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HISTORISCHES:
NS-Bürokratie
und Nazi-Schreibtischtäter
Zuletzt AKTUALISIERT am 29.12.2024 !
Seiteninhalt:
- NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
- Online-Artikel zu Schreibtischtäter*innen aus Bürokratie und Verwaltung
Siehe auch:
- NS-Bürokratie und Nazi-Schreibstischtäter >>>
- NS-Organisation und Verwaltung >>>
- Arbeit und Arbeitsamt im Nationalsozialismus >>>
- Landräte im Nationalsozialismus >>>
Die Finanzverwaltung in Baden und Württemberg im Nationalsozialismus
Lange Zeit galt die Finanzverwaltung im Nationalsozialismus als Betätigungsfeld weitgehend unpolitischer Beamter, deren sachgerechtes Verwaltungshandeln ideologisch kaum kontaminiert war. Die Forschung hat diese Legende vom "sauberen" Amt inzwischen klar zurückgewiesen. Vor diesem Hintergrund untersucht Christoph Raichle die Finanzverwaltungen in Baden und Württemberg. Ausgehend von der Verwaltungskultur, die bereits vor 1933 auf die fiskalischen Interessen des Reiches ausgerichtet war, werden die Handlungsspielräume der Beamten vor Ort ausgelotet. Dabei zeichnen sich anhand vieler konkreter Beispiele die systematische Ausplünderung der Juden durch Sondersteuern und die Verwertung ihrer Vermögen im Rahmen der Deportationen ab.
1. NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
Amtsgericht Mosbach | NS- und Rechtsextremismus-Verfahren bei der Mosbacher Justiz: |
Nach Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Beschluss vom 15.12.2022 - 6 S 1420/22 - unterliegt der Nationalsozialismus nicht der grundrechtlich geschützten Weltanschauungsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG.
Das Amtsgericht Mosbach hat jedoch seit dem 03.06.2022 eine gemäß § 158 StPO ordnungsgemäße Eingangsbestätigung mit den Benennungen der Konkreten Eingabedaten, der Konkreten Sachverhaltsbenennungen mit einer kurzen Zusammenfassung der Angaben zu Tatzeit, Tatort und angezeigter Tat, insbesondere zu beantragten NS- und Rechtsextremismus-Strafverfahren, bisher ausdrücklich und EXPLIZIT versagt und NICHT ausgestellt.
Auch für die beim Amtsgericht Mosbach beantragten Wiederaufnahmeverfahren, amtsseitigen Verfügungen und gerichtlichen Prüfungen in NS- und Rechtsextremismus-Angelegenheiten verweigert das Amtsgericht Mosbach ordnungsgemäße Eingangs- und Weiterbearbeitungsbestätigungen mit konkreten Sachverhaltsbenennungen.
Siehe dazu auch Umgang des Amtsgerichts Mosbach mit NS- und Rechtsextremismusverfahren >>>
Das Amtsgericht Mosbach verweigert zudem bisher Stellungnahmen zu den historisch nachgewiesenen Kontinuitäten von NS-Funktionseliten in der BRD. Das AG MOS verweigert zudem bisher Stellungnahmen zur Kontinuität von NS-Richtern, NS-Staatsanwälten und NS-Juristen nach 1945 und in der BRD, die aber zuvor im Nationalsozialismus privat und beruflich sozialisiert wurden, u.a. auch in Mosbach, in Baden und Württemberg. Das AG MOS verweigert zudem bisher Stellungnahmen zu den NS-Justizverbrechen, auch zu den eigenen.
Das Amtsgericht Mosbach verweigert zudem bisher Stellungnahmen zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg (1966 bis 1978) Hans Filbinger, der historisch nachgewiesen vor 1945 als Nazi-Blutrichter und NS-Militär-Marinerichter Nazi-Justizmorde als Todesurteile veranlasst bzw. ausgesprochen hatte und dazu dann nach 1945 öffentlich zum Ausdruck brachte, dass DAS, was damals Recht gewesen sei, heute nicht Unrecht sein könne.
Das Amtsgericht Mosbach verweigert bisher Stellungnahmen zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg (2005 bis 2010) und Juristen Günther Oettinger, der seinen Amtsvorgänger Hans Filbinger, während seiner eigenen Filbinger-Trauerrede im April 2007 öffentlich zum angeblichen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus zu verklären und zu stilisieren versucht hatte. Und dies sowohl in der eigenen juristischen NS-Aufarbeitung nach 1945 als auch in den Thematisierungen dieser NS-Sachverhalte innerhalb der eigenen NS-Öffentlichkeitsarbeit des AG MOS.
Die Führer der Provinz: NS-Biographien aus Baden und Württemberg (Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus) (Karlsruher Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus) Taschenbuch – 1. Januar 1999
Expertise der Forensischen Sachverständigen MA Antje C. Wieck aus Kitzingen zur Aufarbeitung von NS-Verbrechen und NS-Unrecht in der NS-Vergangenheitsbewältigung
Die HIER fallverantwortliche Richterin beim Amtsgericht Mosbach Marina Hess verfügt HIER unter 6F 9/22 und 6F 202/21 am 17.08.2022 EXPLIZIT, dass die gerichtlich beauftragte familienpsychologische Forensische Sachverständige für Familienrecht MA Antje C. Wieck, Praxis für KINDER- UND JUGENDLICHENPSYCHOTHERAPIE, Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, eine INHALTLICHE Sachverständigen-Auseinandersetzung mit der Dokumentations-Website "nationalsozialismus-in-mosbach.de" des Kindsvaters, Beschwerdeführers und Nazi-Jägers Bernd Michael Uhl durchführen solle (Siehe im Folgenden!), die diese Sachverständige Gutachterin HIER ABER AKTENKUNDIG NACHWEISBAR im anhängigen Verfahrenskomplex während ihren zwei gerichtlich bestellten Sachverständigengutachten von 2022 bis 2024 DANN ÜBERHAUPT NICHT durchführt.
UND DIES HIER EXPLIZIT AUCH NICHT bzgl. der DARIN KONKRET thematisierten nationalsozialistischen Verbrechen bis 1945 und deren juristischen, politischen und zivilgesellschaftlichen Aufarbeitungen in der NS-Vergangenheitsbewältigung seit 1945, insbesondere HIER auch in der lokalen-regionalen Fall- und Verfahrenszuständigkeit für Mosbach und für den Neckar-Odenwaldkreis.
Die HIER fallverantwortliche Richterin beim Amtsgericht Mosbach Marina Hess verfügt HIER unter 6F 9/22 und 6F 202/21 am 17.08.2022 EXPLIZIT bei der von ihr selbst gerichtlich beauftragten familienpsychologischen Forensischen Sachverständigen für Familienrecht MA Antje C. Wieck, Praxis für KINDER- UND JUGENDLICHENPSYCHOTHERAPIE, Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen eine Sachverständigen-Begutachtung bezüglich "der Notwendigkeit einer psychiatrischen Begutachtung" des Kindsvaters, Beschwerdeführers und Nazi-Jägers Bernd Michael Uhl "zur Beurteilung seiner Erziehungsfähigkeit" (Siehe im Folgenden!). UND DIES NACHDEM UNMITTELBAR ZUVOR das erste gerichtlich beauftragte familienpsychologische Gutachten vom 07.04.2022 unter 6F 202/21 und 6F 9/22 sich für den perspektivischen Verbleib des damals anderthalb Jahre alten Kindes beim Kindsvater ausspricht. HIERBEI unterstellt die fallverantwortliche Mosbacher Amts-Familienrichterin Marina Hess im familienrechtlichen Zivilprozess dem Kindsvater, Beschwerdeführer und Bernd Michael Uhl eine mögliche angebliche psychische Erkrankung und eine damit einhergehende eingeschränkte Erziehungsfähigkeit auf Grund seiner konkreten Nazi-Jäger-Eingaben zu den seinerseits beim Amtsgericht Mosbach beantragten juristischen Aufarbeitungen von konkreten Tatbeteiligungen an NS-Verbrechen und NS-Unrecht 1933-1945 und deren mangelhaften juristischen Aufarbeitungen seitens der deutschen Nachkriegsjustiz seit 1945. UND DIES HIER insbesondere auch in der lokalen-regionalen Fall- und Verfahrenszuständigkeit bei NS-Verbrechen und NS-Unrecht in Mosbach und im Neckar-Odenwaldkreis sowie bezüglich dem Versagen der Mosbacher Nachkriegsjustiz seit 1945 bei deren juristischen Aufarbeitungen.
SIEHE DAZU AUCH:
- Rechtsanwaltlicher und gerichtlicher Umgang mit Sachverständigen-Gutachten in Fallbegleitungen - Verfahrensführungen - Verfahrensbearbeitungen- Verfahrensbegleitungen durch RECHTSANWALT Simon Sommer >>>
- Verfahrensinhaltliche und prozessuale Benachteiligungen des Mandanten von Rechtsanwalt Simon Sommer beim Amtsgericht Mosbach unter 6F 211/21, 6F 202/21, 6F 9/22, 6F 2/23, 6F 2/22, etc. sowie unter amtsseitigen KV-BS-Sonderbänden zu Nationalsozialismus, Rechtsextremismus, Rassismus >>>
2. Online-Artikel zu Schreibtischtäter*innen aus Bürokratie und Verwaltung
LEXIKON DES GRAUENS
Die 1001 Wörter der Nazis für Mord
Veröffentlicht am 26.09.2020 | Lesedauer: 9 Minuten
Von Matthias Heine
SS-Chef Heinrich Himmler im Schießstand
Quelle: pa/akg-images
Die Nazis führten den größten Massenmord der Menschheitsgeschichte aus. Aber sie wollten es nicht so deutlich sagen. Deshalb gab es in den Akten des Terrors und in der Propaganda eine Fülle von Wörtern, mit denen die Tötung von Menschen bemäntelt wurde.
Für die Tötung von politischen Gegnern, Kranken und Menschen, die als rassisch minderwertig betrachtet wurden, ließ man sich eine Menge mehr oder weniger kaschierender Vokabeln einfallen. Das Regime hatte großen Bedarf an Synonymen für Mord. Und ganz pragmatisch wählte man seine Ausdrucksweise je nachdem, wer angesprochen war und was man damit erreichen wollte.
Wenn der Mord relativ klar benannt werden sollte, um eine Drohung an die Lebenden zu senden, nutzte die Propaganda oft das Verb ausmerzen. So berichtet der „Völkische Beobachter“ am 11. Januar 1942 über die Hinrichtung eines Mannes, der Militärgüter unterschlagen hatte: „Schnell und hart hat das Sondergericht ein gemeines Verbrechen gesühnt und einen Volksschädling ausgemerzt, der einen gemeinen Betrug am Volksgut begangen hatte, das für die Soldaten der Ostfront bestimmt ist.“...
https://www.welt.de/
Studie zu Umgang mit NS-Zeit
"Vieles liegt noch im Dunkeln"
Stand: 13.09.2021 14:35 Uhr
Die Rolle vieler staatlicher Stellen während der NS-Zeit und danach ist immer noch unklar - das betrifft auch das Bundespräsidialamt. Deshalb hat Amtsinhaber Steinmeier eine Studie in Auftrag gegeben.
Jetzt gibt es erste Ergebnisse.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht noch erheblichen Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Verstrickung staatlicher Stellen in den Nationalsozialismus und den Umgang damit nach 1945. "Hinter den Fassaden des Staates liegt vieles noch im Dunkeln. Vieles ist noch nicht ausreichend ausgeleuchtet und nicht erzählt", sagte Steinmeier. So lägen zu den obersten Verfassungsorganen des Bundes noch keine Studien vor. "Und ich meine: Gerade das Amt des Staatsoberhaupts darf hier nicht fehlen", sagte Steinmeier bei einer Zwischenbilanz zu einem Forschungsprojekt, dass er über das Bundespräsidialamt in Auftrag gegeben hatte.
77 Jahre nach dem Attentat auf Adolf Hitler ist in Berlin der Widerstandskämpfer gedacht worden. mehr
"Es wird längst nicht aller Opfer angemessen gedacht"Als Bundespräsident empfinde er seinerseits "eine besondere Verantwortung, der Geschichte meines eigenen Amtes nicht auszuweichen, sondern sich ihr offen und selbstkritisch zu stellen", so Steinmeier.Der Bundespräsident betonte, die Geschichten der Opfer der NS-Verbrechen ließen sich buchstäblich hinter fast jeder Fassade finden. "Doch trotz Jahrzehnten wissenschaftlicher Forschung und historischer Aufarbeitung sind längst nicht alle diese Geschichten erzählt, alle Verbrechen bekannt, wird längst nicht aller Opfer angemessen gedacht."
Ergebnisse sollen 2022 in Buchform erscheinen
Das Forschungsprojekt "Das Bundespräsidialamt und die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus 1949–1994" war im Mai 2020 gestartet worden. Die Untersuchung führt der Historiker Norbert Frei von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er gab heute einen Einblick in die bisherige Arbeit seines Teams, die kommendes Jahr abgeschlossen werden soll. Frei bilanzierte, dass die Bundespräsidenten zwischen 1949 und 1994 in der Debatte über den gesellschaftlichen Umgang mit der NS-Vergangenheit "eher Moderatoren als Avantgarde" gewesen seien - wenn auch "in unterschiedlicher Ausprägung".Die Ergebnisse der Untersuchung sollen im kommenden Jahr in Buchform veröffentlicht werden.
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 13. September 2021 um 17:00 Uhr.
https://www.tagesschau.de/
STEUERN
Die Finanzverwaltung im Nationalsozialismus: Studie vorgestellt
07.06.2019
Bei der Verfolgung von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus hat die Finanzverwaltung in Baden und Württemberg eine aktive Rolle gespielt. Beamtinnen und Beamte diskriminierten jüdische Mitmenschen gezielt steuerlich und plünderten sie aus. Die Finanzbehörden waren damit effiziente Geldbeschaffer für Aufrüstung und Kriegsführung des NS-Staats.
Zu diesem Schluss kommt die Studie „Die Finanzverwaltung in Baden und Württemberg im Nationalsozialismus“, die heute in Stuttgart vorgestellt wurde. Dr. Christoph Raichle von der Universität Stuttgart widerlegt in der Untersuchung das lange vorherrschende Bild von wenig ideologisch besetzten, unbestechlichen und ausschließlich an der Sache orientierten Finanzbehörden. „Die Studie macht deutlich, dass die Oberfinanzdirektionen und die Finanzämter Teil der Judenverfolgung waren. Sie waren tief verstrickt in den Nationalsozialismus“, sagte Finanzministerin Edith Sitzmann.
Es ist die erste umfassende Untersuchung der konkreten Praxis der Finanzverwaltung der Jahre 1933 bis 1945 in den früheren Ländern Baden und Württemberg. Das Ministerium hatte die Forschungsarbeit 2012 angestoßen und mit insgesamt 210.000 Euro unterstützt.
„Die scheinbar kleine Welt der Steuern und Abgaben war lange Zeit nicht gerade im Fokus der Erforschung des Nationalsozialismus“, stellte Professor Dr. Wolfram Pyta fest, Leiter der Abteilung Neuere Geschichte des Historischen Instituts der Universität Stuttgart. „Dabei waren die Gestaltungsspielräume größer als bislang angenommen. Viele Beamte bereicherten sich hemmungslos am Hab und Gut deportierter Juden. Die Studie ist damit ein quellengesättigter Beitrag zur NS-Verbrechensgeschichte.“
Der Autor der Studie, Dr. Raichle, betonte: „Die vielen ausgewerteten Einzelfälle machen in bedrückender Weise deutlich, wie professionell und effizient die Finanzbeamtenschaft auch im Südwesten ,funktionierte', wie jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger vor ihrer erzwungenen Auswanderung und den Deportationen ab 1940/41 immer stärker ausgeplündert wurden. Auch Beamte, die nicht zu den fanatischen Parteiaktivisten zählten, machten sich so zu Werkzeugen einer Gewaltherrschaft, die ohne die Mitarbeit dieser vielen Verwaltungsexperten nie eine solche mörderische Effizienz entfaltet hätte.“
Für die Finanzministerin ist die Untersuchung ein beklemmender Blick zurück, der Wirkung in die Gegenwart hinein hat: „Es ist das eine, auf das furchtbarste, dunkelste Kapitel der Geschichte unsere Landes zu schauen und zu sagen: nie wieder“, so Sitzmann. „Es ist das andere, die Mechanismen und die Strukturen der abscheulichen Verbrechen zu kennen - um sie nie wieder zuzulassen. Diese Kenntnis ist heute wichtiger denn je.“
Weitere Informationen:
Christoph Raichle: Die Finanzverwaltung in Baden und Württemberg im Nationalsozialismus, Stuttgart: Kohlhammer 2019, 949 Seiten, 46 Abbildungen, ISBN 978-3-17-035280-3, 98 Euro.
https://fm.baden-wuerttemberg.de/
Schreibtischtäter und ihre vergessenen Opfer: Biographien aus der NS-Zeit und die Probleme institiutionalisierter Gedenkkultur Broschiert – 1. Oktober 2022
Seit dem Prozess gegen Adolf Eichmann ist vielen Menschen der Typus des Schreibtischtäters vertraut, der nicht selbst mordet und quält, aber dafür die Voraussetzungen schuf. Viel weniger bekannt sind die juristischen Schreibtischtäter aus der NS-Zeit. Wer wissen will, was sie taten und warum es ihnen nach dem zweiten Weltkrieg gelang, in der Bundesrepublik ihre Karrieren oft bruchlos fortzusetzen, der findet Antworten in diesem Buch. Diese Männer stammten fast alle aus der oberen Mittelschicht oder dem Großbürgertum. Sie verfügten über untadelige Manieren und verstanden es brillant, auf der Klaviatur des Rechts zu spielen. Das nutzten sie in der NS-Zeit, um menschenverachtende Gesetze zu entwerfen, krasse Unrechtsurteile zu fällen oder die juristische Literatur mit scharfmacherischen Aufsätzen zu »bereichern«. In der Bundesrepublik gelang es ihnen mit dem gleichen Fundus an juristischer Auslegungskunst, ihre früheren Taten verschwinden zu lassen oder, wenn es gar nicht anders ging, kleinzureden. Das konnten sie, wie dieses Buch an vielen Beispielen zeigt, aber nur deshalb mit Erfolg tun, weil es ihnen gelang, eine Menge Fürsprecher, ob wissend oder unwissend, zu mobilisieren, die sie deckten. Der Autor Helmut Kramer ist dank seiner langjährigen Forschungsarbeit einer der besten Kenner dieser Zusammenhänge. Sein Buch zeigt erneut, wie wichtig es auch für heutige und künftige Generationen von Juristinnen und Juristen ist, bzw. sein wird, sich rechtshistorische Zusammenhänge zu vergegenwärtigen, dies umso mehr, als nunmehr auch die juristische Ausbildung gehalten ist, die Rolle dieser Erfüllungsgehilfen des NS-Staates zu thematisieren. Uwe Boysen
Der Nationalsozialismus als Problem der Gegenwart (Beiträge zur Aufarbeitung der NS-Herrschaft 3) 1.
Kritik an – heute wirksamen – Umdeutungen der despotischen NS-Herrschaft bildet den roten Faden der Untersuchung. Dazu gehört die Verwandlung des Hitlerregimes in einen Rechtsstaat und die Entpolitisierung der beamteten Funktionseliten der Diktatur. Die Auswirkungen der weitgehenden Übernahme des Justizapparats des Dritten Reiches werden sichtbar – wie die vielfache Auflösung des Täterbegriffs für nationalsozialistische Massenverbrechen.
Kommunen und NS-Verfolgungspolitik
Rüdiger Fleiter(Mehr zum Autor)
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30.03.2007 / 15 Minuten zu lesen
Lange Zeit wurde die Rolle der Kommunen bei der Verfolgungspolitik unterschätzt. Dabei führten die Rathäuser nicht nur Weisungen aus, sondern gingen immer wieder über zentrale Vorgaben hinaus.
Zu den Inhalten
Einleitung
Gegensatz von Staat und Partei?
Radikalisierung von unten: das Beispiel Hannover
Bilanz und Forschungsdesiderate
Einleitung
Die Städte und Gemeinden spielten im Dritten Reich eine wichtige Rolle, hatten sie doch als untere Verwaltungsbehörden die NS-Politik auf kommunaler Ebene umzusetzen. Die Kommunalverwaltungen standen in engem Kontakt mit der Bevölkerung und erfuhren deren Reaktionen - zustimmender wie ablehnender Art - unmittelbarer als jede andere Behörde. Aus Sicht des Regimes erfüllten sie eine wichtige Funktion: Für den Durchhaltewillen und die Moral der Bevölkerung ist zum Beispiel die Bedeutung des kommunalen Krisenmanagements nach Bombenangriffen kaum zu überschätzen.
Aufgrund ihrer integrativen Funktion waren die Kommunen auch in die NS-Verfolgungspolitik involviert - sonst wäre diese nicht so "effektiv" durchzusetzen gewesen. Es gibt wohl kaum eine Verfolgungsmaßnahme, bei der kommunale Stellen nicht einbezogen oder wenigstens darüber unterrichtet gewesen wären. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass die Mitwirkung der Kommunen an der NS-Verfolgungspolitik lange Zeit wenig beachtet wurde. Lokalgeschichtliche Abhandlungen beschränken sich häufig auf die "Gleichschaltung" der Rathäuser und brechen danach ab. Im vergangenen Jahr ist die erste Untersuchung erschienen, die am Beispiel Hannovers die Beteiligung einer Kommune an der NS-Verfolgungspolitik von 1933 bis 1945 umfassend untersucht.Zur Auflösung der Fußnote[1] Die Studie wird gestützt durch eine Reihe neuer Arbeiten aus anderen Städten, die ebenfalls die systemstabilisierenden Dimensionen kommunaler Herrschaft betonen.Zur Auflösung der Fußnote[2]
Die Ergebnisse zeigen: Die Städte und Gemeinden waren stärker in die Verfolgungspolitik einbezogen als bislang angenommen. Sie entließen Mitarbeiter aus rassischen und politischen Gründen. Sie wirkten an der Judenverfolgung und an Deportationen mit, "arisierten" Kunstgegenstände, private Bibliotheken, Gold- und Silbergegenstände sowie Immobilien. Die kommunalen Gesundheitsämter sorgten für die massenhafte Sterilisierung von "Erbkranken". Die Stadtverwaltungen vertrieben Sinti und Roma aus ihren Wohnungen und verfolgten sie. Die städtischen Bauämter beschäftigten in großer Zahl Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Besonders bemerkenswert ist, dass die kommunalen Beamten und Angestellten ihre Handlungsspielräume häufig nicht im Sinne der Opfer nutzten, sondern immer wieder über Direktiven "von oben" hinausgingen bzw. sogar Verfolgungsmaßnahmen aus eigenem Antrieb ersannen. Auf dem Gebiet der Verfolgungspolitik lassen sich keine nennenswerten Gegensätze zwischen den Kommunen und den örtlichen Parteistellen ausmachen, die sich ansonsten heftige Konflikte lieferten. Daher muss das Bild von einem Gegensatz zwischen der "alten Bürokratie" und der neuen NSDAP-Bürokratie, wie es in der älteren Literatur entwickelt wurde, in Frage gestellt werden.
Gegensatz von Staat und Partei?
Die Rolle der Beamtenschaft im Dritten Reich wurde Mitte der 1960er Jahre von Hans Mommsen erstmals systematisch untersucht. Mommsen zeigte in seinem Standardwerk, dass es sich beim NS-Staat um "kein monolithisch strukturiertes, von einheitlichem politischen Wollen durchströmtes Herrschaftsgebilde" handelte.Zur Auflösung der Fußnote[3] Aus diesen Überlegungen wurde später von Mommsen und anderen Historikern die Polykratie-Theorie entwickelt, nach der der NS-Staat eine "Herrschaft der Vielen" gewesen sei. Mommsen lenkte die Aufmerksamkeit weg vom vermeintlich starken, alle Geschicke bestimmenden Führer auf andere gesellschaftliche Akteure, in diesem Fall das Berufsbeamtentum. Das war ein wichtiger Schritt für die historische Forschung, denn es gab in den 1950er und 1960er Jahren in Justiz und Gesellschaft der Bundesrepublik die Tendenz, die Verantwortung für die NS-Verbrechen auf einen engen Kreis hoher Parteifunktionäre zu beschränken, um von der Mitwirkung der Funktionseliten und breiter Teile der Bevölkerung abzulenken.Zur Auflösung der Fußnote[4]
Mommsen wies nach, dass der Beamtenapparat - trotz Durchführung des Berufsbeamtengesetzes - im Kern unangetastet geblieben war, und verwies auf die gemeinsamen Interessen, die Hitler und das traditionelle Beamtentum verbunden hatten.Zur Auflösung der Fußnote[5] Im Zentrum seiner Analyse stand die innere Struktur des NS-Systems, die er durch einen Dualismus zwischen Partei und Staat bestimmt sah. Hitler habe das Verhältnis zwischen Partei und Staat nie grundsätzlich geklärt, sondern in der Schwebe gehalten. Obwohl sich das Regime nach der Machtübertragung grundsätzlich zum Berufsbeamtentum bekannt habe, sei parallel zum traditionellen Verwaltungsapparat eine Parteibürokratie aufgebaut worden. Das konkurrierende Nebeneinander von Partei- und Staatsstellen habe während der gesamten Zeit des Dritten Reichs zu schweren inneren Spannungen geführt und sei von "tiefe(r) Gegensätzlichkeit" geprägt gewesen. Die NSDAP habe gegenüber den Beamten ein "ausgeprägt feindseliges, politisch motiviertes Misstrauen" an den Tag gelegt, wie umgekehrt die Fachbeamten die Arbeit der oft dilettantisch vorgehenden Parteifunktionäre gering geschätzt hätten.Zur Auflösung der Fußnote[6]
Die Fokussierung auf die Auseinandersetzungen zwischen Partei und Staat brachte jedoch das Problem mit sich, dass die traditionelle Bürokratie stets als gemäßigteres Element gegenüber einer vermeintlich radikaleren Parteibürokratie erschien. Die Beamtenschaft wurde bei Mommsen als passives Element beschrieben, dessen Kompetenzen durch den Parteiapparat "ausgehöhlt" worden seien und das sich einer "fortschreitenden Zersetzung des Staatsapparates" ausgesetzt gesehen habe. So erschien das Beamtentum ganz überwiegend als Opfer der Nationalsozialisten. Indem Mommsen die Geschichte des Beamtentums im Dritten Reich als "Geschichte seiner inneren und äußeren Selbstbehauptung" charakterisierte, reproduzierte er letztlich die Selbstsicht der Beamtenschaft auf das Regime.Zur Auflösung der Fußnote[7]
Unbeachtet blieb das eigentliche Handeln von Verwaltungsbeamten, die bei der Durchführung zahlreicher Verbrechen mitgewirkt hatten. Zwar war nach dem damaligen Forschungsstand die Beteiligung der Beamtenschaft noch nicht im vollen Ausmaß bekannt, doch erste Untersuchungen waren bereits veröffentlicht.Zur Auflösung der Fußnote[8] Zu Recht ist in der neueren Forschung darauf verwiesen worden, dass "die Verfolgungsmaßnahmen auch und gerade von denjenigen Behörden formuliert und exekutiert wurden, die lange im Gegensatz zur NSDAP und als konservative Beharrungskräfte galten".Zur Auflösung der Fußnote[9] Analysiert man die Rolle der Beamtenschaft im Nationalsozialismus daher auf der Handlungsebene, erscheint die Beamtenschaft neben anderen (Partei-)Akteuren als Vollstreckerin der NS-Politik - von einem Gegensatz zwischen Partei und Staat kann unter diesem Gesichtspunkt keine Rede sein.
Die Studien zur Kommunalverwaltung im Dritten Reich orientierten sich fortan in Anlehnung an Mommsens Beamtenstudie am Dualismus-Paradigma. Horst Matzerath ging 1970 der Frage nach, ob die kommunale Selbstverwaltung im Nationalsozialismus Bestand gehabt habe.Zur Auflösung der Fußnote[10] Aus dieser Perspektive erschienen die Vorgänge nach 1933 als "Zerstörungsprozess" der kommunalen Selbstverwaltung: "Die Gemeinde als örtliche politische Ebene war in der Hand der Partei."Zur Auflösung der Fußnote[11] Matzerath schlussfolgerte, Mommsen zitierend: "Die kommunale Selbstverwaltung war eines der traditionellen Elemente, die der Nationalsozialismus parasitär ausnutzte und zersetzte`."Zur Auflösung der Fußnote[12] Abermals erschien die staatliche bzw. kommunale Verwaltung durch ihre Gegenüberstellung mit der Parteibürokratie als gemäßigteres Element. So untersuchte Matzerath das Verhältnis der beiden kommunalpolitischen Institutionen von Staat und Partei, dem Deutschen Gemeindetag (Staat) und dem Hauptamt für Kommunalpolitik (Partei). Durch den Ämter-Dualismus habe sich eine "immer stärkere Zuordnung von Politik einerseits [Hauptamt für Kommunalpolitik, R.F.] und sachgebundener Aufgabenerfüllung andererseits [Deutscher Gemeindetag, R.F.]" vollzogen.Zur Auflösung der Fußnote[13]
Nach dem heutigen Forschungsstand erscheint diese Gegenüberstellung als zu stark, denn zur "sachgebundenen Aufgabenerfüllung" des Deutschen Gemeindetages gehörte unter anderem die Koordinierung des staatlichen Raubes von Schmuck, Gold und Silber aus jüdischem Eigentum im Frühjahr 1939.Zur Auflösung der Fußnote[14] Einmal mehr muss - von der Handlungsebene aus betrachtet - die These vom Dualismus zwischen Staat und Partei relativiert werden.
Radikalisierung von unten: das Beispiel Hannover
Neue Anstöße für die Forschung hat Wolf Gruner Ende der 1990er Jahre gegeben.Zur Auflösung der Fußnote[15] Während große Arbeiten wie Raul Hilbergs "Vernichtung der europäischen Juden" die Judenverfolgung eher als zentral initiierten Prozess darstellten, hat Gruner erstmals die lokale Ebene als Faktor im Verfolgungsprozess in den Blick genommen.Zur Auflösung der Fußnote[16] Für den Aspekt der Judenverfolgung nahm er 1998 einen entscheidenden Paradigmenwechsel vor, indem er von einer "wechselseitigen Dynamisierung" der lokalen und zentralen Politik sprach.Zur Auflösung der Fußnote[17] Gruner wies nach, dass die Dynamik der NS-Politik nicht nur von oben nach unten verlief, sondern Anstöße zur Radikalisierung der Judendiskriminierung in bestimmten Phasen des Dritten Reiches von der lokalen Ebene ausgingen. Immer wieder hat er Vorstöße der örtlichen Partei- und Kommunalverwaltungen beobachtet, die nicht auf Reichsgesetze warteten, sondern aus eigenem Antrieb auf eine Radikalisierung der Judenverfolgung drängten.
Die Fallstudie aus Hannover bestätigt Gruners Thesen auf ganzer Linie. Bei dieser Stadtverwaltung handelte es sich um eine traditionelle Verwaltung, in der bis 1937 der konservative Oberbürgermeister Arthur Menge das Selbstverständnis der meisten Beamten prägte. Er war seit 1925 im Amt und trat nie in die NSDAP ein. Während in den meisten Kommunen die Oberbürgermeister rasch ausgetauscht wurden, stand Menge in Hannover - ähnlich wie Carl Friedrich Goerdeler in Leipzig - auch nach 1933 für Kontinuität. Das Verhältnis der Kommunalverwaltung zur NSDAP war denkbar schlecht, so dass Menge 1937 als Oberbürgermeister nicht wieder antreten durfte. Doch auch mit seinem Nachfolger, einem Parteimitglied, war die NSDAP unzufrieden, so dass er vorzeitig gehen musste. Im November 1941 schrieb die Gauleitung an das Hauptamt für Kommunalpolitik: "Ich hoffe zuversichtlich, dass die vom Gauleiter eingeleiteten Schritte eine Erneuerung der Stadtverwaltung an Haupt und Gliedern und damit auch die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Partei und Stadtverwaltung zur Folge haben werden, das hier leider noch niemals bestanden hat."Zur Auflösung der Fußnote[18]
Trotz habitueller Distanz zur NSDAP und konservativem Selbstverständnis - auf dem Feld der Verfolgungspolitik war die Stadtverwaltung Hannover kein Sonderfall. Sie gleicht einem Mikrokosmos des Regimes, in dem beobachtet werden kann, wie sich das Deutsche Reich nach 1933 vom Rechtsstaat zu einem "Doppelstaat" (Ernst Fraenkel) veränderte.Zur Auflösung der Fußnote[19] Grundsätzlich handelten die städtischen Mitarbeiter nach 1933 auf der Basis des überkommenen Normenstaates weiter: Sie führten Grundbücher, erhoben Steuern, schlossen Verträge ab und beachteten das gültige Verwaltungsregelwerk. Daneben setzten sie aber auch Maßnahmen um, die das traditionelle Regelwerk und den Gleichheitssatz der Weimarer Reichsverfassung außer Kraft setzten. Dazu drei Beispiele.
Erb- und Rassenpflege: Auf der Basis der zentralen, reichsweit gültigen Erb- und Rassengesetzgebung gründete die Stadtverwaltung Hannover 1935 ein Gesundheitsamt und eröffnete dort eine Abteilung Erb- und Rassenpflege.Zur Auflösung der Fußnote[20] Das Gesundheitsamt richtete seine Tätigkeit nach erb- und rassepflegerischen Gesichtspunkten aus, stellte über 2 100 Sterilisationsanträge, nahm tausende von Ehegesundheitsuntersuchungen vor und erfasste über ein Viertel der Stadtbevölkerung in einer Erbkartei. Das Amt setzte die vorgegebenen Unrechtsnormen unnachgiebig um. Der verantwortliche "Erbarzt" ging dabei so radikal vor, dass er vom Regierungspräsidenten strafversetzt wurde. Die NSDAP-Gauleitung erwog sogar, die Geheime Staatspolizei auf den Mediziner anzusetzen - wohlgemerkt: nicht wegen regimekritischen Verhaltens, sondern wegen Übererfüllung auf dem Gebiet der Eugenik. Dabei stand das Personal der Abteilung Erb- und Rassenpflege mit wenigen Ausnahmen der NSDAP mit formaler Distanz gegenüber. Trotzdem wurde die Erb- und Rassengesetzgebung in Hannover von allen Beteiligten im einvernehmlichen Handeln umgesetzt. Auf der Handlungsebene gab es keine dualistischen Tendenzen zwischen Parteimitgliedern und Nicht-Nationalsozialisten. Der Großteil der Sterilisierungen wurde während der Amtszeit des nicht-nationalsozialistischen Oberbürgermeisters Menge vorgenommen - es gibt keine Hinweise, dass Menge den eugenischen Maßnahmen kritisch gegenüberstand.
Judenverfolgung: In allen Phasen des Dritten Reichs spielte die Stadtverwaltung Hannover bei der Judenverfolgung eine aktive Rolle.Zur Auflösung der Fußnote[21] Die Diskriminierungen betrafen immer weitere Lebensbereiche der jüdischen Einwohner und reichten vom Verbot des Betretens der Markthalle bis hin zu separaten Öffnungszeiten für Juden in städtischen Ämtern. Bereits kurz nach der Machtübertragung stieß die Kommune Aktionen an, die durch keine zentralen Vorgaben gedeckt waren: Sie änderte Straßennamen, verbannte Bücher jüdischer Autoren aus der Stadtbibliothek und verlieh jüdischen Unternehmern keine öffentlichen Aufträge mehr. Um jüdische Händler von Märkten und jüdische Sportler aus den Vereinen auszuschließen, nahm die Kommune sogar Konflikte mit den Aufsichtsbehörden in Kauf, die eine Radikalisierung untersagten. Oft genügten einzelne Beschwerden aus der Bevölkerung, um eine neue Diskriminierungsmaßnahme anzustoßen. Zunehmend koordinierte der Deutsche Gemeindetag die Judenpolitik in allen Kommunen des Reiches.Zur Auflösung der Fußnote[22]
Nach dem Judenpogrom im November 1938 separierten die Kommunen die Juden in der Fürsorge und im Wohnbereich von der übrigen Bevölkerung. Außerdem wurden sie zur Abgabe sämtlicher Gold- und Silbergegenstände gezwungen. Wie überall im Reich war es auch in Hannover die Stadtverwaltung, die die Juden dazu ins städtische Leihamt bestellte. Doch sie beließ es nicht bei der Durchführung des staatlichen Raubes, sondern versuchte darüber hinaus, zu profitieren: Oberbürgermeister Henricus Haltenhoff, Menges Nachfolger, kaufte 1940 zu günstigen Preisen Gegenstände aus dem beschlagnahmten Gut an, um das Ratssilber um 142 Stücke zu ergänzen. Die Kommune betrieb eine eigenständige "Arisierungspolitik": Sie erwarb zwischen 1933 und 1945 zu unlauteren Bedingungen über hundert bebaute und unbebaute Grundstücke von Juden, wofür sie knapp drei Millionen RM ausgab. Sie nutzte die Notlage wohlhabender jüdischer Einwohner aus, um Kunstsammlungen in städtische Museen zu überführen und eine Privatbibliothek in das Magazin der Stadtbibliothek einzugliedern. Mit den freiwilligen Kaufgeschäften dokumentierte sie indirekt ihre zustimmende Haltung zur Verfolgungspolitik. Die spektakulärste Radikalisierung durch die Stadtverwaltung geschah im September 1941, als die Kommune auf Druck der NSDAP-Gauleitung die noch nicht zusammengefassten Juden gewaltsam aus ihren Häusern trieb und in "Judenhäusern" einquartierte: Ohne rechtstechnische Grundlage "verwertete" die Stadtverwaltung das beschlagnahmte Mobiliar und wurde dafür von der zuständigen Oberfinanzdirektion gerügt.
Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene: Zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur während des Bombenkrieges nutzten die Stadtverwaltungen die Möglichkeit, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene einzusetzen. Allein die Stadtverwaltung Hannover betrieb zeitweise 22 Lager und beschäftigte zu Spitzenzeiten bis zu 9 000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter.Zur Auflösung der Fußnote[23] Annette Schäfer kommt zu dem Ergebnis, dass die Kommunen bei der Zwangsarbeiterbeschäftigung "in der Regel nüchternem Interessenkalkül" folgten, auch wenn Entscheidungen "im Einzelfall auf der Grundlage rassenideologischer Kriterien" gefällt wurden.Zur Auflösung der Fußnote[24] Das gilt auch für Hannover: Der Wunsch nach Beschäftigung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern entsprang dem städtischen Interesse, die umfangreichen Arbeiten trotz Personalmangels zu bewältigen. Aus diesem Grund drang die Stadtverwaltung bei übergeordneten Stellen auf die Zuweisung neuer Arbeiter und verschärfte dadurch das System der Zwangsarbeit. Die Kommunen wirkten als dynamisierende Kraft bei der Zwangsarbeiterbeschäftigung und befürworteten von Anfang an den Arbeitseinsatz sowjetischer Kriegsgefangener, obwohl er innerhalb der NS-Führung aus ideologischen Erwägungen umstritten war.Zur Auflösung der Fußnote[25]
Für das Funktionieren des lokalen Systems der Zwangsarbeit waren die Stadtverwaltungen unverzichtbar: Sie beschäftigten nicht nur eigene Zwangsarbeiter, sondern die kommunalen Wirtschafts- und Ernährungsämter und die Gesundheitsämter waren für alle Arbeiter und Gefangenen im Stadtgebiet zuständig, also auch für die in der Industrie eingesetzten Kräfte. Die städtischen Desinfektionsanstalten entlausten in großer Zahl Gefangene, die sich "auf Transport" befanden. Die Stadtbauräte waren als "Leiter der Sofortmaßnahmen" nach Bombenangriffen zentrale Figuren beim Kriegsgefangeneneinsatz, ihre Kompetenzen reichten weit über den Bereich der Stadtverwaltungen hinaus. Solange ihre Interessen gewahrt blieben, übernahmen die Stadtverwaltungen diese Tätigkeiten ohne Protest. Allerdings zeigten sie kein Interesse an Maßnahmen, die sich für sie nicht auszahlten. So wehrte sich die Stadtverwaltung Hannover dagegen, tausende von Gefangenen aus den Durchgangslagern zu entlausen, die nicht im Stadtgebiet verblieben. Sie hatte auch kein Interesse daran, zur langfristigen Eindämmung "volksbiologischer Gefahren" Bordelle für Ausländer einzurichten. Die Behandlung der Ausländer folgte einem rassenideologisch ausgerichteten Regelwerk, das von unterschiedlichen Verpflegungs- und Versorgungssätzenbis zur Separierung von Kranken nach Rassenzugehörigkeit reichte. Die städtischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter wurden zu gefährlichen Arbeiten, etwa zur Entschärfung von Bomben, eingeteilt. Stadtverwaltungen wie Köln kooperierten zu diesem Zweck sogar mit der SS, um KZ-Häftlinge dafür zu rekrutieren.Zur Auflösung der Fußnote[26]
Bilanz und Forschungsdesiderate
Die Ergebnisse der Fallstudie bestätigen Gruners These von der "wechselseitigen Dynamisierung von zentraler und lokaler Ebene". Dass sein Befund am Beispiel von Hannover verifiziert werden konnte, ist besonders aussagekräftig, weil die dortige Kommunalverwaltung im Vergleich mit anderen Städten weniger nazifiziert war. Doch selbst diese Verwaltung mit konservativem Selbstverständnis und mit Distanz zur NSDAP radikalisierte die Politik der NS-Regierung, auch wenn Städte wie Frankfurt am Main oder München etwa bei der "Arisierung" noch schärfer vorgingen.Zur Auflösung der Fußnote[27]
Die NS-Verfolgungspolitik durch die Kommunen ist noch immer nur unzureichend erforscht. Für die Lokalgeschichtsschreibung tut sich hier ein weites Forschungsfeld auf, wie allein am Beispiel der Edelmetallabgabe für Juden gezeigt werden kann: Diese zentrale, organisatorisch aufwändige Verfolgungsmaßnahme wurde nicht von der Partei oder der Gestapo, sondern von den Kommunen ausgeführt. In rund 60 kommunalen Pfandleihanstalten im Reich wurden so genannte öffentliche Ankaufstellen eingerichtet, in denen Verwaltungsmitarbeiter die abgegebenen Gegenstände registrierten, ihren Wert abschätzten, den Juden eine geringe Entschädigung dafür auszahlten, die Gegenstände einschmelzen ließen, versteigerten oder an eine zentrale Stelle nach Berlin weiterleiteten. Die Leihämter schickten insgesamt 135 Tonnen Silber und 1,3 Tonnen Gold an die Schmelzanstalten.Zur Auflösung der Fußnote[28] Die Gesamteinnahmen der öffentlichen Ankaufstellen für Wertsachen von Juden beziffert Stefan Mehl reichsweit mit rund 54 Millionen RM.Zur Auflösung der Fußnote[29] Trotz dieser Dimensionen fehlt die Aktion insämtlichen bisher vorliegenden Stadtgeschichten. Außer in Hannover ist sie lediglich in Frankfurt am Main näher untersucht.Zur Auflösung der Fußnote[30]
Auch andere Verfolgungsfelder fehlen in vielen lokalgeschichtlichen Darstellungen. Letztlich ließe sich über die erwähnten Beispiele hinaus anhand jedes beliebigen kommunalen Amtes die Mitwirkung der Städte an der NS-Verfolgungspolitik dokumentieren:
Die Personalämter entließen nach dem Berufsbeamtengesetz Mitarbeiter aus politischen und rassischen Gründen.
Die Sportämter beschlagnahmten die Sportanlagen von jüdischen Vereinen und der Arbeiterbewegung.
Die Gartenverwaltungen vertrieben Juden aus den öffentlichen Grünanlagen.
Die Statistischen Ämter ermittelten die Anzahl von Juden und "Mischlingen" im Stadtgebiet in Zusammenarbeit mit der Geheimen Staatspolizei.
Die Einwohnerämter führten Suchkarten des Gesundheitsamtes für Geschlechtskranke.
Die Wohlfahrtsämter lieferten Informationen in Sterilisations- sowie Ehegesetzgebungsverfahren und waren an der Verfolgung von "Asozialen" beteiligt.
Die Standesämter arbeiteten bei der Umsetzung der Ehegesetzgebung mit den Gesundheitsämtern Hand in Hand.
Die Stadtarchive lieferten Material zur "Sippenforschung".
Die Schulämter gaben Beurteilungen von Hilfsschülern zur Verwendung in Sterilisationsverfahren weiter und schlossen jüdische Kinder vom Unterricht aus.
Die Wohnungsämter vertrieben Juden, Sinti und Roma aus ihren Wohnungen und bereiteten Deportationen vor.
Die Fürsorgebehörden schlossen Juden von Sozialleistungen aus.
Die Oberbürgermeister genehmigten in vielen Kommunen die "Arisierungen" von Einzelhandelsgeschäften.
Die Grundstücksämter kauften Immobilien von jüdischen Eigentümern, die auswandern mussten oder deportiert wurden.
Die Kämmereien verbuchten das "arisierte" Vermögen in den städtischen Haushalten.
Die Bauämter organisierten die städtischen Kriegsgefangeneneinsätze.
Die Wirtschafts- und Ernährungsämter waren für die Lebensmittelrationierung für sämtliche Einwohner zuständig - inklusive der Juden sowie der Insassen in Gefängnissen, Gefangenen- und Konzentrationslagern. Kaum eine Behörde verfügte über einen solch umfassenden Überblick über das NS-Lagersystem.
Die Liste ließe sich fortsetzen. Den Kommunen bleibt viel Arbeit, wenn sie ihre Mitwirkung an der NS-Verfolgungspolitik aufarbeiten wollen.
Quellen / Literatur
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Auszug aus: Link hat Vorschau-PopupInterner Link:Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 14-15/2007) - Kommunen und NS-Verfolgungspolitik
Fußnoten
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Zur Erwähnung der Fußnote [1]
Vgl. Rüdiger Fleiter, Stadtverwaltung im Dritten Reich. Verfolgungspolitik auf kommunaler Ebene am Beispiel Hannovers, 2., korr. Aufl., Hannover 2007.
Zur Erwähnung der Fußnote [2]
Vgl. Sabine Mecking/Andreas Wirsching (Hrsg.), Stadtverwaltung im Nationalsozialismus. Systemstabilisierende Dimensionen kommunaler Herrschaft, Paderborn 2005; Bernhard Gotto, Nationalsozialistische Kommunalpolitik. Administrative Normalität und Systemstabilisierung durch die Augsburger Stadtverwaltung 1933 - 1945, München 2006; Detlef Schmiechen-Ackermann/Steffie Kaltenborn (Hrsg.), Stadtgeschichte in der NS-Zeit. Fallstudien aus Sachsen-Anhalt und vergleichende Perspektiven, Münster 2005.
Zur Erwähnung der Fußnote [3]
Vgl. Hans Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, Stuttgart 1966, S. 18.
Zur Erwähnung der Fußnote [4]
Vgl. dazu z.B. Rüdiger Fleiter, Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen und ihr gesellschaftliches und justizielles Umfeld, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht (GWU), 53 (2002), S. 32 - 50.
Zur Erwähnung der Fußnote [5]
Vgl. H. Mommsen (Anm. 3), S. 14.
Zur Erwähnung der Fußnote [6]
Vgl. ebd., S. 23.
Zur Erwähnung der Fußnote [7]
Vgl. ebd., S. 15. Vgl. die Kritik von Mommsens Ansatz bei Nicolas Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker. Erforschung und Erinnerung, Göttingen 2004(3), S. 564.
Zur Erwähnung der Fußnote [8]
Vgl. Léon Poliakov/Josef Wulf, Das Dritte Reich und seine Diener. Dokumente, Berlin 1956. Zur Nicht-Rezeption dieses Werks durch die westdeutschen Historiker vgl. N. Berg (Anm. 7), S. 337 - 370.
Zur Erwähnung der Fußnote [9]
Wolf Gruner/Armin Nolzen (Hrsg.), "Bürokratien". Initiative und Effizienz, Berlin 2001, S. 7 - 15.
Zur Erwähnung der Fußnote [10]
Vgl. Horst Matzerath, Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, Stuttgart 1970.
Zur Erwähnung der Fußnote [11]
Ebd., S. 434.
Zur Erwähnung der Fußnote [12]
Ebd. Vgl. auch H. Mommsen (Anm. 3), S. 18.
Zur Erwähnung der Fußnote [13]
Ebd., S. 227.
Zur Erwähnung der Fußnote [14]
Vgl. Wolf Gruner, Öffentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung. Wechselwirkung lokaler und zentraler Politik im NS-Staat (1933 - 1942), München 2002, bes.S. 291 - 293; ders., Der Deutsche Gemeindetag und die Koordinierung antijüdischer Kommunalpolitik. Zum Marktverbot für jüdische Händler und zur "Verwertung" jüdischen Eigentums, in: Archiv für Kommunalwissenschaften, 37 (1998), S. 261 - 291.
Zur Erwähnung der Fußnote [15]
Vgl. Wolf Gruner, Die NS-Judenverfolgung und die Kommunen: Zur wechselseitigen Dynamisierung von zentraler und lokaler Politik 1933 - 1941, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ), 48 (2000), S. 75 - 126.
Zur Erwähnung der Fußnote [16]
Die Radikalisierung durch die lokale Ebene wird auch thematisiert bei Michael Wildt, Gewaltpolitik. Volksgemeinschaft und Judenverfolgung in der deutschen Provinz 1932 bis 1935, in: Werkstatt Geschichte, 35 (2004), S. 23 - 43; Peter Longerich, Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung, München 1998.
Zur Erwähnung der Fußnote [17]
Vgl. W. Gruner (Anm. 15).
Zur Erwähnung der Fußnote [18]
Stellv. Gauleiter an Hauptamt für Kommunalpolitik, 24.11. 1941, Bundesarchiv Berlin, NS 25/798.
Zur Erwähnung der Fußnote [19]
Ernst Fraenkel, The Dual State, A Contribution to the Theory of Dictatorship, New York 1941.
Zur Erwähnung der Fußnote [20]
Vgl. R. Fleiter (Anm. 1), S. 57 - 121.
Zur Erwähnung der Fußnote [21]
Vgl. ebd., S. 123 - 276.
Zur Erwähnung der Fußnote [22]
Vgl. W. Gruner, Der Deutsche Gemeindetag (Anm. 14), S. 261 - 291.
Zur Erwähnung der Fußnote [23]
Vgl. R. Fleiter (Anm. 1), S. 301 - 339.
Zur Erwähnung der Fußnote [24]
Vgl. Annette Schäfer, Zwangsarbeit in den Kommunen. "Ausländereinsatz" in Württemberg 1939 - 1945, in: VfZ, 49 (2001), S. 70.
Zur Erwähnung der Fußnote [25]
Vgl. ebd., S. 55.
Zur Erwähnung der Fußnote [26]
Vgl. Karola Fings, Messelager Köln. Ein KZ-Außenlager im Zentrum der Stadt, Köln 1996.
Zur Erwähnung der Fußnote [27]
Vgl. Doris Eizenhöfer, Die Stadtverwaltung Frankfurt am Main und die "Arisierung" von Grundbesitz, in: S. Mecking/A. Wirsching (Anm. 2), S. 299 - 324; Ulrike Haerendel, Kommunale Wohnungspolitik im Dritten Reich. Siedlungsideologie, Kleinhausbau und "Wohnraumarisierung" am Beispiel Münchens, München 1999.
Zur Erwähnung der Fußnote [28]
Vgl. Ralf Banken, Der Edelmetallsektor und die Verwertung konfiszierten jüdischen Vermögens im "Dritten Reich". Ein Werkstattbericht über das Untersuchungsprojekt "Degussa AG" aus dem Forschungsinstitut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität zu Köln, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, (1999) 1, S. 171, Fn. 246.
Zur Erwähnung der Fußnote [29]
Vgl. Stefan Mehl, Das Reichsfinanzministerium und die Verfolgung der deutschen Juden 1933 - 1943, Berlin 1990, S. 85.
Zur Erwähnung der Fußnote [30]
Vgl. Monica Kingreen, Raubzüge einer Stadtverwaltung. Frankfurt am Main und die Aneignung "jüdischen Besitzes", in: Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus, 17 (2001), S. 17 - 50.
https://www.bpb.de/
Schreibtischtäter vor Gericht. Das Verfahren vor dem Münchner Landgericht wegen der Deportationen der niederländischen Juden (1959-1967): Das ... der niederländischen Juden (1959 - 1967) Gebundene Ausgabe – 23. Mai 2012
Im Zentrum der Untersuchung steht das Gerichtsverfahren gegen Wilhelm Harster vor dem Münchener Landgericht wegen Beihilfe zum Mord in 82.854 Fällen.A ls Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Den Haag war er maßgeblich mitverantwortlich für die Deportation eines Großteils der niederländischen Juden. Mitangeklagt waren Wilhelm Zoepf, der Leiter des Haager »Judenreferates«, sowie die dort angestellte Gertrud Slottke. Die Darstellung setzt die Biographien der Beschuldigten in den Zusammenhang von Generation und Weltanschauung und fragt nach ihrer Verantwortung für die Deportationen. Dabei wird die zeitgenössische Forschungsperspektive der 1960er Jahre auch mit dem aktuellen geschichtswissenschaftlichen Erkenntnishorizont abgeglichen. Resümierend stellt der Autor dieses erste Verfahren gegen einen sogenannten Schreibtischtäter in den Kontext der »Bewältigungsgeschichte« der jungen Bundesrepublik Deutschland.
Die mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate zur Verfolgung von "Schreibtischtätern" Taschenbuch – 3. März 2018
Studienarbeit aus dem Jahr 2017 im Fachbereich Jura - Strafrecht, Note: 13 Punkte, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Veranstaltung: Themen des europäischen und internationalen Strafrechts, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Schwierigkeit der Klärung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Schreibtischtätern besteht darin, dass sie nicht eigenhändig am Verbrechen mitwirken. Allerdings leisten sie durch Organisation, Planung und Anordnung von verbrecherischeren Handlungen meistens einen großen Beitrag zur Tatausführung. Aus diesem Grund kann die Verantwortlichkeit von Schreibtischtätern für Verbrechen nicht verneint werden. Vielmehr ist in Hinblick auf strafrechtliche Funktionen die genaue Bestimmung der Form der Beteiligung von Schreibtischtätern von herausgehobener Bedeutung. Die Frage, ob ein Schreibtischtäter als Täter oder Teilnehmer zu bestrafen ist, lässt sich allerdings nicht ohne weiteres beantworten.Nach dem Zweiten Weltkrieg musste sich die Gerichtspraxis mit der Aburteilung der durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft begangenen Verbrechen beschäftigen. Die Besonderheit dieser Verbrechen bestand darin, dass neben der Schuldklärung von unmittelbar ausführenden Personen, die Frage zu klären war, wie sich Personen strafbar gemacht haben, die zwar selbst an der unmittelbaren Tathandlung in keiner Weise mitgewirkt, allerdings die Tatausführung organisiert, geplant und mitgesteuert haben. Es ging somit um die Aburteilung von sogenannten "Schreibtischtätern". Das Problem der Aburteilung von Schreibtischtätern kommt allerdings nicht nur in Bezug auf die Bewältigung von nationalsozialistischen Verbrechen, sondern auch innerhalb anderer totalitären bzw. autoritären Systemen vor. So zum Beispiel haben die Mitglieder des Verteidigungsrates in der ehemaligen DDR die Tötung von Flüchtlingen an der deutschen Innengrenze durch die Mauerschützer ermöglicht. Auch während der Militärdiktatur in Argentinien unter Jorge Rafael Videla und der Präsidentschaft Alberto Fujimoris in Peru wurden zahlreiche Menschen durch staatliche Geheimdienste entführt, gefoltert und ermordet. Mit der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag ist das Problem der Verantwortlichkeit von mittelbar handelnden Machtinhabern auch für seine Rechtsprechung relevant geworden.
Mittelbare individuelle Verantwortlichkeit im Völkerstrafrecht: Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des sogenannten Schreibtischtäters im ... und Strafrechtspolitik. Kleine Reihe) Gebundene Ausgabe – 19. Januar 2004
Der vorliegende Band behandelt unter anderem das Vehältnis von deutschem Strafrecht und Völerstrafrecht. Außerdem wir auf die Individuelle Verantwortung sowie die individuelle Verantwortlichkeit staatlicher Leitungsorgane eingegangen. Desweiteren wird die mittelbare individuelle Verantwortung sogenannter "Schreibtischtäter" ausführlich diskutiert.
Biedermann und Schreibtischtäter. Materialien zur deutschen Täter- Biographie Broschiert
Der Sekretär: Martin Bormann: Der Mann, der Hitler beherrschte (Die Zeit des Nationalsozialismus – »Schwarze Reihe«)
Martin Bormann war auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Reichsleiter und ›Sekretär‹ von Hitler eine der mächtigsten Figuren des ›Dritten Reiches‹. Seine Herkunft, seinen Aufstieg, die Verbrechen, die er als Schreibtischtäter beging, und seine Intrigen schildert diese Bormann-Biographie. Der bekannte Hamburger Journalist und Zeitgeschichtler, Jochen von Lang, hat alle erreichbaren Dokumente und Details in jahrelangen Recherchen gesammelt und zu einer anschaulichen Darstellung zusammengefügt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)
Verfolgung und Verstrickung: Hitlers Helfer in Leer - Studie zur Rolle der Kommunen und ihrer Führungskräfte Taschenbuch – 1. November 2017
Der Autor untersucht u.a. die Verstrickungen der lokalen Akteure bei der "Säuberung des Volkskörpers" in der Region Leer (Ostfriesland), bei der Okkupation der Niederlande und Polens. Er schildert die Überwachung und Denunziation auf lokaler Ebene und lenkt den Blick auf fast vergessene Opfer des NS-Staates wie z.B. Kommunisten, sog. "Asoziale" und Zwangssterilisierte. Der NS-Terror und informelle Netzwerke in einer Kleinstadt werden dargestellt. Er skizziert, dass der Weg in den NS-Staat bereits im Kaiserreich begann.
NS-Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas. Rassenpolitische Selektion der Einwandererzentralstelle des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD ... Schöningh zur Geschichte und Gegenwart) Gebundene Ausgabe – 16. Juni 2011
»Rasse« war das zentrale Konstrukt, nach dem die Nationalsozialisten Europa neu ordnen wollten. Maßgeblich daran beteiligt war die Einwandererzentralstelle (EWZ.) Sie machte die SS-Rassenideen verwaltungs- und politikfähig. Der Krieg gegen Polen war der Auftakt zu dem monströsen Plan der Nazis, Europa »ethnisch neu zu ordnen«. Ziel war eine rassereine Siedlergesellschaft zur Absicherung der deutschen Herrschaft in Osteuropa. Innerhalb der NS-Volkstumspolitik hatte die EWZ eine zentrale Rolle. Sie bestimmte, wer von den Umsiedlern zur Volksgemeinschaft gehören und als rassische Elite im Osten siedeln sollte. Sie sortierte die Menschen nach den Kategorien Rasse (Anthropologie und Erbbiologie), Volk (Kultur und Politik) und Arbeit - und verankerte so das Konstrukt Rasse als verwaltungstechnische und politische Kategorie.
NS-Diplomatie und Bündnispolitik 1935-1944. Wipert von Blücher, das Dritte Reich und Finnland (Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart) Gebundene Ausgabe – 20. Juli 2011
Die deutsch-finnischen Beziehungen 1935 bis 1944 im Spiegel einer spannenden Biographie. Im Zweiten Weltkrieg war Finnland stets Ausnahme und Sonderfall: zu Anfang - im Winterkrieg gegen die UdSSR 1939/40 - auf sich alleine gestellt; dann ab Mitte 1941 Ver-bün-deter, jedoch keineswegs willfähriger Satellit Hitlers im Krieg gegen die Sowjetunion; zuletzt, 1944, versuchte es den Balanceakt zwischen Hitler und Stalin. Der letzte Deutsche Gesandte in Helsinki, Wipert von Blücher, war in den kritischen Jahren von Mitte der 1930er Jahre bis zum Herbst 1944 die eigentliche Säule des deutsch-finnischen Verhältnisses. Über seine gut geschriebene Biographie erschließt sich das ganze Panorama der Beziehungen zwischen Berlin und Helsinki, zwischen NS-Diktatur und demokratischem Kleinstaat.
Siehe auch: