie Station im Berliner Zoo, wo sie von Virchow vermessen wurden. Überall in Europa suchten Anthropologen damals nach empirischen Beweisen für eine Rassenlehre, die letztlich der Legitimation kolonialer Raubzüge diente.
Seit 1878 war der Berliner Zoo stets eine der lukrativsten Stationen auf Hagenbecks Tourneen. Bis zu 100 000 Besucher täglich lockten sie an. Sogar die Stadtbahnzüge, schreibt Hagenbeck, verlangsamten ihre Geschwindigkeit, um den Zuschauern einen längeren Blick auf seine Spektakel zu ermöglichen. Ob den Afrikanern und Asiaten klar war, worauf sie sich einließen, ist zweifelhaft. Etliche überlebten den Wanderzirkus nicht, starben an Erschöpfung und Krankheiten, auf die ihre Körper nicht vorbereitet waren.
Im Berliner Zoo gibt es eine kulturhistorische Dauerausstellung, auch über die NS-Zeit
Im Berliner Zoo wird das seit 2016 nicht länger verschwiegen. Damals eröffnete eine kulturhistorische Dauerausstellung zur Geschichte des Zoos im Antilopenhaus. Damit reagierte der Zoo auf drängende Nachfragen nach dem Schicksal der jüdischen Zooaktionäre und der Begeisterung der ehemaligen Direktoren Ludwig und Lutz Heck für den Nationalsozialismus. Kuratiert wurde die Ausstellung im Antilopenhaus von dem Antisemitismusforscher Clemens Maier-Wolthausen, der auch die Geschichte der etwa 25 Völkerschauen aufarbeitete.
Mit gutem Grund: Auf den Völkerschauen wurde eine koloniale Perspektive auf angeblich rückständige „Menschenrassen“ und Kulturen eingeübt. Die Nationalsozialisten machten den Rassismus dann zur Staatsdoktrin.
Im Berliner Zoo: Aufsichtsratsvorsitzender Frank Bruckmann (r) und der Zoodirektor Andreas Knieriem präsentieren 2015 eine Tafel, die über die NS-Vergangenheit des ehemaligen Zoodirektors Lutz Heck informiert.
Im Berliner Zoo: Aufsichtsratsvorsitzender Frank Bruckmann (r) und der Zoodirektor Andreas Knieriem präsentieren 2015 eine Tafel, die über die NS-Vergangenheit des ehemaligen Zoodirektors Lutz Heck informiert. © dpa/Gregor Fischer
Die Büste von Lutz Heck im Zoo, Direktor zwischen 1932 und 1945, trägt inzwischen eine Tafel, die auf das begangene Unrecht hinweist. Die Benennung einer Berliner Schule nach seinem Vater Ludwig Heck wurde 2018 zurückgenommen. Der Hamburger Streit um Carl Hagenbeck dürfte auch an der Hagenbeck-Schule in Berlin-Weißensee nicht spurlos vorübergehen.
Die „koloniale Amnesie“ zu überwinden ist ein langer Prozess. Das zeigt auch die Auseinandersetzung um die „Hütten aus natürlichen Baumaterialien“, mit denen jüngst die Afrika-Landschaft im Berliner Tierpark möbliert wurde. Eine kolonialromantische Inszenierung wie zu Kaisers Zeiten, sicher nicht böse gemeint, aber gedankenlos.
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„Viel zu lange war die Kolonialzeit ein blinder Fleck in unserer Erinnerungskultur. Viel zu lange war das in dieser Zeit geschehene Unrecht vergessen und verdrängt. Es endlich ans Licht zu holen ist Teil der historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber den ehemaligen Kolonien – und Voraussetzung für Versöhnung und Verständigung mit den dort lebenden Menschen“, erklärte Kulturstaatsministerin Monika Grütters vergangene Woche.
Sie stellte einen Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut in Museen vor, das durch die Kolonialvergangenheit belastet ist. Die Regierung formuliert einen klaren Auftrag. Was aber bedeutet Dekolonialisierung ganz praktisch für eine Institution, die ihre Attraktivität wesentlich der Kolonialzeit verdankte?
Im Bremer Überseemuseum wurde 2001 damit begonnen, die Ausstellungsbereiche umzugestalten. Ehemalige Publikumslieblinge wie ein Dinosaurierskelett, lebensgroße Indianerfiguren und ein Südseehaus verschwanden – und kehrten 2019 zurück, nun aber als Teil einer selbstkritischen Dauerausstellung zur Geschichte und den Inszenierungspraktiken des Museums.
1896 eröffnete es als städtisches Museum für Natur-, Völker- und Handelskunde. In sogenannten „Schaugruppen“ zeigte es exotische Welten nach dem Motto: „Die ganze Welt in einem Haus.“ Die weltweiten Bremer Handelsbeziehungen ermöglichten den raschen Aufbau riesiger Sammlungen.
Das Bremer Überseemuseum macht mit seinen Ausstellungen deutlich, dass Kolonialismus auch bittere Gegenwart ist.
Das Bremer Überseemuseum macht mit seinen Ausstellungen deutlich, dass Kolonialismus auch bittere Gegenwart ist. © Imago(Schöning
Als sich 1904 die Herero in Deutsch-Südwestafrika gegen die Kolonialmacht erhoben, gab Direktor Hugo Schauinsland eine Herero-Hütte mit lebensgroßen Gipsfiguren und Alltagsgegenständen in Auftrag. Doch vor Ort waren keine Objekte mehr zu bekommen, so gründlich hatten die Kolonialtruppen die Herero-Kultur ausgelöscht. Ein gefangener Herero fertigte Sammlungsgegenstände für das Museum an, das sie ab 1911 ausstellte.
Diese Zeugnisse sind heute mit erläuterndem Kommentar im Schaudepot zu sehen. In der Afrika-Abteilung erinnert eine silbrig glänzende Frauenfigur der nigerianischen Künstlerin Sokari Douglas Camp an den Völkermord.
Kolonialismus ist bittere Gegenwart
In Videos erzählen Männer und Frauen vom afrikanischen Alltag. Statt in Hütten führt die Ausstellung durch die Stadtteile der Millionenstadt Nairobi. In einem Clubraum kann man sich durch die Vielfalt afrikanischer Popmusik zappen. Gewürdigt werden auch indigene Gruppen wie die San, früher „Buschmänner“ genannt, denen es gelang, Jahrtausende ohne zentrale Herrschaft zu überleben. Kurz und bündig wird an Beispielen wie Rohstoffhandel und Landenteignungen erklärt, wie die Ausplünderung des Kontinents fortschreitet.
Arte-Doku über "Menschen-Zoos" Kannibalen gucken
Waren es einst Stammesfürsten, die sich mit weißen Kolonialherren verbündeten, so sind es heute korrupte Eliten, die Land und Leute an internationale Investoren verscherbeln. Das Museum lässt keinen Zweifel: Kolonialismus ist nicht nur ein Gespenst der Vergangenheit, sondern bittere Gegenwart.
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Völkerschauen: Menschen zur Schau gestellt wie im Zoo

 

KULTUR
Feuerländer, Samoaner, Afrikaner in Baströckchen. Vom Kaiserreich bis in die 1930er wurden Menschen aus fernen Ländern vorgeführt wie im Zoo. Diese "Völkerschauen" sind für Theodor Wonja Michael ein Trauma - bis heute.

"Wir zogen durch ganz Europa mit den Zirkussen, und ich war immer auf Reisen - von Paris bis Riga von Bern über Warschau bis Bukarest", erinnert sich Theodor Wonja Michael. Er ist der jüngste Sohn eines Kameruners, der um die Jahrhundertwende aus der damals deutschen Kolonie in das Deutsche Kaiserreich reiste. "Wir tanzten und traten gemeinsam mit Feuerschluckern und Fakiren auf, doch schon sehr früh begann ich diese Völkerschauen und mein Mitwirken daran zu hassen", sagt der 92-Jährige heute. Lange hat er über diese Zeit nicht gesprochen, doch dann, 2013, hat Theodor Wonja Michael seine Geschichte und die seiner Familie in dem Buch "Deutsch sein und schwarz dazu" aufgeschrieben.
Die Eltern von Theodor Wonja Michael (Foto: Familie Michael)
Die Eltern von Theodor Wonja Michael: der Vater Kameruner, die Mutter Deutsche
Auf ins Showbusiness
Die Familie aus Kamerun schickte Theodor Wonja Michaels Vater Ende des 19. Jahrhunderts nach Europa. In Berlin stellte er schnell fest, dass ihm als Bürger aus einer deutschen Kolonie normale Berufe verwehrt blieben, so genannte "Völkerschauen" boten ihm die einzige Verdienstmöglichkeit.
Die Darsteller der Völkerschauen tourten damals durch Europa wie heute Musiker und Bands. Ihr straffer Zeitplan umfasste mehrere Vorführungen pro Tag – von morgens bis abends wurden sie angegafft. "Es gab zum Teil Verträge mit ihnen, aber die Darsteller wussten nicht, was es bedeutete, in den Völkerschauen Europas aufzutreten. Niemand hatte ihnen beschrieben, was dort genau passiert", sagt die Historikerin Anne Dreesbach. Die meisten hätten Heimweh gehabt, und einige seien auch an Krankheiten gestorben, weil versäumt wurde, sie zu impfen. So starb im Jahr 1880 eine zur Schau gestellte Inuit-Familie an Pocken nach Auftritten in Hamburg und Berlin. Auch bei einer Gruppe von Sioux-Indiandern gab es Todesfälle, sie starben an Schwindsucht, Masern und Lungenentzündung.
Zoodirektor Hagenbeck begrüsst 1927 auf dem Bahnhof Hamburg 100 Samolis aus Afrika, die als Teilnehmer zu einer großen Völkerschau im Tierpark Hagenbeck angeheuert wurden. (Foto: picture-alliance/dpa)
Zoodirektor Carl Hagenbeck zeigt sich 1927 stolz mit Menschen aus Somalia, die er eigens für seine Show nach Hamburg geholt hat
Carl Hagenbecks Exotenschau
In Deutschland gab es bis in die 1930er Jahre etwa 400 Völkerschauen. Die erste große Völkerschau veranstaltete 1874 der Hamburger Carl Hagenbeck, der zu einem der wichtigsten Tierhändler in Europa aufgestiegen war. "Er hatte die Idee, Zoos nicht nur mit Tieren, sondern auch mit Menschen zu beliefern und sie dort auszustellen. Die Leute waren begeistert, denn sie hatten keinen Fernseher oder Farbfotos und damit auch keine Vorstellung von den Menschen in der Ferne", erklärt Anne Dreesbach. Sie hat vor einigen Jahren erstmals eine Gesamtsicht auf die Völkerschauen in Deutschland publiziert.
Völkerschau - die Illusion einer Reise
Völkerschauen hatte es schon in der frühen Neuzeit gegeben, in der europäische Entdecker und Seefahrer Menschen aus den neu erforschten Gebieten mitbrachten. Doch Carl Hagenbeck verstand es, die Völkerschauen perfekt zu inszenieren: Lappländer traten gemeinsam mit Rentieren auf, Ägypter ritten vor Pyramiden aus Pappmaschée auf Dromedaren, Feuerländer hausten in Hütten und hatten Knochen als Accessoires in den Haaren. "Carl Hagenbeck verkaufte den Zuschauern der Völkerschauen die Illusion einer Reise", sagt die Historikerin Hilke Thode-Arora vom Völkerkundemuseum München.
Video abspielen1:38 min
Theodor Wonja Michael erzählt von den Völkerschauen der 1920er und 30er Jahre
"In der Völkerschau waren wir das, was sich die Menschen in Europa in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter 'Afrikanern' vorstellten, ungebildete, mit Baströcken bekleidete, kulturlose Wilde", erklärt Theodor Wonja Michael. Er erinnert sich noch daran, wie wildfremde Menschen ihm mit den Fingern durch seine gekräuselten Haare fuhren: "Sie rochen an mir, ob ich echt sei, sprachen in gebrochenem Deutsch und in Zeichensprache mit mir."
Menschenmassen wie heute auf Konzerten
Theodor Wonja Michael kam schon als kleiner Junge Ende der 1920er Jahren zu den Betreibern einer Völkerschau. Sie waren vom Vormundschaftsgericht als seine Pflegeeltern eingesetzt, die offizielle Begründung lautete, man traue seinem Vater die Erziehung von insgesamt vier Kindern nicht zu. Nach dem Tod seiner Mutter, einer deutschen Näherin aus Ostpreußen, wurde die Familie auseinander gerissen. "Unsere Pflegeeltern hatten kein persönliches Interesse an uns, nur an unserer Arbeitskraft", erklärt Michael. Alle vier Kinder kamen bei unterschiedlichen Betreibern von Völkerschauen unter und mussten wie einst ihr Vater einem staunenden Publikum "afrikanisches Leben mit Baströcken" präsentieren und verkaufen. Für Theodor Wonja Michael eine Tortur.
DW Filmpremiere Afro.Deutschland
Theodor Wonja Michael bei der Premiere des DW.Films Afro.Deutschland
Wie Fans heute ihren Stars nah sein wollen, wollten es damals auch die Zuschauer den ausgestellten Feuerländern, Eskimos oder Samoanern. Nach einer Berliner Vorstellung im November 1881 drückten sie Zäune ein, zerstörten Bänke und Stühle und durchbrachen Absperrungen. "Das zeigt, was die Völkerschauen bei den Leuten ausgelöst haben – es war praktisch eine Art Ohnmacht", sagt Dreesbach.
Hagenbeck veranstaltete seine letzte Schau "exotischer Menschen" 1931. Theodor Wonja Michael war neun, als sein Vater 1934 im Alter von 55 Jahren starb. Er hat nur wenige Erinnerungen an ihn. Aus den Erzählungen seiner Geschwister weiß er, dass der Vater Anfang der 20er Jahre als Komparse beim damaligen Stummfilm tätig war. Er und seine Geschwister wurden oft ins Studio mitgenommen und dann ebenfalls engagiert. Sie waren eben so "typisch afrikanisch". Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs wurden die Völkerschauen weniger. Die Diskriminierung blieb.
Zum Weiterlesen:
Theodor Wonja Michael: Deutsch sein und Schwarz dazu. Erinnerungen eines Afro-Deutschen, dtv 2013.
DIE REDAKTION EMPFIEHLT
Als Deutschlands höchster Berg in Afrika lag >>>
Der Deutsche Hans Meyer bezwang 1889 als erster Europäer den höchsten Gipfel des Kilimandscharo. Bis zum Ersten Weltkrieg galt die "Kaiser-Wilhelm-Spitze" als der höchste Punkt Deutschlands. (25.10.2013)
Afrikaner als Attraktion im Zoo >>>
Kaum 100 Jahre ist es her, da wurden afrikanische Stämme in europäischen Zoos zur Schau gestellt. Eine Praxis, gegen die der Schriftsteller Peter Altenberg protestierte. Eines seiner Werke wurde nun neu aufgelegt. (11.06.2009)
Koloniale Spurensuche in Leipzig
Leipzig ist bekannt für Johann Sebastian Bach und Auerbachs Keller, weniger für seine koloniale Vergangenheit. Eine Stadtführung will das ändern und zeigt ehemalige Völkerwiesen und Apartheidschmieden. (08.09.2010)
Tagebuch bezeugt Völkermord in Afrika
Der deutsche Missionar Johannes Spiecker war zu Beginn des 20. Jahrhunderts Zeuge des Völkermords an den Herero und Nama. Sein Tagebuch erzählt von einem dunklen Kapitel deutscher Kolonialgeschichte. (23.09.2013)
Datum 10.03.2017
Autorin/Autor Text: Annika Zeitler, Video: Alexander Spelsberg
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Afrikaner als Attraktion im Zoo

 

AFRIKA
Kaum 100 Jahre ist es her, da wurden afrikanische Stämme in europäischen Zoos zur Schau gestellt. Eine Praxis, gegen die der Schriftsteller Peter Altenberg protestierte. Eines seiner Werke wurde nun neu aufgelegt.
Afrikanische Frau mit Kind
Afrikaner in Wien um 1900
Peter Altenbergs berühmtestes Buch "Ashantee", eine Sammlung von etwa 40 Kurztexten, dokumentiert eine reale Begebenheit, die das habsburgerische Wien wochenlang in Atem hielt. Im Jahre 1896 gastierte ein ganzes afrikanisches Dorf von der Ethnie der Aschanti samt ihrer Strohhütten im Wiener Tiergarten. Derartige Spektakel, auch Völkerschau genannt, waren damals in europäischen Hauptstädten gang und gäbe. Altenberg allerdings gibt sich nicht mit der Rolle des stummen Betrachters zufrieden. Er hält sich tagtäglich im Aschanti-Dorf auf und lebt mit den Afrikanern ihren Alltag. Außerdem organisiert er für einige Dorfbewohner Besuche im Wiener Opernhaus, in Kaffeehäusern oder zum Abendessen bei Bekannten.
Das Spektakel auf den Kopf gestellt
Cover des Buches Ashantee von Peter Altenberg
All dies hält Altenberg in seinen Texten fest. Es sind Situationen und Begegnungen, die das Völkerschau-Spektakel auf den Kopf stellen. So beschwert sich etwa einer der Dorfbewohner darüber, dass Tiergarten-Besucher Nachts zum Spaß an die Holzwände ihrer Hütten schlagen. "Sir", sagt er, "wenn Ihr zu uns nach Akkra kämet als Ausstellungsobjekte, würden wir nicht des Abends an eure Hütten klopfen!". Ein anderer Afrikaner - ein vermeintlich Wilder - bemängelt wiederum die Manieren der Europäer. Für Altenberg sind es im Grunde Letztere, die zur Schau gestellt werden. Gerade die Praxis der Völkerschau, die eigentlich die Kolonialisten in ihrer kulturellen Überlegenheit bestätigen soll, entlarvt sie als die wahren Barbaren. So heißt es in einem Gespräch mit der Aschanti-Frau Tioko: "Wilde müssen wir vorstellen, Herr, Afrikaner. Ganz närrisch ist es. In Afrika könnten wir nicht so sein. Alle würden lachen. Wie "men of the bush", ja, diese. In solchen Hütten wohnt niemand. Für dogs ist es bei uns. Quite foolish. Man wünscht es, dass wir Tiere vorstellen."
Hier nimmt Altenberg auf die schon damals existierende Kritik Bezug, dass es sich bei den Teilnehmern der Völkerschauen teilweise um professionelle Darsteller handle. Ist Tioko von der Goldküste in Wirklichkeit vielleicht eine Lehrerin oder gar eine professionelle Schauspielerin?
Auch heute noch aktuell
Peter Altenbergs "Ashantee" ist auch heute noch aktuell. Die Praxis der Völkerschau gehört zwar der Vergangenheit an. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass sich der Umgang mit Fremden normalisiert hat. Nicht ohne Grund berichten Migranten in Deutschland und anderswo, dass sie sich wie auf einem Präsentierteller fühlen würden - von allen begafft. Und, wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, so spielen für uns Europäer mitunter dieselben Vorurteile eine Rolle, die schon zu Altenbergs Zeit ausschlaggebend waren.
Die Neuauflage von Peter Altenbergs "Ashantee" ist im Verlag Löcker erschienen und kostet 19,80 Euro. Sie enthält zusätzlich Briefe des Autors, Schwarzweißfotos und eine Reihe wissenschaftlicher Essays, die sein Werk in Bezug zur Zeit um die Jahrhundertwende setzen.
Autor: Mahmoud Tawfik
Redaktion: Michaela Paul
Datum 11.06.2009
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Menschen ausgestellt im Zoo - Das dunkle Kapitel Völkerschauen

 

Sendung: Panorama 3 | 26.10.2021 | 21:15 Uhr
30 Min
Es ist hierzulande eine nahezu unbekannte Geschichte, die Christian Karembeu erzählt: Vor nicht einmal 100 Jahren wurde sein Urgroßvater in einer Völkerschau von Hagenbecks Tierpark als angeblicher Kannibale präsentiert. Karembeu ist ein französischer Fußballstar und wurde 1998 Weltmeister. In Frankreich hatte er schon vor Jahren auf die Geschichte seines Urgroßvaters aufmerksam gemacht. Auch in Deutschland wünscht er sich nun eine kritische Debatte und Aufarbeitung dieses Kapitels. Der Tierpark jedoch weicht konkreten Fragen von Panorama 3 zu den näheren Umständen der Völkerschauen aus.
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Damals sehr beliebt
Die vergessene Geschichte der Menschenzoos

 

Menschen fremder Nationalitäten und Rassen auszustellen wurde gerade in Europa von vielen Menschen begrüßt. Die Besucherzahlen derartiger Ausstellungen gingen in die Millionen. Auch spezielle Ausstellungen von Indianern oder komplette Dorfgemeinschaften kamen bei den Menschen gut an.

Bereits im alten Ägypten war es Gang und Gebe, Menschen, die anders aussahen oder fremd wirken, zur Schau zu stellen. Teilweise wurden diese Menschen regelrecht gejagt und vernichtet. Die Ausstellungen der Menschen wurden häufig mit Gladiatorenspielen verknüpft. Selbst im Christentum gab es viele öffentliche Verurteilungen wie zum Beispiel Hinrichtungen oder Kreuzigungen, die man als Zurschaustellen bezeichnen könnte. Aus dem 17. Jahrhundert gibt es viele Aufzeichnungen, dass Indianerdörfer mit echten Einwohnern zur Schau gestellt wurden. Einen großen Aufschwung erhielten die Menschenzoos Mitte des 19. Jahrhunderts. Fast auf allen Jahrmärkten, Volksfesten, in Zoos, Varietés und im Zirkus wurden anders Aussehende in Menschenzoos ausgestellt. Die Kolonialausstellungen wurden immer in einer möglichst naturgetreuen Kulisse präsentiert. Bei einer Schweizerischen Landesausstellung in Genf wurde beispielsweise im Sommer 1896 ein Village Noir mit insgesamt mit 230 Sudanesen ausgestellt, die trotz der kalten Temperaturen in Lehmhütten hausen mussten.
Europa war Vorreiter der Menschenzoos
Menschenzoos hatten zwischen 1870 und 1940 ihre Blütezeit in Europa. Was man sich in der heutigen Zeit nicht mehr vorstellen kann, war früher ein übliches Verfahren. Menschen eines fremden Volkes wurden entführt und in einer Art Zoo für Besucher gut sichtbar, in Käfige gesperrt. Alleine in Deutschland wurden in der Zeit bis 1940 bis zu 300 außereuropäische Menschengruppen regelrecht zur Schau gestellt. In den sogenannten anthropologisch zoologischen Ausstellungen kam es dazu, dass bis zu 100 Menschen gleichzeitig ausgestellt wurden. Der Menschenzoo wurde auch als Völkerschau bezeichnet. Eine Völkerschau war bei der Bevölkerung sehr beliebt. In Europa und Nordamerika lockten derartige Veranstaltungen Millionen von Menschen in die Ausstellungen. Während anfangs nur das Neue und Fremde betrachtet wurde, entwickelte sich nach einiger Zeit das Denken der Zuschauer in die Richtung, dass sie die Menschen in den Käfigen als Untermenschen ansahen. Sie wurden teilweise sogar für Forschungszwecke verkauft und von sogenannten Ärzten zu Tode gequält.
Ein menschenverachtendes Verhalten
In der heutigen Zeit wäre es unvorstellbar, dass in einem Zoo neben Affen, Zebras und Löwen auch Menschen ausgestellt werden. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. In den unterschiedlichsten Städten wie zum Beispiel Hamburg, Paris, Barcelona, Antwerpen, Mailand, London oder Warschau wurden spezielle Menschengehege in den Zoos eingeführt. Carl Hagenbeck war einer der Vorreiter und versandte im Jahr 1876 einige seiner Schergen nach Ostasien und in den Sudan. Sie sollten wilde Tiere und einige Nubier einfangen und mit nach Deutschland bringen. Diese wurden dann in einem Zoo ausgestellt, wofür sich die Zoobesucher richtig begeistern konnten. Noch nie hatten sie zuvor Eingeborene anderer Länder und Kulturen gesehen. Nie waren sie ihnen so nahe, wie im Zoo. Nach Carl Hagenbecker zogen London, Paris und Berlin nach. Eine der bekanntesten Ausstellungen war wohl die Weltausstellung in Paris im Jahre 1889. Bis zu 28 Millionen Besucher wurden auf dieser Ausstellung gezählt. Unter anderem gab es 400 Ureinwohner zu sehen, die bei den Besuchern als Attraktion angesehen wurden. Auch im 1900 fand eine Weltausstellung statt sowie Kolonialausstellungen in den Jahren 1906 und 1922 in Marseille. Die nackten oder halbnackten Menschen wurden ganz einfach in Käfigen ausgestellt. Innerhalb von sechs Monaten wurden in Paris 34 Millionen Besucher begrüßt.
Die große Völkerschau
1928 fand in Deutschland die große Völkerschau der Welt statt. Es handelte sich um eine Kolonialausstellung, bei der die Menschen aus den verschiedensten Gegenden der Welt betrachtet werden konnten. 1931 folgte die bekannte Ausstellung "Kanaken der Südsee". Diese Ausstellung fand auf dem Münchner Oktoberfest statt. Nach und nach wurden die Zoos nach dem zweiten Weltkrieg wieder abgeschafft. Ausgerechnet Adolf Hitler war der Vorreiter dafür, dass 1940 die ethnologischen Ausstellungen und Menschenzoos in Europa abgeschafft wurden. Er verbot eine öffentliche Zurschaustellung von farbigen Menschen.
Die letzte Ausstellung
Die letzte bekannte Ausstellung Menschen unterschiedlicher Rassen fand in Brüssel statt. Auf der Weltausstellung in Brüssel wurde im Jahr 1958 ein ganzes kongolesisches Dorf samt Einwohner aufgebaut. In den USA gab es einige ähnliche Ausstellungen in Zoos, bei denen Indianer zur Schau gestellt wurden. 100 Sioux Indianer wurden zum Beispiel im Cincinnati Zoo in einem nachgestellten Dorf ausgestellt. Auch in den USA wurden Besucherzahlen in Millionenhöhe verzeichnet. Der Andrang an derartigen Ausstellungen war sehr groß. Die Bevölkerung war sehr neugierig und hatten keine ethischen Bedenken, Menschen in Käfigen oder hinter Gittern zu beobachten.
Die persönliche Geschichte von Ota Benga
Einer der bekanntesten Menschen, die im Bronx Zoo ausgestellt wurden, ist der Afrikaner Ota Benga. Benga wurde 1885 in seinem kongolesischen Dorf von Truppen aus Belgien überfallen. Kongo unterstand als sogenanntes Belgisch-Kongo der Herrschaft von König Leopold II. Der belgische König galt als sehr grausam. In den Jahren 1880 bis 1920 halbiert er die Bevölkerung im Kongo von 20 auf 10 Millionen Menschen. Das lag vor allem an der extremen Brutalität, mit der die Besatzer vorgegangen sind. Der König ließ die Hände oder Arme von Menschen abhacken, die die tägliche Quote an den gewünschten Erzeugnissen wie zum Beispiel Elfenbein oder Gummi nicht erfüllen konnten. Ota Benga überlebte diese grausame Zeit, wurde jedoch im Jahr 1906 aus dem Kongo in der Nähe des Flusses Kasai entführt. Zu diesem Zeitpunkt war er 23 Jahre alt. Für ein Pfund Salz und etwas Stoff wurde Benga nach South Carolina an den Anthropologen und christlichen Missionar Samuel Phillips Verner verkauft.
Ein einsamer Kämpfer mit Heimweh
ein Mitglied der Batwa und versuchtet alles, um zu fliehen. Er griff mehrfach seine Aufseher an und galt daher als unkontrollierbar. Zur Strafe wurde Benga in das Affenhaus im Bronx Zoo überführt. Hier musste er gemeinsam mit einem Meerschweinchen, einem Papagei, einem Schimpansen und einem Orang Utan leben. Insgesamt sahen sich 40.000 Besucher täglich sein Leben im Käfig an. Teilweise tummelten sich bis zu 500 Personen gleichzeitig vor dem Käfig des Afrikaners. Er war mit einem Pfeil und Bogen ausgestattet, damit er realistischer für die Besucher wirkte. Nach einigen Tagen machte sich Benga diesen Vorteil zu Nutze und fing an, die Besucher mit dem Pfeil und Bogen zu verscheuchten.
Menschliche Grausamkeit
Das schlimmsten an seinem Aufenthalt waren nicht die hohen Besucherzahlen. Viel schlimmer war es, dass Benga von den Besuchern getreten, beleidigt und mit glühenden Zigarettenstummeln beworfen wurde. Damals berichtete die New York Times über Benga. Sie machten den Menschen klar, dass es Benga in seinem Käfig viel besser gefiele, als in seinem Heimatdorf. Menschen, die ihn bemitleiden und über sein angebliches Leid stöhnen, hielten sie für absurd. Doch die schwarze Bevölkerung in den USA machte Druck. Bereits nach 20 Tagen wurde Benga daher aus seinem Käfig im Zoo befreit und nach Lynchburg, Virginia überführt. Er erhielt dort einige Beschäftigungsmöglichkeiten wie zum Beispiel in Schulen oder Krankenhäusern. Trotzdem verlief Bengas Leben nach seiner Befreiung nicht glücklich. Er litt unter schweren Depressionen und Heimweh. Auf der einen Seite konnte er sich nicht in den USA integrieren, auf der anderen Seite war ein Leben im Kongo für ihn nicht mehr möglich. Er empfand die Zeit in den USA als unerträgliche Demütigung. Benga schoss sich am 20.03.1916 selber ins Herz. Seine Geschichte wurde vor Jahren als Kurzfilm produziert und zeigt tiefe Einblicke in das Leben von Ota Benga.
Die letzte Reise
Erst vor 6 Jahren kehrten die letzten Menschen aus den Menschenausstellungen des Herrn Hagenbeck zurück in ihre Heimat. Es handelte sich um fünf Körbe mit Skeletten, die ihre Reise nach Chile antraten. Die Menschen wurden vor fast 135 Jahren entführt. Ihre letzte Reise führte zum Flughafen von Santiago, von wo aus sie zur II. Brigarde der Luftwaffe gefahren wurden. Im Anschluss fand ein Staatsakt statt. Die Knochen wurden an einem warmen Sommertag übergeben. Selbst die Präsidentin Michelle Bachelet gab sich die Ehre. Sie entschuldigte sich für das Schicksal der Toten auch im Namen ihrer Nation. Auch die Minister standen Spalier und erwiesen den Toten die letzte Ehre. Die Odyssee der verschleppten Menschen begann im August 1881. Die Alakalufen oder auch Kawesqar genannte, wurden auf Schiffe verladen und in die verschiedensten Richtungen verschifft. Eine Expedition kam auch nach Deutschland und hatte das Ziel: Tierhändler Carl Hagenbeck. Dieser wollte alsbald einen Zirkus eröffnen und einen Zoo in Stellingen. Dieser Zoo trägt bis heute noch seinen Namen.
https://www.forschung-und-wissen.de/


Menschenzoos: Früher wurden Menschen in Zoos ausgestellt

 

Veröffentlicht am 26. August 2022 von PETA-Team

Es ist ein dunkles Kapitel der Geschichte, von dem Sie möglicherweise noch nie gehört haben: Bis zum Jahr 1958 wurden Menschen in sogenannten Menschenzoos ausgestellt. Die oft umzäunten Bereiche waren nicht selten zwischen Tierkäfigen platziert – gelegentlich mit dem Hinweis „Bitte nicht füttern“.
Heutzutage ist es undenkbar, Menschen als Ausstellungsstücke einzusperren. Gleichzeitig fristen zur menschlichen Unterhaltung unzählige andere Tiere ein tristes, verstörendes Leben in der Gefangenschaft von Zoos und Tierparks. In diesem Beitrag erfahren Sie, warum es falsch ist, Menschen und andere Tiere zu Profitzwecken einzusperren.

Ausbeutung und Zurschaustellung in Menschenzoos
Bereits Christoph Kolumbus entführte hunderte Ureinwohner:innen Amerikas, deportierte sie nach Europa und stellte sie auf spanischen Jahrmärkten aus. Die ersten Verschleppten überlebten die Überfahrt nicht. Im Jahr 1874 läutete der Tierhändler Carl Hagenbeck, Gründer des heutigen Tierpark Hagenbeck, die „Blütezeit“ der Menschenzoos ein, als er der Welt seine erste Völkerschau präsentierte.
Für seine Völkerschauen verschiffte er „exotisch“ aussehende Menschen gemeinsam mit anderen Tieren und Gegenständen nach Europa und baute „Zoo-Lebenswelten“ auf, die meist wenig bis gar nichts mit der Realität zu tun hatten. Dadurch aktivierte er bereits verankerte Klischees, denn Zoobesucher:innen waren an möglichst „wilden“, „unzivilisierten“ Menschen in ihrer „natürlichen“ Umgebung interessiert (oder das, was man eben dafür hielt) – und Hagenbeck inszenierte genau das. Besonders viel Geld machte er, wenn er entblößte Frauen, Schwangere oder Menschen mit körperlichen Fehlbildungen zeigte.

Andersartigkeit als Legitimation für Ausbeutung und Missbrauch
Wissenschaftler:innen der damaligen Zeit nutzten die unwürdigen und menschenverachtenden Menschenzoos für ihre Zwecke. Sie führten die Rassenlehre ein, in der Menschen mit weißer Hautfarbe einen Ehrenplatz erhielten und andere Kulturen als minderwertig angesehen wurden. Zudem spielten sie dem Kolonialismus in die Hände. Mithilfe falscher und herabwürdigender Darstellungen wurde begründet, warum man diese Kulturen „retten“ und sich selbst vor ihnen „schützen“ müsse.
Menschen derart zu präsentieren, symbolisierte Macht und Überlegenheit. Und genau das gleiche ausbeuterische und entwertende Denkmuster ist auch im Speziesismus zu finden, bei dem der Mensch andere Spezies herabsetzt, weil er sich für überlegen hält. Dabei sind Menschen ebenfalls Tiere und haben kein Recht, über andere Lebewesen und deren Wert zu bestimmen oder sie in irgendeiner Weise zu missbrauchen.
https://www.peta.de/themen/menschenzoos/


Siehe dazu auch:




2.2 Online-Artikel zu Deutscher Völkermord in den afrikanischen Kolonien als Wegbereitung nationalsozialistisch-rassistisch orientierter Massen- und Völkermorde


Hererostein

 

Der Hererostein (auch Afrikastein) ist ein Gedenkstein auf dem Friedhof Columbiadamm in Berlin-Neukölln. Er ist sieben Freiwilligen der deutschen Schutztruppe gewidmet, die zwischen 1904 und 1907 in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika gefallen sind. Nach Protesten zivilgesellschaftlicher Vereine gegen dieses Gedenken an die Täter eines Völkermords wurde 2009 im Boden vor dem Stein eine kommentierende Gedenkplatte verlegt, die an die Opfer unter den Völkern der Herero und Nama erinnert. Das Ensemble aus Hererostein und Namibia-Gedenkplatte ist in Berlin das einzige Denkmal, das an die frühere deutsche Besatzung Namibias erinnert.[1]

https://de.wikipedia.org/wiki/Hererostein


Die Deutschen und ihre Kolonien: Ein Überblick Gebundene Ausgabe – 15. Februar 2017

 

Vor über 100 Jahren besaß Deutschland ein Kolonialreich, das von Togo in Westafrika bis zu den Inseln Samoas im Pazifik reichte. Dieses Buch erzählt die Geschichte der deutschen Expansion von den Anfängen im 17. Jahrhundert bis zu ihrem Ende im Ersten Weltkrieg. Dabei geraten die politischen Hintergründe genauso in den Blick wie die praktischen Auswirkungen der deutschen Herrschaft auf die Bevölkerung vor Ort im Positiven wie im Negativen.


"Verhöhnung der Opfer": AfD-Vize legt Kranz ans Grab deutscher Kolonial-Täter in Namibia

Stand: 19.07.2024, 12:43 Uhr
Eigentlich diente die Delegtions-Reise dem Gedenken an den deutschen Völkermord in Namibia. Doch AfD-Vize Sven Tritschler legte einen Kranz ans Grab der Täter.
Von Nina Magoley
Am Rande einer Delegationsreise von Abgeordneten aus NRW, bei der es um die Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen im heutigen Namibia ging, hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im NRW-Landtag, Sven Tritschler, einen Kranz an einem Denkmal für deutsche Soldaten niedergelegt.
Ein Denkmal zur Erinnerung an den von deutschen Kolonialtruppen begangenen Völkermord an den Herero und Nama (etwas 1904-1907) im Zentrum der namibischen Hauptstadt Windhoek.
Eklat um AfD-AbgeordnetenWDR 5 Westblick - aktuell 19.07.2024 01:01 Min. Verfügbar bis 19.07.2025 WDR 5
Über den Vorfall berichtete unter anderem die Co-Vorsitzende der Grünen im Landtag NRW, Verena Schäffer. Sie war ebenfalls mit auf der Delegationsreise in Namibia. Auf Instagram brachte sie noch vor Ort ihre Empörung zum Ausdruck.
Die AfD habe eine Kranz niedergelegt "ausgerechnet auf einem Friedhof im namibischen Swakopmund, wo es Massengräber für Angehörige des Volkes der Herero" gebe. Im 19. Jahrhundert hatten Deutsche Kolonialbesatzer Herrero-Angehörige in ein Konzentrationslager bei Swakopmund gebracht, "wo sie sehr schwere Arbeit verrichten mussten und viele von ihnen gestorben sind", so Schäffer.
Was geschah in Namibia?
Der Völkermord an den Herero im heutigen Namibia gilt als der erste des 20. Jahrhunderts. Von 1884 bis 1915 war das Deutsche Reich Kolonialmacht im heutigen Namibia, damals "Deutsch-Südwestafrika". Von Beginn an bekämpften die Deutschen die lokale Bevölkerung immer wieder mit militärischer Gewalt.
1904 und 1905 befahl der Generalleutnant Lothar von Trotha die völlige Vernichtung der Angehörigen der Völker der Herero und der Nama, schätzungsweise bis zu 100.000 Menschen wurden durch die deutschen Truppen ermordet, verdursteten in der Omaheke-Wüste oder starben in Konzentrationslagern.
Nach jahrzehntelangem Zögern erkannte die Bundesregierung 2021 die Massaker an den Herero und den Nama als Völkermord an, der damalige Außenminister Heiko Maas (SPD) bat die Nachkommen der Opfer um Vergebung. Deutschland sagte 1,1 Milliarden Euro für ein Programm "zum Wiederaufbau und zur Entwicklung" zu.
Grüne: "Verhöhnung der Opfer"
Auf dem Friedhof in Swakopmund steht bis heute auch ein Denkmal für hier gestorbene Deutsche. Unter der Inschrift "Sie gaben ihr Leben für dich" wird insgesamt 61 Deutschen gehuldigt, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hier umgekommen sein sollen.
Tritschlers Kranzniederlegung am Grab der deutschen Soldaten komme einer "Verhöhnung der Opfer der deutschen Kolonialherrschaft" gleich, sagt Schäffer in ihrem Instagram-Video. Und später auf WDR-Anfrage: Diese Geste zeige "seine ganze Verachtung für die Opfer der deutschen Kolonialverbrechen". Tritschler mache damit "eine Täter-Opfer-Umkehr ganz im Sinne der geschichtsrevisionistischen und rechtsextremen Haltung der AfD".
"Dass die AfD die Ausschussreise dafür missbrauchen konnte, das macht mich fassungslos", sagt Schäffer.
"Für uns als demokratische Abgeordnete", sagt sie betont, "war diese Reise sehr wichtig". Man habe eigene Eindrücke sammeln können, es gebe Wissenslücken auch in Deutschland, die es jetzt zu füllen gelte.
Tritschler sah sich "in der Pflicht"
Sven Tritschler, Afd NRW, bei Kranzniederlegung in NamibiaTritschler bei Kranzniederlegung in Namibia
Tritschler selber hatte das Foto von sich bei der Kranzniederlegung bereits auf seinem Instagramkanal gepostet. Die "Tageszeitung" hatte als erste darüber berichtet. Am Freitag legte Tritschler auf Instagram nochmal nach: Er werde sich nach seiner Rückkehr zu dem Vorgang äußern. Das Foto von der Kranzniederlegung postete er erneut.
Dem WDR sagte er auf Nachfrage schriftlich, der Kranz sei "für alle dort bestatteten deutschen Soldaten niedergelegt" worden. Er sei mit einer unbeschrifteten, schwarz-rot-goldene Schleife dekoriert. "Als deutscher Volksvertreter sah ich mich in der Pflicht, auch der deutschen Soldaten zu gedenken, die in der Schutztruppenzeit umgekommen sind", schreibt Tritschler. Der Kranz sei nach Beendigung der Delegationsreise niedergelegt worden.
Auch die SPD im Landtag reagierte empört: "Das Verhalten der AfD ist empörend und absolut inakzeptabel", sagte die innenpolitische Sprecherin Christina Kampmann em WDR. Die Reise habe das Ziel gehabt, "einen Beitrag zur Aussöhnung mit den Nama und Herero zu leisten". Dass der Abgeordnete der AfD nun ausgerechnet einen Kranz am Grab eines Offiziers ablegte, "der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Unrechtsregimes von damals zu etablieren, ist eine Verhöhnung der Opfer und an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten".
https://www1.wdr.de/


BERLINALE SPECIAL
Wissenschaft als Menschenverachtung: "Der vermessene  Mensch"

 

23.02.2023, 13:14 | Lesedauer: 4 Minuten
Felix Müller
Der Ethnologe und sein Forschnungsobjekt: Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher) und Kezia Kambazembi (Girley Charlene Jazama).
Foto: Julia Terjung / Studiocanal
Der Völkermord an den Herero und Nama und die deutsche Ethnologie: Lars Kraumes Film „Der vermessene Mensch“ im Berlinale Special.
Nach der Weltpremiere im Haus der Berliner Festspiele betrat der Produzent Thomas Kufus erkennbar bewegt die Bühne. Dies sei mit Sicherheit der emotionalste Film seiner Laufbahn gewesen, sagte er – und wenn man bedenkt, was Regisseur Lars Kraume in der Diskussionsrunde danach von den Dreharbeiten erzählte, kann man das gut nachvollziehen.
Kraume, der zuletzt mit „Der Staat gegen Fritz Bauer“ (2015) und „Das schweigende Klassenzimmer“ (2018) eine besondere Sensibilität für historische Stoffe unter Beweis gestellt hat und dafür auch zurecht mehrfach ausgezeichnet wurde, wendet sich diesmal dem Vernichtungsfeldzug der deutschen Besatzungsmacht gegen die Herero und Nama in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika zwischen 1904 und 1908 zu, bei dem nach Schätzung von Historikern zwischen 60.000 Herero und rund 10.000 Nama ermordet worden und noch viele weitere Verbrechen vom Raub über Vergewaltigung bis zur Grabschändung zu verzeichnen waren.
https://www.morgenpost.de/


Der vermessene Mensch
Berlinale Special

 

Alexander Hoffmann ist entschlossen, das Lebenswerk seines Vaters, Ethnologe der ersten Stunde, fortzuführen. An der Universität gerät er in den Sog der evolutionistischen Rassentheorie des späten 19. Jahrhunderts. Hoffmann ist angewidert vom Vermessen der Schädel, das kein anderes Ziel hat, als die Überlegenheit der weißen Rasse pseudo-wissenschaftlich zu legitimieren, macht aber mit. Er will Gegenbeweise finden und sucht den Kontakt zu Kezia Kambazembi, der Dolmetscherin einer Delegation von Nama und Herero, die zur Teilnahme an einer „Völkerschau“ gezwungen wurden. Kurz nach der Rückreise der Delegation beginnt im damaligen „Deutsch-Südwestafrika“ ein Aufstand gegen die deutsche Kolonialmacht. Als Ethnologe wird Hoffmann Mitglied einer Expedition und reist im Schutz der kaiserlichen Armee durch das ganze Land auf der Suche nach Schädeln – und nach Kezia.
Der Film gibt Antworten auf einige hochaktuelle Fragen, etwa auf die, warum im heutigen Namibia die ersten Konzentrationslager gebaut wurden und wie so viele Schädel von Nama und Herero in deutsche Museen gelangten.
von Lars Kraume
mit Leonard Scheicher, Girley Charlene Jazama, Peter Simonischek, Sven Schelker, Max Koch
Deutschland 2022
Deutsch,  Otjiherero,  Untertitel: Englisch,  Deutsch
116’
Weltpremiere | Altersfreigabe FSK 12
https://www.berlinale.de/

Alexander Hoffmann is determined to continue the legacy of his father, a pioneering ethnologist. At university, he gets caught up in the maelstrom of the evolutionist race theory of the late 19th century. Hoffmann is disgusted by the measuring of skulls, which has no other purpose than to pseudo-scientifically legitimise the superiority of the white race – but he goes along with it. He wants to find counter-evidence and seeks contact with Kezia Kambazemi, the interpreter of a delegation of Nama and Herero in Berlin who have been forced to take part in a “peoples show”. Shortly after the delegation leaves, an uprising against the German colonial power begins in what was then “German Southwest Africa”. As an ethnologist, Hoffmann becomes a member of an expedition and travels all over the country under the protection of the imperial army in search of skulls – and of Kezia.
Lars Kraume’s topical film provides answers to some of today’s most pressing questions for turn-of-the-century German history, such as why the first concentration camps were built in what is now Namibia and how so many Nama and Herero skulls ended up in German museums.
https://www.berlinale.de/

Der vermessene Mensch (ursprünglicher Arbeitstitel: Ein Platz an der Sonne) ist ein deutscher Spielfilm von Lars Kraume aus dem Jahr 2023. Das Historiendrama erzählt von einem jungen Berliner Ethnologen, der Anfang des 20. Jahrhunderts in der deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika Zeuge des Völkermords an den Herero und Nama wird. Dabei übertritt er auch die eigenen moralischen Grenzen. Die Hauptrolle übernahm Leonard Scheicher.
Die Uraufführung von Der vermessene Mensch ist im Februar 2023 bei der Berlinale erfolgt. Ein regulärer Kinostart in Deutschland ist ab dem 23. März 2023 geplant.
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_vermessene_Mensch


Berlinale 2023
Regisseur Lars Kraume über den deutschen Kolonialismus – „Der vermessene Mensch“

 

Der Völkermord an den Nama und Herero steht im Schatten späterer Großverbrechen Deutschlands. Regisseur Lars Kraume erzählt in „Der vermessene Mensch“ dieses erschütternde Stück deutscher Kolonialgeschichte – zum ersten Mal im Film.
22. Februar 2023, 23:30 Uhr •Berlin
Ein Artikel von Boris Kruse
So kann man eine koloniale „Heldengeschichte“ auch erzählen: als Geschichte einer moralischen Degeneration. Als umgekehrten Bildungsroman gewissermaßen. Regisseur Lars Kraume zeigt in „Der vermessene Mensch“, wie ein junger Wissenschaftler zwischen Idealismus und Opportunismus schwankt und dadurch immer tiefer in die Abgründe des kolonialistischen Machtapparates des Kaiserreiches gerät.
Dafür hat Kraume sich ein denkbar schwieriges Thema ausgesucht: Es geht um den Völkermord an den Nama und Herero in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika zwischen 1904 und 1908, im heutigen Namibia. Bis zu 70.000 Menschen töteten die kaiserlichen Schutztruppen, oder trieben sie, wo sie nicht selbst Waffengewalt einsetzten, buchstäblich in die Vernichtung. In der Kalahari-Wüste fanden etliche Tausende von ihnen einen grauenvollen Tod. Die meisten verdursteten im endlos weiten Omaheke-Gebiet an der Grenze zum heutigen Botswana, wo sie Schutz im britischen Protektorat suchen wollten.
Erst im Mai 2021 hat Deutschland die Greuel von damals in einem Abkommen mit Namibia offiziell als Völkermord anerkannt – und ein Hilfs- und Wiederaufbauprogramm in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zugesagt. Einige literarische Bearbeitungen dieses dunklen Kapitels der deutschen Geschichte gibt es, etwa den Roman „Morenga“ (1978) von Uwe Timm über den gleichnamigen Guerilla-Führer der Herero und Nama. Oder den Schmöker „Herero“ von Gerhard Seyfried (2003). Es mag schwer vorstellbar sein, aber „Der vermessene Mensch“ ist tatsächlich der erste Kino-Spielfilm, der den Genozid an den im heutigen Namibia lebenden Volksgruppen durch das deutsche Kaiserreich zum Thema hat.
Studien im Rahmen einer „Völkerschau“
Wie packt Lars Kraume – der Regisseur feiert dieser Tage seinen 50. Geburtstag und ist durch den in Eisenhüttenstadt gedrehten Film „Das schweigende Klassenzimmer“ noch gut in Erinnerung – dieses heiße Eisen der deutschen Geschichte an? Er sucht sich als Protagonisten einen (fiktiven) idealistischen Wissenschaftler, der seinen Untersuchungsgegenständen vorurteilsfrei, neugierig und offen gegenübertreten will. Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher) ist der Sohn eines Ethnologen, der auf einer seiner Forschungsreisen von Einheimischen getötet worden ist. Hoffmann will das Werk des Vaters fortführen und hat es zum Assistenten an der Kaiser-Wilhelm-Universität in Berlin gebracht.
Erste Risse bekommt sein Idealismus, als sein Förderer Professor von Waldstätten (Peter Simonischek) seine Studenten auffordert, sich in eine geplante „Völkerschau“ mit nach Deutschland verfrachteten Menschen aus den deutschen Kolonien einzuklinken. Für jeden Studenten stellt er ein persönliches „Objekt“ in Aussicht – will heißen: Der akademische Nachwuchs soll Schädelvermessungen an der angereisten Gruppe der Nama, Herero und San vornehmen. Unter den angereisten „Schauobjekten“, die unter der vorgespiegelten Aussicht, dort studieren zu können, nach Berlin gelockt worden sind, ist auch Friedrich Maharero (Anton Paulus), der Sohn eines Königs in seiner Heimat.
Der Nachwuchsforscher rüttelt an den Fundamenten
Die folgenden Bilder von den „Untersuchungen“ sind schwer zu ertragen. Cranologie, also das penible Vermessen von Schädeln, mit dem Ziel, auf Intelligenz und Charaktereigenschaften zu schließen, war tatsächlich einmal anerkannte Praxis in der Wissenschaft. Der Film beschönigt nichts, sondern dokumentiert nüchtern den kolonialen Rassismus, der damals Gang und Gäbe in der deutschen Wissenschaft war.
Alexander Hoffmann macht bald die Erfahrung, dass der Weg zu einer akademischen Bilderbuchkarriere darüber führt, vorherrschende Ansichten mitzutragen, sie nicht in Frage zu stellen. Die evolutionäre Rassenlehre bildet das ideologische Fundament des Kolonialismus; aus diesen vermeintlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen leiten die Kolonialmächte ihren Anspruch darauf ab, die einverleibten Regionen der Welt zu „entwickeln“, sie einer als höher erachteten Stufe der Zivilisation zuzuführen.
Alexander Hoffmann fühlt sich zu einer der Frauen aus der Gruppe hingezogen – es ist schließlich ein Spielfilm. Da bedarf es großer Gefühle, oder zumindest einer Andeutung davon. Kezia Kunouje Kambazembi (Girley Charlene Jazama) ist klug und verfügt über ein Maß an Bildung, das Hoffmann einer „Wilden“ aus Deutsch-Südwest nicht zugetraut hätte.
Der Forscher sieht sich durch die Begegnung mit ihr in der Hypothese bestätigt, dass die Unterschiede zwischen verschiedenen Ethnien auf der Welt nicht biologisch-rassisch, sondern lediglich durch kulturelle Prägung und das soziale Umfeld determiniert sind. Das führt ihn in den Widerspruch zur offiziellen Deutung im Deutschen Kaiserreich um die Wende zum 20. Jahrhundert.
Ein fataler Befehl von Genral von Trotha
Die Begegnung mit Kambazembi soll Hoffmann nicht mehr loslassen. Er wartet auf seine Chance, nachdem die Gruppe längst wieder abgereist ist. Auf einer Forschungsreise nach Deutsch-Südwestafrika gerät er mitten in die Nachbeben der Revolte, die die einheimischen Volksgruppen gegen die deutsche Besatzungsmacht anzetteln. Er wird Zeuge des fatalen Befehls von General von Trotha, mit dem dieser den Aufständischen den Status als Untertanen des Kaisers aberkennt und ankündigt, keine Gefangengen mehr zu machen.
In dieser Situation lässt der junge Ethnologe sich auf einen unheilvollen Schwenk ein. Um seine wissenschaftliche Karriere zu retten, versucht Alexander Hoffmann, einen Mittelweg einzuschlagen – er sammelt reihenweise Schädel von umgekommenen Nama und Herero und versendet sie nach Berlin. Er wird, auch wenn er in anderer Absicht gekommen sein mag und ohne dass ihm das sogleich gewahr wird, selbst Teil des Herrschaftsapparates.
Der Spielfilm zur Debatte um Restitution und Beutekunst
Dieser Film ist die Kino-Übersetzung der laufenden Debatten um Restitution von kolonialen Beutegütern. Bis in die Dialoge hinein ist der Sound den aktuellen Kontroversen um kulturelle Aneignung und Postcolonial Studies abgelauscht. So etwa, wenn die angereisten Nama und Herero in Berlin beim Kartenspiel mit dem neugierigen Forscher deutlich machen, dass sie ebenfalls Fragen haben und ein Gespräch auf Augenhöhe wollen. Für ihn sei es vollkommen unverständlich, dass immer noch damals erbeutete Schädel in den Depots der deutschen Museen lagerten, gibt Regisseur Lars Kraume beim Publikumsgespräch zu.
Mit seinem komplexen, weit gespannten erzählerischen Bogen trägt der Film über knapp zwei Stunden: Die Geschichte verfängt, man bleibt gebannt dran. Und obwohl der Film aus deutscher Perspektive erzählt ist – alles andere hätte Lars Kraume als Versuch einer unzulässigen kulturellen Aneignung abgelehnt, wie er bei der Uraufführung im Haus der Berliner Festspiele sagt – wird hier nicht die deutsche Version der Geschichte festgeschrieben. Der in Berlin lebende Filmemacher hat sich intensiv mit der Materie beschäftigt, hat mit Experten und Nachfahren der Opfer in Namibia gesprochen, und der Schriftsteller Uwe Timm hat ihn bei Drehbuch und Dreharbeiten beraten. In der kommenden Woche reist das ganze Filmteam nach Namibia, um den Film dort vorzuführen und zu diskutieren.
Ein Kolonialismus-Film ist keine Liebesgeschichte
Es sind keine schönen Bilder, darüber sollte man sich vor dem Film im Klaren sein. Als ein fiktionales, gleichwohl bei den Fakten bleibendes Dokument über die kolonialen Verbrechen Deutschlands ragt dieser Film allerdings in der Tat heraus.
Und die Romanze, die sich zu Beginn des Filmes abzeichnet? Nur soviel sei verraten: In diesem Film kann manches nicht so ablaufen, wie es aus dem herkömmlichen Unterhaltungsfilm bekannt ist. Das macht auch Girley Charlene Jazama, die namibische Darstellerin der Kezia Kambazembi, beim Publikumsgespräch deutlich: Eine Liebesgeschichte zwischen einer Herero-Frau und einem Deutschen war in dieser historischen Situation definitiv keine Option.
„Der vermessene Mensch“ am 23.2. um 15 Uhr im Haus der Berliner Festspiele und am 24.2. um 9.30 Uhr in der Verti Music Hall.
Alles Wichtige zur Berlinale 2023 ist auf einer Themenseite zu finden.
https://www.moz.de/


DER VERMESSENE MENSCH: Berlinale Premiere

 

Lars Kraumes Drama über die deutschen Kolonialverbrechen in Namibia feiert Weltpremiere als „Berlinale Special“
13. JANUAR 2023
Lars Kraumes Der vermessene Mensch feiert seine Weltpremiere in der Sektion „Berlinale Special“ im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Nach Das schweigende Klassenzimmer und „Der Staat gegen Fritz Bauer“ widmet sich Regisseur Lars Kraume in seinem aktuellen Film erneut der deutschen Geschichte – diesmal einem nahezu unbeleuchteten, aber hochaktuellen Kapitel: Den Kolonialverbrechen, die Deutschland zur Jahrhundertwende im heutigen Namibia begangen hat.
"Wie aktuell die koloniale Vergangenheit Deutschlands ist, sieht man an den jüngsten Debatten um Raubkunst, Restitution und die Diskussionen um ethnologische Sammlungen wie das Humboldtforum in Berlin. Meine letzten Filme haben sich immer mit deutscher Geschichte befasst und über die deutsche Kolonialzeit wurde bis heute einfach sehr wenig erzählt.“ so Regisseur Lars Kraume. Produzent Thomas Kufus ergänzt: „Wir freuen uns sehr, dass die Berlinale dem politischen Thema nun mit Der vermessene Mensch ein großes, internationales Forum gibt.“
Als erster Kinofilm handelt Der vermessene Mensch vom Genozid, den die „Deutsche Schutztruppe“ zwischen 1904 und 1908 in der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ begangen hat. Der Film ist nach Lars Kraumes Drehbuch entstanden und erzählt von einem jungen Berliner Ethnologen, der zum Zeugen dieses Völkermords an den Ovaherero und Nama wird – und dabei auch die eigenen moralischen Grenzen übertritt.
In der Hauptrolle spielt Leonard Scheicher („Das schweigende Klassenzimmer“, „Das Boot“) neben dem namibischen Star und selbst Herero, Girley Charlene Jazama („The White Line“) sowie Peter Simonischek („Toni Erdmann“).
https://www.arthaus.de/


Afrikanische Todesopfer des Völkermordes an den Herero und Nama durch die deutsche Schutztruppe in den Jahren 1904 bis 1908

 

Veröffentlicht von
Bernhard Weidenbach
, 28.05.2021
Während des Völkermordes an den Herero und Nama in der deutschen Kolonie "Deutsch-Südwestafrika" starben etwa 65.000 der 80.000 Angehörigen der Volksgruppe der Herero und die Hälfte der 20.000 Nama.
Im Mai 2021 kündigte die Deutsche Bundesregierung an, die Niederschlagung des Aufstandes der Herero und Nama offiziell als Völkermord anzuerkennen und bei den Volksgruppen um Vergebung bitten zu wollen.
Der Aufstand der Herero und Nama
Während der Kolonialzeit besetzte im Jahr 1884 das Deutsche Kaiserreich das Gebiet des heutigen Namibia (und einen kleinen Teil Botswanas) und nannte diese Kolonie "Deutsch-Südwestafrika". Motivation dieser Besetzung waren imperialistische und wirtschaftliche Interessen. Bereits vor dem Aufstand kam es in der Region zu mehreren Rebellionen lokaler Volksgruppen, welche jedoch alle niedergeschlagen worden. Aus Not heraus erhoben sich die Volksgruppen Herero und Nama, um die Kolonialherren zu vertreiben.
Den modernen deutschen Waffen hatten die Afrikaner jedoch nichts entgegen zu setzen. Nicht nur die bewaffneten Einheiten wurden blutig niedergemacht, sondern auch die überlebenden Herero wurden in die Wüste getrieben. Es gab explizite Befehle des deutschen Kommandanten von Trotha: "Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen." Brunnen wurden verschüttet und Nahrungsquellen zerstört. Ein Großteil der Herero starb in der Wüste.
An anderen Stellen wurden Konzentrationslager errichtet: Dort starben viele weitere Menschen, insbesondere Nama, an Mangelernährung, Krankheit und Erschöpfung durch harte Zwangsarbeit.
Deutscher Kolonialismus
Das Deutsche Kaiserreich war erst 1871 als Nationalstaat gegründet worden und damit deutlich jünger als seine europäischen Nachbarn. Anders als etwa Großbritannien oder Frankreich verfügte das Deutsche Reich weder über eine lange Tradition der Kolonialisierung fremder Länder, noch über große Besitzungen. Kaiser Wilhelm I. wollte dies ändern und nahm in den folgenden Jahren die noch nicht besetzten Gebiete Afrikas in Besitz. Kolonien wie "Deutsch-Ostafrika" oder "Deutsch-Südwestafrika" wurden gegründet und die einheimische Bevölkerung brutal unterdrückt. Hohe Abgaben und miserable Arbeitsbedingungen führten häufig zu Aufständen, die jedoch allesamt blutig niedergeschlagen wurden. Erst mit der Niederlage des Deutschen Kaiserreiches im Ersten Weltkrieg endete die Zeit der deutschen Kolonien, welche an die Alliierten übergingen. Die Kolonien der anderen Staaten wurden erst nach teilweise verlustreichen Kriegen unabhängig. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg bis Anfang der 1970er Jahre kam es zu einer flächendeckenden Dekolonisation.
https://de.statista.com/

 

 

Neuer Streit über Genozid-Abkommen mit Namibia

 

DEUTSCHE KOLONIALGESCHICHTE
Keine neuen Verhandlungen mit Namibia, das hatte die Bundesregierung im September noch mitgeteilt. Doch nun soll es weitere Gespräche geben, weil der Druck immer weiter wächst.
12.11.2022
Was Namibias Vizepräsident Nangolo Mbumba vor zwei Wochen öffentlich machte, dürfte die Bundesregierung wenig gefreut haben. Seine Regierung habe schon im Juli Gesprächsbedarf über die Gemeinsame Erklärung angemeldet, so Mbumba. Und dabei geht es nicht um Details: "Die Summe von 1,1 Milliarden Euro, die Deutschland anbietet, ist nicht genug und sollte verbessert werden", sagte er. Auch der geplante Zeitraum von 30 Jahren ist seiner Regierung viel zu lang.
Für den Hamburger Kolonialhistoriker Jürgen Zimmerer ist der Fall klar. Mbumbas Aussagen seien ein Zeichen, "dass der Druck und die Kritik in Namibia zu stark geworden sind", sagt er zur DW. Das sogenannte "Versöhnungsabkommen" war schon umstritten, als es beide Regierungen im Mai 2021 vorstellten. Viele Vertreter der Herero und Nama lehnten es ab, weil Deutschland darin moralische, aber keine juristische Verantwortung für den Völkermord übernimmt.
Kritik an Wiederaufbauhilfe
Auch die geplante Wiederaufbauhilfe halten viele in Namibia für viel zu gering. Schließlich zerstörten die deutschen Kolonialherren auch die Lebensgrundlagen beider Volksgruppen. Angesichts dessen forderte der Vizegouverneur der namibischen Zentralbank vor wenigen Tagen über 70 Milliarden.
Auch die Bundesregierung spürt den Druck. "Derzeit laufen konstruktive Gespräche mit der namibischen Regierung zu offenen Fragen der Umsetzung dieser Gemeinsamen Erklärung. Diese Gespräche werden auf Wunsch beider Seiten vertraulich geführt," teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amts auf DW-Anfrage mit.
Dabei geht es aber um Nach- und nicht um Neuverhandlungen, wie Staatsministerin Anna Lührmann auf eine Frage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen mitteilte. Was in dem sogenannten "Addendum" stehen soll, ist unbekannt. Aber die Gespräche sollen offenbar schnell gehen. Nach DW-Informationen könnte eine namibische Delegation bald nach Berlin fliegen. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es aber nicht.
Namibias Regierung 'in die Ecke gedrängt'?
Reine Nachverhandlungen gehen einigen Herero und Nama-Vertretern nicht weit genug. "Die namibische Regierung ist in die Ecke gedrängt worden. Und jetzt gehen sie zu Deutschland und sagen 'Bitte Deutschland, erhöht doch die Summe und verkürzt die Auszahlungszeit, damit wir uns die Unterstützung unserer Leute erkaufen können'" ätzt der Paramount Chief der Herero, Mutjinde Katjiua, im DW-Interview.
Er vertritt Teile der Herero und Nama, die das geplante Abkommen strikt ablehnen. Und das will er notfalls per Klage zu Fall bringen. "Wir werden die Regierung vor Gericht bringen, weil sie uns von den Verhandlungen ausgeschlossen hat", so Katjiua.
Bereits im September hatte ein namibischer Anwalt im Auftrag Katjiuas und einer namibischen Oppositionspartei an den Generalstaatsanwalt geschrieben. Er argumentiert, dass Namibias Regierung die UN-Konvention zum Schutz indigener Völker verletzt hat, indem sie die Herero und Nama von den Verhandlungen ausgeschlossen habe. Die Gemeinsame Erklärung sei daher ungültig. Der Generalstaatsanwalt wies den Vorwurf brüsk zurück.
Klage gegen Abkommen?
Nun erwägen die Initiatoren des Schreibens eine Klage vor Namibias Oberstem Gericht. Doch ein mögliches Verfahren könnte lange dauern - und den Abschluss der Gemeinsamen Erklärung weiter verzögern. Schließlich müssten beide Seiten das Urteil abwarten, um auf rechtlich sicherem Boden zu stehen.
"Ein Addendum zu einer rechtswidrig zustande gekommenen Vereinbarung ist keine Option. Wir brauchen Neuverhandlungen, in denen die rechtlichen Mindeststandards eingehalten werden", sagt die deutsche Völkerrechtlerin Karina Theurer zur DW. Sie berät den namibischen Anwalt, der die mögliche Klage vorbereitet.
Eine Einigung mit Namibia dürfte noch aus anderen Gründen schwierig werden. Die Bundesregierung hat auch bei der geplanten Entschädigungssumm keine großen Spielräume. "Die Finanzlage ist durch den Ukraine-Krieg deutlich enger geworden", sagt der Hamburger Kolonialhistoriker Zimmerer.
Die deutsche Seite fürchte offenbar, dass sich zu große Zugeständnisse an anderer Seite rächen könnten. "Schwierig ist, dass die Gespräche von Deutschland aus betrachtet ein Präzedenzfall sind, der sehr besorgt gesehen wird. Auch hinsichtlich Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg, zum Beispiel von Polen, die seit einigen Wochen neu auf dem Tisch liegen", so Zimmerer.
Doch egal, worauf sich beide Seiten am Ende möglicherweise einigen - Herero-Oberhaupt Katjiua macht klar, dass er bei seinen Forderungen bleibt. Komplette Neuverhandlungen, direkt mit der deutschen Seite: "Die Gemeinsame Erklärung ist für uns Herero und Nama gerade zu selbstmörderisch. Wir werden sie nicht akzeptieren."
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Genozid-Abkommen – Opposition in Namibia fordert Neuverhandlung

 

Die namibische Opposition will das mit der Bundesregierung ausgehandelte Abkommen über den Völkermord an Herero und Nama nachverhandeln. Die Ampelkoalition lehnt dies ab und sorgt damit für Unmut in Namibia.
12.09.2022

„Für eine lange Zeit dachten wir, die Grünen wären unsere Freunde." Der Vorsitzende der Ovaherero Genocide Foundation (OGF), Nandiuasora Mazeingo, reagiert mit einem Achselzucken auf die Nachricht aus Deutschland, wonach die Bundesregierung keinen Bedarf für Nachverhandlungen der Gemeinsamen Erklärung mit Namibia sieht. Das Abkommen zum Völkermord an Herero und Nama im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika war jahrelang verhandelt worden. Das Ergebnis hatte im September 2021 für hitzige Debatten im namibischen Parlament gesorgt. „Es scheint so, als gehe es bei diesem Thema in Deutschland nur darum, politische Macht zu erlangen", sagt Mazeingo im Interview mit der DW. „Aber wir werden diese Regierungen überdauern, weil wir auf der richtigen Seite der Geschichte stehen!"
Oppositionsführer McHenry Venaani wiederum hat noch Hoffnung in die Grünen. Der Präsident der größten Oppositionspartei des Landes, Popular Democratic Movement (PDM), hat einen offenen Brief an Außenministerin Annalena Baerbock geschrieben, der der DW vorliegt. Darin fordert er, das Abkommen „nachzuverhandeln" und „umzustrukturieren."

„Für eine lange Zeit dachten wir, die Grünen wären unsere Freunde." Der Vorsitzende der Ovaherero Genocide Foundation (OGF), Nandiuasora Mazeingo, reagiert mit einem Achselzucken auf die Nachricht aus Deutschland, wonach die Bundesregierung keinen Bedarf für Nachverhandlungen der Gemeinsamen Erklärung mit Namibia sieht. Das Abkommen zum Völkermord an Herero und Nama im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika war jahrelang verhandelt worden. Das Ergebnis hatte im September 2021 für hitzige Debatten im namibischen Parlament gesorgt. „Es scheint so, als gehe es bei diesem Thema in Deutschland nur darum, politische Macht zu erlangen", sagt Mazeingo im Interview mit der DW. „Aber wir werden diese Regierungen überdauern, weil wir auf der richtigen Seite der Geschichte stehen!"
Oppositionsführer McHenry Venaani wiederum hat noch Hoffnung in die Grünen. Der Präsident der größten Oppositionspartei des Landes, Popular Democratic Movement (PDM), hat einen offenen Brief an Außenministerin Annalena Baerbock geschrieben, der der DW vorliegt. Darin fordert er, das Abkommen „nachzuverhandeln" und „umzustrukturieren."
Im Gegensatz zur traditionellen Behörde der Ovambanderu, die aber keinen Gesprächsbedarf sieht. Man habe die betroffenen Gemeinschaften in den Verhandlungen mit der deutschen Regierung berücksichtigt, so Ileni Hevunga, Ratsmitglied der traditionellen Behörde der Ovambanderu.
Das deutsche Außenministerium wollte sich auf Anfrage der DW zu den Forderungen nicht direkt äußern. Auf offene Briefe reagiere man grundsätzlich nicht, hieß es aus Berlin. Man respektiere „den  schwierigen Diskussions- und Entscheidungsprozess, der in der namibischen Gesellschaft und Politik mit diesem Thema verbunden ist".
„Unsere Proteste werden euch beschämen"
Allerdings verwies das Auswärtige Amt darauf, dass im März 2022 erste persönliche Gespräche zwischen Delegationen Namibias und Deutschland über die Ausgestaltung der Modalitäten zur Umsetzung einzelner Punkte der Gemeinsamen Erklärung in Windhoek stattgefunden hätten. Nachverhandlungenzur Ausgestaltung des Abkommens scheinen also nicht ausgeschlossen.
Dass dies die Kritiker in Namibia besänftigt, ist indes eher unwahrscheinlich. Die OTA fordert einen kompletten Neustart der Verhandlungen. „Wir werden keine Scheinvereinbarung unterzeichnen, die Deutschland gut auf der internationalen Bühne dastehen lässt", stellt OTA-Vertreter Mazeingo gegenüber der DW klar. Als erstes müsse ein Schuldeingeständnis der deutschen Regierung erfolgen. Größter Kritikpunkt ist die Formulierung „Völkermord aus heutiger Sicht" in der Gemeinsamen Erklärung.
Auch Oppositionsführer Venaani fordert eine klare rechtliche Anerkennung des Völkermords. In seinem offenen Brief an die deutsche Außenministerin Baerbock schreibt er, dass es mehr als nur ein moralisches und politisches Eingeständnis benötige. Gegenüber der DW bringt er zudem erneut Reparationszahlungen ins Spiel. Die im Abkommen veranschlagten 1,1 Milliarden Euro bezeichnet er als „Beleidigung" für die betroffenen Gemeinschaften.
„Es geht nicht darum, die größtmögliche Summe herauszuschlagen. Wir fordern nur ein Paket, das die sozio-ökonomischen Bedingungen der betroffenen Gemeinschaften nachhaltig verbessert," so Venaani. Der PDM-Parteichef argumentiert, auch die namibische Regierung habe mittlerweile verstanden, dass die Menschen in Namibia nicht bereit seien, dieses Abkommen zu akzeptieren.
Dies gelte auch für eine mögliche Entschuldigung Deutschlands. Venaani warnt davor, dass eine „halbgare Entschuldigung" im Parlament nur für Buhrufe sorgen würde. Auch der OGF-Vorsitzende Mazeingo kündigt gegenüber der DW für diesen Fall Proteste im namibischen Parlament an. „Wer auch immer kommt, um diese Entschuldigung auszusprechen, wird beschämt sein. Er wird feststellen müssen, dass es sein größter Fehler war, herzukommen und eine unaufrichtige Entschuldigung auszusprechen!"  
https://www.dw.com/


DW-Exklusiv: Bundesregierung gegen neue Verhandlungen mit Namibia

 

GENOZID AN HERERO UND NAMA
Die Bundesregierung will das Abkommen über den Völkermord an den Herero und Nama trotz Kritik umsetzen. Das geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die der DW exklusiv vorliegt.
01.09.2022

Um die deutsch-namibische Versöhnung ist es still geworden. Seit Mai 2021 liegt eine Erklärung zum Völkermord im früheren Deutsch-Südwest-Afrika auf dem Tisch, aber beide Regierungen haben noch nicht unterschrieben. Nachfahren der Opfer und einige Politiker forderten schon damals Neuverhandlungen.
Nur Gespräche über die Umsetzung
Dem hat die Bundesregierung nach langem Schweigen nun eine Absage erteilt. "Die Gemeinsame Erklärung ist damit aus Sicht der Bundesregierung ausverhandelt, auch wenn über einzelne Modalitäten der Umsetzung noch Gespräche geführt werden", heißt es in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, die der DW exklusiv vorliegt.
"Es zeugt von Arroganz, dass die massive Kritik im Parlament in Namibia und die große Empörung bei den Nachfahren der Opfer der deutschen Kolonialverbrechen von der Ampel-Regierung einfach ignoriert und auf Namibia abgeschoben wird", sagt Dagdelen der DW.
Eine Reihe Herero- und Nama-Vertreter sehen das ähnlich. Sie hatten im Dezember um ein Treffen mit Außenministerin Annalena Baerbock gebeten, um neue Verhandlungen zu fordern. Sie lehnen die Gemeinsame Erklärung ab, weil Deutschland darin nur moralische, aber keine rechtliche Verantwortung für den Völkermord übernimmt.
Unterschiedliche Positionen
Außerdem kritisieren sie die angebotene Wiederaufbauhilfe von 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre. "Das ist Entwicklungszusammenarbeit. Hier geht es um die Finanzierung von Projekten und Infrastruktur, das ist okay. Aber dieser Deal behandelt nicht den Kern des Problems, es geht nicht um Gerechtigkeit und Versöhnung", sagte die Nama-Aktivistin Sima Luipert im Juni zum "Spiegel".
Andere Herero teilen dagegen die Haltung der Bundesregierung: "Aus protokollarischen Gründen glaube ich nicht, dass eine ausländische Regierung mit Bürgern eines anderen Staates Verhandlungen über ein Abkommen führen kann. Die Verhandlungen über den Völkermord wieder aufzunehmen, würde von unserer Regierung und den Herero-, Mbanderu- und Nama-Gemeinschaften nicht akzeptiert", sagt Ueriuka Tjikuua zur DW. Er gehört zu einem Komitee aus Herero- und Nama-Repräsentanten, das die Verhandlungen mit Deutschland unterstützt und begleitet hat.
Die Bundesregierung bereitet sich derweil darauf vor, das Abkommen umzusetzen. Im Haushalt 2022 sind schon erste Mittel eingeplant: 35 Millionen Euro für Entwicklungsprojekte und 4 Millionen für eine Stiftung, die das gemeinsame Erinnern an den Völkermord fördern soll. Die Mittel sind Teil der 1,1 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe.
Vorbereitungen für Entwicklungsprojekte laufen
Von den Entwicklungsprojekten sollen laut Bundesregierung die Nachfahren der Opfer profitieren. Vor allem in den Bereichen Landreform, Landwirtschaft, Wasser- und Energieversorgung und Berufsbildung will sich die Bundesregierung engagieren. Wann erste Projekte an den Start gehen, ist aber noch unklar: "Die Vorhaben können erst umgesetzt werden, nachdem die Gemeinsame Erklärung durch beide Außenministerinnen unterzeichnet wurde", teilt eine BMZ-Sprecherin auf DW-Anfrage mit. Wie konkret die Planungen für die Projekte sind, will das Ministerium nicht verraten. Man stehe mit der namibischen Regierung "in laufendem Kontakt".
Ob die das Abkommen noch umsetzen will, ist aber unklar. Nach dem Ende der Verhandlungen mit Deutschland im Mai letzten Jahres protestierten wütende Herero und Nama in der Hauptstadt Windhuk. Vor der entscheidenden Debatte im September 2021 drängten Demonstranten sogar auf das Parlamentsgelände. Auch im Plenarsaal ging es hoch her: Die Opposition kritisierte den Vertrag heftig, selbst einige Abgeordnete der Regierungspartei SWAPO waren unzufrieden. Trotz ihrer überwältigenden Mehrheit im Parlament verzichtete die Regierung bisher auf eine Abstimmung.
"Dass die Regierung einen Rückzieher gemacht und es offengelassen hat, ob es eine erneute Aussprache gibt, zeigt die Verunsicherung auf namibischer Seite auf, weil man gemerkt hat: So einfach ist es nicht", sagt der deutsch-namibische Politologe Henning Melber zur DW.
Entscheidung im Oktober?
In der Antwort der Bundesregierung heißt es dagegen: "Die namibische Regierung hält auch nach kontroverser Erörterung in der namibischen Nationalversammlung am Entwurf der Gemeinsamen Erklärung fest." Nach Angaben von Herero-Vertreter Tjikuua wollen alle relevanten Interessensvertreter aus Namibia im Oktober entscheiden, ob das Parlament die Erklärung ratifizieren soll.
Der Bundestag soll aus Sicht der Bundesregierung dagegen gar nicht über die Erklärung abstimmen: "Es trifft zu, dass die ausgehandelte 'Gemeinsame Erklärung' kein völkerrechtlicher Vertrag ist und keiner Ratifizierung durch den Bundestag bedarf", heißt es in der Antwort auf die kleine Anfrage. Die linke Abgeordnete Dagdelen ist damit ganz und gar nicht zufrieden: "Bei einer solch historischen Erklärung wäre es mehr als angebracht, auch das Parlament zu befassen. Selbst wenn es rechtlich nicht zwingend ist, so wäre es das zumindest politisch und hätte hohe Symbolkraft", sagt sie.
Gut möglich aber, dass alle Planspiele erst einmal reine Theorie bleiben: im November 2024 stehen in Namibia Wahlen an. Die Regierung dürfte angesichts schlechter Beliebtheitswerte im Vorfeld alles vermeiden, was im Land für Unruhe sorgen könnte - und sie Wählerstimmen kosten würde. Und das könnte auch auf die Gemeinsame Erklärung zutreffen.
https://www.dw.com/


Tagebuch bezeugt Völkermord in Afrika

 

GESCHICHTE
Der deutsche Missionar Johannes Spiecker war zu Beginn des 20. Jahrhunderts Zeuge des Völkermords an den Herero und Nama. Sein Tagebuch erzählt von einem dunklen Kapitel deutscher Kolonialgeschichte.

Südwestafrika, 6. Juli 1906: "Hier in Afrika lernt man so mancherlei, vor allem sich behelfen mit dem, was da ist", schrieb Johannes Spiecker in sein Tagebuch. Große Hitze, schlechte Straßen, Tropenkrankheiten und fremde Lebenswelten – als der deutsche Missionar durch "Deutsch-Südwestafrika", das heutige Namibia, reiste, kämpfte er gegen viele Widerstände. Seine Eindrücke und Erlebnisse hielt er in einem Tagebuch fest. Es ist ein Zeugnis vom Alltag deutscher Missionare – und von einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte.
Bild von Johannes Spiecker (Foto: Archiv- und Museumsstiftung der VEM)
In seinem Tagebuch hielt Johannes Spiecker seine Erfahrungen als Missionar in Afrika fest
Spätestens Mitte der 1880er Jahre teilten die europäischen Großmächte Afrika unter sich auf. Deutschland bekam Kolonien im heutigen Namibia, Burundi, Ruanda, Tansania, einen Teil Nord-Mosambiks sowie Kamerun und Togo zugesprochen. In diesen Regionen wollte das Deutsche Reich zu Weltgeltung gelangen.
Kolonialkrieg und Völkermord
Als Johannes Spiecker 1905 nach Afrika kam, war die Rheinische Missionsgesellschaft (RMG) schon lange in Südafrika und später auch im heutigen Namibia tätig. Ihre protestantischen Missionare predigten seit 1829 in immer mehr Missionsstationen und versuchten, die Afrikaner zum Christentum zu bekehren. Der aus dem rheinischen Barmen stammende Johannes Spiecker kontrollierte zwischen 1905 und 1907 die 25 Stationen der Rheinischen Mission in "Deutsch-Südwestafrika". In dieser Zeit wurde er unfreiwillig zum Zeugen eines Völkermords.
Denn zwischen 1904 und 1907 herrschte Krieg in Südwestafrika. Die Herero und Nama begehrten gegen Unterdrückung und Landenteignung durch die Kolonialmacht auf. Doch die deutschen Truppen schlugen mehrere Aufstände der Afrikaner brutal nieder. Die Gefangenen wurden verschleppt und zur Arbeit gezwungen. Schätzungen zufolge starben etwa 80.000 Stammesangehörige bei den Kämpfen - oder in Folge der brutalen Haftbedingungen in den Jahren danach.
Deutscher Aufmarsch gegen aufständische Herero 1904
"Man muss den Krieg im Süden dadurch beenden, dass man den Bondels (gemeint sind die Bondelswart, eine Volksgruppe der Nama - Anm. d. Red.) alles verspricht: Land, Vieh und was sie wollen. Haben wir sie dann, dann hängen wir alle." Diese Aussage eines jungen Leutnants hielt Spiecker in seinem Tagebuch fest. Es ist nicht die einzige dieser Art. Ohne Scheu fantasierten deutsche Offiziere damals vom Völkermord. "Die Ausrottung aufsässiger Stämme galt manchem Offizier als Kavaliersdelikt und zudem als militärisch sinnvoll", sagt der Sprach- und Kulturwissenschaftler Martin Siefkes, der das Tagebuch von Johannes Spiecker herausgegeben hat. "Das Tagebuch gibt klare Hinweise, dass eine entsprechende Mentalität in der Schutztruppe weit verbreitet war."
Ein "Anwalt der Afrikaner"?
Der Missionar Johannes Spiecker setzte sich für die Herero ein. Unermüdlich sprach er mit Beamten der Kolonialregierung über die Situation der Stammesangehörigen und trat als Fürsprecher der Stämme ein. Dass sich Missionare im Kolonialkrieg für die Schwachen einsetzten, war nicht ungewöhnlich. Erstaunlich war Spieckers Auftreten: "Er war sehr energisch, direkt und furchtlos, er argumentierte gut und war äußerst beharrlich", so die Einschätzung Siefkes. Spiecker habe auch Zugang zu höheren Kreisen gehabt und Gespräche mit dem deutschen Gouverneur Friedrich von Lindequist geführt.
Ein Foto zeigt eine Missionskirche im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika (Foto: Friedrich Lange, Windhuk/Verlag Franz Rohloff)
Eine Missionskirche im damaligen "Deutsch-Südwestafrika"
Spieckers Einsatz für die Völker der Herero und Nama wurzelte im christlichen Glauben. Er sprach sich gegen die Ausrottungsfantasien und gegen die Lager aus. Die kolonialen Unterdrückungsmechanismen insgesamt - Zwangsarbeit oder sexuelle Gewalt gegen Frauen beispielsweise - hinterfragte er hingegen nicht. Die "Hebung der Eingeborenen", ihre "Heranführung" an eine vermeintlich europäische Arbeitsmoral, sah auch Spiecker als eine der wichtigsten Aufgaben der Mission in der Kolonie an. Als gleichwertige Menschen betrachtete er die Afrikaner nicht: Die vermeintliche Überlegenheit deutscher Kultur stand für ihn außer Frage, wie aus seinem Tagebuch hervorgeht.
Den Wert seiner Aufzeichnungen als historisches Dokument schmälert das aber nicht. "Das Tagebuch ermöglicht einen Blick von Innen auf die damaligen Vorgänge", sagt Martin Siefkes. "Die Verwicklung der Mission in Krieg und Völkermord, den Einsatz für die Gemeindemitglieder, die Machtverhältnisse, aber auch den anstrengenden Alltag der Missionare."
Deutsche Verantwortung
Porträt von Lothar von Trotha (Foto: picture-alliance/dpa)
Völkermord: Lothar von Trotha kommandierte die kolonialen Truppen damals
1907 kehrte Johannes Spiecker nach Deutschland zurück. 1908 wurde er Direktor der Rheinischen Mission Barmen, 1920 starb er mit 64 Jahren. Nach Afrika war er nicht noch einmal gereist. Heute ist der Missionar fast in Vergessenheit geraten: "In Deutschland ist Johannes Spiecker nur wenigen ein Begriff. Allenfalls die Nachkommen von Missionaren der RMG interessieren sich für ihn," stellt Martin Siefkes fest. "Historische Darstellungen des Aufstands erwähnen ihn nur am Rand und berücksichtigen das Tagebuch nicht."
Wenige Jahre später, im Ersten Weltkrieg, verloren die Deutschen alle Kolonien. Auch der Herero-Krieg geriet in Vergessenheit. Von Völkermord möchte die Bundesregierung bis heute nicht sprechen: "Deutschland hat keinen Völkermord an den Herero und Nama begangen", erklärte sie im Sommer 2012 auf eine Anfrage der Partei Die Linke. Martin Siefkes meint: "Bis heute wird der Völkermord gerne dem Kommandeur der Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika, General Lothar von Trotha, allein in die Schuhe geschoben. Weil er es war, der einen Schießbefehl erteilte, der die Tötung von Zivilisten, Frauen und Kindern beinhaltete." Aus Spieckers Tagebuch ergebe sich allerdings ein anderes Bild. Damit liefere es "weitere Argumente für die deutsche Schuld."
Johannes Spiecker: Mein Tagebuch. Erfahrungen eines deutschen Missionars in Deutsch-Südwestafrika 1905-1907, hrsg. von Martin Siefkes und Lisa Kopelmann, 2012, 529 Seiten, ISBN: 978-3940862419, Preis: 28,50 Euro.
DIE REDAKTION EMPFIEHLT
Düsteres Kolonial-Erbe in Namibia
Die brutale Niederschlagung des Herero-Aufstandes im früheren Deutsch-Südwestafrika wird von Deutschland weiterhin nicht als Völkermord bewertet. Warum tut sich die Bundesregierung mit der Kolonialgeschichte so schwer? (23.03.2012)
Streit um Kolonialerbe in Namibia
Viel Wirbel um das Reiterdenkmal in Namibias Hauptstadt Windhuk++Neue Dimensionen im Drogenschmuggel in Westafrika++Forderungen der Entwicklungsländer an die Klimakonferenz in Kopenhagen (27.11.2009)  
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Düsteres Kolonial-Erbe in Namibia

 

AFRIKA
Die brutale Niederschlagung des Herero-Aufstandes im früheren Deutsch-Südwestafrika wird von Deutschland weiterhin nicht als Völkermord bewertet. Warum tut sich die Bundesregierung mit der Kolonialgeschichte so schwer?

"Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen." Mit diesem Befehl, ausgesprochen von General Lothar von Trotha am 2. Oktober 1904, wird eins der dunkelsten Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte besiegelt: Mehr als 70.000 Herero und 10.000 Nama sterben in den Folgejahren - und damit ein Großteil der Stammespopulation im damaligen Deutsch-Südwestafrika.
Namibische Opferverbände, aber auch deutsche Nichtregierungsorganisationen fordern deshalb seit langem die Anerkennung der deutschen Kolonialmassaker als Völkermord. "Der Begriff ist angebracht, weil der Vorsatz der Vernichtung bestand", sagt Christian Kopp vom Bündnis "Berlin Postkolonial". "Es gab eine klare Absicht, die Herero und Nama auszurotten - so formuliert im Vernichtungsbefehl des Generals."
Niema Movassat (Foto: Niema Movassat)
Niema Movassat (Linke) kämpft für Reparationszahlungen
"Hunderttausend Menschen wurden erhängt, erschossen, man ließ sie in der Wüste verdursten, indem man die Wasserstellen besetzte, man hat sie zur Zwangsarbeit in Lager gesteckt", sagt auch Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der Linken, im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Dafür muss man die Verantwortung übernehmen." Um für den mörderischen Feldzug der deutschen Besatzer im damaligen Deutsch-Südwestafrika den Begriff des Völkermordes durchzusetzen, hat die Bundestagsfraktion der Linken unter Federführung Movassats bereits Ende Februar einen Antrag in den Bundestag eingebracht. "Die historische Feststellung, dass es ein Völkermord war, wurde bislang nie gemacht", erklärt Movassat. "Nie gab es eine offizielle Entschuldigung." In dieser Woche fand im Parlament die zweite und dritte Lesung statt.
Auch SPD und Grüne sprechen von "Völkermord"
Hans-Christian Ströbele (Foto: dpa)
Kein "Herummogeln" - fordert Hans-Christian Ströbele (Grüne)
SPD und Grüne legten nun einen Gegenantrag vor. "Ich mache keinen Hehl daraus, dass es in manchen deutschen Regierungen eine Aversion gab, diese Verbrechen als das zu qualifizieren, was sie waren - als Völkermord", so der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele im DW-Interview. "Wir kritisieren am Antrag der Linken aber, dass sie so tun, als ob bis heute nichts passiert sei. Richtig ist, dass sich der deutsche Bundestag alle zehn Jahre immer wieder auch mit der Frage beschäftigt, ob das ein Völkermord sei. Er hat auch immer wieder Erklärungen abgegeben, sich aber stets um die Definition und eine Stellungnahme herumgemogelt."
So sei beispielsweise noch unter der rot-grünen Regierung ein Hilfsfonds eingerichtet worden, der jedoch dann nie richtig wirksam geworden sei. Nach Vorstellung der Grünen und der SPD soll dieser Fonds "jetzt wiedererweckt und noch besser ausgestattet" werden. Die nötigen Mittel sollten aus dem Bundeshaushalt kommen.
Prahlen mit dem Völkermord
Deutsche Truppen vor dem Abmarsch in den Kampf gegen die aufständischen Hereros in Deutsch-Südwestafrika (Foto: dpa)
Aufmarsch gegen die Herero in Deutsch-Südwestafrika im Jahr 1904
Zwischen 1884 und 1915 war Deutschland - das erst im 19. Jahrhundert zur Kolonialmacht geworden war - Besatzer im heutigen Namibia. Der Völkermord an den Herero wurde in den Jahren 1904 und 1908 verübt. "Alle Kolonialmächte waren nicht sehr zimperlich", urteilt der Namibia-Experte Henning Melber von der "Dag Hammarskjöld Foundation" in Stockholm. "Die Besonderheit Deutschlands im Falle von Südwestafrika ist jedoch, dass sich hier in aller Öffentlichkeit ein Krieg vollzog, der den heutigen Kriterien eines Völkermords entspricht. Es ist also nicht einmal so, dass man im Nachhinein sagen könnte, da fand ein Völkermord in aller Heimlichkeit statt." Im deutschen Kaiserreich seien die Ereignisse in Deutsch-Südwest vielmehr ein wichtiges Thema gewesen, und die politische Elite habe sich "ganz unverhohlen damit gebrüstet, dass sie die Herero und Nama ausgerottet haben."
Namibia-Experte Henning Melber (Foto: Gerhard Süß-Jung)
Namibia-Experte Henning Melber
Doch erst mit der Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1990 wurde das volle Ausmaß der Verbrechen im Land selbst bekannt. "Dann erst begannen die Herero und Nama, diese Frage auf die Tagesordnung zu setzen. Sie hatten aber noch nicht die Definitionsmacht, das als regierungsamtliche Position zu vertreten", so Melber. Und es dauerte noch bis zum Jahr 2006, bis sich das überwiegend von der Stammesgruppe der Ovambo besetzte namibische Parlament überhaupt hinter die Forderung der Herero und Nama nach Wiedergutmachung stellte.
Schwankende Linie der Deutschen
"Auf deutscher Seite ist so wenig passiert, weil die gesamte politische Elite aus Angst vor den rechtlichen und moralischen Folgen sehr wenig Interesse daran hat, diese Definition vorzunehmen", vermutet Christian Kopp von "Berlin Postkolonial". Der Staat könnte dann zu Reparationsleistungen verpflichtet sein.
Dafür sprechen auch verschiedene Ereignisse in der Vergangenheit: Bereits 2004 war die damalige sozialdemokratische Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zwar zur Gedenkfeier 100 Jahre nach Beginn des Völkermords nach Namibia gereist und hatte in einer bewegenden Rede "im Sinne des gemeinsamen 'Vater unser' um Vergebung unserer Schuld" gebeten. "Das Problem war jedoch, dass dies später abgetan wurde als persönliche Stellungnahme, nicht als Regierungslinie", sagt Niema Movassat, "und das unter anderem auf Druck der Bundsregierung hin."
Henning Melber hält das Vorgehen für politisches Kalkül, um Verstimmungen mit wichtigen europäischen Partnern zu vermeiden: "Ich könnte mir vorstellen, dass Frankreich, Großbritannien und Portugal sehr genau verfolgen, wie sich die Bundesregierung hier verhält. Denn einmal angenommen, Deutschland würde Zahlungen in Millionenhöhe zustimmen - dann würde ein Präzedenzfall geschaffen, der Folgeverhandlungen in anderen Ländern nach sich ziehen würde." Europäische Partner seien daher "geneigt, den Deutschen hinter verschlossenen Türen zu raten, das besser bleiben zu lassen."
Auch Matthias Basedau, Afrika-Experte am German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg, sieht den Grund für die deutsche Zögerlichkeit in wirtschaftspolitischen Erwägungen. Südwestafrika werde in Deutschland heute überwiegend als Touristengebiet wahrgenommen: "Wenn Namibia dagegen ein wichtiger wirtschaftlicher Partner wäre, hätte das Problem natürlich einen ganz anderen Stellenwert."
Porträt einer Herero-Frau vom Stamme der Bantu (Foto: dpa)
Kein Vergessen: Die Herero fordern Wiedergutmachung
Namibische Delegation brüskiert
Ende vergangenen Jahres sorgte dann ein diplomatischer Zwischenfall für eine Zuspitzung, den alle Interviewpartner bis heute unisono als "Eklat" oder "Affront" bewerten: Erstmals reiste eine Delegation aus Namibia nach Deutschland, um Schädel von Ermordeten zurückzuführen, die von den deutschen Besatzern zu rassistischen Forschungen an die Berliner Charité gebracht worden waren. Die Vertreter der Bundesregierung jedoch verließen noch während der Rede der afrikanischen Abgesandten den Saal - ein "Tiefpunkt der deutsch-afrikanischen Beziehungen", meint Melber: "Die Verletztheit unter den Nachkommen ist stetig gewachsen."
Weder das deutsche Entwicklungsministerium noch das Auswärtige Amt sind heute zu einer Stellungnahme zu diesem Ereignis bereit - die deutsche Position zu Namibia "sei hinreichend bekannt", heißt es aus der Pressestelle des Auswärtigen Amtes. In Namibia kam es nach dem Zwischenfall zu Demonstrationen. Doch auch in Deutschland erwarte "eine kritische Öffentlichkeit jetzt, dass auf der Seite der Regierung etwas passiert", hofft Christian Kopp.
Mehr Entwicklungshilfe für Namibia
Trotz des wachsenden öffentlichen Drucks unterscheiden sich allerdings die Vorstellungen über das weitere Vorgehen, wie auch die jüngste Debatte zeigte. Die CDU/CSU-Fraktion hatte für den Antrag der Linken bei der ersten Lesung "wenig Verständnis", wie es der niedersächsische CDU-Abgeordnete Hartwig Fischer in seiner Rede vor dem Plenum formulierte: "Vielmehr stelle ich mir die Frage, ob es derzeit nicht dringendere afrikapolitische Themen gibt, die einer Befassung durch den Bundestag bedürfen." Als Beispiele nannte er die Stabilisierung des Südsudan und die Konflikte in Somalia.
Egon Jüttner (Foto: dpa)
Egon Jüttner (CDU): "mehr Entwicklungshilfe"
Andere sehen die Forderungen als verjährt an. Die Ereignisse lägen zu lange zurück. Erst 1948 wurden die Kriterien eines Völkermordes in den Genfer Konventionen definiert. "Deutschland ist den Konventionen 1955 beigetreten", argumentiert der CDU-Abgeordnete Egon Jüttner im Gespräch mit der Deutschen Welle. Dennoch halte er "aus persönlicher Sicht", wie er betont, die Kriterien eines Völkermordes für erfüllt. Dies solle von der Regierung allerdings eher durch verbesserte bilaterale Beziehungen zu Namibia und eine weiterhin vorrangige Stellung bei der Entwicklungshilfe ausgeglichen werden. Bereits jetzt zahle Deutschland pro Einwohner 15,80 Euro an Namibia - ein Ausdruck der guten bilateralen Beziehungen, so Jüttner.
Aufstockung der Entwicklungshilfe nicht ausreichend
Aber selbst eine weitere Aufstockung der Entwicklungshilfe wäre im Fall der Herero noch zu wenig, meinen die Verbände. "Wenn Zahlungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit laufen, sind Geberländer stark involviert, wofür Mittel genützt werden", erklärt Christian Kopp. "Im Falle von Entschädigungszahlungen bei einem Völkermord oder bei kolonialen Verbrechen ist das unangemessen." Er fordert, dass die Nachfahren der Opfer frei darüber entscheiden sollten, wie das Geld verwendet wird. "Das ist praktisch und symbolisch wichtig: Im schlimmsten Fall werden die Mittel sonst nämlich für Zwecke vergeben, die Deutschland selbst wirtschaftlich zugute kommen."
Beide Anträge - der der Linken wie der der Grünen und der SPD - wurden vorerst zurückgewiesen. Die Geschichte sei damit aber längst nicht beigelegt, glaubt Henning Melber, der selbst lange in Namibia gelebt hat: "Gerade in Namibia gibt es ein sehr ausgeprägtes kollektives Bewusstsein über das Unrecht und eine Tradition der Oratur, der erzählenden Geschichte. Das Erlittene wird in den Erzählungen der Opfer sehr präsent bleiben."
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Wie läuft die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus?

 

DEUTSCHLAND UND AFRIKA
Völkermord, geraubte Kunstschätze, gestohlene Schädel: Die Debatte um die deutsche Kolonialvergangenheit in Afrika wird lauter. Vor vier Jahren hat die Bundesregierung Aufarbeitung versprochen. Wie weit ist sie gekommen?

Die Folgen des deutschen Kolonialismus kann Naita Hishoono jeden Tag sehen. Dazu muss sie nur einen Spaziergang durch Windhuk machen. Die deutsche Kolonial-Ära ist in Namibias Hauptstadt noch überall sichtbar: deutsche Straßennamen, deutsche Geschäfte, die in der Kolonialzeit erbaute Christuskirche. Und unter der Oberfläche, unsichtbar und doch präsent: der Völkermord an den Herero und Nama, von Deutschen begangen. In Namibia kennt dieses dunkle Kapitel der Geschichte jeder.
Ganz anders ist es, wenn Hishoono, Direktorin der NGO Namibia Institute of Democracy, in Deutschland ist. "Die Menschen in Namibia wissen über den Kolonialismus sehr gut Bescheid, weil wir ihn jeden Tag sehen und damit leben. In Deutschland kann man vergessen, dass das Land Kolonien hatte, weil man im Alltag davon nichts spürt", sagte sie unlängst auf einer Konferenz des Hamburger GIGA-Instituts für Afrika-Studien.
Bundesregierung ist sich der Problematik bewusst
Das weiß auch die Bundesregierung. "Lange haben wir uns in Deutschland der Illusion hingegeben, wir seien aus der Kolonialzeit mit einem blauen Auge davongekommen, die deutsche Kolonialzeit sei zu kurz gewesen, um wirklich großes Unheil anzurichten", räumte die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering, im November im Bundestag ein. Denn das deutsche Kaiserreich wurde erst relativ spät Kolonialmacht: Erst in den 1880er Jahren besetzte Deutschland die ersten Gebiete in Afrika, musste sie aber nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg abtreten.
Karte - Ehemalige deutsche Kolonien in Afrika 1914
Es dauerte gut 100 Jahre, bis sich eine deutsche Regierung dieser Ära stellen wollte. 2018 vereinbarten CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag, die Kolonialvergangenheit aufzuarbeiten. Denn die Spuren sind noch immer sichtbar, auch wenn sie im Alltag kaum jemand wahrnimmt: Straßen und Denkmäler erinnern an deutsche Kolonialverbrecher. Ehemalige Kolonien erheben Ansprüche auf Kunstgegenstände in deutschen Museen, die während der Kolonialzeit geraubt wurden.
Einige Fortschritte
"Wir sind in dieser Legislaturperiode gut vorangekommen", so Staatsministerin Müntefering im November. Eine ganze Reihe Maßnahmen hat die Regierung tatsächlich umgesetzt: Die deutschen Museen haben sich Richtlinien gegeben, wie sie mit kolonialem Raubgut umgehen wollen. Eine zentrale Kontaktstelle dient als Anlaufpunkt für ehemalige Kolonien, die Gegenstände zurückfordern wollen. Auch die Politik verhält sich nicht länger passiv: Ende des Monats lädt Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) zu einem Treffen, um den Umgang mit den Benin-Bronzen zu klären. Die berühmten Kunstschätze gelten als koloniales Raubgut, Nigeria fordert die Rückgabe.
Video abspielen42:36 min
Die gestohlene Seele - Raubkunst aus Afrika
Museen und Archive haben einige menschliche Gebeine zurückgegeben, die in der Kolonial-Ära nach Deutschland gebracht wurden - unter anderem für fragwürdige medizinische Experimente. Städte haben begonnen Straßen umzubenennen, die ehemalige Kolonialisten ehren. An diesem Freitag (23.04.) ist etwa die Wissmann-Straße in Berlin an der Reihe. Sie erinnerte bisher an Herrmann von Wissmann, der in Deutsch-Ostafrika einen Aufstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft blutig niederschlug.
Trotzdem: "Kolonialismus ist in Deutschland noch immer ein Nischenthema und spielt auch in der Politik nur eine geringe Rolle", klagte die Namibierin Hishoono. Das zeigt sich zum Beispiel beim Umgang mit vielen Kolonialverbrechen. Seit 2015 verhandeln Deutschland und Namibia über eine deutsche Entschuldigung für den Völkermord an den Herero und Nama. Bisher ohne Ergebnis. Eine Resolution des Bundestages gibt es dazu nicht.
Berlin Übergabe menschlicher Überreste an Namibia aus Kolonialzeit
2018 gab Deutschland menschliche Gebeine an Namibia zurück
Das ist auch in einem anderen Fall so. Im Februar forderte der tansanische Botschafter in Deutschland, Abdallah Possi, die Bundesregierung zu Verhandlungen über Wiedergutmachungen auf. Damit könne Berlin zeigen, "dass die Deutschen endlich Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen aus der Kolonialzeit übernehmen und das, was in der Vergangenheit in unserem Land passiert ist, wirklich ernst nehmen", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel". Damit meinte Possi den sogenannten "Maji-Maji-Krieg" - einen Aufstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft von 1905 bis 1907. Bis zu 250.000 Menschen sollen damals ums Leben gekommen sein.
Nach der Veröffentlichung im "Tagesspiegel" teilte das Auswärtige Amt mit, bisher sei die Regierung Tansanias nicht offiziell mit Forderungen an Deutschland herangetreten. Damit verschwand das Thema aus der Öffentlichkeit. Aus dem Parlament: Schweigen.
Kein Schwerpunkt im Unterricht
Experten sehen auch auf einem anderen Feld dringenden Handlungsbedarf: "Viele meiner Studenten wissen am Anfang ihres Studiums nichts über Afrika und den Kolonialismus. Andere sind sehr gut informiert, weil sie gute Lehrer hatten. In den Lehrplänen wird das Thema dagegen in ein bis zwei Stunden abgehandelt", sagte der Hamburger Kolonialhistoriker Jürgen Zimmerer auf der Konferenz des GIGA-Instituts. Auch die Namibierin Hishoono fordert, der Kolonialismus müsse endlich breiten Raum im Unterricht einnehmen. Das lässt sich aber nicht so einfach umsetzen: Für die Schulpolitik sind die einzelnen Bundesländer zuständig.
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Kolonialgeschichte neu erzählt
Eine Ausstellung dokumentiert die Vielfalt des Widerstands gegen die Kolonialherrschaft - und gibt jenen, die Unterdrückung erfahren haben, eine Stimme.
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Müntefering entschuldigt sich bei Herero und Nama für deutsche Verbrechen

 

KOLONIALGESCHICHTE
29.08.2018
Bewegende Worte fand Staatsministerin Müntefering bei der Übergabe sterblicher Überreste von Opfern. Diese waren von den brutal herrschenden Kolonialherren in Deutsch-Südwestafrika nach Deutschland gebracht worden.

Michelle Müntefering, Staatsministerin für internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, hat sich für die Verbrechen deutscher Kolonialtruppen im heutigen Namibia entschuldigt. "Deutschland steht fest zu seiner historischen Verantwortung", sagte Müntefering bei einer feierlichen Zeremonie in Berlin. Das Unrecht der Vorfahren könne zwar nicht rückgängig gemacht werden, doch bitte sie "aus tiefsten Herzen um Verzeihung". Weiter sagte Müntefering, die Verbrechen im damaligen Deutsch-Südwestafrika seien das gewesen, was heute als Völkermord bezeichnet würde. Im Rahmen der Zeremonie wurden die in der Kolonialzeit nach Deutschland gebrachten sterblichen Überreste von Herero und Nama an Vertreter der Botschaft von Namibia zurückgegeben.
EKD: Erster Genozid des 20. Jahrhunderts
In einem Gedenkgottesdienst, der vor der Übergabe stattfand, sagte die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber, das Gedenken an die Nachfahren der Opfer solle wachgehalten werden. Die Gräueltaten an den Herero und Nama müssten als erster Genozid des 20. Jahrhunderts anerkannt werden, betonte Bosse-Huber in dem Gottesdienst in der Französischen Friedrichstadtkirche am Berliner Gendarmenmarkt, Der namibische Bischof Ernst Gamxamub rief zu einer gemeinsamen Zukunft auf, die von Werten wie Menschenwürde, Respekt, Gleichheit, Frieden und Gerechtigkeit geprägt sein müsse.
Für Aufregung sorgte während des Gottesdienstes eine Gruppe von Herero und Nama. Nach wie vor zeige Deutschland durch sein Verhalten eine arrogante Einstellung gegenüber Afrika, erklärte der namibische Rechtsanwalt Vekuii Rukoro, der als Stammeschef der Herero vertreten war. So hätten nicht alle Vertreter ihrer Gruppe an der Zeremonie teilnehmen können. Rukoro habe zur Auflage bekommen, nicht länger als drei Minuten zu sprechen und das Wort Genozid nicht zu verwenden. Das sei entwürdigend, so der Rechtsanwalt. Am offiziellen Versöhnungsprozess ist seine Gruppe bislang nicht vertreten.
Zuletzt Lagerung in anthropologischen Sammlungen
Übergeben wurden insgesamt 27 menschliche Überreste, die zwischen 1884 und 1915 aus der Kolonie entwendet worden waren. Zuletzt lagerten sie in anthropologischen Sammlungen unter anderem in Berlin, Greifswald, Jena, Hannover und Hamburg. Anfang des 20. Jahrhunderts hatten deutsche Kolonialtruppen Aufstände der Volksgruppen Herero und Nama grausam niedergeschlagen. Schätzungen zufolge kamen bis zu 70.000 Menschen ums Leben. Historiker sprechen von Völkermord.
Die Übergabe der Gebeine war die dritte ihrer Art. Am Donnerstag werden sie von einer deutschen Delegation nach Windhuk in Namibia gebracht und dort am Freitag bei einem Staatsakt übergeben. Offen ist weiter die Frage, ob es in den USA zu einem Verfahren gegen Deutschland kommt. Vertreter von Herero und Nama hatten Anfang 2017 vor dem Bezirksgericht in New York eine Klage eingereicht, weil sie sich nicht angemessen an dem Dialog beteiligt fühlen. Auch mögliche Entschädigungsleistungen dürften hier ein Thema sein.
sti/rb (dpa, epd, kna)
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Kommentar: Völkermord an Herero und Nama - Versöhnung nur mit Entschuldigung

 

Die Rückgabe menschlicher Gebeine aus der Kolonialzeit an Namibia ist ein wichtiger Schritt zur Versöhnung. Doch ohne deutsche Entschuldigung für den Völkermord wird er wertlos bleiben, meint Daniel Pelz.
28.08.2018

Endlich eine kleine Geste. Die Rückgabe der menschlichen Gebeine ist ein Zeichen an Namibia, dass Deutschland es ernst meint. Dass Deutschland die Verbrechen derKolonialzeit bereut. Den blanken Rassismus, der selbst nicht davor halt machte, Grabstätten zu plündern und menschliche Gebeine für fragwürdige Forschungen ins damalige Deutsche Reich zu bringen. Der im Völkermord an zehntausenden Herero und Nama seinen blutigen Höhepunkt fand.
Fehler auf allen Seiten
Eine Geste, die zur richtigen Zeit kommt. Nach Jahren ergebnisloser Verhandlungen, Streit um Entschädigungen, eisigem Schweigen und verbalen Ausfällen. Vor zwei Jahren schon hat die Bundesregierung versprochen, sich für den Völkermord zu entschuldigen - über 100 Jahre nach dessen Ende. Doch darauf wartet Namibia, warten die heute lebenden Herero und Nama immer noch. In Namibias Bevölkerung drängt sich längst der Eindruck auf, die Bundesregierung wolle sich zur deutschen Schuld am Genozid gar nicht bekennen.
Sicher - für die jahrelangen Verzögerungen ist die Bundesregierung nicht allein verantwortlich. Wenn auch ungewollt hat sich jede Seite längst auf Positionen festgelegt und Forderungen aufgestellt, die eine Einigung bisher unmöglich machten. Die Bundesregierung will sich erst entschuldigen, nachdem die leidige Entschädigungsfrage zu ihrer Zufriedenheit geklärt ist. Namibias Regierung tut nichts, um Herero- und Nama-Vertreter einzubinden, die ihr kritisch gegenüber stehen, kokettierte andererseits aber öffentlich mit einer Klage gegen Deutschland. Und einige Herero und Nama-Vertreter fallen bei allem berechtigten Ärger über die fehlende Entschuldigung mit unrealistischen Forderungen und verbalen Ausfällen Richtung Deutschland auf.
In dieses aufgeheizte Klima fällt nun die Schädel-Rückgabe. Eine Gelegenheit, einmal innezuhalten, sich die Kolonialzeit und ihre Verbrechen bewusst zu machen. Vor allem das nach gegenwärtigem Wissensstand wohl schlimmste deutsche Kolonialverbrechen: den Mord an zehntausenden - manche sagen sogar hunderttausend - Herero und Nama. Männer, Frauen und Kinder, die von deutschen Kolonialsoldaten in Konzentrationslager gesperrt oder zum sicheren Verdursten in die Wüste gejagt wurden. Unzählige Opfer, deren Namen und Schicksale längst vergessen sind. Menschen, denen sogar die Totenruhe verweigert wurde und deren Gebeine über Jahrzehnte in Pappschachteln in deutschen Klinik-Magazinen lagerten. Und nicht zuletzt auch die heute lebenden Herero und Nama, die ihre Vorfahren niemals würdevoll bestatten konnten.
Chancen für neue Schritte aufeinander zu
Es ist eine Chance für alle Seiten, aufeinander zuzugehen. Für beide Regierungen, deren Verhandlungsführer sich am Freitag zu einem erneuten Gespräch treffen wollen. Aber es ist auch eine Chance für beide Regierungen, auf jene Herero und Nama zuzugehen, die Deutschland in New York verklagt haben. Es ist eine Chance, sie endlich ernsthaft in die Verhandlungen einzubeziehen. Und es ist eine Chance für jene ihrer Vertreter, Maximalpositionen zu räumen und zu akzeptieren, dass ein Vertrag letztlich zwischen den Regierungen geschlossen werden muss. Dass nun wohl auch einer ihrer Vertreter bei der Zeremonie sprechen darf, ist ein erster, ermutigender Schritt. Dass kritische Vertreter der deutschen Zivilgesellschaft draußen bleiben müssen, dagegen nicht.
Denn bei aller Bedeutung dieses Tages: Wirkliche Versöhnung braucht eine Entschuldigung! Das ist bei jedem Streit im Privatleben so - und bei Verbrechen dieses Ausmaßes erst recht.
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Die Schatten des deutschen Kolonialismus

 

GESCHICHTE
Der Streit um die Kolonialgeschichte hat Deutschland erreicht. Soll man dessen Symbole stehen lassen, besser einordnen – oder einfach entfernen?

Die Statue des britischen Sklavenhändlers Edward Colston in Bristol wird in den Hafen geworfen; die Figur von Christoph Kolumbus in Boston wird geköpft; die Stadtväter von Antwerpen entfernen aus Sorge vor Zerstörung vorsorglich selbst ein Standbild von König Leopold II, der für schlimmste Gräueltaten in seiner "privaten" Kongo-Kolonie verantwortlich gemacht wird. Koloniale Symbole weltweit stehen derzeit als Ausdruck für weißen Rassismus unter Druck. Lange hat sich kaum jemand für sie interessiert. Das hat sich spätestens mit dem gewaltsamen Tod des Schwarzen George Floyd durch einen weißen Polizisten in den USA geändert.
Deutschland hatte eine nur kurze Kolonialgeschichte, von 1884 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, als es seine Kolonien in Afrika, Ozeanien und Ostasien wieder abgeben musste. Aber auf seinem Höhepunkt war das deutsche Kolonialreich immerhin das viertgrößte der Welt. Und Spuren davon gibt es bis heute.
Was tun mit der "Lüderitzstraße"?
Nach wie vor sind Straßen und Plätze in Deutschland nach Kolonisatoren wie Carl Peters, Adolf Lüderitz oder Gustav Nachtigal benannt. Der Befehlshaber der Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika, Paul von Lettow-Vorbeck, war bis vor wenigen Jahren Namensgeber von Kasernen und Schulen. Es gibt nach wie vor eine Statue von Hermann von Wissmann, einem ehemaligen Gouverneur der Kolonie, in Bad Lauterberg imHarz und eine Büste von Nachtigal, der zeitweise Reichskommissar für Deutsch-Westafrika (heute Kamerun und Togo) war, in Stendal in Sachsen-Anhalt.
Die Diskussion um den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit ist in vollem Gange: Was soll mit den Standbildern, Straßennamen und mit der kolonialen Raubkunst in Museen geschehen? Schließlich die Frage, ob Deutschland sich für koloniale Verbrechen wie die Niederschlagung des Herero- und Nama-Aufstands in Südwestafrika oder des Maji-Maji-Aufstands in Ostafrika mit zusammen hunderttausenden Toten entschuldigen und Entschädigungszahlungen leisten sollte. All das sind Schatten der deutschen Kolonialgeschichte, auch wenn diese schon mehr als 100 Jahre zurückliegt.
Widerstand gegen Umbenennungen
Im so genannten "Afrikanischen Viertel" in Berlin gibt es bereits seit Jahren Streit um die Umbenennung von Straßen. Die Bezirksverordnetenversammlung hat bereits vor gut zwei Jahren beschlossen, sie nach Widerstandskämpfern gegen die deutsche Kolonialherrschaft umzubenennen.
Deutschland Berlin Afrikanisches Viertel 5
Der Namensstreit im Berliner Afrikanischen Viertel dauert immer noch an
Doch viele Bewohner und Geschäftsinhaber in den Straßen sind dagegen, oft nicht aus politischen Gründen, sondern, weil sie die Kosten von Adressenänderungen vermeiden wollen. Manche wollen auch einfach aus Gewohnheit an den alten Namen festhalten. Die Initiative Pro Afrikanisches Viertel hat einen kreativen Weg vorgeschlagen, wie die Namen bleiben könnten: Die Lüderitzstraße soll nach der namibischen Stadt gleichen Namens heißen, der Nachtigalplatz nach dem Theologen Johann Nachtigal. Und die Petersallee erinnert bereits seit 1986 offiziell nicht mehr an den Kolonialisten Carl Peters, der in Ostafrika brutal geherrscht hatte. Sie ist jetzt nach Hans Peters benannt, einem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Manche meinen, damit weiche man dem Problem aus. Endgültig ist jedenfalls noch nichts, der Namensstreit hält an.
Kaum jemand möchte alles auslöschen
In Hamburg auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne hat man Erklärtafeln zu den Büsten von Männern wie Paul von Lettow-Vorbeck und Lothar von Trotha gestellt, die an der Niederschlagung von Aufständen in den deutschen Kolonien maßgeblich beteiligt waren. Wie es mit dem Umgang damit weitergeht, ist noch nicht klar. Dem Senat geht es jedenfalls grundsätzlich darum, dass diese schwierige Geschichte auch künftigen Generationen im Bewusstsein bleibt: weder Glorifizierung noch Tilgung sollen das Konzept sein, sondern eher Mahnmale und Erinnerung.
Bad Segeberg | Lettow-Vorbeck-Kaserne
Die ehemalige Lettow- Vorbeck-Kaserne in Bad Segeberg
"Gegendenkmäler" als Lösung?
Weiter geht der Verein Postkolonial. Er ist in rund 20 deutschen Städten aktiv. Postkolonial setzt sich etwa in Hamburg, so heißt es auf der Webseite, für eine "umfassende Dekolonisierung des Hamburger Stadtraums (…) und die Darstellung der Geschichte des antikolonialen Widerstandes sowie für ein ehrendes Gedenken an die Opfer von Kolonialismus und Rassismus" ein. Das schließt Straßenumbenennungen ein, aber es geht dem Verein nicht darum, alle Spuren des Kolonialismus einfach auszulöschen. Für Christian Kopp, Sprecher von Postkolonial in Berlin, kommen etwa auch Gegendenkmäler infrage. Nur eine kritische Informationstafel vor ein Denkmal zu stellen, ist ihm eindeutig zu wenig.
Jürgen Zimmerer, Historiker und Afrikawissenschaftler an der Universität Hamburg, sieht es so: "Als Historiker habe ich ein Interesse daran, dass Denkmäler als historische Quellen erhalten bleiben. Allerdings müssen Sie radikal dekonstruiert und entheroisiert werden, so dass ihre verherrlichende Funktion entfällt. Man könnte sie beispielsweise auf den Kopf stellen oder hinlegen."
Ein Beispiel für ein Totschweigen ist das Grab von Lothar von Trotha in Bonn. Mit seinem "Vernichtungsbefehl" von 1904 hatte er einen Aufstand der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika grausam niedergeschlagen:  An seinem Grab gibt es keinerlei Hinweis auf diese Vergangenheit.
Die AfD spricht von "Afrika-Schuldkult"
Einige Historiker haben dies als ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Die Bundesregierung erkennt das bisher aber nicht offiziell an. Der namibische Präsident Hage Geingob hat Anfang dieses Monats in Windhuk gesagt, Deutschland sei nun dazu bereit, genauso wie zu einer Entschuldigung. Aus Berlin war dazu allerdings nichts zu hören. Bisher hat die Bundesregierung Entschädigungszahlungen vor allem mit der Begründung abgelehnt, Namibia habe von umfangreicher Entwicklungshilfe profitiert.
Namibia deutsche Kolonialgeschichte Kriegsgefangene Herero
Die deutsche Kolonialverwaltung ging rücksichtslos gegen die aufständischen Herero vor
Die Parteien in Deutschland stehen einem kritischen Umgang mit der Kolonialvergangenheit insgesamt offen gegenüber, mit einer deutlichen Ausnahme: der AfD. Zur jetzigen Diskussion um Denkmäler sagte Alexander Gauland, der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, kürzlich: "Versuche, ein von allen störenden Aspekten bereinigtes Geschichtsbild durchzusetzen, kannte man bis lang nur aus totalitären Systemen." Und der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio beklagt sich in einem Video über seiner Ansicht nach linke Versuche, den Deutschen einen "Afrika-Schuldkult" einzuimpfen.
Welche Maßstäbe kann man anlegen?
Aber kann man überhaupt historische Persönlichkeiten und Epochen mit heutigen Maßstäben messen? Jürgen Zimmerer meint eindeutig ja, "sonst dürften wir uns ja auch von Hitler, Himmler und Co nicht distanzieren oder diese verurteilen". Es gehe aber in der gegenwärtigen Debatte vor allem darum, "ob die historischen Persönlichkeiten heute als zu ehrende Vorbilder geeignet sind, und damit sind unsere heutigen Maßstäbe maßgeblich. Wir verhandeln in Denkmälern auch unsere eigenen Werte und Vorstellungen".
Der deutsche Kolonialismus war bisher ein wenig beachteter Teil der Geschichte. Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, gehört zu denen, die froh sind, dass sich die deutsche Gesellschaft durch die Proteste überhaupt damit befasst. Zwar könne man den Umgang in Deutschland und Ländern wie den USA oder Großbritannien mit Denkmälern nicht vergleichen. Doch inzwischen rücke der deutsche Kolonialismus endlich ins öffentliche Bewusstsein. Darin sieht Claussen eine große Bildungsaufgabe.
Datum 18.06.2020
Autorin/Autor Christoph Hasselbach
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Deutschland erkennt Kolonialverbrechen in Namibia als Völkermord an

 

AUFARBEITUNG DER KOLONIALZEIT
Nach mehr als fünfjährigen Verhandlungen steht das Abkommen mit Namibia. Die Bundesregierung stuft die Gräueltaten an Herero und Nama als Völkermord ein und zahlt einen Milliardenbetrag. Doch es gibt auch Kritik.

"Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen", erklärte Außenminister Heiko Maas in Berlin. Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia erkennt die Bundesregierung die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama als Völkermord an und benennt dies auch so. Eine offizielle Bitte um Vergebung soll durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Festakt im namibischen Parlament erfolgen.
Beide Regierungen stimmten einer gemeinsamen politischen Erklärung zu, auf die sich Delegationen beider Länder nach mehr als fünfjährigen Verhandlungen geeinigt hatten. "Die Anerkennung von Seiten Deutschlands, dass ein Völkermord begangen wurde, ist der erste Schritt in die richtige Richtung", sagte ein Sprecher von Präsident Hage Geingob der Nachrichtenagentur AFP.
1,1 Milliarden Euro für Entwicklungsprojekte
Die Nachkommen der Opfer wird die deutsche Regierung mit 1,1 Milliarden Euro zum "Wiederaufbau und zur Entwicklung" unterstützen, sagte Maas. Dies sei eine "Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde".
Mit dem Geld sollen über einen Zeitraum von 30 Jahren vor allem Projekte in den Siedlungsgebieten der Herero und Nama gefördert werden. Dabei soll es auf Wunsch der namibischen Seite um die Bereiche Landreform einschließlich Landkauf und Landentwicklung, Landwirtschaft, ländliche Infrastruktur und Wasserversorgung sowie Berufsbildung gehen, wie das Auswärtige Amt mitteilte.
Namibia Bundesentwicklungsminister Gerd Müller in Windhuk
Entwicklungsminister Gerd Müller trifft 2019 in Windhuk Angehörige der Herero und Nama
Die Bundesregierung betonte zugleich, aus ihrer Anerkennung des Völkermords und der Gründung des Hilfsfonds ergäben sich keine rechtlichen Ansprüche auf Entschädigung. Ruprecht Polenz (CDU), Verhandlungsführer auf der deutschen Seite, lehnte im DW-Interview wiederholte Forderungen nach offiziellen Reparationen ab: "Wir haben immer gesagt, dass wir versuchen, unsere politisch-moralischen Verpflichtungen zu erfüllen. Es ist keine rechtliche Frage."
Opposition: "Nicht in gutem Glauben verhandelt"
Die Ankündigung wurde in Namibia auch mit teils deutlicher Kritik aufgenommen. Inna Hengari, Vertreterin der größten Oppositionspartei Popular Democratic Movement (PDM), sprach in der Tageszeitung The Namibian" von einer Beleidigung Namibias. Deutschlands Vertreter hätten "nicht in gutem Glauben verhandelt".  Kritiker befürchten zudem, dass die Herero und Nama nicht von den zugesagten Hilfen aus Deutschland profitieren werden, wenn diese in Entwicklungsprojekte fließen.
Menschen halten Plakate hoch
Proteste in Windhuk: An der Einigung gibt es auch deutliche Kritik
In der Hauptstadt Windhuk kam es unter anderem vor der deutschen Botschaft zu Protesten, wie ein lokaler Reporter der DW berichtete. Mutjinde Katjiua, Generalsekretär der Ovaherero Traditional Authority, sagte vor Journalisten, dass sein Verband einen Besuch von Bundespräsident Steinmeier ablehne. "Wir haben dem Botschafter geraten, der Präsident sollte in Deutschland bleiben", so Katjiua. Die Gräuel als Völkermord anzuerkennen, aber keine Reparationen zahlen zu wollen, werten einige Vertreter als Doppelmoral.
Die Herero und Nama in Namibia sind in zahlreiche Vereinigungen und traditionelle Autoritäten zersplittert, die unterschiedliche Positionen in Bezug auf die Aufarbeitung des Genozids einnehmen. Während einige Gruppen beklagten, von den Verhandlungen ausgeschlossen worden zu sein, haben andere die Regierungsgespräche unterstützt.
Der deutsche Verhandlungsführer Polenz wies im DW-Interview darauf hin, dass in der namibischen Delegation auch Herero und Nama vertreten gewesen seien. "Wir können der namibischen Regierung nicht vorschreiben, diese oder jene Person in die Delegation aufzunehmen. Das wäre ein kolonialistischer Ansatz." Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Einigung letztendlich breite Akzeptanz finden werde und es einen "echten Versöhnungsprozess" zwischen beiden Ländern gebe.
Soldaten des deutschen Kaiserreichs 1904 in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika
Soldaten des deutschen Kaiserreichs 1904 in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika
Helin Evrim Sommer, entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag bezeichnet die Einigung ebenfalls als "Schritt in die richtige Richtung", jedoch reiche dies noch nicht aus. Sommer fordert, auch Unternehmen und Rechtsnachfolger, die "von Zwangsarbeit, Enteignungen und Vertreibungen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika profitiert haben", müssten zahlen. Zudem muss das Thema der deutschen Kolonialverbrechen ihrer Meinung nach in Deutschland stärker ins Bewusstsein rücken, beispielsweise über ein zentral gelegenes Denkmal in Berlin oder im Schulunterricht.
Das heutige Namibia war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. Im Mittelpunkt des Dialogs zur Aufarbeitung der Vergangenheit standen die Geschehnisse zwischen 1904 und 1908 in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, als Truppen des deutschen Kaiserreichs unter Lothar von Trotha äußerst brutal gegen Herero und Nama vorgingen. Historikern zufolge wurden etwa 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 der 20.000 Nama getötet.
Der deutsche Außenminister wies mit Blick auf das Abkommen darauf hin, das sei kein Schlussstrich unter die Vergangenheit. Es sei aber "ein wichtiger Schritt, um die Verbrechen aufzuarbeiten und gemeinsam die Zukunft zu gestalten".
se/ust/dp (DW, dpa, kna, afp, epd, Büro Sommer)
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Deutschland erkennt Völkermord an

 

Namibia
Stand: 28.05.2021 10:49 Uhr
Nach jahrelangen Verhandlungen will sich Deutschland mit seiner früheren Kolonie - dem heutigen Namibia - aussöhnen. Es geht um ein Schuldeingeständnis, eine Bitte um Vergebung - und um einen Milliardenbetrag.Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia erkennt die Bundesregierung die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama als Völkermord an. Die Nachkommen will sie mit einem Milliardenbetrag unterstützen."Als Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde, wollen wir Namibia und die Nachkommen der Opfer mit einem substanziellen Programm in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zum Wiederaufbau und zur Entwicklung unterstützen", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Deutschland will zudem offiziell um Vergebung für die Verbrechen bitten.
Deutschland erkennt Völkermord im heutigen Namibia an2 Min
Deutschland erkennt Völkermord im heutigen Namibia an
Michael Stempfle, ARD Berlin, tagesschau 20:00 Uhr, 28.5.2021
Fast sechsjährige VerhandlungenZuvor hatten Delegationen beider Länder nach fast sechsjährigen Verhandlungen eine Einigung über eine gemeinsame politische Erklärung erzielt, der beide Regierungen nun zugestimmt haben. Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia und schlug Aufstände brutal nieder. Historikern zufolge wurden etwa 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 von 20.000 Nama getötet.Die Bundesregierung will in dem Abkommen die Tötung Zehntausender Menschen in der Ex-Kolonie Deutsch-Südwestafrika aus heutiger Sicht als Völkermord einstufen. Eine offizielle Bitte um Vergebung soll Berichten zufolge durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Festakt im namibischen Parlament erfolgen.
Herero in Namibia
29.08.2018
Kolonialherrschaft
Deutschland und Namibia gedenken der Opfer >>>
100 Jahre nach Ende der Kolonialherrschaft wurden menschliche Gebeine an Namibia zurückgegeben.
Bund: Keine rechtlichen Ansprüche auf EntschädigungMit den 1,1 Milliarden Euro sollen über einen Zeitraum von 30 Jahren vor allem Projekte in den Siedlungsgebieten der Herero und Nama gefördert werden. Dabei soll es um Landreform, Landwirtschaft, ländliche Infrastruktur und Wasserversorgung sowie Berufsbildung gehen. Die Bundesregierung betont aber, dass sich aus ihrer Anerkennung des Völkermords und der Gründung des Hilfsfonds keine rechtlichen Ansprüche auf Entschädigung ergeben, sondern dass es um eine politisch-moralische Verpflichtung geht."Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen", sagte Maas. "Unser Ziel war und ist, einen gemeinsamen Weg zu echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden." Die gemeinsame Erklärung muss noch unterzeichnet werden.Maas betonte, dass dies aber keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit bedeute. "Die Anerkennung der Schuld und unsere Bitte um Entschuldigung ist aber ein wichtiger Schritt, um die Verbrechen aufzuarbeiten und gemeinsam die Zukunft zu gestalten", betonte er. Die Verhandlungen wurden von Beauftragten der beiden Regierungen geführt, die Herero und Nama waren aber eng eingebunden.
Deutsche Kolonialverbrechen an Herero und Nama
Anfang des 20. Jahrhunderts ermordeten deutsche Kolonialtruppen Zehntausende Angehörige der Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Historiker bezeichnen diese Gräueltaten als "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts".
Von 1904 bis 1908 hatten sich die Herero aus existenzieller Not heraus gegen die deutsche Kolonialmacht erhoben. Eine rund 15.000 Mann starke Streitmacht unter Generalleutnant Lothar von Trotha schlug die Rebellion der Einheimischen nieder.
Auftakt für den Völkermord war die Schlacht von Ohamakari am 11. August 1904, auch als "Schlacht am Waterberg" bekannt. Dort ließ der deutsche Befehlshaber einen Großteil der Herero-Bevölkerung einkesseln und töten. Zudem ließ er die wasserlose Omaheke-Wüste abriegeln, in die Tausende Herero geflohen waren. Die Flüchtlinge verdursteten. Später gab Trotha den Vernichtungsbefehl: "Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr erschossen."
Insgesamt sollen mindestens 65.000 Menschen umgekommen sein. Im Oktober 1904 erhoben sich auch die Nama gegen die Kolonialherren. Die deutschen Truppen gingen erneut rücksichtslos vor und töteten rund 10.000 Nama. Hinzu kamen Tausende, die in Konzentrationslager gesteckt oder vertrieben wurden.
Deutsch-Südwestafrika war 1884 unter deutsche Kolonialherrschaft gekommen. Diese endete am 9. Juli 1915 mit der Niederlage der deutschen Kolonialtruppen gegen die Armee der Südafrikanischen Union.
"Schritt in die richtige Richtung"Namibias Regierung begrüßte die Anerkennung der deutschen Verbrechen. "Die Anerkennung von Seiten Deutschlands, dass ein Völkermord begangen wurde, ist der erste Schritt in die richtige Richtung", sagte der Sprecher von Präsident Hage Geingob, Alfredo Hengari, der Nachrichtenagentur AFP. Kritik aus der namibischen OppositionAus den Reihen der namibischen Opposition hagelte es indessen Kritik an der Vereinbarung mit Deutschland. Eine Vertreterin der größten Oppositionspartei des südafrikanischen Landes, Popular Democratic Movement (PDM), sprach von einer "Beleidigung" Namibias. Deutschlands Vertreter hätten "nicht in gutem Glauben verhandelt", zitiert die Tageszeitung "The Namibian" die Abgeordnete Inna Hengari. Die Vereinbarung sei zum Nachteil der Nachfahren der Herero und Nama."Wenn Namibia Geld von Deutschland erhält, sollte es an die traditionellen Anführer der betroffenen Gemeinschaften gehen statt an die Regierung", kritisierte eine Vertreterin der Partei Landless People's Movement (LPM). Auch der Oppositionsführer Mike Kavekotora von der Rally for Democracy and Progress (RDP) wirft der Regierung von Präsident Geingob vor, die Nama und Herero in dem Prozess "ausgeschlossen" zu haben: "Ich denke nicht, dass das das Beste ist, was Namibias Regierung von Deutschland hätte bekommen können".Einige Parlamentarier riefen die Opposition dazu auf, den Deal zwischen den beiden Ländern geeint zurückzuweisen. Sie plädieren weiterhin für direkte Reparationen an die Nachfahren der Völkermord-Opfer.
Deutschland erkennt Völkermord in Namibia an1 Min >>>
Lothar Lenz, ARD Berlin, 28.5.2021 · 07:22 Uhr
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Das Märchen von der Verdrängung der Kolonial-Geschichte

 

Berlin finanziert peinliche Projekte.  Die Hauptstadt sollte besser  eine Bildungsstätte fördern, zum Beispiel im Humboldt-Forum. Eine Streitschrift.
Ulrich van der Heyden
31.01.2021 | 10:43 Uhr
Afrikaner aus der deutschen Kolonie Kamerun müssen sich dem Publikum präsentieren. Die Kolonialausstellung war Teil der Gewerbeausstellung von 1896 im Treptower Park.
BPK/Franz Kullrich
BERLIN-Anfang Januar sollte im Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses das Thema „Berlin übernimmt Verantwortung für seine koloniale Vergangenheit“ behandelt werden, das fiel jedoch coronabedingt aus. Nun steht die Frage, ob die Thematik ohne demokratische Aussprache und Diskussionen mit Experten durchgewinkt wird. Dabei ist eine Aussprache gerade zu diesem Thema wichtig – existieren doch bei vielen hierüber mehr Annahmen als Tatsachen.
Selbst im Berliner Parlament wird von einigen Abgeordneten die Behauptung aufgestellt, man müsse sich „endlich“ mit der kolonialen Vergangenheit in Deutschland befassen. Das geht an der Wirklichkeit weit vorbei. Nicht wenige Fachexperten warnen davor, die eigene Unkenntnis als Maßstab für angebliche Realitäten in der Gesellschaft heranzuziehen.
Legende von der kolonialen Amnesie
So wurde in Plenarsitzungen des Abgeordnetenhauses behauptet, dass „Deutschlands koloniale Vergangenheit über viele Jahrzehnte hinweg so gut wie gar keine Rolle im kollektiven Gedächtnis, in der Erinnerungskultur“ gespielt habe. Es wurde sogar die durch nichts zu belegende These aufgestellt, es hätte eine „koloniale Amnesie der Deutschen“ gegeben und in Deutschland sei die koloniale Vergangenheit „aus dem nationalen Gedächtnis weitgehend verdrängt“. Es wäre interessant zu erfahren, woher diese Erkenntnis stammt.
Intensive Beschäftigung mit Kolonialgeschichte
Im Osten Deutschlands begann man seit Ende der 1950er-Jahre, die koloniale Vergangenheit des Deutschen Kaiserreichs, den Kolonialrevisionismus in der Weimarer Republik und im Dritten Reich aufzuarbeiten. Aber auch im Westen, wo man noch lange Zeit in der Öffentlichkeit und der Wissenschaft wehmütig an den Zeiten der Kolonialherrschaft festhielt, beschäftigte man sich seit etwa 1967 kritisch mit der Kolonialhistorie.
Wer den Weg in die Bibliotheken nicht scheut, kann feststellen, dass dort Hunderte von Büchern und in relevanten Fachzeitschriften Tausende von Artikeln zu finden sind, die sich kritisch mit der kolonialen Vergangenheit vor allem Deutschlands auseinandersetzen.
Kolonialforschung am Katzentisch
In Anbetracht dessen sollte es nicht schwierig sein, die vielen Forschungsergebnisse und die seit Jahren vorliegenden populärwissenschaftlichen Darstellungen zur Kenntnis zu nehmen. Erst dann kann über bestimmte Sachverhalte angemessen diskutiert werden.
Die Wissenschaft ringt seit langem, besonders konzentriert unmittelbar nach der deutschen Einheit, um die Zukunft der Afrika- und Kolonialgeschichtsforschung in Berlin. Leider ist in der späteren Hauptstadt der deutschen Bundesrepublik dann wirklich eingetreten, wovor der Nestor der deutschen Afrika-Politikwissenschaft Franz Ansprenger in der Berliner Zeitung gewarnt hatte, nämlich, dass dieser historischen Wissenschaftsdisziplin lediglich ein Platz am „Katzentisch“ zugewiesen wird.
Historische Unkenntnis in den Schulen
Die Stadt Berlin kann ebenso wenig wie andere Ortschaften Verantwortung für „ihre koloniale Vergangenheit“ übernehmen. Moralische Verantwortung kann nur die heutige nationale Regierung für die Handlungen ihrer Vorgängerregierungen übernehmen, nicht eine Region, eine Stadt oder ein Dorf.
Der Versachlichung der Debatte könnte es helfen, wenn der vor kurzem veröffentlichte Hilferuf des Vorsitzenden des Berliner Landesverbandes der Geschichtslehrer, Peter Stolz, sehr ernst genommen würde, der auf die gefährliche historische Unkenntnis in den Schulen aufmerksam macht und von der Politik fordert, die „Stundenzahl der Fächer Geschichte und Politische Bildung endlich“ wieder zu erhöhen.
Nicht nur bei geschichtswissenschaftlich arbeitenden Fachleuten ist auf Unverständnis gestoßen, dass die umfangreichen Gelder, die der Berliner Senat für die koloniale Auseinandersetzung im Stadtbild bereitgestellt hat, an Initiativen vergeben wurden, denen die historische Fachkompetenz fehlt.
Geschichtsfälschung in Broschüren
Warum wird das Geld nicht genutzt, um eine Bildungs- und Begegnungsstätte ins Leben zu rufen für jene, die sich für die koloniale Geschichte und deren Folgen interessieren, denen jedoch die Fachkompetenz fehlt? Eventuell lässt sich eine solche im Humboldt-Forum integrieren? Das wäre weit sinnvoller, als den Druck von Flugschriften und Broschüren zu finanzieren, in denen die Geschichte auf den Kopf gestellt wird.
In einem solchen, an eine Stiftung oder eine ähnliche Trägerinstitution angebundenen Seminar- und Bildungszentrum wären die für die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte vorgesehenen Gelder nützlicher eingesetzt. Eine Spezialbibliothek zur Kolonial- und Postkolonialgeschichte könnte relevantes Archivmaterial wie Nachlässe von Angehörigen der kolonialisierenden Nation und von ehemals Kolonisierten enthalten.
Das wäre auf alle Fälle zielorientierter, als Debatten zu führen und Schriften zu sponsern, mit denen sich Berlin international blamiert. So könnten aktivistisches Engagement und wissenschaftliche Kenntnisse für ein politisches Anliegen gebündelt werden, für die die Vertreter beider Richtungen stehen.
Im Deutschen Kolonialmuseum am Lehrter Bahnhof zeigten die eifrigen Jäger und Sammler ihre Beutestücke, Aufnahme um 1900.
Wikipedia/Waldemar Franz Hermann Titzenthaler
Von einer schwer glaublichen Ignoranz zeugen Behauptungen, in Berlin lasse sich „kaum eine Spur des Erinnerns“ zum Kolonialismus finden. Es fehle, so wird realitätsfern angenommen, „sowohl eine umfassende wissenschaftliche als auch kulturelle Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit“.
Sind wirklich die vielen Aktivitäten unbekannt geblieben? Bedeutungslos die mannigfältigen Lehrangebote an den Berliner Universitäten? Die wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen, in Berliner Verlagen herausgegebenen Buchreihen zur deutschen Kolonialgeschichte?
Postkolonialismus aus einer wichtigen Perspektive
Mehrere Filme zeigen die Folgen des europäischen Imperialismus in Afrika. Sie empfehlen: Den Alten zuhören und an die Orte der Verbrechen zurückkehren. Berlin, 06.01.2020 >>>
– Die vielen Konferenzen, die große internationale Beachtung fanden und in der Berliner Presse ein mannigfaches Echo erfuhren? Die musealen Ausstellungen, angefangen vom Treptower Heimatmuseum bis zu drei Expositionen im Deutschen Historischen Museum? Die Stolpersteine, etwa für Mohamed Husen, der leider nicht mehr existierende, einst höchst wirksame Verein „Brandenburg – Princes Town – Eine Welt“ mit einer eigenen Abteilung „Brandenburgische Kolonialgeschichte“?
– Die Berliner Stadtführungen, die schon in den 90er-Jahren konzipiert wurden, Theater- und Performance-Veranstaltungen mit postkolonialem Anspruch, Dokumentar- und Spielfilme in TV und Kino? Allein sechs Bücher mit insgesamt Tausenden verkauften Exemplaren über die kolonialen Erinnerungsorte Berlins, Artikel in populären und wissenschaftlichen Zeitschriften mit besonderem Berlin-Bezug, eine TV-Dokumentation des RBB über die Kolonialgeschichte Brandenburg-Preußens, die in allen öffentlich-rechtlichen Sendern mehrfach ausgestrahlt wurde, eine weitere TV-Dokumentation über die Verstrickung Brandenburg-Preußens in den transatlantischen Sklavenhandel?
Debatten über die Umbenennung von Straßennamen
– Die öffentliche, jahrelange Debatte um die Umbenennung von Straßennamen wie dem Gröbenufer oder solche zum Afrikanischen Viertel in Wedding. Das Afrika-Haus in Moabit unter Leitung von Oumar Diallo mit seinem vielfältigen Angeboten an Ausstellungen, Diskussionen und Vorträgen.
– Das von einem Berliner Verlag herausgegebene und von der Bundeszentrale und verschiedenen Landeszentralen für Politische Bildung in mehr als 10.000 Exemplaren verkaufte Buch „Die Deutschen und ihre Kolonien. Ein Überblick“ sowie die die mannigfachsten Themen ansprechenden, in der Regel kostenfrei zu bestellenden Publikationen der Bundeszentrale für Politische Bildung? War das alles nichts?
Wie Berlin zu „deutschen Bananen“ kam. Edeka wurde als Genossenschaft von Kolonialwarenhändlern gegründet. Sie hatten ihre Läden in Arbeitergegenden. Von Maritta Adam-Tkalec, Berlin, 22.11.2020 >>>
Die auf falschen oder nur halbwahren Fakten beruhenden Argumente für eine Besinnung auf die Verantwortung Deutschlands für seine koloniale Vergangenheit bergen eine nicht zu unterschätzende Gefahr in sich.
CHANCE IM HUMBOLDT-FORUM
Aufarbeitung: Eine offensive Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte wurde bei der digitalen Eröffnung des Humboldt-Forums, dem neuen Zentrum für Kultur, Kunst und Wissenschaft in der Berliner Mitte, im Dezember 2020 von den Verantwortlichen in Aussicht gestellt.
Vorbilder: Die Namensgeber Wilhelm und Alexander von Humboldt sollen, so Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Vorbilder sein, „mit ihrer Lust, die Welt anzuschauen, über die Grenzen der eigenen Weltanschauung hinweg mit ihrer Neugierde dem Fremden zu begegnen, ohne es abzuwehren oder abzuwerten“.
Denn wer mit verfälschenden Argumenten, trotz Einspruch von vielen Betroffenen und Fachleuten, etwa Straßenumbenennungen fordert, für die es aus wissenschaftlicher und politischer Sicht keine Begründungen gibt, und die eine Minderheit dennoch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen versucht, wird auch historische Denkmäler stürzen. Wer das macht oder gutheißt, wird – so ist zu befürchten – keine Hemmungen haben, an den vandalistischen Taten zur Beschmutzung und Beschädigung kultur- und kunsthistorisch und musealer wertvoller Objekte teilzunehmen, oder daran nichts Verwerfliches finden.
Daraus kann folgen, wie eine Studie des Allensbach Instituts aus dem Jahr 2019 festgestellt hat, dass zunehmend in bestimmten Kreisen gefordert wird, Bücher, die nicht die politische Überzeugung von jenen Menschen widerspiegeln, aus den öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken zu entfernen. Deshalb wehret den Anfängen!
Prof. Dr. mult. Ulrich van der Heyden ist Historiker, Politikwissenschaftler und Spezialist für die Kolonialgeschichte Afrikas, tätig an FU, HU und in Südafrika sowie Autor zahlreicher Bücher.
https://www.berliner-zeitung.de/


Focus Europa Spezial #44: Entschuldigungen und Entschädigungen wegen historischer Verantwortung

 

Freitag, 7. März 2014 - 18:47

In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns vertieft mit der Frage der historischen Verantwortung. Es geht insbesondere um Deutschland und speziell um Kolonialismus, Völkermord und Kriegsverbrechen. Denn diese Woche gab es zwei besonderen Anlässe zu Entschuldigungen und Entschädigungen für die historischen Verbrechen aus der Kolonial- und NS-Zeit. Entschuldigungen kamen durchaus, Entschädigungen aber keinesfalls.
Beiträge:
Völkermord verjährt nie! Gebeine aus Völkermord an namibische Delegation übergeben
Hat „die Reparationsfrage ihre Berechtigung verloren“? Jüdische Gemeinde von Thessaloniki und Opfer des NS-Massakers von Lyngiades fordern deutliche Worte von Gauck
GEMA-freie Musik von The Day aus Frankreich
https://rdl.de/beitrag/


Als die Deutschen in Togo eine "Musterkolonie" errichteten

 

Auf ihre kleinste deutsche Kolonie in Afrika waren die Deutschen besonders stolz. Die "Musterkolonie" war wirtschaftlich rentabel – weil die Einheimischen ausgeplündert wurden.
26.11.2013

Einen weiten Weg hatte Gustav Nachtigal zurückgelegt. Ganz Westafrika musste der berühmte Afrikaforscher auf dem deutschen Kanonenboot "S.M.S. Möwe" umrunden, bis er an das erste Ziel seiner Reise gelangte. Vor der Küste Togos stoppte das Schiff seine Motoren. Am 5. Juli 1884 hisste Nachtigal hier die deutsche Flagge. Das sogenannte "Togoland" war damit offiziell ein deutsches "Schutzgebiet". Nach Deutschland konnte Nachtigal seinen Erfolg vermelden: "Ich habe Protektionsvertrag mit dem König von Togo und seinen Häuptlingen geschlossen.“ Diesmal also hatte Nachtigal nicht die Erforschung Afrikas, sondern die Kolonialpolitik hierher geführt. Als Reichskommissar für Deutsch-Westafrika war es seine Aufgabe, für Deutschland Kolonien zu reklamieren. Kurze Zeit später nahm er bereits Kamerun für das Deutsche Reich in Besitz.
"Der Platz an der Sonne"
Die europäischen Mächte lieferten sich in dieser Zeit einen "Wettlauf um Afrika". Dabei waren es vor allem Franzosen und Briten, die einen großen Teil des Kontinents unter sich aufgeteilt hatten. Doch auch die Deutschen verlangte es nun nach Kolonien. 1897 fasste der deutsche Außenminister Bernhard von Bülow die deutsche Position zusammen: "Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne." Mit "Togoland" hatten sich die Deutschen 1884 zumindest ein kleines Stück Afrika gesichert. Nachdem sie ihren Besitz auch mit Gewalt weiter ins Landesinnere ausgedehnt hatten, herrschten sie über etwa eine Million Menschen in dem nicht ganz 90.000 Quadratkilometer großen Landstrich, der sich von einem kurzen Küstenstreifen weiter ins Landesinnere hinein zog. Togo war die kleinste deutsche Kolonie in Afrika. Dafür aber die einzige, die wirtschaftlich für die Kolonialherren rentabel war – nicht zuletzt auch aufgrund der hohen Besteuerung der Einheimischen, die zudem zu Pflichtarbeiten heran gezogen wurden. In Deutschland galt Togo als die "Musterkolonie".
Wirtschaftlich interessiert waren die Deutschen vor allem an den landwirtschaftlichen Erzeugnisse der Kolonie: Sie lieferte begehrte Güter wie Baumwolle, Erdnüsse, Kautschuk und Kaffee. Damit die Güter schnell an die Küste transportiert werden konnten, erbauten die deutschen Kolonialherren mehrere Eisenbahnlinien, ganz ihrem Zweck entsprechend benannt unter anderem mit "Kokosnussbahn" oder "Baumwollbahn“.
Die "Musterkolonie"
Die Stadt Lomé am Golf von Guinea wuchs zur Hauptstadt und zum Handelszentrum heran. Hier errichteten die Deutschen die Residenz des Gouverneurs, Beamtenwohnungen und Handelsniederlassungen. Von den Einheimischen hielten sich die etwa dreihundert Deutschen strikt getrennt. Offiziell zumindest: Da eine Beziehung zu einheimischen Frauen strikt verpönt war, nahmen viele Deutsche – hierher verschlug es in erster Linie alleinstehende Männer – sich inoffiziell eine Geliebte. Den Kindern aus diesen Beziehungen wurde die Anerkennung verweigert. Generell genossen die Togoer in ihrem Land kaum Rechte. Wer Kritik äußerte, erhielt die Prügelstrafe.
Bei der wirtschaftlichen Ausbeutung des Landes stand den Deutschen hingegen ein großes Hindernis entgegen: Lomé besaß keinen natürlichen Hafen, Waren mussten mit kleinen Brandungsbooten vom Strand zu den weiter draußen liegenden Frachtschiffen transportiert werden. Mit großer Gewalt prallt das Wasser des Atlantiks vor Lomé auf die Küste – für Mensch und Güter ein gefährliches Geschäft. Seit 1904 ragte deshalb ein beeindruckendes Bauwerk ins Meer vor Lomé hinein – eine über 300 Meter lange Landungsbrücke. Nun stand der wirtschaftlichen Ausplünderung der Kolonie nichts mehr im Wege.
Togoisch-Bayerische Freundschaft
Lange erfreuen konnte sich das Deutsche Reich keineswegs an der afrikanischen "Musterkolonie". Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, eroberten Briten und Franzosen Togo in kürzester Zeit von ihren benachbarten Kolonien aus. Der Westen Togos wurde nach Kriegsende von Großbritannien verwaltet, der Osten von Frankreich. Nur dieser östliche Teil erlangte 1960 die Unabhängigkeit, der Westen schloss sich zuvor dem neuen Nachbarstaat Ghana an.
Der neue Staat Togo pflegte bald eine ganz besondere Beziehung zu dem deutschen Bundesstaat Bayern. Der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß war ein guter Freund des togoischen Diktators Gnassingbé Eyadéma – eine sehr umstrittene Freundschaft, da Eyadéma die Opposition gewaltsam unterdrückte. Als Strauß 1983 Togo besuchte, war das Land im Ausnahmezustand, die Menschen skandierten: "Josef ist der Größte". Und Strauß erklärte in unseliger Erinnerung an die einstige deutsche "Musterkolonie", dass Togo wieder zum "Musterland" werden sollte.
Mit Strauß‘ Tod 1988 ging die bayerisch-togoische Duzfreundschaft zu Ende, doch die Familie Eyadéma beherrscht das bitterarme Togo noch immer. An die deutsche Vergangenheit erinnern die zahlreichen Gebäude aus der Kolonialzeit in Lomé – und die Pfeiler der deutschen Landungsbrücke, die sich noch immer aus dem Wasser des Atlantiks erheben.
https://www.dw.com/de/als-die-deutschen-in-togo-eine-musterkolonie-errichteten/a-17254872

Siehe dazu auch:

 


2.3 Online-Artikel zu Raubkunst aus den afrikanischen Kolonien

Rückgabe von Benin-Bronzen: Ministerinnen-Reise nach Nigeria
AKTUALISIERT AM 16.12.2022-17:41

 

Ein historisch beispielloser Akt der Aufarbeitung kolonialer Vergangenheit erreicht eine neue Stufe. Mit der Rückgabe wertvoller Benin-Bronzen in Nigeria wollen Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth ein internationales Zeichen setzen. Die Grünen-Politikerinnen reisen von Sonntag bis Dienstag in das krisengeschüttelte westafrikanische Land, um dort die ersten Exemplare der kostbaren Kunststücke persönlich an die nigerianische Seite zu übergeben.
Mehr als 1100 der Arbeiten aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört, waren bisher in rund 20 deutschen Museen zu finden. Die Objekte, die neben Bronze auch aus Elfenbein und anderen Materialien gefertigt sind, stammen größtenteils aus britischen Plünderungen im Jahr 1897.
AA: Ernsthafte Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit
Der Sprecher des Auswärtigen Amts teilte in Berlin mit, Baerbock und Roth wollten in der Hauptstadt Abuja zunächst insgesamt 20 Benin-Bronzen aus deutschen Sammlungen zurückgeben. Dass der Restitutionsflug noch in diesem Jahr realisiert werden könne, sei der guten Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, Städten und Museen zu verdanken. Es zeige auch, wie ernst Deutschland es mit der Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit meine.
Baerbock wird neben Roth auch von der baden-württembergischen Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne) sowie den Direktoren und Direktorinnen der fünf Museen begleitet, in deren Besitz sich die größten Sammlungen von Benin-Bronzen in Deutschland befinden. Dies sind das Ethnologische Museum Berlin, das Völkerkundemuseum Dresden/Leipzig, das Museum am Rothenbaum in Hamburg, das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum sowie das Linden-Museum in Stuttgart.

Baerbock und Roth werden zehn Benin-Stücke aus Berlin dabei haben, je drei aus Dresden, Hamburg und Köln sowie eine Arbeit aus Stuttgart. Unter den Objekten, die zurückgegeben werden, ist auch der königliche Thronhocker des Oba Eresoyen aus dem 18. Jahrhundert. Das rund 90 Kilo schwere Stück war bis zu dieser Woche noch im Berliner Humboldt Forum ausgestellt.
Übertragung des Eigentums an Nigeria
Im Sommer hatte die Bundesregierung mit Nigeria eine Absichtserklärung für die Übertragung der Eigentums der Objekte aus den deutschen Museen unterzeichnet. Seitdem verhandeln die jeweiligen Träger der Museen mit den zuständigen Stellen in Nigeria. Die Museen in Berlin, Hamburg, Köln und Stuttgart haben die Eigentumsrechte an den Beständen an die nigerianische Seite bereits übertragen.

Es geht dabei nicht nur um direkte Restitutionen. Die bisher vier abgeschlossenen Abkommen regeln jeweils auch, wie viele und welche der Kunstschätze als Leihgaben in Deutschland bleiben können oder immer wieder ausgetauscht werden. So sollen zum Beispiel von den bisher 514 Bronzen in Berlin 168 als langfristige Leihgaben im Depot des Ethnologischen Museums bleiben und abwechselnd im Humboldt Forum gezeigt werden. Solche Regelungen wurden auch für die anderen Museen vereinbart. Zudem sind umfassende Kooperationen zwischen nigerianischen und deutschen Museen geplant oder bereits angeschoben.
Von einem «Modellfall» sprach Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der das Berliner Museum gehört. «Aus dieser Eigentumsübertragung ist wirklich etwas Neues entstanden: eine enge Zusammenarbeit, ein neues Verhältnis zu Nigeria, zum globalen Süden insgesamt», sagte er bei der Entnahme des Thronhockers. Auch für die nigerianischen Partner seien erste Restitutionen noch in diesem Jahr wichtig.
Nigeria ist rund zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland und mit etwa 220 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste und wirtschaftsstärkste Land Afrikas. Wichtigster Wirtschaftszweig ist die Ölproduktion. Die islamistische Terrormiliz Boko Haram und die Gruppe «Islamischer Staat Provinz Westafrika» sind für schwere Anschläge in dem Land mit zahlreichen Todesopfern verantwortlich.
Quelle: dpa
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Benin Bronzes: From German museums off to Nigeria

 

CULTURE NIGERIA

Julia Hitz
12/16/2022December 16, 2022
Restitution begins: Many valuable cultural objects that once belonged to the kingdom of Benin and have been housed and displayed in German museums for more than 100 years will be on their way back to Nigeria.
Abba Isa Tijani, director general of Nigeria's National Commission for Museums and Monuments, and Yusuf Maitama Tuggar, Nigeria's ambassador to Germany, embarked on a truly historic mission, traveling through Germany to collect a first batch of Benin Bronzes. The looted cultural property was transferred back to Nigerian ownership in June 2022, more than 100 years after it was taken to Germany.
Iconic African art
More than 1,130 objects stored or displayed in German ethnological museums for many decades now belong to Nigeria once again: sculptures and reliefs made of bronze and brass, as well as works made of ivory, coral and wood.
They had been part of the palace of the then kingdom of Benin since the 16th century. In 1897, a British expedition conquered the kingdom, burned down the palace and almost completely destroyed Benin City, in the southwest of present-day Nigeria. The artifacts, more than 5,000 pieces, were looted and sold all over Europe via auctions in London. German institutions acquired the world's second largest collection.
Benin bronzes on display during the exhibition 'I Miss You' at Cologne, Germany's Rautenstrauch Joest MuseumBenin bronzes on display during the exhibition 'I Miss You' at Cologne, Germany's Rautenstrauch Joest Museum
The last exhibition of the Benin bronzes in Cologne, entitled 'I Miss You,' opened in April 2022Image: Fadi Elias
In a 2018 report commissioned by French President Emmanuel Macron, Senegalese social scientist Felwine Sarr and French art historian Benedicte Savoy examined the issue — and recommended the comprehensive restitution of African cultural assets taken during the colonial era. Macron pledged "restitution of African heritage in Africa." Belgium has followed suit, and Germany, too, has moved on the issue.
Five German museums involved
Objects from Germany's major ethnological institutions, Stuttgart's Linden Museum, Cologne's Rautenstrauch-Joest Museum and Hamburg's Museum of World Cultures and Arts, are being transported back to Nigeria. Tijani and Tuggar traveled to those institutions to sign contracts with the municipalities so the objects can leave Europe.
Of the 92 bronzes in Cologne's Rautenstrauch-Joest Museum, 89 will stay on loan, for the time being; 52 exhibits are to be returned in 2023. A key, a throne and a bust are already headed straight to Nigeria.
The objects have a strong symbolic value, "they represent different facets of the Benin kingdom," Tijani told DW. He explained that Nigeria is currently building new venues to store and exhibit the collection.
French President Emmanuel Macron (R) and Benin's President Patrice Talon.French President Emmanuel Macron (R) and Benin's President Patrice Talon.
The Ethnological museums in Berlin, Leipzig and Dresden are also restituting bronzes, as are 15 other museums with smaller collections.
Nigeria will celebrate the arrival of the first bronzes with a major exhibition featuring the bronzes. Planned for the first quarter of 2023, the exhibition will allow "Nigerians to see the returned objects," National Commission for Museums and Monuments Director General Tijani said. "Part of our history is returning, part of our identity."
"It's really a huge emotional moment for me," he added.
'Ambassadors of Nigeria'
"Pandora's box is open," said Rautenstrauch Joest Museum Director Nanette Snoep, adding it is a "new chapter for these museums and also a new chapter for international museum collaborations." The Dutch art historian and culture manager, long committed to restitution, believes the museums stand at the "beginning of a new story." The road is still long, she said, adding that ownership of the Benin bronzes is just the beginning of a process that still has many hurdles, for instance in matters of ownership that are not as well documented as in the case of the bronzes.
A bronze head with headdress displayed in a dark museum roomA bronze head with headdress displayed in a dark museum room
One of the Benin bronze artifacts in CologneImage: Julia Hinz/DW
"We have to be very careful not to re-colonize restitution negotiations," Snoep said. "Decolonization processes are not easy. It hurts. It also means giving up privileges."
Some objects will stay at the Cologne museum as loans, however, Abba Isa Tijani said, "so that a vacuum is not created."
"They remain as ambassadors of Nigeria," he said, adding he sees a bright future for cooperation with the German museums.
This article was originally written in German.
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Germany returns Benin Bronzes to Nigeria

 

Annabelle Steffes-Halmer
07/02/2022July 2, 2022
After a century of restitution claims, Germany is transferring ownership of 1,130 bronzes to Nigeria. A groundbreaking step in the return of looted art.

"It's a historic moment for us, for our two countries, that we are now signing an agreement for the return of the Benin Bronzes," Abba Isa Tijani, director of Nigeria's National Commission for Museums and Monuments (NCMM), told DW ahead of the ceremony on Friday.
The Nigerian commission has played a key role in drafting the restitution agreement signed in Berlin on July 1 by Germany's Foreign Minister Annalena Baerbock, Commissioner for Culture and the Media Claudia Roth, Nigeria's Minister of Culture Lai Mohammed and Minister of State for Foreign Affairs Zubairo Dada.
"I would like to express my gratitude to the trailblazing German government as the first European country in history to ever enter into a formal agreement to return all properties of the colonial past to their rightful owners. You have set the standards of what reconciliation should look like. It is my hope that other European countries who still possess such artifacts of ours will enter into your footsteps," Dada said.
The contract officially transfers ownership of the Benin Bronzes held by German museum collections to Nigeria, with immediate effect.
"This is the known single largest repatriation of artifacts anywhere in the world. The president, government and people of Nigeria and especially the Oba of Benin, Oba Ewuare II are very happy and grateful to the federal government of Germany for making it possible," said Lai Mohammed.
Five German museums involved in restitution
In all, there are more than 1,130 artifacts from the Linden Museum in Stuttgart, the Berlin Humboldt Forum, the Cologne Rautenstrauch-Joest Museum, the Hamburg Museum for World Cultures and the State Ethnographic Collections of Saxony.
The valuable artifacts — sculptures and reliefs made of bronze and brass, as well as works made of ivory, coral and wood — were stolen from the former Kingdom of Benin by the British in a brutal punitive expedition in 1897. The royal palace from pre-colonial times was razed to the ground, and Benin City, in what is now south-western Nigeria, was almost completely destroyed.
At the beginning of the 20th century, many of the stolen works of art were auctioned in London, with Germany securing the second-largest collection in the world.
The former Kingdom of Benin tried once to reclaim the bronzes 100 years ago — without success.
African intellectuals took up the fight again in the 1970s, but their demands fell on deaf ears in Europe.
It was French President Emmanuel Macron's visit to Burkina Faso in 2018 that marked a turning point: the French President announced that France would be returning its colonial art treasures and commissioned a report on how to achieve this.
The report made waves in Germany. For Nanette Snoep, the fact that Nigeria and Germany are now coming to an agreement after protracted negotiations means that "history is now really being written."
"If the return and transfer of ownership of the Benin Bronzes succeeds now, then that really is the beginning of the decolonization of the so-called ethnographic bronzes museums," Snoep, who is the head of the Rautenstrauch-Joest-Museum, told DW. "This transfer of ownership is incredibly important, almost more important than the physical return."
From now on, Nigeria will decide how to deal with these objects and also how to talk about them: "It's about returning history and it's about a new narration of history," she added.
Icons of looted art
Nanette Snoep smiling.Nanette Snoep smiling.
Nanette Snoep has been an advocate of restitution for nearly two decadesImage: Benjamin Bischof/DW
Every major museum in the Global North with collections from the Global South has at least one Benin Bronze: "These are the Warhols, these are the Rembrandts, the Dürers of the so-called ethnographic museums," said Snoep.
The fact that these "icons" of looted art are now being returned clears the way for "a new ethic in the field of international cooperation."
"It's about finally giving space to talk about colonial trauma, about broken or shattered memories."
However, a specific date for the "physical return" of the Benin Bronzes has not yet been set: "It won't happen overnight," said the director of Nigeria's National Commission of Museums and Monuments, Abba Isa Tijani. Transport, packaging, insurance, preservation and many other technical aspects have to be regulated first, he explained.
The bronzes are to be exhibited in various state institutions and museums, in galleries and in the rebuilt royal palace, which is to be inhabited by descendants of the once expelled king of Benin City.
The Edo Museum of West African Art (EMOWAA), originally planned for the Benin Bronzes, is still under construction, and it is unclear when it will be completed, explained Tijani.
In Nigeria and especially in Benin City, the anticipation couldn't be greater: "We are really happy with the return of Benin artifacts. It means a lot. Our heritage, our cultural assets that have been stolen years ago, have been returned to their rightful owner, the Kingdom of Benin," said Friday Osaro, a resident of the former royal city.
Godwin Obaseki, governor of the state of Edo, where the former kingdom is now located, agrees: "The idea of ​​bringing these items home is not only important to our identity; they are a part of us. We can have them here and the world can come to us and see what we have created."
Some Benin Bronzes to remain on loan in Germany
Not all Benin Bronzes will return to Nigeria; some will remain in Germany on loan.
Abba Isa Tijani, director of Nigeria's National Commission of Museums and MonumentsAbba Isa Tijani, director of Nigeria's National Commission of Museums and Monuments
Abba Isa Tijani, director of Nigeria's National Commission of Museums and Monuments: 'Partnership is key'Image: Benjamin Bischof/DW
Joint exhibitions with museums around the world are also planned. Tijani aims to focus on partnerships with museums as global institutions. "We don't want it to be just a return," he said.
The Nigerian commission is seeking to involve the large African diaspora in Europe: "When these objects go back to Nigeria, we are talking about a period of over 100 years that these objects have been outside the country," said Tijani. He believes that it is important to keep telling the stories of the journey of these objects, and of the communities and countries where they spent the past century.
Not only Germany is beginning to restitute cultural assets from colonial times. Most recently, the Glasgow Museum in Scotland returned 19 artifacts to Nigeria. The Smithsonian in the United States has restituted 29 pieces, and the National Gallery of Art in Washington has also agreed to repatriate objects from its collections.
This article was originally written in German.
Correction, July 4, 2022: A previous version of this article named the wrong location for Benin City; it has been corrected to state that it is in today's south-western Nigeria. We apologize for the error.
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Stadt Köln gibt Benin-Bronzen an Nigeria zurück

 

Stand: 15.12.2022, 13:27 Uhr
92 Benin-Bronzen aus dem Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum gehören jetzt offiziell wieder Nigeria.
Von Marion Liedl
Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der Generaldirektor der "National Commission for Museums and Monuments" Nigerias, Abba Isa Tijani, unterzeichneten am Donnerstag in Köln eine Vereinbarung zur Eigentumsübertragung.
Die Werke waren 1897 von der britischen Armee aus dem damaligen Königreich Benin geraubt worden, das im heutigen Nigeria liegt. Die britische Armee hatte den Palast geplündert und niedergebrannt. Die geraubte Kunst wurde danach in Europa versteigert, so gelangten sie uns ins Kölner Völkerkundemuseum.
Einige Benin-Bronzen dürfen in Köln bleiben
Kölns Oberbürgermeisterin bezeichnete die Eigentumsübertragung als "Meilenstein in einer jahrzehntelangen, zähen Debatte um die Rückgabe von geraubter Kunst, mit nationaler und internationaler Bedeutung".
Drei der Kunstwerke sollen noch in diesem Jahr an Nigeria zurückgegeben werden, weitere 52 im kommenden Jahr.
Einige Werke dürfen als Leihgabe in Köln bleiben. Das sei hinsichtlich der vielfachen und bis heute nachwirkenden Verletzungen während der Kolonialisierung nicht selbstverständlich, sagte Reker. Mit der Rückgabe der Kunstwerke beginne daher auch eine neue zukunftsweisende Kooperation.
15. Dezember 2022: Henriette Reker übergibt Abba Isa Tijani symbolisch einen bronzenen Schlüssel aus dem Königreich Benin.Stadt Köln gibt Benin-Hofkunstwerke an Nigeria zurück00:44 Min. Verfügbar bis 15.12.2024 Von Udo Bühlmann >>>
Benin-Bronzen sind für Nigeria Teil der Identität
Auch Generaldirektor Abba Isa Tijani betonte die Besonderheit der Vertragsunterzeichnung. Er sagte, die Rückgabe der Bronzen markiere für Nigeria ein neues Kapitel in der Geschichte. Die Kunstwerke seien für die Menschen in Nigeria ein Teil ihrer Identität, da sie zur Kultur ihrer Vorfahren gehörten.
Der Kölner Stadtrat hatte im Dezember die Rückgabe der Kunstwerke formell beschlossen.
Benin-Bronzen in GlasvitrineA us dem Dunkel ans Licht - die geraubten Benin-BronzenWDR 3 Kulturfeature 17.12.2022 53:40 Min. Verfügbar bis 15.12.2023 WDR 3Von Edith Grund>>> 
Über das Thema berichtet die Lokalzeit aus Köln am 15.12.2022 auch im WDR Fernsehen und im Hörfunk auf WDR 2.
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KOLONIALE RAUBKUNST
Benin-Bronzen: Kunsthistorikerin Savoy spricht von "kulturellem Mauerfall"

 

Deutschland stellt eine Rückgabe der Artefakte in Aussicht. Im Umgang mit kolonialer Raubkunst zeichne sich ein "kultureller Mauerfall" ab, sagt Bénédicte Savoy der DW.

Benin City im Südwesten Nigerias. In den letzten Jahrzehnten hat die Stadt mit zweieinhalb Millionen Einwohnern traurige Berühmtheit erlangt: Sie gilt als Drehkreuz für den Menschenhandel. Einst war sie Teil des Königreichs Benin und eine florierende Handelsstadt, berühmt für ihre wertvollen Bronzearbeiten. Von hier stammen die sogenannten Benin-Bronzen, die es in vielen großen europäischen Museen zu bewundern gibt. Unter anderem sollen sie im Herbst das Herzstück der großen Ausstellung zur Eröffnung des neuen Berliner Humboldt Forums sein.
In Benin City wird heute wie vor 700 Jahren Bronze nach alter Tradition gegossen. Osarugue Okundaye ist in der Igun Street, der Straße der Bronzegießergilde, geboren. Wie sein Vater vor ihm, hat auch er das Handwerk gelernt. Dass sich die Kunstwerke seiner Ahnen außerhalb Nigerias befinden, erfülle ihn mit tiefer Trauer: "Die Bronzen sind sehr, sehr wichtig für uns. Sie symbolisieren Würde, Königswürde. Ich freue mich, wenn wir sie eines Tages zurückerhalten. Doch ich glaube nicht daran."
Das geraubte Erbe Benin Citys
1897 fielen die Briten bei einer sogenannten Strafexpedition in Benin City ein: Den "Oba", den König, verbannten sie ins Exil. Sie zündeten die Stadt an und verwüsteten sie, raubten Tausende von Kunstobjekten, darunter 3500 bis 4000 Bronzen. Rund 1100 davon gelangten als Ankäufe nach Deutschland, allein 440 nach Berlin, das sich damit die zweitgrößte Sammlung weltweit sicherte. Ihr Besitz ist legal, aber nicht legitim: An den Stücken klebt nachweislich Blut.
Briten in Kolonial-Kleidung sitzen in triumphaler Pose inmitten afrikanischer Kunstschätze
1200 Elitesoldaten führte Admiral Sir Harry Rawson 1897 bei der Strafexpedition an
Bereits kurz nach dem Massaker von 1897 forderte das damalige Königreich Benin die Bronzen zurück, das heutige Nigeria kämpft seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1960 darum, die wertvollen Artefakte zurückzuerhalten. Bislang ohne Erfolg. Zuletzt war ein peinliches diplomatisches Verwirrspiel um die Bronzen entstanden. Doch seit Anfang des Jahres ist Bewegung in die vielschichtige Debatte gekommen: Außenminister Heiko Maas hat sich für eine korrekte Restitution und einen aufrichtigen Umgang mit der Kolonialgeschichte ausgesprochen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat Hermann Parzinger, den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, beauftragt, eine "Strategie" für die Museen zu entwickeln, die Kunst aus Unrechtkontexten besitzen.
Ein Paradigmenwechsel kündigt sich an
"Ich glaube, wir haben eine Art kulturellen Mauerfall erreicht", meint Bénédicte Savoy. Die Historikerin gilt als eine der wichtigsten wissenschaftlichen Stimmen zum Thema Raubkunst. Seit fünf Jahren verstecke man sich hinter Ausflüchten; die Objekte seien legal erworben, man müsse sie als Zeugen der Geschichte Europas in der Welt ausstellen, führt Savoy weiter aus. "Und plötzlich heißt es: Ja klar, wir geben zurück, wir werden das organisieren, wir machen eine Konferenz, und das ist sehr neu. Das ist elektrisierend. Und es wird auch kommen."
Bénédicte Savoy Portraitfoto
Bénédicte Savoy: "Das ist elektrisierend"
Im Humboldt Forum richtet man sich jedenfalls schon mal darauf ein, womöglich ohne die Originale auszustellen: "Wir müssen schauen, ob es Sinn macht, Lücken zu lassen und Erklärtexte dazuzustellen. Oder ob wir Gipsabgüsse von den Objekten ausstellen, von denen wir welche haben", erklärt Jonathan Fine, Leiter der Ethnologischen Sammlung am Humboldt Forum. "Als Kurator ist es sehr aufregend, sich mit dem globalen Wandel zu beschäftigen und zu versuchen, eine Ausstellung nicht als etwas Statisches zu betrachten, sondern als etwas, das Teil des Dialogs ist und es wirklich wagt, das Publikum in den Wandel einzubeziehen, während er passiert."
Wer gibt zurück und an wen?
In den Wandel einzubeziehen - so er denn wirklich vollzogen wird. Denn die Bestände, einschließlich der 440 Bronzen, gehören nicht dem Humboldt Forum, sondern der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Diese hat zwar schon signalisiert, dass eine Restitution "als Option mitbetrachtet" werden solle, aber letztlich bleibt auch die Frage, an wen die Kunstschätze zurückgegeben werden sollen: An den Königspalast? An den nigerianischen Staat, das Nationalmuseum in Benin City oder an das neue "Museum of West African Art", das bis 2024 in Benin City entstehen soll und für das Andreas Görgen, Leiter der Kulturabteilung des Außenministeriums, eine Museumskooperation aufbauen soll?
Außenansicht des Nationalmuseums in Benin City
Das Nationalmuseum in Benin City ist eines der bekanntesten in ganz Nigeria
Für die Restitution ist nicht zuletzt die "Benin Dialogue Group" zuständig, in der deutsche Museumsverantwortliche mit Vertretern Nigerias zusammenarbeiten. Im Interview mit der DW kritisiert Yusuf Tuggar, der Botschafter Nigerias, die Arbeit der Gruppe, die sich bereits seit 2010 um einen "Dialog auf Augenhöhe" im Rückgabestreit bemüht. Zuletzt sei davon die Rede gewesen, die Bronzen als Dauerleihgaben an Nigeria zurückzugeben. "Das ist völlig inakzeptabel", sagt Tuggar. "Das ist keine Rechtsstaatlichkeit. Das ist keine gute Regierungsführung. Das ist keine internationale Best Practice." Weiter fordert der Botschafter nicht nur die Rückgabe der Benin-Bronzen, sondern auch die der Ife-Bronzen, die in den 1930er-Jahren in der nigerianischen Stadt Ife gefunden wurden, sowie weiterer Kunstwerke aus der Nok-Kultur.
Symbol für koloniale Erniedrigung
Bei der hochemotionalen Diskussion geht es um viel mehr als um die bloße Rückgabe von Kunstschätzen. Die Bronzen sind zu einem Symbol für koloniale Erniedrigung geworden. Mehr noch, für manche sind sie ein Beweis für das Fortbestehen kolonialer Strukturen, so etwa für Emery Mwazulu Diyabanza. Der kongolesische Aktivist machte im Sommer 2020 Schlagzeilen, als er einen afrikanischen Totempfahl aus dem Pariser "Musée du Quai Branly" entwendete und seine Aktion in den sozialen Netzwerken teilte. Im Anschluss musste er sich in Paris vor Gericht behaupten, kam aber mit 1000 Euro Geldbuße, einer wohl eher symbolischen Strafe davon, die vermutlich Nachahmer abschrecken sollte.
Mit Diyabanza schaltete sich 2020 eine ganz neue Stimme ein: Da sprach kein Politiker, kein Wissenschaftler oder Museumsmensch, sondern ein in Paris lebender Kongolese, der sich für die die afrikanische Diaspora zu Wort meldete.
Im Interview mit der DW erklärt Diyabanza, dass er und seine pan-afrikanische Gruppe "Einheit, Würde und Mut" auch Aktionen in Deutschland planen. "Die deutsche Öffentlichkeit ist in der Restitutionsfrage geteilt. Es gibt viele, die mit diesen abscheulichen Verbrechen nicht mehr in Verbindung gebracht werden wollen", so der Aktivist.
Nigerias lebendige Kunstszene
Oyenike Monica Okundaye lächelt und hebt die linke Hand
Galerieinhaberin Oyenike Monica Okundaye: "Wir Künstler müssen Neues erschaffen!"
Diyabanza ist nicht allein mit seinem Wunsch nach einem Neuanfang. Auch die nigerianische Künstlerin Oyenike Monica Okundaye möchte mit der Vergangenheit abschließen, wenn auch auf ganz andere Weise als Botschafter Tuggar oder Aktivist Diyabanza. "Wir brauchen die Werke nicht zurück. Wenn sie in den europäischen Museen stehen, können sie unsere Kinder, die nicht zurück nach Nigeria reisen können, sehen und erleben", meint Okundaye, die in Lagos die größte Kunstgalerie der Region betreibt. Über 5000 nigerianische Künstler haben schon bei ihr ausgestellt.
"Die Artefakte repräsentieren unsere Seele, unser Land in jedem Museum der Welt. Das ist gut, aber wir Künstler müssen auch neue Werke erschaffen, die dann gesehen werden können."
Nun bleibt abzuwarten, wie dieser jahrzehntelange Streit um Wiedergutmachung und Identität ausgeht - und wie lange es noch dauern wird, bis eine Entscheidung fällt.
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Geraubte Kunst aus Afrika
Was sind die Benin-Bronzen?

 

Do 29.04.21 | 06:21 Uhr | Von Oliver Noffke

Sie wurden geraubt, als die Briten ihre Kolonien mit Gewalt ausbreiteten: Die Benin-Bronzen sind Kunstwerke von unschätzbarem Wert. Allein in Berlin befinden sich Hunderte. Seit Jahrzehnten wird um ihre Rückgabe gestritten. Von Oliver Noffke
Seit Jahren gibt es Streit um Hunderte Metalltafeln und Statuen, die sich in der Sammlung des Ethnologischen Museums Berlin befinden: die Benin-Bronzen. Etwa ein halbes Dutzend weitere Museen in Deutschland verfügt über Stücke aus dem untergegangenen afrikanischen Königreich Benin. Noch am Donnerstag soll über eine mögliche Rückgabe gesprochen werden. Was diese Kunstwerke einmalig macht und wie sie nach Deutschland kamen, zeigt dieser Überblick.
Was sind die Benin-Bronzen?
Bei den sogenannten Benin-Bronzen handelt es sich um Tausende Artefakte, die bei einer Palastplünderung durch britische Soldaten im Jahr 1897 erbeutet wurden. Sie zeugen von einer hochentwickelten Kultur und bilden gemeinsam einen der bedeutendsten Kunstschätze Afrikas. Bei vielen der Objekte handelt es sich um meisterhafte Metalltafeln oder Statuetten, die hauptsächlich aus Kupfer gegossen wurden, einige bestehen aus Bronze. Es werden aber auch Figuren und Masken dazu gezählt, die aus Elfenbein, Holz, Leder oder Korallen geschnitzt wurden.
Erschaffen wurden sie hauptsächlich am Königshof von Benin, der aktiv Künste förderte. Viele der Metalltafeln schmückten Altarräume, mit denen an frühere Regenten erinnert wurde. Andere Objekte hatten zeremonielle Bedeutungen. Auch die Insignien des Königs – genannt Oba – befinden sich unter den geraubten Gegenständen. Die Motive reichen von heiligen Tieren oder Ereignissen aus dem Leben der Herrschenden bis hin zur Darstellung von Zünften, Soldaten oder Begegnungen mit Europäern.
Museen und ihr koloniales Erbe "Wir müssen anfangen über Rückgabe zu sprechen" >>>
Wie umfangreich ist dieser Kulturschatz?
Es ist nicht ganz klar, wie viel die Briten tatsächlich fortgeschafft haben, als sie am Niger die Kontrolle übernahmen. Die letzte große Gesamtübersicht zu den Benin-Bronzen wurde im Jahr 1973 angefertigt. Aus ihr zitiert unter anderem Wikipedia. Allerdings weichen die genannten Zahlen zum Teil deutlich von dem ab, was von den Verwaltungen einiger Sammlungen selbst angeben wird.
Sicher ist, dass etwa 3.000 Stücke verstreut sind auf Museen in Europa und den USA. Schätzungen gehen aber davon aus, dass bis zu 5.000 geraubt wurden. Wie viele sich in privaten Sammlungen befinden, ist unbekannt; manche sind verschollen, andere möglicherweise unwiederbringlich zerstört.
Die mit Abstand größte Sammlung befindet sich im British Museum in London. Nach eigenen Angaben verfügt es über etwa 900 Benin-Bronzen, von denen 100 in einer Rotation ständig gezeigt werden [britishmuseum.org]. Die zweitgrößte Sammlung ist in Berlin. Das Ethnologische Museum verfügt über rund 530 Stücke. Bisher befanden sich diese in Dahlem; geplant war, sie im Humboldt-Forum auszustellen. Ob es dazu wirklich kommt, ist derzeit allerdings offen. Museen in Oxford, Wien, Hamburg, Dresden und New York verfügen ebenfalls über große Sammlungen an Benin-Bronzen. Dutzende weitere befinden sich in Leipzig und Köln.
Eine Abbildung des historischen Königreichs Benin vor seiner Zerstörung im Jahr 1897 (Quelle: CPA Media/Pictures From History)
Eine Abbildung des historischen Königreichs Benin vor seiner Zerstörung im Jahr 1897 | Bild: CPA Media/Pictures From History
Was war das Königreich Benin?
Das historische Benin befand sich im heutigen Nigeria. Sein Zentrum, die Stadt Edo, lag etwa 300 Kilometer östlich von Lagos - dort, wo sich jetzt Benin City befindet. Abgesehen vom Namen zeugt dort kaum noch etwas von den historischen Anlagen oder der langen Geschichte des Volkes der Edo. Um die erste Jahrtausendwende herum entwickelte sich aus einer Siedlung das frühe Reich. Die Lage nahe eines Flussdeltas war günstig, der dichte Regenwald lieferte viele Rohstoffe. Etwa ab dem 12. Jahrhundert setzte eine erste Hochphase ein. Benin baute Handelsrouten bis nach Ghana auf, der Hof begann die Künste zu fördern. Aus dieser Zeit stammen die frühesten Metallgüsse.
Dazu wurden Kunstwerke aus Wachs modelliert und anschließend mit Lehm verkleidet. Durch erhitzen wurde das Wachs aus den Formen geholt, die schließlich mit geschmolzenem Metall gefüllt wurden. Über die Jahrhunderte verfeinerten die Künstler von Benin ihre Techniken derart, dass sie in der Lage waren Relieftafeln zu gießen, die nur wenige Millimeter dick waren. Damit übertrafen sie selbst die Meister der Renaissance, bemerkte das US-amerikanische Magazin "Time" schon im Jahre 1965 [time.com].
Im späten 15. Jahrhundert kam es zu ersten Kontakten mit den Portugiesen. Diese waren zunächst an Palmöl, Pfeffer und Elfenbein interessiert, später auch an Menschen, die sie versklaven konnten. Im Gegenzug wurden Waffen geliefert und mit der Manille eine erste Währung etabliert. Die Handelsbeziehungen wurden so wichtig, dass Benin einen Botschafter nach Lissabon schickte. Die Folgen des Sklavenhandels und die Aggressivität, mit der die Europäer in Westafrika auftraten, führten in der Region allerdings zusehends zu Spannungen.
Groß-Benin, wo der König lebt, ist größer als Lissabon; alle Straßen verlaufen schnurgerade und so weit man blicken kann. Die Häuser sind großzügig, insbesondere das des Königs, das reich verziert und von herrlichen Säulen umgeben ist. Die Menschen sind wohlhabend und fleißig. Benin wird so gut regiert, dass Diebstahl unbekannt ist und die Menschen in solcher Sicherheit leben, dass ihre Häuser keine Türen haben.
Lourenco Pinto, portugiesischer Seefahrer, 1691
Wie kam es zur Plünderung?
1886 erklärten die Briten Lagos zur Kronkolonie. Ein Jahr zuvor hatten Vertreter von zwölf europäischen Staaten, den USA und dem Osmanischen Reich in Berlin verabredet, nach welchen Regeln sie sich gegenseitig Besitztümer in Afrika anerkennen würden. In vielen afrikanischen Staaten spricht man noch heute von der "Berlinisation". In der Folge wurde nahezu der gesamte Kontinent unter den Europäern aufgeteilt und von ihnen geplündert. Zwischen den Briten und dem Königreich von Benin kam es immer wieder zu Scharmützeln.
Zehn Jahre später bat der Generalkonsul von Lagos, James Robert Phillips, seine Vorgesetzten in London, den Oba von Benin, Ovonramwen, vom Thron stoßen und durch eine Marionette zu ersetzen. Ohne auf Antwort zu warten, startete er eine Expedition und lief in einen Hinterhalt, der als "Massaker von Benin" bekannt wurde und mehr als 200 Menschen das Leben kostete. Den Briten diente dies als willkommener Anlass, um das Königreich zu überfallen.
Im Februar 1897 wurden dampfbetriebene Kriegsschiffe und gepanzerte Kanonenboote die Flüsse hinaufgeschickt. Etwa 1.200 Marinesoldaten und wohl bis zu 5.000 Mann der kolonialen Truppen aus Lagos fielen in Benin ein. Bomben wurden gezündet, Zivilisten massakriert, Häuser niedergebrannt, die Hauptstadt ausgelöscht. Bis heute ist unklar, wie viele Afrikaner bei dem zehn Tage andauernden Überfall genau getötet wurden. Von den hochtechnisierten britischen Soldaten starben während der Kämpfe acht. Schließlich wurde Ovonramwen ins Exil geschickt und der Palast geplündert. Sein Ur-Ur-Enkel, Ewuare II., ist heute das Oberhaupt der royalen Familie.
Wie kamen die Benin-Bronzen nach Berlin?
Nach der Plünderung wurden Tausende Kunstwerke nach London verbracht. Ein Großteil sollte versteigert werden, um die Kosten der Militäraktion zu begleichen. Für das Königliche Museum für Völkerkunde in Berlin, den Vorläufer des Ethnologischen Museums, ließ Felix von Luschan die Stücke erwerben. Er war ab 1904 der Leiter der Abteilung Afrika und Ozeanien.
Aus heutiger Sicht erscheinen die Methoden, mit denen von Luschan eine Sammlung aufbaute, wissenschaftlich fragwürdig und geradezu gewissenlos. Um seine Sammelwut zu befriedigen wurden unter anderem Grabfelder in Ostafrika geplündert. Dass die Benin-Bronzen bei einem Raubzug erbeutet wurden, war von Luschan bewusst.
Gibt es Restitutionsforderungen?
Ganz klar: ja. Bereits im Jahr 1972 wurde die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gebeten, einige wenige Benin-Bronzen als Dauerleihgabe an Nigeria zu geben. Das geht aus Akten hervor, die die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy im Archiv der Stiftung gefunden hat. Im März hat Savoy ein Buch über die vergeblichen Rückforderungen afrikanischer Länder seit den 1960er Jahren veröffentlicht. Von der deutschen Botschaft in Lagos wurde der Rückgabewunsch damals ausdrücklich unterstützt. Beim damaligen Präsident der Stiftung, Hans-Georg Wormit, löste die Forderung allerdings Entsetzen aus.
Beim Lesen von Savoys Buch entsteht der Eindruck, dass Wormit die Ansprüche Nigerias für legitim hielt, sie aber abschmettern wollte, um weitere Rückforderungen zu vermeiden. Die Benin-Bronzen seien "korrekt durch Kauf erworben", schrieb der Stiftungspräsident damals an einen Bundestagsabgeordneten. Und schob sofort nach: "Unsere Situation ist mit der britischen in keiner Weise zu vergleichen. Britische Truppen eroberten 1897/99 das Königreich Benin und führten seine berühmten Bronzearbeiten und Elfenbeinschnitzereien fort." Mit anderen Worten: Ja, die Kunstwerke wurden gestohlen, aber nicht von uns; wir haben sie nur gekauft. Es dauerte noch Jahre, bis die Stiftung überhaupt eine Inventarliste ihrer Benin-Bronzen anfertigte. Das Gros der Objekte wurde bis heute nie ausgestellt.
Heute spricht die Stiftung von einem "Unrechtskontext". Dennoch hatte sie zur Eröffnung des Humboldt-Forums eine große Benin-Schau geplant. Knapp 50 Jahre nach der ersten Rückforderung sorgte das im vergangenen Dezember für einen Eklat. Wenige Tage vor der offiziellen Eröffnung des Forums schrieb der nigerianische Botschafter in Deutschland auf Twitter, dass er einen Antrag auf Rückerstattung an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (beide CDU) geschickt habe und auf Antwort warte.
Wie weiter mit den Stücken verfahren wird, könnte sich am Donnerstag entscheiden. Grütters hat zu einem Treffen eingeladen, bei dem Vertreter aller deutscher Museen, die Benin-Bronzen in ihren Archiven haben, erwartet werden sowie Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen und dem Auswärtigen Amt. Dass sie Rückgaben für unumgänglich hält, hatte Grütters bereits angedeutet.
Bisher wurde Nigeria nur einmal eine Rückgabe zugesagt. Im März kündigte die Universität der schottischen Stadt Aberdeen an, eine Statue zurückzugeben, die einen der Könige von Benin zeigt. In den 1950er Jahren hatte die Hochschule sie ersteigert. "Bei der andauernden Überprüfung unser Sammlung wurde der Kopf des Oba als ein Objekt identifiziert, das auf eine Weise aquiriert wurde, die wir heute als unmoralisch bewerten", sagte der Leiter des Museum dazu der BBC [bbc.com].
Beitrag von Oliver Noffke
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Selbstjustiz? Illegale Aktion gegen Beutekunst vor Gericht

 

KOLONIALE RAUBKUNST
Der kongolesische Aktivist Mwazulu Diyabanza hat versucht, Beutekunst aus Museen zu klauen - aus Protest gegen den Raub afrikanischer Kunstschätze. Jetzt steht er vor Gericht.

Im Sommer sorgte eine Aktion des kongolesischen Aktivisten Emery Mwazulu Diyabanza für Schlagzeilen. Aus dem Pariser Quai Branly Museum für außereuropäische Kunst versuchte er mit vier weiteren Mitstreitern einen Totempfahl ins Freie zu tragen. Es war ein Protest gegen den Umgang mit Beutekunst aus der Kolonialzeit. Diyabanza prangert an, dass Regierungen ihren vollmundigen Versprechen, geraubte Kunstwerke aus der Kolonialzeit zurückzugeben, nicht genug Taten folgen lassen. Er filmte seine Aktion und verbreitete das Video über die sozialen Netzwerke. "We're taking it home" (dt. Wir bringen es nach Hause) verkündete er in seiner Videobotschaft.

Nun stehen die fünf Aktivisten in Paris vor Gericht. Bereits am ersten Prozesstag versammelten sich viele Anhänger vor dem Gerichtsgebäude. Auch in anderen Städten, wo Diyabanza ähnliche Aktionen initiiert hat, könnten Prozesse auf ihn zukommen.
Diyabanza: "Wir machen weiter, solange die Ausplünderung Afrikas nicht wiedergutgemacht wird"
Der Nachrichtenagentur AFP hatte Diyabanza im Vorfeld der Verhandlung erklärt, dass es richtig gewesen sei, diesen Schritt mit "Kampfgeist" zu gehen, auch wenn es riskant sei und eine hohe Strafe zu befürchten sei. "Wir hatten nie die Absicht, diese Arbeiten zu stehlen, aber wir werden weitermachen, solange die ungerechte Ausplünderung Afrikas nicht wiedergutgemacht wird."
Dass so eine Aktion gerade in dieser Zeit passiert, wundert die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy nicht. Sie beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Thema Beutekunst aus der Kolonialzeit. "Diese Aktion war nicht überraschend, weil solche Szenarien schon seit den 1960er Jahren in Film und Literatur beschrieben werden."

Aus einem afrikanischen Land gestohlene Objekte oder Materien zurückzuholen, sei zum Beispiel Thema in dem Science-Fiction-Film "Black Panther"von Ryan Coogler, der vor zwei Jahren ins Kino kam. Aber auch schon in den 1970er Jahren habe der Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka das Thema aufgegriffen, sagt Savoy. "Es ist ein Topos in der Literatur und Emery Mwazulu Diyabanza ist jetzt der Erste, der das, was in der Imagination schon lange besteht, in die Tat umgesetzt hat."
Beutekunst in den großen Museen
Im Jahr 2018 hatte Emmanuel Macron die Kunstwissenschaftlerin Bénédicte Savoy und den senegalesischen Wirtschaftswissenschaftler und Schriftsteller Felwine Sarr mit einer umfangreichen Recherche zur Kolonialkunst beauftragt. Dem Bericht zufolge befinden sich rund 85 bis 90 Prozent der afrikanischen Kunstwerke und Kunstgegenstände außerhalb des afrikanischen Kontinents. Zu finden sind die afrikanische Skulpturen, Masken, Grabbeigaben, Schmuckstücke und rituellen Objekte in den großen Museen der Welt.
Allein in den französischen Nationalsammlungen befinden sich 90.000 afrikanische Objekte, 70.000 davon im Quai Branly Museum in Paris. Doch auch in Deutschland beherbergt allein das Ethnologische Museum in Berlin rund 500.000 Objekte aus der Kolonialzeit.

Aus einem afrikanischen Land gestohlene Objekte oder Materien zurückzuholen, sei zum Beispiel Thema in dem Science-Fiction-Film "Black Panther"von Ryan Coogler, der vor zwei Jahren ins Kino kam. Aber auch schon in den 1970er Jahren habe der Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka das Thema aufgegriffen, sagt Savoy. "Es ist ein Topos in der Literatur und Emery Mwazulu Diyabanza ist jetzt der Erste, der das, was in der Imagination schon lange besteht, in die Tat umgesetzt hat."
Beutekunst in den großen Museen
Im Jahr 2018 hatte Emmanuel Macron die Kunstwissenschaftlerin Bénédicte Savoy und den senegalesischen Wirtschaftswissenschaftler und Schriftsteller Felwine Sarr mit einer umfangreichen Recherche zur Kolonialkunst beauftragt. Dem Bericht zufolge befinden sich rund 85 bis 90 Prozent der afrikanischen Kunstwerke und Kunstgegenstände außerhalb des afrikanischen Kontinents. Zu finden sind die afrikanische Skulpturen, Masken, Grabbeigaben, Schmuckstücke und rituellen Objekte in den großen Museen der Welt.
Allein in den französischen Nationalsammlungen befinden sich 90.000 afrikanische Objekte, 70.000 davon im Quai Branly Museum in Paris. Doch auch in Deutschland beherbergt allein das Ethnologische Museum in Berlin rund 500.000 Objekte aus der Kolonialzeit.

In einem Moment, in dem die Öffentlichkeit die Proteste in den USA gegen Rassismus und die Symbole des Kolonialismus aufmerksam verfolge, werde auch eine solche Aktion, wie die von Emery Mwazulu Diyabanza, viel stärker wahrgenommen, sagt Savoy. Für sie ist diese Aktion nicht als Diebstahl anzusehen.
Im Zuge der "Black Lives Matter"-Bewegung, der auch Diyabanza angehört, und durch die Denkmalstürze von vermeintlichen kolonialen Helden, seien die Menschen für das Thema sensibilisiert. Das habe auch das große Interesse an dem Gerichtstermin gezeigt.
Kunsthistorikerin Savoy: "Die Menschen fühlen sich nicht gut behandelt"
"Die afrikanische Diaspora ist ein großer Teil der französischen Gesellschaft, wo sich die Menschen nicht gut behandelt fühlen", sagt Savoy. "Das Ganze muss vor Gericht sensibel verhandelt werden." In dieser Diaspora ist auch Emery Mwazulu Diyabanza zu Hause. Er wurde in Kinshasa geboren, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, lebte zeitweise in der französischen Stadt Champigny-sur-Marne, in den Pariser Vororten und in Lomé in Togo. Häufig trägt er eine schwarze Baskenmütze als Hommage an die amerikanischen Black Panthers, einer Bewegung des "schwarzen Nationalismus" in den USA in den 1960er Jahren. Um den Hals trägt er bei seinen Aktionen die Karte von Afrika als Anhänger. 2014 gründete er die Bewegung für Einheit, Würde und Mut (UDC) und setzte sich dabei unter anderem für die Rückgabe von Artefakten ein.
Diyabanza drohen bis zu zehn Jahre Haft
Vor Gericht wird er wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls eines Kulturgutes angeklagt. Den fünf Aktivisten drohen jeweils bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe von 150.000 Euro. Dabei hatte Diyabanza selbst am 30. Juni in Bezug auf die geraubte Kolonialkunst eine Beschwerde wegen "Diebstahls und Verschleierung" gegen den französischen Staat eingereicht.

Am 30. Juli wurde er in Marseille festgenommen, nachdem er ein Elfenbeinobjekt im Museum für afrikanische, ozeanische und indianische Kunst "beschlagnahmt" hatte. Und vor zwei Wochen spazierte er mit einer kongolesischen Grabskulptur aus einem niederländischen Museum, bis ihn die Polizei stoppte.
Europas verfehlter Umgang mit Beutekunst
"Wir sind in eine Zeit geraten, in der die Menschen frontal und brutal miteinander umgehen und nicht mehr reden. Das ist neu", sagt Savoy. Der Rassismus sei zunehmend unerträglich für die Betroffenen. "Ich habe einen Artikel aus den 1970er Jahren gelesen. Darin steht, wir sollten die Kulturgüter zurückgeben, bevor die Leute frustriert sind. Quasi als freundliche Geste." Diese Chance haben die europäischen Regierungen vertan.
"Noch bis 2017 hörte man hier, dass die Sachen in den Völkerkundemuseen legal erworben worden seien und es in Deutschland keinen Kolonialismus gegeben habe", erläutert Savoy. Das sei Teil des Frustes der jungen Generation, die selbst erarbeiten müsse, wo die Objekte aus den Museen herkämen.
Kunsthistorikerin Savoy: "Wegnehmen wird nie vergessen"
Kritiker werfen dem französischen Staat vor, nicht genug getan zu haben. So seien heilige Statuen aus Nigeria versteigert worden, obwohl Nigeria die französische Regierung aufgefordert hatte, den Verkauf einzustellen.
"Wegnehmen wird nie vergessen", sagt die Kunsthistorikerin. Auch der Kunstraub der Nationalsozialisten oder die Plünderungen Napoleons seien nicht vergessen. "Das hört nie auf, dass man die zurückholen will. Und das endet dann oft in Gewalt." Eine Lösung des Problems hält Savoy dennoch für möglich, vorausgesetzt man sei bereit, offen über alles zu sprechen. Und das nicht nur innerhalb Europas, sondern mit Künstlern, Literaten, Kulturträgern und Institutionen in Afrika. "Es geht nicht darum, ob die Werke legal oder illegal in die Museen gelangt sind", sagt sie, "es geht darum eine gemeinsame Zukunft zu erarbeiten." Es könne nur Frieden geben, wenn wir wirklich bereit seien, zu sprechen.
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Kommentar: Zeit für Afrika, sich von den kolonialen Relikten zu befreien

 

RASSISMUS
24.06.2020
Ganz Afrika ist bis heute durchzogen von Namen, die aus der Kolonialzeit stammen. Dabei hat der Kontinent ganz eigene Traditionen. Darüber hinaus wartet noch eine viel größere Aufgabe, meint Chrispin Mwakideu.

Am 21. Juli 1969 betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond und rammte mit seinem Kollegen Buzz Aldrin eine US-Flagge in den Mondboden. Diese Flagge war nicht nur ein Symbol des Stolzes der USA - sondern auch der Eroberung.
Bis zu diesem Tag im Jahr 1969 hatten sich viele afrikanische Staaten selbst aus kolonialer Herrschaft befreit. Obwohl sich heute alle Staaten Afrikas stolz als unabhängig bezeichnen können und ihre eigenen Flaggen hissen, sind koloniale Symbole mehr als ein halbes Jahrhundert später immer noch fest im Kontinent verankert - wenngleich nicht mehr so sichtbar wie zuvor.
Spuren der Kolonialzeit
Wie sonst kann man es erklären, dass Afrikas größter Süßwassersee immer noch nach der britischen Monarchin Victoria benannt ist?
Die Ostafrikaner, die den englischen Forscher John Hanning Speke als ersten Europäer an sein Ufer führten, nannten ihn Nyanza-See. Dennoch entschied Speke, ihn umzubenennen. Entweder hatte er die Sprache nicht verstanden oder es war ihm einfach egal, da er auf "Eroberungsmission im Auftrag Ihrer Majestät" war - in diesem Fall, um die Quelle des Nils zu finden.
Der ganze Kontinent ist übersät mit solchen kolonialen Relikten. Wahrzeichen, Straßen, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und in manchen Fällen sogar Kasernen tragen noch immer koloniale Namen.
Im Zentrum von Ugandas Hauptstadt Kampala ist eine Straße nach Speke benannt. Doch das könnte sich bald ändern, da ostafrikanische Staaten darüber nachdenken, Straßennamen mit Verbindung zur Kolonialzeit zu tilgen. Darin eingeschlossenen sind Straßen, die den Forscher Sir Henry Johnston ehren, den Abgesandten Henry Edward Colvile, das britische Kolonialregiment "King's African Rifles", Prinzessin Anne, Prinz Charles und auch die amtierende britische Königin Elizabeth II.
Denkmäler entfernen
Es macht Hoffnung, dass nun auch Großbritannien eine Debatte über seine koloniale und imperialistische Vergangenheit in Afrika führt, auch wenn es dafür des gewaltsamen Todes des schwarzen Amerikaners George Floyd bedurfte.
Ein College in Oxford kündigte an, es wolle die Statue von Cecil Rhodes von seiner Fassade entfernen - dem Mann, nach dem die heutigen Staaten Simbabwe und Sambia benannt waren: Süd- und Nordrhodesien. Ein Denkmal für Edward Colston, der ein Vermögen im transatlantischen Sklavenhandel machte, wurde in Bristol von Demonstranten ins Hafenbecken geworfen. Die Statue soll nun in einem Museum aufbewahrt werden.
In Afrika wurden bereits in den vergangenen Jahren Statuen von Königin Victoria, Cecil Rhodes, König Leopold II. von Belgien und diversen anderen Personen entfernt. Einige Statuen oder Monumente schrieben selbst Geschichte, wie die Vasco-da-Gama-Säule, die der Portugiese 1498 im kenianischen Malindi als Wegmarke für Schiffe errichtete, die auf dem Weg nach Indien waren. Heute ist die Säule eine Touristenattraktion. Menschen müssen dafür bezahlen, damit sie sie sehen können. Sie zu zerstören, wäre ein Frevel - obwohl der Seeweg, den da Gama fand, es den Portugiesen ermöglichte, in Asien ein koloniales Reich zu schaffen.
Die Afrikaner müssen deswegen abwägen und entscheiden, welche Relikte der Kolonial- und Sklavenzeit sie behalten wollen und welche nicht. Beispiele gibt es genug.
Warum Victoriafälle und nicht Mosi-Oa-Tunya-Fälle?
Die Iguazu-Wasserfälle an der Grenze zwischen Brasilien und Argentinien haben ihren Namen aus indigenen Tupi-Guarani-Sprachen bekommen und heißen übersetzt "große Wasser". In Afrika gibt es ähnlich großartige Wasserfälle an der Grenze zwischen Simbabwe und Sambia: die Victoriafälle.
Warum schon wieder Victoria? Im Geschichtsunterricht in der Schule in Kenia wurde mir beigebracht, dass David Livingstone, der berühmte schottische Missionar und erste Weiße, der das majestätische Naturwunder sah, sie nach der Königin benannte. Warum aber habe ich nicht gelernt, dass die Simbabwer schon lange zuvor einen Namen für sie hatten, nämlich "Mosi-Oa-Tunya", also "donnernder Rauch"?
Königin Victoria, die Regentin des britischen Empire, starb 1901. Warum sollen wir mehr als ein Jahrhundert später weiterhin ihren Namen für eines der bedeutendsten afrikanischen Naturdenkmäler nutzen, das seit Urzeiten einen afrikanischen Namen hatte?
Afrikanische Namen für afrikanische Städte
Auch Städte gibt es noch in Afrika, die weiterhin Namen tragen, die ihnen die Kolonialherren gaben. Nehmen Sie beispielsweise die nigerianische Millionen-Metropole Port Harcourt: 1913 gab ihr Frederick Lugard den Namen. Ihm war danach, mit der Benennung einer ganzen Stadt den damaligen Staatssekretär für Kolonien, Lewis Vernon Harcourt, zu ehren. Vor der Ankunft der Briten hieß die Stadt in der Ikwerre-Sprache "Iguocha" und die Igbo nannten ihre Hafenstadt "Ugwu Ocha", was soviel wie "strahlender Horizont" bedeutet.
Lagos, Nigerias mit Abstand größte Stadt, war unter dem Namen Eko bekannt - bis die Portugiesen kamen und ihn änderten. Das Gleiche passierte mit Johannesburg in Südafrika, Rabat in Marokko, Walvis Bay in Namibia, Winneba und Cape Coast in Ghana.
Sogar der westafrikanische Staat Sierra Leone verdankt seinen Namen einem Portugiesen. Der Forschungsreisende Pedro de Sintra nannte es "Serra Lyon" - Löwengebirge. Der Legende nach hörte de Sintra in den Bergen rund um den Hafen Löwen brüllen. So kreativ und poetisch das sein mag - und ich gebe zu, dass ich den Klang des Namens Sierra Leone mag - haben die Einheimischen ihren eigenen Namen für ihr Land. Es ist an ihnen zu entscheiden, ob sie diesen zurückhaben oder "Sierra Leone" beibehalten wollen.
Zurückgeben, was genommen wurde
Koloniale Benennungen in ihre originalen afrikanischen Namen zurück zu ändern, ist kein Versuch, die Geschichte umzuschreiben. Das haben bereits diejenigen getan, die in Afrika eingedrungen sind, um den Kontinent zu versklaven und zu kolonialisieren.
Die alten afrikanischen Namen wieder einzuführen, bedeutet nur zurückzugeben, was genommen wurde. Und wenn das passiert ist, können wir vielleicht anfangen, über die künstlichen, auf afrikanische Volksgruppen und Ethnien keinerlei Rücksicht nehmenden Grenzen zu reden, welche die Kolonialmächte bei der Berliner Konferenz 1884/85 gezogen haben. Bei der übrigens kein einziger Afrikaner anwesend war.
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Die Schatten des deutschen Kolonialismus

 

GESCHICHTE
18.06.2020
Der Streit um die Kolonialgeschichte hat Deutschland erreicht. Soll man dessen Symbole stehen lassen, besser einordnen – oder einfach entfernen?

Die Statue des britischen Sklavenhändlers Edward Colston in Bristol wird in den Hafen geworfen; die Figur von Christoph Kolumbus in Boston wird geköpft; die Stadtväter von Antwerpen entfernen aus Sorge vor Zerstörung vorsorglich selbst ein Standbild von König Leopold II, der für schlimmste Gräueltaten in seiner "privaten" Kongo-Kolonie verantwortlich gemacht wird. Koloniale Symbole weltweit stehen derzeit als Ausdruck für weißen Rassismus unter Druck. Lange hat sich kaum jemand für sie interessiert. Das hat sich spätestens mit dem gewaltsamen Tod des Schwarzen George Floyd durch einen weißen Polizisten in den USA geändert.
Deutschland hatte eine nur kurze Kolonialgeschichte, von 1884 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, als es seine Kolonien in Afrika, Ozeanien und Ostasien wieder abgeben musste. Aber auf seinem Höhepunkt war das deutsche Kolonialreich immerhin das viertgrößte der Welt. Und Spuren davon gibt es bis heute.
Was tun mit der "Lüderitzstraße"?
Nach wie vor sind Straßen und Plätze in Deutschland nach Kolonisatoren wie Carl Peters, Adolf Lüderitz oder Gustav Nachtigal benannt. Der Befehlshaber der Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika, Paul von Lettow-Vorbeck, war bis vor wenigen Jahren Namensgeber von Kasernen und Schulen. Es gibt nach wie vor eine Statue von Hermann von Wissmann, einem ehemaligen Gouverneur der Kolonie, in Bad Lauterberg imHarz und eine Büste von Nachtigal, der zeitweise Reichskommissar für Deutsch-Westafrika (heute Kamerun und Togo) war, in Stendal in Sachsen-Anhalt.
Die Diskussion um den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit ist in vollem Gange: Was soll mit den Standbildern, Straßennamen und mit der kolonialen Raubkunst in Museen geschehen? Schließlich die Frage, ob Deutschland sich für koloniale Verbrechen wie die Niederschlagung des Herero- und Nama-Aufstands in Südwestafrika oder des Maji-Maji-Aufstands in Ostafrika mit zusammen hunderttausenden Toten entschuldigen und Entschädigungszahlungen leisten sollte. All das sind Schatten der deutschen Kolonialgeschichte, auch wenn diese schon mehr als 100 Jahre zurückliegt.
Widerstand gegen Umbenennungen
Im so genannten "Afrikanischen Viertel" in Berlin gibt es bereits seit Jahren Streit um die Umbenennung von Straßen. Die Bezirksverordnetenversammlung hat bereits vor gut zwei Jahren beschlossen, sie nach Widerstandskämpfern gegen die deutsche Kolonialherrschaft umzubenennen.
Doch viele Bewohner und Geschäftsinhaber in den Straßen sind dagegen, oft nicht aus politischen Gründen, sondern, weil sie die Kosten von Adressenänderungen vermeiden wollen. Manche wollen auch einfach aus Gewohnheit an den alten Namen festhalten. Die Initiative Pro Afrikanisches Viertel hat einen kreativen Weg vorgeschlagen, wie die Namen bleiben könnten: Die Lüderitzstraße soll nach der namibischen Stadt gleichen Namens heißen, der Nachtigalplatz nach dem Theologen Johann Nachtigal. Und die Petersallee erinnert bereits seit 1986 offiziell nicht mehr an den Kolonialisten Carl Peters, der in Ostafrika brutal geherrscht hatte. Sie ist jetzt nach Hans Peters benannt, einem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Manche meinen, damit weiche man dem Problem aus. Endgültig ist jedenfalls noch nichts, der Namensstreit hält an.
Kaum jemand möchte alles auslöschen
In Hamburg auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne hat man Erklärtafeln zu den Büsten von Männern wie Paul von Lettow-Vorbeck und Lothar von Trotha gestellt, die an der Niederschlagung von Aufständen in den deutschen Kolonien maßgeblich beteiligt waren. Wie es mit dem Umgang damit weitergeht, ist noch nicht klar. Dem Senat geht es jedenfalls grundsätzlich darum, dass diese schwierige Geschichte auch künftigen Generationen im Bewusstsein bleibt: weder Glorifizierung noch Tilgung sollen das Konzept sein, sondern eher Mahnmale und Erinnerung.
"Gegendenkmäler" als Lösung?
Weiter geht der Verein Postkolonial. Er ist in rund 20 deutschen Städten aktiv. Postkolonial setzt sich etwa in Hamburg, so heißt es auf der Webseite, für eine "umfassende Dekolonisierung des Hamburger Stadtraums (…) und die Darstellung der Geschichte des antikolonialen Widerstandes sowie für ein ehrendes Gedenken an die Opfer von Kolonialismus und Rassismus" ein. Das schließt Straßenumbenennungen ein, aber es geht dem Verein nicht darum, alle Spuren des Kolonialismus einfach auszulöschen. Für Christian Kopp, Sprecher von Postkolonial in Berlin, kommen etwa auch Gegendenkmäler infrage. Nur eine kritische Informationstafel vor ein Denkmal zu stellen, ist ihm eindeutig zu wenig.
Jürgen Zimmerer, Historiker und Afrikawissenschaftler an der Universität Hamburg, sieht es so: "Als Historiker habe ich ein Interesse daran, dass Denkmäler als historische Quellen erhalten bleiben. Allerdings müssen Sie radikal dekonstruiert und entheroisiert werden, so dass ihre verherrlichende Funktion entfällt. Man könnte sie beispielsweise auf den Kopf stellen oder hinlegen."
Ein Beispiel für ein Totschweigen ist das Grab von Lothar von Trotha in Bonn. Mit seinem "Vernichtungsbefehl" von 1904 hatte er einen Aufstand der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika grausam niedergeschlagen:  An seinem Grab gibt es keinerlei Hinweis auf diese Vergangenheit.
Die AfD spricht von "Afrika-Schuldkult"
Einige Historiker haben dies als ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Die Bundesregierung erkennt das bisher aber nicht offiziell an. Der namibische Präsident Hage Geingob hat Anfang dieses Monats in Windhuk gesagt, Deutschland sei nun dazu bereit, genauso wie zu einer Entschuldigung. Aus Berlin war dazu allerdings nichts zu hören. Bisher hat die Bundesregierung Entschädigungszahlungen vor allem mit der Begründung abgelehnt, Namibia habe von umfangreicher Entwicklungshilfe profitiert.
Die Parteien in Deutschland stehen einem kritischen Umgang mit der Kolonialvergangenheit insgesamt offen gegenüber, mit einer deutlichen Ausnahme: der AfD. Zur jetzigen Diskussion um Denkmäler sagte Alexander Gauland, der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, kürzlich: "Versuche, ein von allen störenden Aspekten bereinigtes Geschichtsbild durchzusetzen, kannte man bis lang nur aus totalitären Systemen." Und der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio beklagt sich in einem Video über seiner Ansicht nach linke Versuche, den Deutschen einen "Afrika-Schuldkult" einzuimpfen.
Welche Maßstäbe kann man anlegen?
Aber kann man überhaupt historische Persönlichkeiten und Epochen mit heutigen Maßstäben messen? Jürgen Zimmerer meint eindeutig ja, "sonst dürften wir uns ja auch von Hitler, Himmler und Co nicht distanzieren oder diese verurteilen". Es gehe aber in der gegenwärtigen Debatte vor allem darum, "ob die historischen Persönlichkeiten heute als zu ehrende Vorbilder geeignet sind, und damit sind unsere heutigen Maßstäbe maßgeblich. Wir verhandeln in Denkmälern auch unsere eigenen Werte und Vorstellungen".
Der deutsche Kolonialismus war bisher ein wenig beachteter Teil der Geschichte. Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, gehört zu denen, die froh sind, dass sich die deutsche Gesellschaft durch die Proteste überhaupt damit befasst. Zwar könne man den Umgang in Deutschland und Ländern wie den USA oder Großbritannien mit Denkmälern nicht vergleichen. Doch inzwischen rücke der deutsche Kolonialismus endlich ins öffentliche Bewusstsein. Darin sieht Claussen eine große Bildungsaufgabe.
Datum 18.06.2020
Autorin/Autor Christoph Hasselbach
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"Die gestohlene Seele": Streit um Raubkunst aus Kamerun

 

Ein deutscher Kolonialist raubt in Kamerun den Tangué, eine Schnitzerei, und bringt ihn nach München. Warum die Beutekunst nach 136 Jahren noch dort ist.
02.09.2020
An den Wänden hängen Plakate gegen das Berliner Humboldt Forum, Ventilatoren rattern, Neonröhren werfen ihr grelles Licht auf die Nachbildung des sogenannten "Tangué", die in dem schmucklosen Konferenzraum der Stiftung AfricAvenir in Douala, der größten Stadt Kameruns, steht. Das Replikat ist eine Art Mahnmal. Denn das Original, der kunstvoll aus Holz geschnitzte Schiffsschnabel, der einst, im 19. Jahrhundert, die Spitze eines königlichen Kanus zierte, ist geraubt. Der Tangué ist ein rituelles Objekt, das die Menschen in der Küstenstadt mit den spirituellen Kräften des Flusses verbindet. Er befindet sich seit mehr als 130 Jahren in Deutschland, rund 5000 Kilometer Luftlinie entfernt, im Münchner Museum Fünf Kontinente.
Für den Gründer der Stiftung AfricAvenir, Prinz Kum'a Ndumbe III., ist das bis heute ein schmerzlicher Verlust. Der Historiker und Germanist war lange als Hochschullehrer an der Freien Universität Berlin tätig. "Alles, was eine tiefe spirituelle Bedeutung hatte für die Afrikaner, das hat man weggenommen, um ihnen dann sozusagen Ersatz-Religionen zu bringen. Aber man kann doch nicht die Seele ganzer Völker rauben, wegbringen und dann sagen, man bringt ihnen Zivilisation!", sagt er im Interview für die DW-Dokumentation "Die gestohlene Seele".
Ein klarer Fall von kolonialer Raubkunst
Als Ende des 19. Jahrhunderts Kamerun im Begriff ist, deutsche Kolonie zu werden, ist der Tangué noch im Besitz von Lock Priso, dem Oberhaupt der königlichen Bele Bele Familie, Herrscher eines Stadtteils von Douala. Um sich exklusive Handelsvorteile zu sichern, überzeugen die Deutschen damals die Könige der florierenden Küstenstadt Douala, einen Schutzvertrag zu unterzeichnen. Nur einer verweigert seine Unterschrift: Lock Priso, der Großvater von Stiftungsgründer Kum'a Ndumbe.
Im Dezember 1884 laufen deutsche Kriegsschiffe in Douala ein und Lock Prisos Widerstand wird gewaltsam gebrochen. Er muss einen Friedensvertrag mit den Deutschen schließen. Als die Kolonialtruppen dessen Dorf angreifen, sichert sich der deutsche Konsul Max Buchner den Tangué aus dem Haus des Oberhaupts, bevor dieses in Brand gesteckt wird.
Ein klarer Fall: Der Schiffsschnabel wird als Kriegsbeute geraubt. Ein Jahr später übergibt Buchner seine Beute der Königlich Ethnographischen Sammlung in München, dem heutigen Museum Fünf Kontinente - als Geschenk.
Warum die Raubkunst bis jetzt in Deutschland ist
In den 1990er Jahren entdeckt Historiker Kum'a Ndumbe den Schiffsschnabel dort wieder und fordert ihn zurück. Doch bisher ohne Erfolg.
Für Uta Werlich, Direktorin des Museums in München, liegt das Problem darin, dass "nicht ausreichend nachgewiesen ist, ob Kum'a Ndumbe III. wirklich legitimiert ist, für die Familie der Bele Bele als Nachfolger von Lock Priso den Tangué zurückzuerhalten". Die Komplexität liegt in den für deutsche Behörden schwer nachvollziehbaren Machtverhältnissen in Douala: Kum'a Ndumbe, der Enkel von Lock Priso und Teil der einflussreichen und gesellschaftlich in Kamerun anerkannten Königsfamilie der Bele Bele ist, sieht sich als rechtlicher Nachfolger von Lock Priso. Doch das offizielle, vom Staat Kamerun ernannte Familienoberhaupt der Bele Bele ist Paul Mbappe, den der Tangué bisher kaum interessiert hat.
"Es ist hier eine für uns schwer zu durchschaubare Gemengelage, die wir nach wie vor erst klären müssen, bevor wir allzu vorschnell zurückgeben", erklärt Stefan Eisenhofer, Kurator der Afrika-Abteilung im Münchner Museum.
Wer entscheidet, wer der rechtmäßige Erbe ist?
Welches Familienmitglied hat das Recht, die Raubkunst zurückzunehmen? Auf der einen Seite steht der kritische Kum'a Ndumbe, der auch mit deutschen NGOs, die den Kolonialismus aufarbeiten, gut vernetzt ist. Auf der anderen der offizielle Familienvertreter Paul Mbappe, dem Kum'a Ndumbe vorwirft, eben deshalb vom Staat ausgewählt worden zu sein, weil er beim Thema Restitution eine weniger kritische Haltung vertritt und keinen Widerstand leistet. Und wer kann und darf in dieser Frage überhaupt entscheiden?
An diese Fragen schließt sich zudem eine weitere an: Dienen die verworrenen Machtverhältnisse in Kamerun womöglich nur als Ausrede, um eine Rückgabe des eindeutig geraubten Schiffsschnabels hinauszuzögern?
Leitfaden für deutsche Museen - ohne rechtliche Bindung
Ethnologische Museen in Deutschland sind voll mit Kunst und Kulturgütern, die in der Zeit des Kolonialismus gesammelt wurden. Das Deutsche Kaiserreich machte sich in der Zeit seit den 1880er Jahren bis nach dem Ersten Weltkrieg, der 1918 endete, Kolonien zu eigen. Schätzungsweise lagern rund 1,5 Millionen Kolonial-Objekte in den Depots deutscher Museen. Sie wurden getauscht, gekauft, geschenkt - und geraubt. An wie vielen der Gegenstände Blut klebt, ist unklar.
Klar ist, dass der Diebstahl von Kulturgütern in Afrika für die Kolonialherren gängige Praxis war. Seit geraumer Zeit werden die Forderungen nach Rückgaben an Herkunftsgesellschaften immer lauter. Die Politik ist sensibilisiert: Unterstützt von der deutschen Kulturstaatsministerin Monika Grütters, gab der Deutsche Museumsbund 2019 einen Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialem Kontext heraus. Rechtlich bindend ist dieser jedoch nicht.
Diskussionen um Rückgabe angestoßen
Im Februar 2019 macht das deutsche Bundesland Baden-Württemberg den Auftakt und gibt die geraubte Bibel und die Viehpeitsche des Nama-Führers Hendrik Witbooi an Namibia zurück. Witbooi, der von 1830 bis 1905 lebte, kämpfte gegen die deutschen Kolonialtruppen. Die Rückgabe ist ein Anfang - doch im Vergleich zu der Vielzahl der weiteren Kunst- und Kulturgüter ein rein symbolischer Akt. Denn wenn es um wertvollere Objekte geht, die auf dem Kunstmarkt teilweise für mehrere Millionen gehandelt werden, wie beispielsweise die berühmten Benin-Bronzen aus dem heutigen Nigeria, bewegt sich auf europäischer Seite kaum etwas.
Wenn es um den Schiffsschabel aus Kamerun, den Tangué, geht, gibt Prinz Kum'a Ndumbe III. die Hoffnung nicht auf. 2019 veröffentlichte er ein Buch, in dem er Dokumente zusammenstellte, die seinen Anspruch auf Lock Prisos Erbe unterstützen sollen. "Ich warte", erklärt der Historiker. "Ich habe das Meine getan. Sie wollten Dokumente - ich habe ihnen die Dokumente jetzt geschickt, aber öffentlich."
Die längst überfällige Debatte über Raubkunst und das koloniale Erbe Europas ist so langsam in der Öffentlichkeit angekommen.
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Nigeria will Beutekunst zurück

 

Museen in Europa werben gerne mit den Bronzen aus Benin. Sie zählen zu den bedeutendsten Kunstobjekten Afrikas. Doch im Ursprungsland Nigeria waren sie noch nie zu sehen. Nun werden die Forderungen nach Rückgabe lauter.
26.01.2018
Ikhuehi Omonkhua steht an der Eingangstür des Nationalmuseums von Benin City und begrüßt die Besucher. Das Museum wurde 1973 eröffnet, ist mittlerweile komplett renoviert und eines der bekanntesten und modernsten in ganz Nigeria. Mit großer Begeisterung erklärt Omonkhua den Aufbau der Ausstellungen, um sich anschließend besonders viel Zeit für den ersten Abschnitt zu nehmen: die uralten Bronzen, die aus der Region des heutigen Bundesstaates Edo stammen.
Es sind quadratische und rechteckige Tafeln, die etwas größer sind als ein Blatt Briefpapier. Sie zeigen Alltags- und Kriegsszenen. Unter den Ausstellungsstücken ist auch der Kopf einer Frau. Alle sind sehr detailgetreu ausgearbeitet. An manchen Tafeln sind im Laufe der Jahrhunderte die Ecken abgebrochen. Dennoch sind sie gut erhalten. "Die ersten Bronzen wurden in Benin etwa 1288 angefertigt", erklärt Ikhuehi Omonkhua. "Mit ihnen haben sich kulturelle Aktivitäten im Palast dokumentieren lassen. Die Nutzung dieser Bronzen war das exklusive Recht des Königs."
Bronzen "am falschen Ort"
Den König, den Oba von Benin, gibt es bis heute. Nur sind die allermeisten der bekannten Bronzen nicht mehr in Afrika. Vor dem einen oder anderen Ausstellungsstück bleibt Omonkhua zwar stehen und erklärt die Bedeutung der jahrhundertealten Platte. Die weitaus bekannteren wurden aber während der Kolonialzeit geraubt und sind heute in europäischen Museen, unter anderem im British Museum in London, im Grassimuseum für Völkerkunde in Leipzig und im Weltmuseum in Wien zu sehen. Insgesamt wurden mehr als 3000 Skulpturen während der Benin-Expedition im Jahr 1897 geraubt. Daran beteiligt waren Geschäftsleute und Vertreter der britischen Regierung, die damals Kolonialmacht im heutigen Nigeria war. In Europa angekommen, wurden die meisten Arbeiten von Museen ersteigert.
Diese Bronzeskulptur ist im British Museum in London zu sehen
Was viele Jahrzehnte lang nicht zu einem offiziellen Diskurs geführt hat, wird mittlerweile in Nigeria immer stärker thematisiert. Besonders engagiert ist Theophilus Umogbai, Kurator des Museums von Benin City. Ein Grund dafür ist ein sehr persönliches Erlebnis. Ausgerechnet in England sah er die Kunstwerke seiner Vorfahren zum ersten Mal: "Plötzlich sah ich sie. Ich habe sogar Fotos mit ihnen im Hintergrund gemacht. Ich war sehr bewegt, was die übrigen Besucher um mich herum gar nicht gespürt haben. Ich war glücklich, aber auch wieder nicht: Sie waren am falschen Ort."
Leihgaben sind keine Option
Das Ziel des Kurators ist es deshalb, die Bronzen zurück nach Nigeria zu bringen. Eine Plattform dafür könnte die Benin-Dialog-Gruppe sein, in der sich verschiedene Museen in Europa sowie Nigerias nationale Kommission für Museen und Monumente zusammengeschlossen haben. Das wohl eindrücklichste Treffen fand 2016 an der Universität von Cambridge statt und wurde von Protesten afrikanischer Studenten überschattet. "Ein Hahn aus Bronze, sehr wichtig und ein Symbol der Königsmutter, wurde jahrelang offen in der Halle in Cambridge ausgestellt", erzählt Theophilus Umogbai. "Das ist eine Beleidigung für uns."
Bronzen in Benin City und deren Rückkehr nach Nigeria
Kurator Theophilus Umogbai fordert die Rückgabe von Raubkunst
Inzwischen ist der Hahn nicht mehr im Jesus College zu sehen, das zur Universität von Cambridge gehört. Zurück in Nigeria ist er damit aber noch lange nicht. "Es ist gut, dass wir den Dialog aufrecht erhalten", sagt Umogbai. Gleichzeitig fordert er eine wirkliche Bereitschaft zur Rückgabe ein. Doch die Frage, wem Raubkunst gehört, ist meist nicht einfach zu beantworten. Im Fall der Benin-Bronzen ist nun eine Ausstellung in Nigeria im Gespräch. Für den Kurator in Benin City ist das aber ein falscher Ansatz: "Wie kann man uns die Bronzen geben und dann wieder wegnehmen? Das macht es nur schlimmer. Es ist wie eine verheilte Wunde, die jemand wieder mit einem scharfen Messer öffnet."
Offizielle Entschuldigung bleibt aus
Die Ausstellung im Nationalmuseum von Benin City zeigt neben den wenigen Bronzen auch frühe Fotografien aus der Region und bringt Kunst aus verschiedenen Teilen Nigerias zusammen. Täglich verzeichnet das Museum 50 bis 70 Einzelbesucher. Dazu kommen Gruppen, vor allem Schulklassen. Zu den regelmäßigen Gästen gehört Omoruyi Charles Irene, ein junger, schmaler Mann im roten Hemd: "Als jemand aus Benin City macht es mich besonders traurig, zu sehen, dass Leute gekommen sind und alles mitgenommen haben", sagt er, um dann wieder die Tafel mit einer Szene aus dem Palast des Oba - des Königs - zu betrachten.
Den jungen Mann ärgert aber noch etwas anderes: "Soweit ich weiß, gab es nicht einmal eine offizielle Entschuldigung." Museumsmitarbeiter Ikhuehi Omonkhua nickt. Was dem Museum geblieben ist, ist eine verschwommene Schwarz-Weiß-Aufnahme aus dem späten 19. Jahrhundert. Sie zeigt, wie die einige der Bronzen auf einen sandigen Platz gelagert wurden: mitten in der Sonne, mitten in der Stadt und nicht im heiligen Königspalast. Anschließend traten sie ihre Reise nach England an.
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Beutekunst aus Afrika?

 

KULTUR
Europas Völkerkundemuseen besitzen zahllose Exponate, die unter den Bedingungen kolonialer Machtausübung erworben wurden. In Berlin fordern Kritiker die Rückgabe von Sammlungsobjekten aus dem Ethnologischen Museum. 02.12.2013

Gegenüber der weltberühmten Museumsinsel Berlin, auf der größten Kulturbaustelle Deutschlands, drehen sich die Kräne. 2019 soll dort das Humboldtforum eröffnen. Sein Herzstück: die Sammlungen des Ethnologischen Museums Berlin. Deren Exponate, zum größten Teil aus Kulturen außerhalb Europas, führen bisher ein Schattendasein am Stadtrand. Der Umzug ermöglicht eine "wirklich gleichwertige Präsentation gegenüber den sogenannten Hochkulturen auf der Museumsinsel", sagt Hermann Parzinger, Präsident der übergeordneten Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Doch ein Bündnis kritischer Berliner Initiativen, "No Humboldt 21", stößt sich an der kolonialen Herkunft zahlreicher Sammlungsobjekte.
Koloniale Plünderungen

"Wir haben hier eine der größten Sammlungen an Beutekunst überhaupt", sagt Politikwissenschaftler Joshua Kwesi Aikins. Ein wichtiger Teil der Museumssammlung stammt aus der früheren deutschen Kolonie Kamerun, wo damals "Schutztruppen" am Werk waren. In Wahrheit handelte es sich, so Aikins, "um ein koloniales Überfallkommando, das dortige Gemeinschaften erobert und teilweise zerstört hat". Plünderungen inklusive. Zahlreiche Objekte wechselten zwar gewaltfrei den Besitzer - als Geschenk, durch Kauf oder Tauschhandel. Aber "in einer Konstellation, wo eindeutig die Macht bei den Kolonialherren lag, kann von Tausch nicht die Rede sein", moniert Historiker Christian Kopp: "Häufig war es heimlicher Diebstahl, Erpressung oder Beute."
Kulturpolitische Schieflage
Das weckt ungute Erinnerungen: Auch Kunstwerke, die während der NS-Herrschaft jüdischen Eigentümern entwendet wurden, landeten massenhaft in deutschen Museen. Die Aufarbeitung wurde jahrzehntelang verschleppt, viel zu spät steckte die Bundesrepublik Geld in die Provenienzforschung. Vor der Herkunft kolonialer Museumsstücke, gerade aus Afrika, verschließt man noch heute oft die Augen. Und das, während auf höchster politischer Ebene die Rückgabe von Beutekunst aus dem Zweiten Weltkrieg gefordert wird - von Kunstwerken also, die alliierte Soldaten aus Hitler-Deutschland abtransportiert hatten. Eine kulturpolitische Schieflage.
Geschenk oder Diebstahl?
In Berlin ist das prominenteste Objekt aus Kamerun der perlenbesetzte Thron von Njoya, dem König der Bamum - offiziell ein Geschenk an Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1908. Doch hinter der Schenkung stand massiver politischer Druck. Njoya entschied sich angesichts dessen für eine Zusammenarbeit mit den Deutschen und versuchte politisch auf Augenhöhe zu agieren. Dieser Teil der Geschichte wird nun transparent gemacht: anhand von Dokumenten, die das Museum in der "Humboldt-Box" präsentiert, einer Vorschau aufs Humboldtforum.
Offizielle Restitutionsforderungen gibt es nicht. Der Thron könne in Berlin bleiben, ließ der heutige Sultan von Bamum noch vor wenigen Jahren wissen. Doch einige Kameruner Intellektuelle sehen das anders. Von "Diebstahl" spricht Schriftsteller Patrice Nganang, der sich detailliert mit der Kolonialzeit befasst hat: "Die Schenkung ist unter betrügerischen Umständen zustandegekommen". Und Jean-Emmanuel Pondi, Professor für Internationale Beziehungen, verweist auf die UN-Charta und die Selbstbestimmung der Völker. "Die schließt das Erbe der Völker ein. Darum kann man nicht sagen, dass solche Objekte Deutschland, Frankreich oder Großbritannien gehören. Juristisch gesehen ist das nicht vertretbar."
Recht versus Ethik
Ob Thron oder Alltagsobjekt, Maske oder Skulptur: häufig erhielten Museen Objekte von Sammlern, die während der Kolonialzeit in Afrika unterwegs waren. Ganz legal nach damaligem, von Europäern oktroyiertem Recht. Legal auch heute noch, sagen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und profilierte Kunstrechts-Experten. Das Thema beschäftigt auch das Ethik-Komitee des Internationalen Museumsrates. "Eng juristisch gesehen, sind die Objekte legal aus den Kolonien nach Europa gebracht worden", sagt dessen Präsident Martin Schärer, "damit kommt man jedoch nicht viel weiter". Für die Praxis an Museen heißt das unter anderem, Wege der Zusammenarbeit mit Kollegen aus den Herkunftsländern zu finden, um die Forschung zu intensivieren und gegenseitige Ausstellungen auf den Weg zu bringen. Ein Beispiel: Berlin besitzt rund 300 Bronzen aus der nigerianischen Stadt Benin. 1897 von britischen Truppen geraubt, gelangten sie auf den Kunstmarkt.
Keine Kassenbons
Gedenkfiguren eines Königs und einer Königinmutter Kamerun, Königreich Kom, 19. Jh. (Foto: Stiftung Preußischer Kulturbesitz / Dietrich Graf)
Beute einer Plünderung - heute im Museum: Figuren aus Kom, Kamerun
"Natürlich haben wir mehr als 100 Jahre danach Bauchgrimmen", sagt Peter Junge, Leiter der Afrika-Abteilung am Ethnologischen Museum. "Wir sind gemeinsam mit Vertretern aus Nigeria übereingekommen, nicht mehr über die Frage der Legalität zu sprechen, sie führt zu nichts. Wir haben uns als gemeinsames Ziel gesetzt, die Objekte in Nigeria in Ausstellungen zu zeigen." Diese Zusammenarbeit ist auch deshalb möglich, weil die Herkunft der Bronzen recht gut dokumentiert ist. Doch das lässt sich nur von einem Bruchteil der Sammlungsobjekte sagen. "Da gibt es vielleicht eine Quittung, eine Aufzeichnung, einen Tagebucheintrag", erläutert Hermann Parzinger, "aber natürlich keine Kassenbons und Rechnungen mit Stempeln". Kurz: Ethnologische Museen kennen die Herkunft ihrer Bestände oft nur rudimentär.
Überfällige Debatte
Gelegentlich kommt es dennoch zu Rückgaben. 2003 etwa bekam Simbabwe vom Ethnologischen Museum Berlin eine spirituell bedeutsame Vogel-Figur wieder. Der No-Humboldt-Initiative genügt das nicht. Sie drängt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Gelder zur Provenienzforschung einzufordern - "lautstark und öffentlich" wie Joshua Kwesi Aikins betont. "Und die Dinge transparent unter Beteiligung der entsprechenden Communities aufzuarbeiten." Diese Kooperation sei "noch extrem ausbaufähig", räumt Stiftungspräsident Parzinger ein. "Ich denke, dass die Initiative wichtig ist insofern, als sie uns ein bisschen unter Druck hält, die Zusammenarbeit mit diesen Gruppen wirklich ernst zu nehmen. Meine große Hoffnung für das Humboldtforum ist, dass es ein Ort wird, der auch von anderen Kulturen als ihr Ort verstanden wird."
Communities vor Ort mit einbeziehen: Der Palast des Sultans der Bamum heute
Das könnte man von Australien lernen, wo oft Kunst der Aborigines in Museen landete. "Wenn man Wissen gewinnt, das aus der Ursprungsgesellschaft stammt, nützt das auch den Museen, selbst wenn potentiell Restitutionsansprüche erhoben werden können“, sagt Kunstrechts-Expertin Ana Filipa Vrdoljak aus Sydney. "Meiner Erfahrung nach ist die Angst, ein Schleusentor zu öffnen, unbegründet. Oft passiert sogar das Gegenteil: Communities schenken den Museen im Gegenzug andere Objekte." So weit ist man in Berlin noch nicht. Aber die längst überfällige Debatte ist eröffnet.
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Volk der Nama gegen Rückgabe von Gegenständen aus Kolonialzeit an Namibia

 

KOLONIALERBE
Es geht um eine Peitsche und eine Bibel aus dem Besitz des Nationalhelden Hendrik Witbooi, die Deutschland an Namibia übergeben will. Dies lehnt das Volk der Nama ab - weil es sich von Windhoek nicht vertreten fühlt.
18.02.2019
Die geplante Rückgabe einer in der Kolonialzeit gestohlenen Bibel und Peitsche an Namibia wird zum juristischen Streitfall. Die Vereinigung der Nama-Stammesältesten (NTLA) will die Rückgabe im März verhindern. Sie hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Landesverfassungsgericht in Stuttgart beantragt, wie ein Gerichtssprecher bestätigte.
Volk der Ovambo dominiert Regierung in Windhoek
Es geht um eine Bibel und eine Peitsche des namibischen Nationalhelden Hendrik Witbooi, die im Linden-Museum für Völkerkunde in Stuttgart lagern und am 1. März zurückgebracht werden sollen. Die namibische Regierung will sie entgegennehmen. Witbooi gehörte dem Stamm der Nama an. Deren Führung fühlt sich in den Verhandlungen mit Deutschland nicht ausreichend repräsentiert von der namibischen Regierung, die von Angehörigen des Volkes der Ovambo dominiert ist.
Eine Rückgabe von zur Kolonialzeit gestohlenem Besitz sei nur akzeptabel, wenn auch eine Entschädigung für die verlorenen Jahrzehnte gezahlt werde, erklärte die NTLA Anfang des Monats. Die Vertreterin der Nama in Deutschland, Christine Kramp, forderte nun in Stuttgart, die Gegenstände sollten an Witboois Nachfahren und nicht an den Staat zurückgegeben werden.
Von 1884 bis 1915 hielt das deutsche Kaiserreich weite Gebiete Namibias besetzt. Besonders brutal gingen deutsche Truppen von 1904 bis 1908 gegen einen Aufstand der um ihren Landbesitz fürchtenden Herero und Nama vor. Das Geschehen mit Zehntausenden Toten bezeichnen Wissenschaftler und Politiker inzwischen übereinstimmend als Völkermord. Witbooi war ein legendärer Anführers des Aufstandes.
Für Museum in Witboois Heimatort vorgesehen
Die Bibel und die Peitsche sollen nach derzeitiger Planung zunächst vom namibischen Staat verwaltet werden, bis Witboois Nachkommen in seinem Heimatort Gibeon ein Museum dafür errichten können. Beide Gegenstände kamen 1902 als Schenkung in das heute von Stadt und Land getragene Linden-Museum. Sie waren nach letzten Erkenntnissen bereits im Jahr 1893 bei einem Angriff auf Hornkranz, den Hauptsitz Witboois, erbeutet worden. Die Kolonialtruppen im damaligen Deutsch-Südwestafrika sollen auch dabei mit größter Brutalität vorgegangen sein.
Heute erinnern in Namibia Denkmäler an Witbooi. Zudem ist sein Porträt auf mehreren Geldscheinen zu sehen.
sti/as (dpa, epd, kna)
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Siehe auch:



3. YouTube- Videos 

 


3.1 YouTube-Videos zur Deutschen Völkerschauen - Menschen in Zoos

 

 

03.11.2021- Menschen ausgestellt im Zoo - Das dunkle Kapitel Völkerschauen | Panorama 3 | NDR

ARD

Es ist hierzulande eine nahezu unbekannte Geschichte, die Christian Karembeu erzählt: Vor nicht einmal 100 Jahren wurde sein Urgroßvater in einer Völkerschau von Hagenbecks Tierpark als angeblicher Kannibale präsentiert. Karembeu ist ein französischer Fußballstar und wurde 1998 Weltmeister. In Frankreich hatte er schon vor Jahren auf die Geschichte seines Urgroßvaters aufmerksam gemacht. Auch in Deutschland wünscht er sich nun eine kritische Debatte und Aufarbeitung dieses Kapitels. Der Tierpark jedoch weicht konkreten Fragen von Panorama 3 zu den näheren Umständen der Völkerschauen aus.
https://www.youtube.com/watch?v=f58hIJi6Xng

 

 

02.09.2020 - Wie ein Deutscher mit Menschenzoos reich wurde

Simplicissimus
Menschenzoos waren vor weniger als 100 Jahren extrem weit verbreitet in Europa. Ein Deutscher spielte dabei eine Schlüsselrolle.
https://www.youtube.com/watch?v=pF60KQe2qNs

 

 

12.10.2020 - Entführt und ausgestellt - Das vergessene Erbe der Völkerschauen

Zwidawurzn

https://www.youtube.com/watch?v=qLkAX3zSyoM

 

 

11.09.2022 - Deutsche Völkerschauen & Kolonialausstellungen: Ablauf und Rassismus | Geschichte

simon says

https://www.youtube.com/watch?v=-IR6Vb3ECho

 

 

19.05.2020 - »Die Wilden« in den Menschenzoos (2017)

AntispeTV

Sie wurden aus weit entfernten Ländern geholt - von Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg, über 100 Jahre lang, um sie in Menschenzoos wie exotische Tiere zur Schau zu stellen. Diese Ausstellungen waren ein weltweites Phänomen. An die 35.000 Menschen wurden im 19. und 20. Jahrhundert vor fast anderthalb Milliarden Besuchern gezeigt - in Tierparks, im Zirkus, in Theatern und Anatomiesälen, auf Kolonial- und Weltausstellungen. Ihre Namen sind in Vergessenheit geraten. Der Film beschreibt das Schicksal von sechs Personen, die in solchen sogenannten Völkerschauen ausgestellt waren.
Zwischen 1810 und 1940 haben Menschen in ganz Europa, den USA und in Japan andere Menschen aus fernen Ländern als "primitive Wilde" ausgestellt. Über ein Jahrhundert lang wurden in Welt- oder Kolonialausstellungen, Zoos, im Zirkus oder in nachgebauten Dörfern von Ureinwohnern knapp 35.000 Personen vor mehr als anderthalb Milliarden Besuchern präsentiert.
Mit Hilfe von bisher unveröffentlichtem Archivmaterial zeigt der Dokumentarfilm, wie durch die Menschenzoos der Rassismus populär und alltäglich wurde. Die Besucher kamen, um immer exotischere, immer furchterregendere Wilde zu sehen, die entsprechend in Szene gesetzt wurden. Kinder, Frauen und Männer wurden zur Schau gestellt, um eine Hierarchie der "Rassen" zu fördern und um die Kolonialisierung der Welt zu rechtfertigen.
Zum ersten Mal ruft ein Dokumentarfilm jenes vergessene Stück Menschheitsgeschichte in Erinnerung und zeichnet das Schicksal von sechs solcher zur Schau gestellten Personen nach. Sie heißen Petite Capeline, Ureinwohnerin Feuerlands, Tambo, Aborigine aus Australien, Moliko, Kalina aus Französisch-Guayana, Ota Benga, Pygmäe aus dem Kongo, Jean Thiam, Wolof aus dem Senegal, und Marius Kaloie, Kanake aus Neukaledonien. Ihre Geschichte wurde dank der Arbeit von Historikern und mit Hilfe der Unterstützung ihrer Nachkommen rekonstruiert.
Die Berichte über ihre Schicksale bilden das Phänomen der Völkerschauen in ihrem historischen Kontext ab: das Aufstreben und die Entwicklung der großen Kolonialmächte. Anhand von Analysen und Kommentaren sachkundiger Experten beleuchtet der Dokumentarfilm auch die Ursprünge des Rassismus am Übergang von einem angeblich wissenschaftlichen Rassismus (1850) zum Alltagsrassismus (1930).
Regie: Bruno Victor-Pujebet, Pascal Blanchard
Dokumentarfilm // arte // Frankreich 2017
https://www.youtube.com/watch?v=Gt1epl9BvLg

 

 

22.07.2020 - Hagenbeck mit "Völkerschauen" an kolonialer/rassistischer Geschichte beteiligt?

"Völkerschauen" bei Hagenbeck: Wie umgehen mit kolonialer/rassistischer Geschichte?
Sendung: nachtmagazin 21.07.2020 00:34 Uhr
https://www.youtube.com/watch?v=LJuIlNwxRmw

 


03.02.2016 - "Menschen Zoos - Schaufenster der Unmenschlichkeit" Ausstellungsreport

KHK2006
www.crieur-public.com
Menschen fremder Kulturen und Hautfarbe wurden in den vergangenen  500 Jahren als Publikumsmagneten in Ländern der westlichen Zivilisation zur Schau gestellt. Diese Zurschaustellung fremder Ethnien als "Wilde" legte die Basis für einen bis heute latent bis virulent vorhandenen Rassenhass. Die Ausstellung "Menschen Zoos - Schaufenster der Unmenschlichkeit" präsentierte im Herbst 2015 in der Friedrich-Schiller-Universität Jena erstmals auf deutschem Boden Dokumente zu diesem Thema. Dieses Video ist
eine Dokumentation der Ausstellung. Vorläufer war vor Jahren eine große Schau im Pariser Museum Quai Branly, die seinerzeit an die 250 Tsd. Besucher anzog, Dieses vielfach in Vergessenheit geratene Thema "Menschen Zoos" aufzuarbeiten, ist das Verdienst einer Forschergruppe um Pascal Blanchard mit 50 international renommierten Forschern, die ihre Arbeit im Buch "Zoos humains" publiziert haben. Das Buch ist inzwischen auch in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Menschen Zoos - Schaufenster der Unmenschlichkeit" bei Les éditions du Crieur Public in Deutsch erschienen. Die Ausstellung hat in Anbetracht der politischen Entwicklung in den europäischen Ländern mehr denn je an Aktualität gewonnen. Um die Ausstellung einem größeren Publikum zugänglich zu machen, suchen die Initiatoren neue Sponsoren, Ausstellungsorte und Presse-Partnerschaften. Ansprechpartner: Dr. Kay H. Kohlhepp Kontakt: kohlhepp@crieur-public.com
Video-Dokumentation der Ausstellung: VideeO.TV Harald Ortlieb
https://www.youtube.com/watch?v=VH6q07tKOzI

 

 


Siehe dazu auch:


3.2 YouTube- Videos zu deutschen Kolonialverbrechen und deutschen Völkermorden in Afrika

 

 

10.12.2020 - Die deutschen Kolonien: Eine verdrängte Geschichte?

MrWissen2go Geschichte
Die deutsche Kolonialgeschichte: Im Vergleich mit anderen Imperialmächten beginnt sie später. Unkritisch ist dieses Kapitel dennoch nicht zu betrachten.
Der Kaufmann Adolf Lüderitz kauft 1883 die kleine Bucht Angra Pequena im heutigen Namibia. Dieses Kauf gilt als Beginn des deutschen Kolonialismus. In diesem Video schaut sich Mirko ein umstrittenes Kapitel der deutschen Geschichte und dessen Aufarbeitung an: Von den Anfängen über die Etablierung der Macht, den kriegerischen und brutalen Auseinandersetzungen mit der dortigen Bevölkerung bis hin tum Völkermord an den Nama und den Herero.
https://www.youtube.com/watch?v=i4l-34hOOIc

 

 

01.02.2018 - Völkermord in den deutschen Kolonien

Terra X
Wie andere Großmächte Europas will auch Deutschland Kolonialmacht werden. Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika sind die Länder, die Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts für sich reklamiert. Die europäischen Mächte haben den Kontinent unter sich aufgeteilt und das führt zu Spannungen zwischen den Einwohnern und den eintreffenden Deutschen. Zwei fremde Kulturen treffen aufeinander.
Die Konflikte führen zum Aufstand der Herero,. Kaiser Wilhelm II. entsendet Truppen und Oberbefehlshaber Lothar von Trotha verfasst den berüchtigten Vernichtungsbefehl. Zehntausende Herero sterben, ein Völkermord. Heute erinnern in Namibia noch viele Schilder und Gebäude an die ehemalige deutsche Kolonie.
Dieses Video ist eine Produktion des ZDF.
https://www.youtube.com/watch?v=5ObdahQg0-g

 

 


28.05.2021 - Namibia: Deutschland erkennt Verbrechen an Herero und Nama als Völkermord an

tagesschau
Die Zeit des Kolonialismus im heutigen Namibia ist ein grausames Kapitel deutscher Geschichte. Anfang des 20. Jahrhunderts töteten Soldaten des deutschen Kaiserreichs im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika Zehntausende von Herero und Nama. Jetzt erkennt Deutschland die Verbrechen als Völkermord an und will offiziell um Vergebung bitten. Dies sei ein wichtiger Schritt, um die Verbrechen aufzuarbeiten, so Außenminister Maas - einen Schlussstrich unter der Vergangenheit könne es nicht geben.
Mehr Informationen:
https://www.tagesschau.de/ausland/afr...
https://www.youtube.com/watch?v=93BuuYlrwt0

 

 

28.06.2014 - Deutsche Kolonien - Afrika brennt Teil 1

Doku Channel
Neue Videos auf den Kanal ! Diese Folge beschäftigt sich mit zwei düsteren Kapiteln deutscher Kolonialgeschichte: der brutalen Niederschlagung des Herero-Aufstandes 1904 in Namibia und dem Maji-Maji-Aufstand in Tansania 1905, der sich gegen die gnadenlose Ausbeutung der Schwarzen erhob und im Deutschen Reich Neuwahlen zur Folge hatte, die sogenannten "Hottentottenwahlen". Waterberg, Namibia. Der mächtige Tafelberg steht für das wohl dunkelste Kapitel deutscher Kolonialgeschichte, den Völkermord an den Hereros. Die Vieh züchtenden Nomaden hatten sich 1904 gegen die deutsche Herrschaft erhoben. Die ankommenden weißen Siedler beanspruchten immer mehr Land, ihre Händler tauschten Alkohol und Gewehre gegen Rinder, die Hereros sahen sich ihrer Lebensgrundlage beraubt.
https://www.youtube.com/watch?v=8V0uAceaSqc

 

 

22.06.2018 - Deutsche Kolonialgeschichte von ihrer dunkelsten Seite

U H
Der mächtige Tafelberg steht für das wohl dunkelste Kapitel deutscher Kolonialgeschichte, den Völkermord an den Hereros. Die Vieh züchtenden Nomaden hatten sich 1904 gegen die deutsche Herrschaft erhoben. Die ankommenden weißen Siedler beanspruchten immer mehr Land, ihre Händler tauschten Alkohol und Gewehre gegen Rinder, die Hereros sahen sich ihrer Lebensgrundlage beraubt.
https://www.youtube.com/watch?v=OByki23Lez8

 

 

07.12.2021 - 'Unter Herrenmenschen' - Der deutsche Kolonialismus in Namibia Doku (2018)

Flugutel Arendt

https://www.youtube.com/watch?v=FVDZMt7ZWuU

 

 

18.07.2016 - Kampf um Anerkennung: Völkermord an den Herero & Nama (Teil1)

Flo

Warum tut sich Deutschland mit seiner eigenen Schuld so schwer? Der deutsche Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia ist bislang nicht anerkannt. Ich bin nach Berlin gefahren und habe mit Cem Özdemir und Israel Kaunatjike gesprochen. Von ihnen wollte ich wissen, warum Deutschland den Genozid  bislang nicht anerkennt. 
https://www.youtube.com/watch?v=jmKG_sjGEBI&t=0s

 


18.07.2016 - Kampf um Anerkennung: Völkermord an den Herero & Nama (Teil2)

reporter
Wie sollte Deutschland mit dem Genozid an den Herero und Nama in der ehemaligen deutschen Kolonie "Deutsch-Süd-West-Afrika" umgehen? Flo war für uns in Berlin und hat darüber mit Cem Özdemir und dem Herero-Aktivisten Israel Kaunatjike gesprochen. Auch die Regierung meldete sich jetzt zu Wort.
https://www.youtube.com/watch?v=tAqxd_eivXo

 


09.07.2015 - Völkermord an den Herero | Nachrichten

DW Deutsch
Die blutige Niederschlagung des Herero-Aufstandes nach 1904 im heutigen Namibia gehört zu den dunkelsten Kapiteln deutscher Kolonialgeschichte. Bundestagspräsident Lammert hat den Genozid jetzt erstmals als Völkermord benannt.
https://www.youtube.com/watch?v=892pIWYBmKQ

 


14.10.2020 - Auf den Spuren Schwarzer deutscher Geschichte || PULS Reportage

PULS Reportage
In Berlin trifft Nadine Hadad die Wissenschaftlerin Natasha A. Kelly, die zu Kolonialismus forscht und geht mit ihr auf Spurensuche durch die Hauptstadt. Für PULS Reportage besuchen sie Orte, an denen afrodeutsche Geschichte schon sichtbar gemacht wurde - aber auch Plätze, deren Namen Rassismen reproduzieren. Sie sprechen darüber, warum viele Menschen Schwarzsein und Deutschsein nicht zusammenbringen können und was sich ändern muss, damit Afrodeutschen ein für alle Mal ein Gefühl der Zugehörigkeit gegeben wird. Wissenschaftlerin Natasha A. Kelly stellt klar: Das Rassismusproblem in Deutschland ist tief in der Geschichte verankert.
DIE DEUTSCHE KOLONIALGESCHICHTE
Im Jahr 1884/85 eignete sich Deutschland unter Otto von Bismarck auf der Berlinger Kongo-Konferenz die Gebiete des heutigen Togo, Kamerun, Tansania, Namibia, Ruanda und Burundi an. Deutschland machte es sich als Kolonialmacht zum Ziel, strategische Vorteile aus der Lage Afrikas für den Handel zu ziehen und die Bewohner des Kontinents auszubeuten. Das Volk der Herero wurde dabei von den Kolonisator*innen aus Deutschland beinahe komplett vernichtet. Nach etwa 30 Jahren kolonialer Unterdrückung verliert Deutschland mit dem Ende des 1. Weltkrieges zwar seine Kolonien, die Folgen der geschaffenen politischen Strukturen wirken bis heute nach.
MARTIN DIBOBE GEGEN RASSISMUS IN DEUTSCHLAND
Bereits damals gab es Menschen, die sich aktiv gegen Rassismus gestellt haben. Wie etwa der Aktivist und erste Schwarze U-Bahnfahrer Martin Dibobe, aus der deutschen Kolonie Kamerun. Mit seiner Petition aus dem Jahr 1919 versuchte Dibobe die Gleichberechtigung von Schwarzen Deutschen und Afrikaner*innen in Deutschland und Kamerun, sowie mehr Rechte für Bewohner*innen der deutschen Kolonien in Afrika zu erreichen. Auch ein Ende von Prügelstrafen und Zwangsarbeit waren seine Ziele – doch Dibobe blieb erfolglos.
SCHWARZE SELBSTBENENNUNG
In den 80ern wurde die deutsche Rassismusdebatte dann erneut angestoßen - unter anderem von der Poetin, Pädagogin und Aktivistin May Ayim und der Historikerin Katharina Oguntoye. Ermutigt von der US-amerikanischen Aktivistin Audre Lorde haben sie gemeinsam das auch heute noch wichtige Buch “Farbe bekennen” geschrieben und zusammen mit anderen Schwarzen Deutschen die Selbstbenennung “Afrodeutsche” mitentwickelt. So wollten sie Schwarzen Deutschen ein Gefühl der Zugehörigkeit geben, welches oftmals nicht vorhanden ist. Ein Grund dafür ist, dass die afrodeutsche Geschichte einfach zu wenig bekannt ist – und teilweise sogar totgeschwiegen wird.
IM ALLTAG AUF DIE GESCHICHTE TREFFEN
In Berlin erinnern viele Orte an die Spuren von Kolonialismus und Rassismus. Ob das May-Ayim-Ufer, die M*-Straße, die Gedenktafel für den afroamerikanischen Wissenschaftler W. E. B. Du Bois, oder auch ein Bild von Martin Dibobe in der U-Bahnhaltestelle Hallesches Tor. An all diesen Orten verkehren täglich Menschen, meist ohne zu wissen, welche afrodeutsche Geschichte sie geprägt hat.
Schreibt doch mal in die Kommentare: Ist das alles neu für euch? Oder kennt ihr euch in afrodeutscher Geschichte bereits aus? Und schockiert euch das, was ihr noch nicht wusstet?
Redaktion: Koku Musebeni, Anja Pross, Heike Schuffenhauer, Katja Engelhardt, Mila Harner
Kamera: Oliver Eisenhuth
Schnitt: Julian Mydla
Grafik: Felix Holderer
Channel Management: Jan Rothe & Ida Sassenberg
https://www.youtube.com/watch?v=oUNQS3eyn94

 


Live übertragen am 28.10.2021  - Historiker Jürgen Zimmerer über deutschen Völkermord & Kolonialismus - Jung & Naiv: Folge 538

Jung & Naiv
Zu Gast im Studio: Jürgen Zimmerer, Historiker und Afrikawissenschaftler. Ein Gespräch über die deutsche Kolonialgeschichte, den Völkermord an den Herero & Nama in Namibia und dessen heutige Aufarbeitung, den Nationalsozialismus, Vernichtungskrieg in Osteuropa und was der Klimawandel mit Genozid zu tun hat + eure Fragen. Zimmerer ist seit 2010 Professor für die Geschichte Afrikas an der Universität Hamburg und leitet seit 2014 die Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe. Er ist einer der führenden Vertreter der sogenannten Kontinuitätsthese, nach der es eine Kontinuität von den kolonialen Verbrechen des Deutschen Reiches in Südwestafrika zum Holocaust gegeben habe.  
https://www.youtube.com/watch?v=rshNxf6nGGY

 

 



4. Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zu Deutschen Kolonialverbrechen als Wegbereitung nationalsozialistisch-rassistisch orientierter Diskriminierung und Verfolgung, als Wegbereitung nationalsozialistisch-rassistisch orientierter Massen- und Völkermorde

 

 

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Siehe auch: