AKTUELLES:
Schändung von NS-Gedenkstätten:
Opfergedenken-Missachtung im KZ Sobibor
ACHTUNG !!! Diese Seite befindet sich derzeit in kontinuierlicher Aktualisierung !!! Zuletzt aktualisiert am 26.11.2022.
Angriffe auf NS-Gedenkstätten
Deutscher Bundestag Drucksache 20/3418
20. Wahlperiode 13.09.2022
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Nicole Gohlke,
Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 20/3214 –
V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r
Nachdem Unbekannte Ende Juli 2022 binnen weniger Tage nahe der KZ-Gedenkstätte Buchenwald in Thüringen erst sieben und dann zwei weitere Gedenkbäume abgesägt und zerstört hatten, die zum Erinnerungsprojekt „1 000 Buchen“ der Lebenshilfe gehörten, wollte der Abgeordnete Jan Korte in einer Schriftlichen Frage wissen, welche Angriffe es auf NS-Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten fünf Jahren gegeben hat. In ihrer Antwort vom 28. Juli 2022 teilte die Bundesregierung mit, dass „der Begriff „NS-Gedenkstätte“ […] kein bundesweit abgestimmtes Angriffsziel im
Katalog des KPMD-PMK dar[stellt].“ Entsprechend sei eine automatisierte Auswertung nicht möglich. In ihrer Antwort griff die Bundesregierung daher alternativ auf das Angriffsziel „Gedenkstätte“ zurück und erklärte, dass „die deutschen Polizeibehörden in den vergangenen fünf Jahren 1 514 politisch motivierte Straftaten registriert“ hätten, „die sich gegen Gedenkstätten richten, darunter 856 Sachbeschädigungen und 393 Fälle des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Stand: 26. Juli 2022). […] 931 der insgesamt 1 514 Straftaten wurden im Phänomenbereich PMK -rechts registriert, 376 im Phänomenbereich PMK -links-. Auf den Phänomenbereich PMK -nicht zuzuordnen- entfallen 171 Sachverhalte. Im Phänomenbereich PMK -ausländische Ideologie- wurden 29 Straftaten erfasst, religiös motiviert waren sieben Straftaten.“ (Antwort auf die Schriftliche Frage 35 auf Bundestagsdrucksache 20/2931).
Laut Angaben der Lebenshilfe haben sich bereits zahlreiche Menschen und auch die Fußballklubs FC Schalke 04 und FC Carl Zeiss Jena bereit erklärt, sich an Nachpflanzungen für die zerstörten Bäume nahe der KZ-Gedenkstätte
Buchenwald beteiligen zu wollen. Eine große Pflanzaktion sei für den Herbst 2022 geplant (vgl. https://www.sueddeutsche.de/politik/buchenwald-baeume-faellung-ramelow-1.5627503).
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass jährlich im Schnitt mehr als 300 Angriffe (also fast täglich ein Angriff) auf Gedenkstätten erfolgen, von denen knapp zwei Drittel (62 Prozent) der eindeutig zuzuordnenden Fälle von Rechten verübt werden, und welche Schlussfolgerungenzieht sie daraus?
Die anhaltend hohe Gewaltorientierung gegen Personen und Sachen ist kennzeichnend für den Rechtsextremismus. Dabei sind insbesondere Angriffe auf Gedenkstätten der Opfer des Nationalsozialismus ein Ausdruck der rechtsextremistischen Ideologie. Die seit Längerem zu beobachtenden, an Häufigkeit und Intensität zunehmenden politisch rechts motivierten Agitationen und Straftaten verletzen Prinzipien des demokratischen Rechtstaates, haben negative Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und beeinträchtigen das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland in der Staatengemeinschaft. Weiterhin bieten die nach wie vor hohen Fallzahlen Anlass zur Sorge und erfordern ein konsequentes
Handeln der Sicherheitsbehörden. Vor diesem Hintergrund müssen die Sicherheitsbehörden ihre Anstrengungen intensivieren und der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) -rechts- bzw. dem gewaltorientierten Rechtsextremismus in
allen Ausprägungen mit einer ganzheitlichen wie nachhaltigen Bekämpfungsstrategie auf nationaler und internationaler Ebene im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenzuweisung gemeinsam begegnen. Die für den Bereich der PMK -rechts- erstellten Maßnahmen- und Konzeptpapiere werden fortlaufend auf ihre Geeignetheit hin überprüft sowie turnusmäßig, aber auch anlassbezogen aktualisiert. Mit der Umsetzung der Maßnahmen wird die Bekämpfung der PMK -rechts- und des gewaltorientierten Rechtextremismus intensiviert, erweitert und zum Teil neu strukturiert.
2. Gibt es Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, die Gedenkstätten und Erinnerungsorte besser gegen Angriffe zu schützen, und wenn ja, wie sehen diese aus, und wenn nein, warum nicht?
a) Gibt es dazu Absprachen mit den Ländern, bzw. strebt die Bundesregierung eine Zusammenarbeit mit den Ländern dazu an?
b) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung spezifische Schutzmaßnahmen und/oder Formen technischer Überwachung der Gedenkstätten, und werden für die in der Verantwortung des Bundes stehenden Gedenkstätten dafür gesondert Mittel vorgesehen, und wenn ja, in welcher Höhe?
Die Fragen 2 bis 2b werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam
beantwortet.
Es wird auf die für die Durchführung von polizeilichen Objektschutzmaßnahmen zuständigen Länder verwiesen. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse im Sinne der Fragestellung.
Hat die Bundesregierung sich eine Position zu der fehlenden statistischen Erfassung von Angriffen auf NS-Gedenkorte erarbeitet, und wenn ja, welche, und welche Schlussfolgerungen zieht sie ggf. daraus (bitte begründen)?
4. Wird sich die Bundesregierung gegenüber den Sicherheitsbehörden im Bund und in den Ländern für eine Spezifizierung der Registrierung und die Einführung eines bundesweit abgestimmten „Angriffsziel NS-Gedenkort“ im Katalog des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) einsetzen, und wenn ja, wann wird dies
geschehen, und wenn nein, warum nicht?
Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet.
Im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) werden Sachverhalte grundsätzlich einem staatsschutzrelevanten Phänomenbereich (PMK -rechts-, PMK -links-, PMK
-ausländische Ideologie-, PMK -religiöse Ideologie- und PMK -nicht zuzuordnen-) sowie einem oder mehreren Themenfeldern (z. B. Unterthemenfeld Leugnung der Kriegsschuld“ im Oberthemenfeld „Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus“) zugeordnet. Zudem wird das Angriffsziel (Ort, Sache, Institution, Veranstaltung oder Person), welches aufgrund der festgestellten oder sich aus dem Phänomenbereich und ggf. Themenfeld ergebenden Motivation heraus direkt und/oder inhaltlich angegriffen wurde, gemeldet.
Seit dem 1. Januar 2019 werden Angriffe auf NS-Gedenkstätten unter dem bundesweit abgestimmten Oberangriffsziel „Gedenkstätte“ statistisch erfasst. Eine Ausdifferenzierung dieses Oberangriffsziels in Unterangriffsziele – etwa NS-Gedenkstätten – ist mit Blick auf die derzeitigen Fallzahlen (2021: 318 Sachverhalte) aktuell nicht geplant, da die Eingrenzung über den jeweiligen Phänomenbereich, die einschlägigen Themenfelder und die Sachverhaltsdarstellungen
als ausreichend erachtet wird.
Der KPMD-PMK wird gleichwohl fortlaufend durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Kommission Staatsschutz regelmäßig überprüft und, soweit fachlich geboten, aktualisiert.
5. Auf welche Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland erfolgten nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren Angriffe (bitte nach Datum, Name der Gedenkstätte, Art des Angriffs bzw. Straftatbestand, Anzahl und politischer Orientierung von ggf. ermittelten Tatverdächtigen aufführen)?
Es wird auf die Auflistung in der Anlage* verwiesen.
6. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Aufklärungs- und Verurteilungsquote in den jeweiligen Straftatbeständen und Fallgruppen der in Frage 5 erfragten Angriffe (bitte entsprechend für die letzten fünf Jahre auflisten)?
Bezogen auf die 1 543 gemeldeten Delikte mit dem Angriffsziel „Gedenkstätte“ wurden zu 127 Straftaten Tatverdächtige ermittelt, was einer Aufklärungsquote von 8,2 Prozent entspricht.
Die Aufteilung nach Deliktskategorien ist der untenstehenden Übersicht zu entnehmen. Gemäß den Regularien des KPMD-PMK handelt es sich um einen aufgeklärten Fall, wenn für die Tat nach dem (kriminal-) polizeilichen Ermittlungsergebnis mindestens ein namentlich bekannter oder auf frischer Tat betroffener Tatverdächtiger ermittelt werden konnte.
7. Wird sich die Bundesregierung an der für den Herbst 2022 angekündigten Pflanzaktion bei der KZ-Gedenkstätte Buchenwald beteiligen, und wenn ja, in welcher Form wird dies geschehen, und wenn nein, warum nicht?
Der Bundesregierung liegen keine näheren Angaben zu der in der Frage angesprochenen Pflanzaktion vor. Die wiederholten Fällungen der Gedenkbäume des inklusiven Projekts „1 000 Buchen“ des Lebenshilfe-Werks Weimar/
Apolda e. V. dagegen sind bekannt und werden aufs Schärfste verurteilt. Um ein Zeichen gegen diese Beschädigungen und Zerstörungen von Gedenkbäumen zu setzen, hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth deshalb bereits eine gemeinsame Baumpflanzung mit dem Thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow initiiert. Die Pflanzung von zwei Linden in der Andersenstraße, dem ersten Ort der Gedenkbaumzerstörung, erfolgte am 2. September 2022.
https://dserver.bundestag.de/btd/20/034/2003418.pdf
Erinnerung in Sobibor
Angehörige fordern mehr Mitsprache
Stand: 02.11.2021 10:05 Uhr
Zum Jahrestag des Aufstands im Vernichtungslager Sobibor kritisieren Nachkommen der Opfer die Entfernung einer von ihnen gestalteten Gedenkallee. Sie fordern mehr Mitsprache bei der Erinnerungskultur, die auch mit deutschen Steuergeld finanziert wird.
Von Marcel Kolvenbach, SWR
Als Elke Tischer und Hans-Joachim Gutmann erfuhren, dass die mehr als 300 Steine und Erinnerungstafeln der Gedenkallee von Sobibor entfernt werden sollen, war es zunächst ein großer Schock für sie. Ihren Vater Kurt Gutmann hatten sie 2006 begleitet, einen Stein in Gedenken an dessen ermordete Mutter und dessen Bruder niederzulegen. Angehörige von jüdischen Opfern aus ganz Europa waren gekommen, und so war die Gedenkallee Name um Name, Stein um Stein gewachsen. Kein staatlich organisiertes Gedenken, sondern ein Erinnern, gelebt von den Nachkommen. Im Zentrum stehen die individuellen Schicksale der Opfer. Dieser Zugang eröffnet ein anderes Gedenken als die Zahlen aus der Statistik des staatlich organisierten Massenmordens.
Vernichtungslager Sobibor (reihe antifaschistische texte)
im ehemaligen Kreis Lemberg, im heutigen Ostpolen gelegen, war neben Belzec und Treblinka eines der drei Vernichtungslager der >Aktion Reinhardt<- der detailliert geplant und durchgeführten Vernichtung von über eineinhalb Million europäischer Juden. Allein in Sobibór wurden von Mai 1942 bis zum Oktober 1943 annähernd 250.000 Juden ermordet. Hier begann im Juli 1943 eine jüdische Untergrundgruppe, einen Aufstand zu planen. Als im September 1943 eine Gruppe sowjetisch-jüdischer Kriegsgefangene nach Sobibór verlegt wurden, übertrugen die Häftlinge diesen das Kommando für ihre Aufstandspläne. Bei der Revolte wurden zwölf SS-Männer getötet, etwa 300 Häftlinge konnten fliehen, nur 50 erlebten das Ende des Krieges. Das Lager wurde nach dem Aufstand sofort liquidiert und dem Erdboden gleichgemacht. Heute befindet sich dort ein Museum.
Während der "Aktion Reinhardt" ermordeten die Nazis zwischen März 1942 und November 1943 im besetzten Polen schätzungsweise rund zwei Millionen Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie deren Angehörige. Darunter waren rund 120.000 deportierte Jüdinnen und Juden vor allem aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Damit starben in den drei deutschen Vernichtungslagern von Belzec, Sobibor und Treblinka mehr Menschen als im deutschen Vernichtungslager Auschwitz, das heute für viele als Symbol der Shoah gilt. Die Gedenkallee von Sobibor, die durch einen dichten Wald führt, rekonstruiert den Weg, den die Gefangenen von der Rampe der Bahngleise zu den Gaskammern gehen mussten.Das Lager wurde nach dem Aufstand am 14. Oktober 1943 aufgelöst; nur 365 Lagerinsassen gelang damals die Flucht. 180.000 Jüdinnen und Juden aus Polen und anderen Teilen Europas ließen die Deutschen im Vernichtungslager Sobibor ermorden. Um alle Spuren der Massenmorde zu verwischen, zerstörten die Täter das Lager, verbrannten die Leichen, verstreuten ihre Asche und pflanzten darüber Bäume. Jeanette Gutmann, die Mutter von Kurt Gutmann, dessen Bruder Hans-Josef und dessen Onkel Fritz Kann überlebten nicht. Kurt Gutmann nahm von 2009 bis 2011 als einziger deutscher Nebenkläger an dem Prozess gegen den früheren SS-Wächter John Demjanjuk bei, der laut einem Gerichtsurteil seit 1943 in dem Vernichtungslager Sobibor an den Mordtaten beteiligt gewesen war.
Gegen die Entfernung der Steine der Gedenkallee protestierten vor einigen Wochen Elke Tischer und Hans-Joachim Gutmann schriftlich: "Jetzt wird der Umbau der Gedenkstätte zum Anlass genommen, die bisherige Gedenkallee dem Erdboden gleich zu machen und die sich dort befindlichen Gedenksteine zu entfernen. Es sind Gedenksteine für Tote, auch für Familienangehörige von uns. Warum kann man nicht mit Würde und pietätvoll mit den Gedenksteinen umgehen. Hat man vergessen, dass die Gedenkstätte ein Friedhof ist?" Tatsächlich bekamen sie Antwort in einem Schreiben der Leitung des Museums von Sobibor, das dem SWR vorliegt und zumindest an einigen Punkten für Klärung sorgen konnte. Die Leitung verweist darauf, dass man die Verlegung mit dem "International Steering Committee" mit Vertretern Polens, des Königreiches der Niederlande, der Slowakei und Israels diskutiert und abgestimmt habe. Außerdem verweist der Brief auf die Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk Stanlisaw Hantz aus Kassel und dem Stichting Sobibor aus Amsterdam.
Wörtlich heißt es: "In Absprache mit diesen ausländischen Partnern werden die Gedenksteine auf eine würdevolle Weise verlegt und auf einen anderen Platz gelegt, d.h. entlang der Asphaltstraße. Der Grund für ihre Verlegung ist vor allem der Bau des Denkmals - der Gedenkmauer, die an der Stelle stehen wird, wo sich der letzte Weg, der zu den Gaskammern getriebenen Opfer, befand. Die Gedenksteine werden entlang des Hauptweges gelegt", schreibt Tomasz Oleksy-Zborowski vom Museum Sobibor. Die Erinnerung weitertragen. Doch mit den Angehörigen, die die Gedenkallee angelegt haben, sei dies nie besprochen worden. Im Gegenteil, Anfragen seien nicht beantwortet worden, kritisiert Elke Tischer. Mitte September reisten die beiden darum selbst von Berlin nach Sobibor, um vor Ort den Verbleib der Steine zu klären." Nach dem Tod unseres Vaters im Dezember 2017 war es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir seinen Staffelstab aufnehmen und an die Verbrechen, die unserer Familie angetan wurden, weiter erinnern", erklärt Elke Tischer und legte gemeinsam mit ihrem Bruder Hans-Joachim Gutmann nun selbst Hand an bei der Entfernung des Steines für die Großmutter und den Onkel. Doch der weitere Verbleib der Steine und damit des gewachsenen Erinnerns sei ungewiss. Darum fordern sie und andere Angehörige jetzt mehr Mitsprache bei der künftigen Gestaltung in Sobibor. Sie möchten, dass die Nachkommen eine aktive Rolle bekommen.
Kritiker: Zivilgesellschaftliches Engagement ignoriert. Unterstützung kommt von Kamil Majchrzak, dem Vize-Präsidenten des Internationalen Komitees Buchenwald (IKBD). Seine Großeltern wurden kurz nach dem Überfall der Deutschen auf Polen 1939 Opfer des Nazi-Terrors. "Für uns Nachkommen ist die Geschichte jedoch nicht vorbei. Wir wollen mit unseren Gedenkformen aber auch Teilhabe an der Bildungsarbeit in den Gedenkstätten, weiter Zeugenschaft und eine lebendige Erinnerungskultur erhalten", sagt er dem SWR.
In Sobibor ermordeten die Nazis mehr als 180.000 Menschen. Nun veröffentlichte Bilder zeigen das Leben der Täter.
Eine Verantwortung sieht Majchrzak dabei nicht nur auf polnischer, sondern auch auf deutscher Seite. "Das mangelnde Bewusstsein für die Gedenkallee in Sobibor, die aus der Zusammenarbeit von Überlebenden und Nachkommen der Opfer mit der deutschen und niederländischen Zivilgesellschaft entstanden ist, ist auch die Folge einer fehlenden ganzheitlichen erinnerungspolitischen Strategie der Bundesregierung", meint Majchrzak. Die tatsächlich Betroffenen seien viel weiter als die ritualisierte Gedenkkultur, aber diese Initiativen fänden nicht die Anerkennung und Beteiligung, die sie verdienten. Offene Fragen zwischen Deutschland und Polen. Auch Elke Tischer fordert von der deutschen Regierung mehr Unterstützung für die Interessen der Nachkommen: "Wir fühlen uns als Angehörige, mit unserer Bitte in die Gedenkarbeit mit einbezogen zu werden, nach wie vor nicht ernst genommen. Der deutsche Bundestag hat Haushaltsmittel für solche Projekte sowohl in Deutschland als auch in Polen beschlossen, warum nutzt die Gedenkstätte meines Wissens diese Mittel bisher nicht? Oder sind ihr diese Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung nicht bekannt?"
Fotos aus Sobibor: Die Niemann-Sammlung zu Holocaust und Nationalsozialismus
Johann Niemann war stellvertretender Kommandant des Vernichtungslagers Sobibor. Am 14. Oktober 1943 wagten jüdische Gefangene den Aufstand und töteten dabei auch Niemann. Erst vor Kurzem wurden mehr als 350 Fotos und zusätzliche schriftliche Quellen aus seinem Besitz entdeckt. Die privat gesammelten und teilweise in zwei Alben zusammengestellten Bilder erlauben anhand der visuellen Überlieferung seiner Karriere ganz neue Einblicke zum Holocaust im deutsch besetzten Polen und zu den Krankenmorden der sogenannten Euthanasie, an denen Niemann beteiligt war. Der Edition dieser einzigartigen Sammlung stellen die Herausgeber eine umfassende historische Einordnung der Quellen zur Seite. Das Wissen zu der als „Aktion Reinhard“ bezeichneten Ermordung von etwa 1,8 Millionen Jüdinnen und Juden in den Todeslagern Sobibor, Belzec und Treblinka, die bis heute keinen angemessenen Platz in der gesellschaftlichen Erinnerung gefunden hat, wird durch die Niemann- Sammlung um wertvolle Erkenntnisse erweitert.
Im Gegensatz zum Vernichtungslager Auschwitz ist in Sobibor nichts mehr vom Massenmord der Nationalsozialisten zu sehen.
Auf Nachfrage bestätigte das Auswärtige Amt, dass die Bundesregierung die Gedenkstätte in Sobibor mit einer Summe von einer Million Euro im Zeitraum 2018 bis 2021 fördert. Die politische Verantwortung bei der Gestaltung und dem Umgang mit dem Gedenken liege allerdings bei den polnischen Stellen. Wörtlich heißt es in dem Antwortschreiben an den SWR: "Das Museum und die Gedenkstätte Sobibor sind seit Anfang 2012 Teil der Gedenkstätte Majdanek und unterstehen damit direkt dem polnischen Kulturministerium. Die Bundesregierung hat keinen Einfluss darauf, wie die Erinnerungskultur vor Ort gehandhabt wird, ob und wie die Zivilgesellschaft darin einbezogen wird." Der stellvertretende Direktor des Staatlichen Museums Majdanek, Mieslaw Wysok konkretisierte gegenüber dem SWR die Stellungnahme der Bundesregierung mit der Information "dass alle Bauarbeiten aus dem Haushalt des polnischen Staates finanziert werden," und verwies darauf, dass man die Angehörigen über die zuständigen Institutionen informiert habe.
Escape from Sobibor
DVD
John Demjanjuk
Ein historisches Urteil
Mit der gegen Demjanjuk verhängten Haftstrafe hat das Landgericht München Justizgeschichte geschrieben. 2011 wurde erstmals ein nichtdeutscher Wachmann eines NS-Todeslagers verurteilt - und das zudem ohne konkreten Tatnachweis. Der Münchner Richterspruch ist aber nicht rechtskräftig, denn Verteidigung und Staatsanwaltschaft legten Revision ein. Am 17. März 2012 starb Demjanjuk.
Stand: 17.03.2012 |
Das Gericht war überzeugt davon, dass der gebürtige Ukrainer 1943 als sogenannter Trawniki - ein von der SS zwangsverpflichteter Osteuropäer - 1943 ein halbes Jahr an der Ermordung von mindestens 28.060 Juden im deutschen Vernichtungslager Sobibor in Polen beteiligt war. Am 12. Mai 2011 verhängte gegen ihn das Landgericht München II eine fünfjährige Haftstrafe. Nie zuvor war in Deutschland ein Trawniki verurteilt worden.
"Teil der Vernichtungsmaschinerie"
Der Prozess
Warum in München?
Demjanjuk hielt sich vor seiner Emigration in die USA vermutlich in Feldafing am Starnberger See auf. Da das zur Landgerichtsbarkeit München gehört, übertrug der Bundesgerichtshof das Verfahren an das Landgericht München II.
Im Laufe des eineinhalb Jahre dauernden Prozesses sagten auch in Sobibor internierte Nebenkläger aus, die schilderten, wie Lager-Wächter Juden mit Gewehren in die Gaskammern trieben. Doch es fand sich kein Zeitzeuge, der den Angeklagten identifizieren konnte.
Richter Ralph Alt: "Allen Trawniki-Männern war klar, was geschah."
Der Nachweis einer konkreten Tat Demjanjuks konnte nicht erbracht werden. Das Gericht verurteilte ihn dennoch - auch ein Novum in der deutschen Justizgeschichte. Es ging davon aus, dass ein Wächter im einem Lager wie Sobibor automatisch Mordhelfer war.
"Der Angeklagte war Teil dieser Vernichtungsmaschinerie", sagte der Vorsitzende Richter Ralph Alt in der Begründung des Urteils. Jeder Trawniki habe gewusst, "dass er Teil eines eingespielten Apparates war. Allen Trawniki-Männern war klar, was geschah".
Das Verfahren
Eineinhalb Jahre - von November 2009 bis Mai 2011 - dauerte der Mammutprozess. Insgesamt gab es 93 Verhandlungstage und damit mehr als doppelt so viele wie die ursprünglich geplanten 41.
Der Feuerschein der Verbrennung der Leichen sei "kilometerweit" zu sehen gewesen, so der Richter. Alt betonte, das Gericht habe sich vom Gesetz und nicht von moralischen oder politischen Überlegungen leiten lassen.
Nach Urteil trotzdem auf freiem Fuß
Aufgrund der fehlenden Augenzeugen musste sich das Gericht auf unzählige Akten und viele Gutachten stützen. Nach dem Studium dieser Dokumente zeigte sich Alt von der Schuld des 91-Jährigen überzeugt. Der 2009 aus den USA nach München überstellte Demjanjuk hätte sogar die Höchststrafe von 15 Jahren verdient, meinte der Richter. Doch nicht zuletzt wegen des hohen Alters Demjanjuks beließ es das Gericht bei fünf Jahren.
Eines der Hauptbeweismittel: Dienstausweis
Der inzwischen Staatenlose nahm das Urteil in seinem Rollbett neben der Richterbank ohne jede Regung auf. Weil keine Fluchtgefahr bestehe, setzte Alt den Haftbefehl nach der Urteilsverkündung außer Vollzug. Demjanjuk wurde danach in einem Pflegeheim in Bad Feilnbach in Oberbayern untergebracht, in dem er am 17. März 2012 starb.
Urteil nicht rechtskräftig
Demjanjuks Anwalt Ulrich Busch hatte Freispruch gefordert. Sein Mandant sei seit 40 Jahren zum Sündenbock gemacht worden, so Busch in seinem Plädoyer. "Dieser Sündenbock soll im 91. Lebensjahr dafür bezahlen, dass Nachkriegsdeutschland die Bosse des Naziterrorismus nicht oder nicht hinreichend bestraft hat."
Jules Schelvis, einer der Nebenkläger
Zuvor hatte Busch dargelegt, dass Demjanjuk, sollte er wirklich als Wachmann in Sobibor gewesen sein, Befehlsnotstand zugute gehalten werden müsse. Die Wächter hätten keine Wahl gehabt, als die Befehle auszuführen - und es sei nicht einmal bewiesen, dass Demjanjuk überhaupt dort war.
Auch die Staatsanwaltschaft, die eine Haftstrafe von sechs Jahren verlangt hatte, leitete Schritte ein, um das Urteil zu überprüfen. Zu den Gründen für die Revision wollte sich die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Barbara Stockinger, nicht äußern.
Weil sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung Revision einlegten, wurde das Urteil gegen Demjanjuk jedoch nicht rechtskräftig, Zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs darüber kam es bis zu Demjanjuks Tod nicht. Auch nachträglich erfolgte sie nicht, weil der Tod des Angeklagten im deutschen Strafrecht ein Verfahrenshindernis ist, wodurch nur noch die Einstellung des Verfahrens zulässig ist.
Beweise aus der Oberpfalz
Entscheidend beigetragen zu dem Urteil hat die KZ-Gedenkstätte im oberpfälzischen Flossenbürg. Mit ihrer Hilfe konnte die Echtheit des Hauptbeweismittels bestätigt werden: der Demjanjuk zugeschriebene Dienstausweis aus Sobibor. Die Gedenkstätte hatte Unterlagen vorgelegt, auf denen Demjanjuk unter derselben Dienstnummer vermerkt ist: eine Transportliste, ein Dokument aus der Waffenkammer und eines mit Arbeitseinteilungen. Im KZ Flossenbürg war Demjanjuk von Oktober 1943 bis Dezember 1944 im Dienst.
Knobloch: "Zeichen für funktionierenden Rechtsstaat"
Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte: Es ist ein "Zeichen für den funktionierenden deutschen Rechtstaat". Von München gehe die "unmissverständliche Botschaft" in die Welt, dass die Täter des Holocaust für ihre Verbrechen belangt werden.
Nach Ansicht von Jerzy Montag von der Grünen-Bundestagsfraktion ist das Urteil wichtig, "weil es deutlich macht, dass jeder, der - egal in welcher Position und in welchem Rang - an der Mordmaschine des millionenfachen Holocaust mitgewirkt hat, sich schuldig gemacht hat".
Hintergrund: Demjanjuk als Handlanger der Nazis?
Im deutschen Vernichtungslager im besetzten Polen war der gebürtige Ukrainer dem Gericht zufolge von März bis September 1943 Aufseher, ein Handlanger der Nazis für den Massenmord. Als bewaffneter Wachmann soll er geholfen haben, die mit Zügen herantransportierten Männer, Frauen und Kinder in die Gaskammern zu treiben.
Der am 3. April 1920 geborene, staatenlose Demjanjuk, der seit 1952 bis zu seiner Auslieferung im Mai 2009 mit einer Unterbrechung in den USA lebte, war laut Anklage als sogenannter Trawniki in Sobibor eingesetzt. So wurde damals eine Gruppe nichtdeutscher Schergen bezeichnet, die die SS zur Vernichtung von Lagerhäftlingen rekrutierte und in dem Ort Trawniki in einem SS-Ausbildungslager instruiert hatte.
Demjanjuk bestritt Vorwürfe
Demjanjuk, der vor seiner Auswanderung in die USA den Vornamen Iwan getragen hatte, bestritt, jemals KZ-Aufseher gewesen zu sein. Er hatte sich für ein Opfer einer Verwechslung gehalten. Seiner Version nach war er nur in deutscher Kriegsgefangenschaft.
Demjanjuk stand schon einmal von 1988 bis 1993 in Israel als mutmaßlicher NS-Kriegsverbrecher vor Gericht - jedoch nicht wegen Sobibor. Zunächst wurde er zum Tod verurteilt, am Ende aber freigesprochen.
https://www.br.de/
Sobibor
DVD
4. Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zu nationalsozialistisch und rechtsextremistisch-orientierten Schändungen von Nazi-KZ-Gedenkstätten, wie des KZ Sobibor
Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten.
Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel 1 auf dieser Seite.
Während die vom Familiengericht-Amtsgericht Mosbach beauftragte forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, zunächst EINERSEITS ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten in einem Umfang von über 100 Seiten zum 07.04.2022 unter 6F 202/21 erstellt hat, entschließt sich dieselbe Gutachterin sodann, ANDERERSEITS eine ergänzende Stellungnahme von zwei ganzen DIN A4-Seiten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute, insbesondere zum Kontext der historisch nachgewiesenen Beteiligungen an NS-Massenmordverbrechen in Mosbach wie Judenverfolgung und Holocaust, NS-Verfolgung von Sinti und Roma, Nazi-Euthanasie unter 6F 202/21 zum 31.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach zu generieren.
Die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, ERWÄHNT LEDIGLICH MIT EINEM WORT DEN "NATIONALSOZIALISMUS" auf Seite 2, Absatz 2 und erwähnt lediglich mit einem Satz auf Seite 2, Absatz 2, dass der Antragsteller von NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach sich gegen den Nationalsozialismus wendet.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen hat hier die GERICHTLICH BEAUFTRAGTE EINDEUTIGE GELEGENHEIT gehabt, mit einer entsprechend beim Amtsgericht Mosbach beantragten Fristverlängerung SICH SACHLICH UND FACHLICH auch auf über 100 Seiten bezüglich der Nazi-Thematik bzw. der Nazi-Problematik vor einem deutschen BRD-Gericht EXPLIZIT ZU ÄUSSERN. Diese Gelegenheit für eine sachliche und fachliche gutachterliche Expertise zum Nationalsozialismus und nationalsozialistischen Verbrechen, deren Auswirkungen und Aufarbeitungen nach 1945, u.a. auch in Mosbach, besteht zukünftig weiterhin jederzeit für die forensische Sachverständige aus Kitzingen.
Siehe dazu auch:
Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU sogenannten NAZI-JÄGER-AKTIVITÄTEN MIT DEM AM 06.08.2022 BEIM AMTSGERICHT MOSBACH BEANTRAGTEN SCHUTZ VON NS-GEDENKSTÄTTEN gegen Schändungen, Anschläge, Attacken, etc. SOWIE ZU NS-GEDENKSTÄTTEN IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG NACH 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
EINERSEITS:
Mit den Verfügungen des Familiengerichts-Amtsgericht Mosbach vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 hat die gerichtlich beauftragte forensische Sachverständige aus Kitzingen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Chance und das gerichtliche explizite Angebot, sich sachlich und fachlich zur NS-Vergangenheitsbewältigung seit 1945 bis heute, auch zur NS-Vergangenheitsbewältigung und Nazi-Kontinuität in Mosbach und in Baden-Württemberg, AUSFÜHRLICH EXPLIZIT gutachterlich zu äußern.
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Siehe auch:
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